Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Sept. 2012 - V ZB 253/11

bei uns veröffentlicht am19.09.2012
vorgehend
Amtsgericht Oberhausen, 22 XIV 5/11 B, 25.08.2011
Landgericht Duisburg, 14 T 9/11, 18.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 253/11
vom
19. September 2012
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 18. Oktober 2011 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 25. August 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Im Übrigen (hinsichtlich der Aufrechthaltung der Haft durch das Beschwerdegericht) wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 25. August 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschie- bung für die Dauer von drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit Beschluss vom 18. Oktober 2011 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach seiner Abschiebung nach Ägypten am 2. November 2011 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung durch das Amtsgericht und der Aufrechterhaltung der Haft durch das Landgericht festzustellen.

II.

2
Das Beschwerdegericht hält den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG aF (heute § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG) für gegeben. "Aus den Gesamtumständen" ergebe sich die Befürchtung, der Betroffene werde sich der Abschiebung nicht stellen, sondern ihr entziehen. "Schon sein früheres Verhalten" begründe diesen Verdacht. Er sei noch vor Abschluss desAsylverfahrens im Jahr 2001 untergetaucht und habe seine Identität verleugnet. Abschiebungshindernisse bestünden nicht. Mildere Maßnahmen zur Sicherstellung der Abschiebung seien nicht ersichtlich.

III.

3
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
4
Sie wäre zwar als Rechtsmittel des Vertreters des Betroffenen nach § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG unstatthaft, weil dieser in erster Instanz am Verfahren nicht beteiligt war. Die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hat aber klargestellt, dass sie das Rechtsmittel für diesen selbst eingelegt hat. Als solches ist es nach erfolgter Abschiebung mit dem Antrag nach § 62 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150, 151) und auch im Übrigen zulässig.
5
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
6
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649 und vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; Senat, Beschlüsse vom 7. Mai 2009 - V ZB 180/08, juris Rn. 5, vom 11. November 2010 - V ZB 113/10, juris Rn. 3 und vom 9. Juni 2011 - V ZB 230/10, NJW 2011, 3450) müssen Beschlüsse , die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt gegebenenfalls unter Bezugnahme auf Feststellungen des ersten Rechtszugs so wiedergeben, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts nachvollzogen werden kann. Denn nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (vgl. Senat , Beschlüsse vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 7 und vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135). Wird diesen Anforderungen - wie hier - nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor. Er führt dazu, dass die Beschwerdeentscheidung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben und an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen ist (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030).
7
b) Etwas anderes gilt hier für die die Anordnung der Haft durch das Amtsgericht. Sie ist rechtswidrig, weil ihr eine Verfahrensvoraussetzung fehlt, die von Amts wegen zu prüfen ist und deren Fehlen sich klar und eindeutig aus den Akten ergibt. Deshalb ist schon jetzt festzustellen, dass die Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
8
aa) Die Haft darf nach § 417 Abs. 1 FamFG nur auf Grund eines zulässigen Haftantrags angeordnet werden. Dessen Vorliegen ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211, Rn. 12 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Der Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen , zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des Haftantrags (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, aaO, Rn. 14, vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, aaO, Rn. 8 und vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, juris Rn. 7).
9
bb) Zu den in dem Haftantrag darzulegenden Abschiebungsvoraussetzungen gehört das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG notwendige Einvernehmen der Staatsanwaltschaft. Ergibt sich - wie hier - aus dem Haftantrag (oder den ihm beigefügten Unterlagen), dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, muss der Antrag daher Angaben zu dem Vorliegen des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft enthalten (vgl. Senat , Beschlüsse vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 9 und vom 7. Juni 2011 - V ZB 44/11, juris Rn. 9 f.). Daran fehlt es. Nach den Angaben der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag ist die für den 13. Juli 2011 vorbereitete Abschiebung des Betroffenen an dem Widerspruch der Staatsanwaltschaft gescheitert, die gegen den Betroffenen zuerst das Strafverfahren durchführen wollte, zu dessen Sicherung gegen den Betroffenen Untersuchungshaft angeordnet worden war. Dazu, ob die Staatsanwaltschaft später das erforderliche Einverständnis erteilt hat oder ob das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, verhält sich der Haftantrag nicht. Die Beteiligte zu 2 hat diese Angabe auch nicht bei der Anhörung des Betroffenen nachgeholt.
10

c) Ob der Mangel des Haftantrags im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht, was für die Zukunft möglich ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29. September 2011 - V ZB 61/11, juris Rn. 8, vom 6. Oktober 2011 - V ZB 188/11, juris Rn. 12 f. und vom 31. Mai 2012 - V ZB 167/11, NJW 2012, 2448 Rn. 9), geheilt worden ist, lässt sich dagegen mangels ausreichender Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung nicht beurteilen. Die Sache ist deshalb insoweit unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

IV.

11
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Heilung des Verfahrensmangels voraussetzte, dass das fehlende Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nachträglich erteilt oder das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden wäre, die Beteiligte zu 2 die fehlende Angabe dazu nachgeholt hätte und dem Betroffenen Gelegenheit gegeben worden wäre, dazu in einer (erneuten) persönlichen Anhörung (vor dem Beschwerdegericht) Stellung zu nehmen. Stresemann Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 25.08.2011 - 22 XIV 5/11 B -
LG Duisburg, Entscheidung vom 18.10.2011 - 14 T 9/11 -

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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde zu.

(2) Das Recht der Beschwerde steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern und Kindern, wenn der Betroffene bei diesen lebt oder bei Einleitung des Verfahrens gelebt hat, den Pflegeeltern sowie
2.
einer von ihm benannten Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Befindet sich der Betroffene bereits in einer abgeschlossenen Einrichtung, kann die Beschwerde auch bei dem Gericht eingelegt werden, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/09
vom
25. Februar 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5; AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3; Art. 19 der Verordnung (EG)
Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-Verordnung)

a) Auch in den Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 70 ff. FamFG ist ein § 62
FamFG entsprechender Feststellungsantrag des Betroffenen zulässig. Einer
Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es auch in diesen Fällen nicht.

b) Die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung eines unerlaubt
aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eingereisten
Drittstaatsangehörigen (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, §§ 57
Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ist nicht schon dann unzulässig,
wenn der Ausländer bei der Grenzbehörde um Asyl nachgesucht hat (§ 18 Abs.
1 AsylVfG).

c) Bei seiner Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, ob die Abschiebung
innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, muss der Haftrichter
das voraussichtliche Ergebnis eines von dem Ausländer bei dem
Verwaltungsgericht gestellten Antrags nach §§ 80, 123 VwGO auf Aussetzung
des Vollzugs der Zurückschiebung berücksichtigen.

d) Wird - wie derzeit bei Überstellungen nach Griechenland gemäß Art. 19 der
Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin IIVerordnung
) - solchen Eilanträgen regelmäßig entsprochen, darf er, wenn die
Sache bei dem Verwaltungsgericht anhängig gemacht worden ist, eine Haft zur
Sicherung der Abschiebung nicht anordnen und hat auf die Beschwerde des
Betroffenen eine bereits angeordnete Haft nach § 426 FamFG aufzuheben.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird die Kostenentscheidung in dem Beschluss der 18. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2009 aufgehoben und festgestellt, dass dieser Beschluss die Beteiligte zu 1 in ihren Rechten verletzt hat.
Der weitergehende Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.
Die in den Rechtsmittelverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten werden beiden Beteiligten zu gleichen Teilen auferlegt. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Hälfte der der Beteiligten zu 1 entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.


1
Die Beteiligte zu 1, eine afghanische Staatsangehörige, traf am 9. September 2009 mit einem Flug aus Athen kommend auf dem Flughafen Düsseldorf ein. Bei einer Kontrolle durch Beamte der Beteiligten zu 2 wies sie sich durch einen gefälschten bulgarischen Reisepass aus. Bei der Vernehmung anlässlich ihrer Ingewahrsamnahme gab sie an, aus ihrem Heimatland über den Iran mithilfe einer Schlepperorganisation mit gefälschten Dokumenten in die Türkei gekommen und von dort mit einem Boot nach Griechenland befördert worden zu sein. Sie stelle in Deutschland einen Asylantrag. Das von dem Asylersuchen unterrichtete Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (im Folgenden: Bundesamt) bat die griechischen Behörden um Übernahme der Beteiligten zu 1.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht Düsseldorf am 10. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 angeordnet. Die Beteiligte zu 1 hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, mit dem Antrag, sie umgehend aus der Haft zu entlassen. Der Beschwerdebegründung vom 6. Oktober 2009 hat sie eine Abschrift des an demselben Tage bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Aussetzung der Maßnahmen zum Vollzug ihrer Verbringung nach Griechenland beigefügt.
3
Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen; diese ist jedoch auf Grund der am gleichen Tage ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung aller Maßnahmen zur Verbringung nach Griechenland mit sofortiger Wirkung aus der Haft entlassen worden. Mit der weiteren Beschwerde beantragt die Beteiligte zu 1, die Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft und die Rechtswidrigkeit ihrer Inhaftierung festzustellen.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, schon wegen der unerlaubten Einreise ohne Pass und Aufenthaltstitel sei ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu bejahen. Zudem liege der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor, weil wegen der unerlaubten Einreise der Beteiligten zu 1 mithilfe von Schleusern und ohne gültige Papiere und ihrer Erklärung, nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen, der begründete Verdacht bestehe, dass sie sich der Zurückschiebung durch Untertauchen entziehen werde.
5
Der gegenüber der Beteiligten zu 2 mündlich gestellte Asylantrag stehe der Haft nicht entgegen, da die Beteiligte zu 1 dadurch noch keine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erworben habe. Soweit die Beteiligte zu 1 vorgetragen habe, dass eine Zurückschiebung nach Griechenland wegen der dortigen Verhältnisse unzulässig sei, obliege die Prüfung dieses Einwands nicht dem Haftrichter, sondern sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte.
6
Auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (2 BvQ 56/09) und vom 23. September 2009 (2 BvQ 68/09) rechtfertigten keine Aufhebung der Haftanordnung, weil nicht erkennbar sei, welche tatsächlichen Umstände ihnen zugrunde gelegen hätten.
7
Die Haftanordnung sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, weil das Beschwerdegericht auch auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1 nicht feststellen könne, dass eine Zurückschiebung innerhalb der nächsten drei Monate aus Gründen, die die Beteiligte zu 1 nicht zu vertreten habe, nicht möglich sein werde.

III.

8
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
9
Sie ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass sich die Hauptsache mit der Entlassung der Beteiligten zu 1 aus der Haft erledigt hat. Angesichts des Eingriffs in ein besonders bedeutsames Grundrecht durch die Freiheits- entziehung durften bereits die vor dem 1. September 2009 gegebenen Rechtsmittel (§ 7 FEVG i.V.m. §§ 19, 22, 27, 29 FGG) nicht wegen einer im Rechtsmittelverfahren eingetretenen Erledigung als unzulässig verworfen werden (BVerfG NJW 2002, 2456, 2457). Sie blieben wegen des als schutzwürdig anzuerkennenden Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden Maßnahme zulässig, worüber auf dessen Antrag zu entscheiden war (BVerfG, a.a.O.; Senat BGHZ 153, 18, 20). Die Neugestaltung der Rechtsmittel in §§ 58 ff. FamFG hat daran nichts geändert. Die Vorschrift des § 62 FamFG, die die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags für die Beschwerde ausdrücklich bestimmt, ist auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., § 74 Rdn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG [2009], § 62 Rdn. 4).
10
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die freiheitsentziehende Maßnahme ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sich - wie hier - die Hauptsache bereits vor Anhängigkeit des Rechtsmittels erledigt hat und mit diesem allein das Ziel verfolgt wird, die Verletzung des Freiheitsgrundrechts durch die Inhaftierung festzustellen.
11
2. Der mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist teilweise begründet. Zwar verletzte nicht schon die Inhaftierung, aber die das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts die Beteiligte zu 1 in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
12
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings im Ausgangspunkt zutreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach § 57 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG bejaht.
13
aa) Die Anordnung der Freiheitsentziehung auf Antrag der Beteiligten zu 2 war nach § 417 Abs. 1 FamFG zulässig. Die Beteiligte zu 2 (Bundespolizei) ist die für die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständige Behörde, der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG für die an der Grenze - zu der auch die internationalen Flughäfen gehören (HK-AuslR/Hofmann, AufenthG, § 71 Rdn. 13) - durchzuführenden Zurückweisungen und Zurückschiebungen von Ausländern, deren Festnahme und die Beantragung von Haft übertragen ist (vgl. BVerfG NVwZ-RR 2009, 616, 617).
14
bb) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 war im Zeitpunkt der Anordnung der Haft begründet.
15
(1) Es lag der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vor. Die Beteiligte zu 1 war auf Grund unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht bestandskräftigen, verwaltungsgerichtlich noch nicht überprüften und für sofort vollziehbar erklärten Zurückschiebungsverfügung nach § 57 Abs. 1 AufenthG von dem Haftrichter zu prüfen (vgl. Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, Rz. 7 - juris; KG NVwZ 1997, 516).
16
(2) Das Beschwerdegericht hat mit zutreffender Begründung auch den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG wegen des begründeten Verdachts, dass die Beteiligte zu 1 sich der Zurückschiebung nach Griechenland entziehen werde, auf Grund der unerlaubten Einreise und der Erklärung der Beteiligten zu 1, in Deutschland bleiben zu wollen, bejaht. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
17
b) Dass die Beteiligte zu 1 gegenüber der Beteiligten zu 2 bei der Ingewahrsamnahme um Asyl nachgesucht hat, stand nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ihrer Zurückschiebung nicht entgegen.
18
aa) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist einem Ausländer, der gegenüber der Grenzbehörde um Asyl nachsucht (§ 18 Abs. 1 AsylVfG), die Einreise zu verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein anderer Staat der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und ein Auf- oder Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet wird. § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG ist eine gesetzliche Anordnung für das Verfahren der Grenzbehörden bei der Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Hintergrund der Regelung ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. Nr. L 50 S. 1, im Folgenden: Dublin II-Verordnung). Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG soll dem Ausländer bereits die Einreise verweigert werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union für die sachliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist (HK-AuslR/Bruns, § 18 AsylVfG Rdn. 14; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 18, Rdn. 58).
19
§ 18 Abs. 3 AsylVfG erweitert die Aufgaben der Grenzbehörden in den Fällen, in denen sie dem Ausländer zwar nicht mehr die Einreise verweigern können, weil dieser bereits die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat und damit eingereist ist (§ 13 Abs. 2 AufenthG), er jedoch noch im grenznahen Raum und in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise angetroffen wird. Die Grenzbehörde hat dann dessen Zurückschiebung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Ausländer ihr gegenüber erklärt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen.
20
bb) Der Ausländer erwirbt durch das gegenüber der Grenzbehörde geäußerte Asylersuchen noch nicht die unmittelbar auf Gesetz beruhende Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Diese schlösse allerdings eine Zurückschiebung auf Grund unerlaubter Einreise grundsätzlich aus, was von dem Haftrichter auch von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. zum früheren Recht: BayObLGZ 1993, 154, 155; 1993, 311, 313; OLG Karlsruhe NVwZ 1993, 811, 812). Bei einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat wird die Aufenthaltsgestattung nicht schon mit dem Asylersuchen gegenüber der Grenzoder der Ausländerbehörde, sondern nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG erst mit der Stellung eines Asylantrags nach §§ 13, 14, 23 AsylVfG bei dem zuständigen Bundesamt erworben (vgl. Senat, BGHZ 153, 18, 20).
21
Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Bestimmungen über den Asylantrag und über den Zeitpunkt seiner Stellung (Art. 2 Buchstabe c, Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) meint, dass bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG bereits mit der Protokollierung des Asylersuchens durch die Grenzbehörde entstehe, ist ihr nicht zu folgen. Die Inhaftierung des Asylbewerbers wegen unerlaubter Einreise ist nicht bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in dem ihm die Entscheidung nach Art. 19 Dublin IIVerordnung mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag nicht geprüft und er an den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde widerspricht nicht nur der bundesgesetzlichen Regelung in § 18 AsylVfG. Sie lässt sich auch nicht mit der europarechtlichen Vorschrift über das sog. Dringlichkeitsverfahren in Art. 17 Abs. 2 Dublin II-Verordnung vereinbaren. Dieses ist dann anzuwenden, wenn der Asylantrag nach einer Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts gestellt, der Betroffene wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen worden ist, aufenthaltsbeendende Maßnahmen angekündigt oder vollzogen werden oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet. Das Dringlichkeitsverfahren setzt somit eine Festnahme und eine Inhaftierung eines sich um Asyl bewerbenden Ausländers wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts in einem Mitgliedstaat voraus; es verpflichtet jedoch den um die Aufnahme des Asylbewerbers ersuchten anderen Mitgliedstaat um beschleunigte Prüfung und Entscheidung, andernfalls seine Zustimmung zur Aufnahme wegen Verfristung nach Art. 18 Abs. 6, 7 Dublin IIVerordnung als erteilt gilt (Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, 2. Aufl., Art. 17 Anm. K 11 und Art. 18 K 12 ff.).
22
c) Erfolg hat die Rechtsbeschwerde jedoch deshalb, weil das Beschwerdegericht den Umfang seiner Pflichten bei der Prüfung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG verkannt hat.
23
aa) Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass für Entscheidungen, ob Zurückschiebungen von Asylsuchenden durch Grenzbehörden (§ 18 Abs. 3 AsylVfG) oder Ausländerbehörden (§ 19 Abs. 3 AsylVfG) oder Abschiebungsanordnungen des Bundesamtes (§ 34a AsylVfG) rechtmäßig sind und ob von den Betroffenen wegen der durch einen sofortigen Vollzug drohenden Nachteile vorläufiger Rechtsschutz beansprucht und nach den Umständen gewährt werden kann, die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der Haftrichter ist nicht befugt, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu befinden (BGHZ 78, 145, 147; Senat, BGHZ 98, 109, 112).
24
bb) Das Beschwerdegericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, dass der Haftrichter bei der von ihm nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG abverlangten Prognose hinsichtlich der Durchführbarkeit einer Abschiebung in den kommenden drei Monaten nicht befugt ist, nur auf die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zu verweisen. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungs- und die Zivilgerichte darf sich nicht zu Lasten des Ausländers auswirken. Die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 GG) verlangt vielmehr eine eigene Sachverhaltsermittlung des Haftrichters, der den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei seiner Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer der Haft berücksichtigen und sich dazu bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erkundigen muss (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660).
25
cc) Dem ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden. Angesichts der ihm von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vorgelegten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2009 (NVwZ 2009, 1281) und 23. September 2009 (2 BvQ 68/09 - juris) drängte es sich auf, dass auch das Verwaltungsgericht dem anhängigen Eilantrag der Beteiligten zu 1 stattgeben und deren Zurückschiebung nach Griechenland aussetzen würde. Jedenfalls durfte das Beschwerdegericht nicht ohne eine Nachfrage bei dem Verwaltungsgericht zu dem dort anhängigen Verfahren die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Haftanordnung zurückweisen.
26
Maßgebend für die Aussetzung der Zurückschiebungen von Asylbewerbern nach Griechenland waren nämlich nicht besonders gelagerte Umstände in den jeweiligen Einzelfällen, sondern - wie das Bundesverfassungsgericht allgemein und das OVG Münster (NVwZ 2009, 1571) detailliert ausgeführt haben - davon unabhängige ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass Griechenland die europarechtlichen Mindestnormen für die Anerkennung und den Status der Bewerber um internationalen Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Abl. L 304/12) und für das Verfahren nach der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 (ABl. L 326/13) nicht einhält. Diese bilden jedoch die Grundlage für die Regelung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (Art. 5 bis 14 der Dublin II-Verordnung) und die Überstellungen der Asylbewerber nach Art. 19 Dublin II-Verordnung durch den Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, in den für die Sachentscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat (OVG Münster, aaO, 1572).
27
Vor diesem Hintergrund hätte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten dürfen, sondern nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Wegfalls des die Freiheitsentziehung legitimierenden Haftgrundes aufheben müssen. Die Bestätigung der Haftanordnung eines Ausländers, der um Asyl nachgesucht hat, zum Zwecke seiner Zurückschiebung nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung wird nach der derzeitigen Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig, wenn dieser einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte gestellt hat. Solange in solchen Fällen entsprechende Anordnungen zur Aussetzung des Vollzugs nach § 32 Abs. 1 BVerfGG oder nach §§ 80, 123 VwGO ergehen, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass eine Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.
28
3. Der weitergehende Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit auch der Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung der Beteiligten zu 1 ist dagegen unbegründet.
29
a) Das Hindernis, das einem baldigen Vollzug eines sofort vollziehbaren Zurückschiebungsbescheids entgegensteht, entsteht erst, wenn der Antrag gestellt ist, aufgrund dessen die zuständigen Verwaltungsgerichte den Vollzug der behördlichen Entscheidung aussetzen.
30
Die Behandlung der Asylbegehren unter Anwendung der Dublin II-Verordnung obliegt den nach §§ 2, 3 AsylVfBV zuständigen Behörden, gegen deren Entscheidungen Rechtsschutz allein durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird (HK-AuslR/Bruns, AsylVfG, § 27a Rdn. 14, 18 und 23; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rdn. 18 ff. und Rdn. 59 ff.). Die Aussetzung einer Zurückschiebung setzt daher einen Antrag des Betroffenen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei dem Verwaltungsgericht voraus. Legt der betroffene Ausländer dagegen kein Rechtsmittel ein, muss der Haftrichter davon ausgehen, dass die zuständige Behörde die Zurückschiebung (an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat) so schnell wie ihr möglich vollziehen wird.
31
b) Der Pflicht des Haftrichters, den Stand und den voraussichtlichen Fortgang eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in seine Prognose einzubeziehen (BVerfG NJW 2009, 2569, 2570), fehlt ohne den Antrag des Betroffen um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das zuständige Verwaltungsgericht die Grundlage. Nach Aktenlage hat die Beteiligte zu 1 den Antrag nach § 123 VwGO an das Verwaltungsgericht erst zeitgleich mit der Begründung der Beschwerde gestellt, so dass nicht schon das die Haft anordnende und über die Abhilfe entscheidende erstinstanzliche Gericht, sondern erst das Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2009 die Erfolgsaussichten des Antrags auf Aussetzung der Zurückschiebung bei der Prognose über die Durchführbarkeit der Abschiebung in den nächsten drei Monaten berücksichtigen konnte.

IV.

32
Die Entscheidung über die Verteilung der Kosten beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; die Festsetzung des Werts auf § 42 Abs. 3 FamGKG. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.09.2009 - 151 XIV 49/09 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.10.2009 - 18 T 51/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 3/03
vom
12. Juli 2004
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. Juli 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Gehrlein

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß der Zivilkammer 53 des Landgerichts Berlin vom 29. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:


I. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Berufung des Klägers gegen das am 19. Juni 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg "gemäß § 522 Abs. 1 ZPO auf seine Kosten als unzulässig verworfen , weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR nicht übersteigt (§ 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO)". Weitere Ausführungen enthält der Beschluß nicht. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mit der er
eine Grundsätzlichkeit in bezug auf den Rechtsmittelstreitwert in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten geltend macht sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG) und eine Verletzung seiner Verfahrensgrundrechte (Art. 103 GG) rügt; u.a. beanstandet er insoweit auch, daß die angefochtene Entscheidung willkürlich seine Wertangaben übergehe und "keine Gründe für die Abweichung von diesem Wert ... erkennen lasse".
II. Die gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 2, 574 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil der angefochtene Beschluß, wie der Kläger zu Recht beanstandet, nicht mit Gründen versehen ist (§ 576 Abs. 3 i.V.m. § 547 Nr. 6 ZPO n.F.). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben; anderenfalls sind sie nicht mit gesetzmäßigen Gründen versehen (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, BGHReport 2002, 902 m.w.N.). Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Berufungsgericht festgestellt hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1, 4; § 559 ZPO). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Berufungsgerichts , die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne.
Im vorliegenden Fall lassen die minimalen "Ausführungen" des angefochtenen Beschlusses weder den Streitgegenstand noch die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen, so daß die Begründung des Landgerichts für die Verwerfung der Berufung, die darin liegen soll, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes angeblich 600,00 € nicht übersteigt, in keiner Weise nachvollziehbar ist.
In welchem Umfang etwa das Berufungsgericht auf erstinstanzliche Feststellungen oder bestimmte Aktenbestandteile und mögliche vorangegangene Zwischenentscheidungen Bezug nehmen darf (vgl. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO n.F.), kann hier offenbleiben. Denn der angefochtene Beschluß verweist in keiner Weise auf anderweitig festzustellende Tatsachen.
Wegen des bezeichneten Verfahrensfehlers hat der Senat von der Erhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren abgesehen (§ 8 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n.F.). Im übrigen hat er bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit nach § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO n.F. Gebrauch gemacht.
Beschwerdewert: 1.500,00 €
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Gehrlein
5
1. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts begegnet allerdings Bedenken , weil sie keine Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden können, müssen den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Andernfalls ist das Rechtsbeschwerdegericht, das grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat (§ 577 Abs. 2 Satz 1 u. 4, § 559 ZPO), zu einer rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage (st.Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008, VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670, 1671; Beschl. v. 20. Juni 2006, VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910; Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Beschl. v. 12. Juli 2004, II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649).
3
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. Mai 2009 - V ZB 180/08, JurBüro 2009, 442 f.; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; Beschluss vom 5. August 2002 - IX ZB 51/02, NJW-RR 2002, 1571; Beschluss vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/02, NJW-RR 2005, 78; Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916) müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (für Urteile vgl. auch BGH, Urteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, MDR 2004, 289 f. mwN), wobei auch das mit dem Rechtsmittel verfolgte Rechtsschutzziel deutlich werden muss (vgl. Senat, Urteil vom 14. Januar 2005 - V ZR 99/05, MDR 2005, 705; Beschluss vom 16. September 2010 - V ZB 95/10, Rn. 3 f.; BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03, NJW-RR 2004, 573). Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung mit der Begründung verworfen wird, die Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht erreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 - II ZB 20/09, MDR 2010, 1210; Senat, Beschluss vom 16. September 2010 - V ZB 95/10, aaO). Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts , die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinn. Wird diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht (vgl. Senat, Beschluss http://www.juris.de/jportal/portal/t/xvs/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=11&numberofresults=19&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310932005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; Beschluss vom 16. September 2010 - V ZB 95/10, Rn. 3 f.; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03, aaO). So liegt es hier. Eine Sachdarstellung fehlt. Ausreichende tatsächliche Angaben zum Streitgegenstand lassen sich der angegriffenen Entscheidung auch nicht in Verbindung mit den in Bezug genommenen Beschlüssen entnehmen. Zudem fehlen Angaben zum Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens und zu dem mit der Berufung verfolgten Rechtsschutzziel.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 230/10
vom
9. Juni 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juni 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 13. August 2010 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Kempten vom 15. Juni 2010 und des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 13. August 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Beteiligten zu 2 auferlegt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. Juni 2010 gegen den aus der Türkei stammenden Betroffenen, der bereits aufgrund der Haftanordnung vom 19. März 2010 zur Sicherung der Abschiebung inhaftiert war, die Haftanordnung für die Dauer von höchstens drei Monaten verlängert. Nach Einlegung der Beschwerde gegen die erneute Haftanordnung ist der Betroffene am 12. Juli 2010 in die Türkei abgeschoben worden. Seitdem beantragt er die Feststellung, dass er in seinen Rechten verletzt worden ist. Das Landgericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Antrag weiter. Für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat er Verfahrenskostenhilfe beantragt.

II.

2
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft hätten vorgelegen. Insbesondere sei die Abschiebung auch mit dem notwendigen Nachdruck betrieben worden.

III.

3
1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist ohne Zulassung statthaft, auch wenn das Beschwerdegericht bereits über den Feststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR195010004BJNE006902310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300739600&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313842010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313842010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313842010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4). Das auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel (§ 71 FamFG) ist begründet.
4
a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen den Betroffenen schon deshalb in seinen Rechten verletzen, weil keine ausreichenden Feststellungen zur Verhältnismäßigkeit der Haftverlängerung getroffen worden sind.
5
aa) Die Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG lässt erkennen, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden soll und eine darüber hinausgehende Haftdauer nicht ohne weiteres als verhältnismäßig angesehen werden darf (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 19). Daraus folgt, dass die Verlängerung einer auf drei Monate befristeten Haftanordnung unzulässig ist, wenn die Abschiebung aus Gründen unterblieben ist, die von dem Ausländer nicht zu vertreten sind (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 19; Beschluss vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 238 f. zu § 57 Abs. 2 AuslG). Dies erfordert eine Prognose, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt der (ersten) Haftanordnung (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172, 1173 Rn. 18; Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 18), überhaupt - also ohne Berücksichtigung der von dem Ausländer zurechenbar veranlassten Verzögerungen - hätte durchgeführt werden können (Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, juris Rn. 7).
6
Diese Prognose hat der Haftrichter grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können, zu erstrecken (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17; Senat, Beschluss http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1faz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100060936&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, juris Rn. 8). Hierzu sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich (Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17: Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, aaO). Der Tatrichter darf sich insoweit nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken, die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können. Soweit die Ausländerbehörde keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es gemäß § 26 FamFG dem Gericht nachzufragen (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361,

363).

7
bb) Diesen Grundsätzen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen schon deshalb nicht gerecht, weil keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, dass ein türkischer Staatsangehöriger üblicherweise innerhalb von drei Monaten (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG) abgeschoben werden kann. Nur dann aber hätte ein verzögerndes Verhalten des Betroffenen ursächlich dafür sein können, dass die Abschiebung nicht innerhalb des genannten Zeitraums durchgeführt worden ist. Hinzu kommt, dass auch unter dem Blickwinkel des Beschleunigungsgebots (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 111/10, juris Rn. 12), das mit zunehmender Haftdauer verstärkte Anstrengungen der Behörde bei der Beseitigung von nicht in der Person des Betroffenen liegenden Hindernissen verlangt, keine subsumtionsfähigen Tatsachen festgestellt worden sind. Die floskelhafte Wendung, die Abschiebung sei mit dem notwendigen Nachdruck betrieben worden, ersetzt nicht die erforderliche Feststellung der dieser Wertung zugrunde liegenden Tatsachen.
8
b) Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Denn selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebung ohne ein schuldhaft http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE090034578&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300952002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300952002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302252002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302252002&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310932005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE065903301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - verzögerndes Verhalten des Betroffenen innerhalb von drei Monaten hätte durchgeführt werden können und mit der erforderlichen Zügigkeit betrieben worden ist, hätte der - mittlerweile abgeschobene - Betroffene persönlich auch zu dem Ausmaß der ihm vorwerfbaren zeitlichen Verzögerungen angehört werden müssen. Eine inhaltlich unzureichende persönliche Anhörung des Betroffenen führt dazu, dass der Sachverhalt nicht in dem gebotenen Umfang aufgeklärt ist und die Haftanordnung nicht hätte ergehen dürfen (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261, 262 Rn. 22).
9
c) Im Übrigen gibt die Beschwerdeentscheidung Anlass zu dem Hinweis, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 113/10, juris Rn. 3; Senat, Beschluss vom 16. September 2010 - V ZB 95/10, juris Rn. 3; Senat, Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 7; Senat, Beschluss vom 7. Mai 2009 - V ZB 180/08, juris Rn. 5; BGH, Beschluss vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; BGH, Beschluss vom 5. August 2002 - IX ZB 51/02, NJW-RR 2002, 1571; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/02, NJW-RR 2005, 78; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben müssen. Eine Bezugnahme auf Aktenbestandteile oder auf Feststellungen des ersten Rechtszuges ist dabei nicht ausgeschlossen, setzt aber voraus, dass ihr Umfang zweifelsfrei gekennzeichnet ist und die Entscheidung des Beschwerdegerichts verständlich bleibt (BayObLG NJW-RR 1997, 396, 397; Bork/Jacoby/Schwab-Müther, FamFG, § 69 Rn. 5). Denn nach § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 18. August 2010 aaO; Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE550562006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE100071361&doc.part=L&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/gls/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE310932005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/s0a/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE008400000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/s0a/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE008600000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/s0a/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR258700008BJNE008600000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/s0a/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR009600957BJNE021500160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/s0a/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR009600957BJNE021500160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/s0a/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR009600957BJNE005203160&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135). Wird diesen Anforderungen nicht genügt, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht (vgl. Senat, Beschluss vom 11. November 2010 aaO; Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; Senat, Beschluss vom 16. September 2010 - V ZB 95/10, juris Rn. 3 f.; BGH, Beschluss vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03, aaO). Hier liegt es nur deshalb anders, weil der Sachverhalt, der für die Beurteilung der von dem Senat für entscheidungserheblich erachteten Rügen maßgeblich ist, in gerade noch ausreichender Weise den Gründen der Beschwerdeentscheidung in Verbindung mit den darin enthaltenen Bezugnahmen zu entnehmen ist. So liegt es hier.
10
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO; die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, juris, Rn. 27 f.).

IV.

11
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe liegen nicht vor. Die Bezugnahme des Betroffenen auf seine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vom 1. Juli 2010 ist nicht ausreichend. Hat ein Betroffener in der Beschwerdeinstanz das nach § 117 Abs. 4 ZPO, § 1 i.V.m. Anlage 1 PKHVV vorgeschriebene Formular vollständig ausgefüllt zu den Akten gereicht, genügt in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Bezugnahme auf die vorliegende Erklärung, wenn sie unmissverständlich ist und Veränderungen seitdem nicht eingetreten sind (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 214/10, juris Rn. 4; Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB 8/04, FamRZ 2004, 1961). Dies gilt auch, wenn auf eine Erklärung in einem Parallelverfahren Bezug genommen wird (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66; BGH, Beschluss vom 27. November 1996 - XII ZB 84/96, FamRZ 1997, 546; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 119 Rn. 53 mwN). So verhält es sich hier jedoch nicht. Aufgrund der Abschiebung in die Türkei am 12. Juli 2010 haben sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen vor Erhebung der Rechtsbeschwerde grundlegend verändert. Eine Erklärung des Betroffenen hierzu, von der auch unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes zumindest grundsätzlich nicht abzusehen ist (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 aaO Rn. 10 f), liegt nicht vor. Krüger Schmidt-Räntsch Roth Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Kempten (Allgäu), Entscheidung vom 15.06.2010 - 2 XIV 26/10 -
LG Kempten, Entscheidung vom 13.08.2010 - 43 T 1273/10 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

7
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die angefochtene Entscheidung allerdings nicht deshalb zu beanstanden, weil es an der Darstellung des Sachverhalts fehlt. Zwar müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (Senat, Beschluss vom 11. Mai 2006 - V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135). Das Rechtsbeschwerdegericht ist nämlich ohne die Wiedergabe zu einer rechtlichen Überprüfung, die nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 ZPO grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, nicht in der Lage (Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, aaO). Aber das Fehlen der Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde hier deshalb nicht, weil sich die Vorgänge, auf die es ankommt , mit noch ausreichender Deutlichkeit dem Beschluss des Amtsgerichts entnehmen lassen und nach den Umständen kein Zweifel besteht, dass sich das Beschwerdegericht die erstinstanzlichen Feststellungen umfassend zu Eigen gemacht hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 172/08
vom
14. Mai 2009
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann bei einem Verbandsprozess die Erstattung
der durch die interne Unterrichtung ihrer Mitglieder über den Prozess entstehenden
Kosten nicht verlangen.

b) Das gilt auch bei einer Beschlussanfechtung, wenn sich die Wohnungseigentümer
von dem Verwalter oder dem von diesem beauftragten Prozessbevollmächtigten
vertreten lassen, den Anfechtungsprozess damit ähnlich einem Prozess des Verbands
führen.

c) Betrifft die Beschlussanfechtung die Rechtsstellung des Verwalters, sind allerdings
die Kosten der Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer über die Anfechtungsklage
und ihre Begründung erstattungsfähig, weil sich ein Beschlussanfechtungsprozess
nur bei Sicherstellung dieser Unterrichtung ähnlich einem Verbandsprozess
führen lässt.
(Fortführung von BGHZ 78, 166)
BGH, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2009 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2008 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Kostenerstattungsantrag der Beklagten über den Betrag von 3.471,89 € nebst Zinsen hinaus zurückgewiesen worden ist.
Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 16. Mai 2008 und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags werden die den Beklagten von den Klägern zu erstattenden Kosten auf insgesamt 2.441,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 6. Juni 2008 festgesetzt.
Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren tragen die Kläger zu 10 % und die Beklagten zu 90 %.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.840,18 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger fochten einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung, mit welchem diese einen Antrag auf Abberufung des Verwalters ablehnte, an. Die Klage wurde auf Kosten der Kläger abgewiesen. Die Beklagten haben, soweit hier von Interesse, 2.670,05 € an Kosten für die Unterrichtung aller übrigen 107 Mitglieder der Gemeinschaft über die „Ladung des Amtsgerichts“ und 1.170,13 € an Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder über das Urteil des Amtsgerichts jeweils nebst Zinsen zur Festsetzung angemeldet. Das Amtsgericht hat diese Kosten festgesetzt. Auf die Beschwerde der Kläger hat das Landgericht den Antrag auf Erstattung dieser Kosten zurückgewiesen. Mit ihrer von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihren Kostenerstattungsanspruch weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


2
Das Beschwerdegericht hält die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht für notwendige Kosten der Prozessführung. Zwar sei nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband auf Beklagtenseite Partei des Rechtsstreits gewesen, sondern die übrigen Wohnungseigentümer selbst. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 78, 166) könnten die einzelnen Wohnungseigentümer von dem Verwalter Unterrichtung über einen Rechtsstreit verlangen. Das könne es im Einzelfall auch gebieten, dem Wohnungseigentümer ein Schriftstück in Ab- schrift zu überlassen. Die Kosten hierfür habe aber die Gemeinschaft selbst zu tragen. Sie könne diese nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abwälzen.

III.


3
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Ergebnis überwiegend stand.
4
1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Beschwerdeentscheidung sei schon deshalb aufzuheben, weil sie den maßgeblichen Sachverhalt nicht wiedergebe.
5
a) Richtig ist, dass Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, nach gefestigter Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916; Senat, Beschl. v. 11. Mai 2006, V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030) den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben müssen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist nämlich ohne die Wiedergabe dieses Sachverhalts zu einer rechtlichen Überprüfung, die nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO grundsätzlich von dem durch das Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt auszugehen hat, nicht in der Lage. Das Fehlen eines prüffähigen Sachverhalts führt deshalb im Regelfall zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung.
6
b) In der Beschwerdeentscheidung wird der maßgebliche Sachverhalt so knapp beschrieben, dass eine rechtliche Prüfung unter normalen Umständen nicht mehr möglich, deshalb die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen wäre. Hier liegt aber der Sonderfall vor, dass die Beteiligten um die überschaubare Frage streiten, ob die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erstattungsfähig sind. Die Beschwerdeentscheidung lässt immerhin noch erkennen, dass die Beklagten die Frage bejahen und die Kläger gegenteiliger Ansicht sind. Das reicht für eine rechtliche Prüfung gerade noch aus.
7
2. Zu Recht wenden sich die Beklagten jedoch dagegen, dass das Beschwerdegericht die Kosten für die Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer gänzlich außer Ansatz gelassen hat.
8
a) Dem Beschwerdegericht ist allerdings einzuräumen, dass die Erstattung der Kosten für die Unterrichtung der Mitglieder großer Wohnungseigentümergemeinschaften über einen Rechtsstreit der Gemeinschaft bislang abgelehnt wird (OLG Koblenz NJW 2005, 3789; LG Hannover NJW-RR 1998, 303). Eine Unterrichtung des Verwalters sei ausreichend. Wie dieser die Wohnungseigentümer unterrichte, bleibe ihm überlassen. Das entspricht in der Sache der Begründung, mit welcher der Bundesgerichtshof die Zustellung einer Klage an die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft durch Zustellung an den Verwalter für ausreichend gehalten hat. Aus § 27 Abs. 2 und 3 WEG a.F. ergebe sich eine Zustellungsvollmacht des Verwalters; dies sei für die Wohnungseigentümer auch nicht unzumutbar. Sie könnten unverzügliche Unterrichtung über den Rechtsstreit verlangen; wie der Verwalter diese Information vornehme , sei seine Sache (BGHZ 78, 166, 173). Erscheine es geboten, dem einzelnen Wohnungseigentümer eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks zu übermitteln, könne und müsse der Verwalter solche Abschriften herstellen lassen ; die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten müssten billigerweise den Wohnungseigentümern zur Last fallen, weil sie in der Gemeinschaft ihren Grund hätten (BGHZ 78, 166, 173).
9
b) An dieser Überlegung hält der Senat im Grundsatz auch nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (dazu Senat BGHZ 163, 154, 162 ff.; jetzt: § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG) fest. Die damalige Entscheidung betraf einen Fall, in dem ein Dienstleister von den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft Bezahlung für seine Leistungen zur Versorgung der Wohnungseigentumsanlage verlangte. Das wäre nach § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG kein Individualprozess gegen die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft , sondern ein Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Als Verband handelt die Wohnungseigentümerschaft durch den Verwalter. Die Unterrichtung ihrer Mitglieder ist aus dieser Perspektive eine interne Angelegenheit. Die Erstattung derartiger, durch die interne Organisation verursachter Kosten wird bei staatlichen Stellen (OLG Schleswig JurBüro 1990, 622, 623 und LAG Berlin JurBüro 1995, 38 f.: Kosten der Unterrichtung anderer Stellen der Verwaltung; OLG München JurBüro 1992, 170, 171: Reisekosten eines Beamten der Zentralbehörde; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichwort „Behörde“; ähnlich BVerwG JurBüro 2005, 314, 315: Verdienstausfall bei Terminswahrung durch Behördenvertreter) und Unternehmen (LAG Düsseldorf MDR 1991, 996, 997 OLG Köln Rpfleger 1993, 420 und LAG Nürnberg JurBüro 1993, 297: zentrale Prozessführung; OLG Stuttgart JurBüro 1992, 688: Kosten der Dezentralisierung; Zöller/Herget, aaO, § 91 Rdn. 13 Stichwort "Mehrkosten") abgelehnt. Als Verband unterscheidet sich die Wohnungseigentümergemeinschaft hiervon nicht. Auch sie kann Kosten ihrer internen Kommunikation nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abwälzen.
10
c) Das Beschwerdegericht hat aber nicht ausreichend gewürdigt, dass es hier nicht um einen solchen Verbandsprozess, sondern um eine Beschlussan- fechtung ging. Auf sie können die vorstehenden Überlegungen nicht ohne Einschränkungen übertragen werden.
11
aa) Die Beschlussanfechtung ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband zu richten, sondern gegen die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft. Sie ist also gerade kein Verbands -, sondern ein Individualprozess gegen die Mitglieder der Gemeinschaft. Dieser Individualprozess ist jedoch einem Verbandsprozess gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft angenähert. Die Klage ist nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern dem Verwalter zuzustellen, der nach § 45 Abs. 1 WEG für die Wohnungseigentümer zustellungsbevollmächtigt ist. Der Verwalter ist nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt, die Wohnungseigentümer in dem Rechtstreit zu vertreten oder anwaltlich vertreten zu lassen (Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 27 Rdn. 118, 121). Diese Ähnlichkeit in der technischen Abwicklung spricht dafür, die Unterrichtung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter auch bei einer Beschlussanfechtung als interne Angelegenheit der Gemeinschaft anzusehen, deren Kosten nicht auf den unterlegenen Anfechtungskläger abgewälzt werden können. Das entspricht im Ergebnis der Intention des Gesetzgebers. Dieser hat die Zustellungsbevollmächtigung des Verwalters u.a. vorgesehen, um die der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Kosten gering zu halten (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 16/887 S. 36 f.). Sie werden zwar vor allem im Obsiegensfall teilweise auf die Wohnungseigentümergemeinschaft verlagert, weil sie eine interne Kommunikation einrichten und die Kosten dafür tragen muss. Diese kann dann aber kostensparend ausgestaltet werden, etwa indem die Unterrichtung auf einer Versammlung (dazu BGHZ 78, 166, 173) oder per E-Mail erfolgt. Diese Gleichstellung mit dem Verbandsprozess gilt jedenfalls dann, wenn die Wohnungseigentümer den Anfechtungsprozess verbandsähnlich führen und, wie hier, von ihrer Möglichkeit, den Prozess selbst zu führen (dazu Merle in Bärmann , aaO, § 27 Rdn. 129), keinen Gebrauch machen.
12
bb) Auch dann gilt allerdings eine Ausnahme. Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG verpflichtet, die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten , dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 WEG anhängig ist. Nach § 45 Abs. 1 WEG ist der Verwalter nicht zustellungsbevollmächtigt, wenn er als Gegner der Wohnungseigentümer an dem Verfahren beteiligt ist oder wenn auf Grund des Streitgegenstandes die Gefahr besteht, er werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Im ersten Fall kann der Anfechtungsprozess nicht ähnlich wie ein Verbandsprozess der Gemeinschaft geführt werden. Im zweiten Fall ist das nur möglich, wenn eine sachgerechte Unterrichtung der Wohnungseigentümer über ihren Prozess sichergestellt ist. Die Unterrichtung der Wohnungseigentümer wird in dieser Fallgruppe zur Voraussetzung für die Zustellungsvollmacht des Verwalters. Sie kann dann, bezogen auf die Zustellung der Klage, nicht mehr als interne Angelegenheit der Gemeinschaft angesehen werden. Es ist folglich nicht billig, die Kosten der Unterrichtung über ihren individuellen Rechtsstreit auch im Obsiegensfall den Wohnungseigentümern anzulasten. Vielmehr sind sie notwendig, um die Zustellung der Anfechtungsklage an den Verwalter zu ermöglichen.
13
cc) Der zweite Fall liegt hier vor. Gegenstand der Anfechtungsklage war ein Beschluss, mit dem der Antrag auf Abberufung des Verwalters zurückgewiesen wurde. Das wird zwar die Interessen der Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht berühren. Zu verklagen sind aber nicht nur die Mitglieder, die für den angefochtenen Beschluss gestimmt haben, sondern auch die, die gegen ihn gestimmt oder sich enthalten haben (Wenzel in Bärmann, aaO, § 46 Rdn. 38). Deren Interessen können bei einer solchen Beschlussanfechtung be- rührt sein. Ob die abstrakte Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung ausreicht oder ob die Zustellungsvollmacht nur bei einer konkreten Interessengefährdung entfällt (dazu Wenzel in Bärmann, aaO, § 45 Rdn. 18), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Sicherstellung einer Unterrichtung der Wohnungseigentümer ist im einen wie im anderen Fall im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig.
14
dd) Danach waren hier die Kosten für die Unterrichtung der Wohnungseigentümer über die Erhebung der Klage dem Grunde nach erstattungsfähig. Anders liegt es dagegen bei den Kosten der Unterrichtung über den Ausgang des Verfahrens. Diese sind schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig, weil die Wohnungseigentümer den Rechtsstreit wie einen Verbandsprozess geführt haben.
15
3. Die Kosten für die Unterrichtung der Wohnungseigentümer sind der Höhe nach nur insoweit erstattungsfähig, als sie notwendig sind (dazu OLG Koblenz NJW 2005, 3789). Das trifft im Ergebnis nur für 377,20 € zu, nicht aber für die übrigen angemeldeten Kosten.
16
a) Um die Wohnungseigentümer über ihren Anfechtungsstreit sachgerecht zu unterrichten, war es nötig, ihnen die Klageschrift und die Klagebegründung mit einem Anschreiben zuzuleiten, das sie auch über die Ladung zum Termin unterrichtete. Dazu waren die abgerechneten 92 Briefsendungen nebst Porto und jeweils 15 Kopien (2 Blatt Anschreiben, 3 Blatt Klageschrift und 10 Blatt Klagebegründung) erforderlich. Die Kosten hierfür belaufen sich auf der Grundlage der eingereichten Abrechnungen auf 377,20 €. Es war nicht geboten , bei mehreren zusammen wohnenden Wohnungseigentümern jedem von ihnen die Unterlagen zuzusenden.
17
b) Eine Übersendung der umfangreichen Anlagen war nicht notwendig. Zweck der Unterrichtung über die Klage ist es, den Wohnungseigentümern die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie sich selbst oder durch den Verwalter gegen die Klage verteidigen oder den Kläger unterstützen wollen. Dazu ist bei der im Kostenfestsetzungsrecht gebotenen (dazu Senat, Beschl. v. 25. Januar 2007, V ZB 85/06, NJW 2007, 2048, 2049) typisierenden Betrachtungsweise eine Zusendung der Anlagen zur Klageschrift oder Klagebegründung im Grundsatz nicht erforderlich.
18
c) Nicht angesetzt werden kann auch der Zeitaufwand für das Zusammenstellen und das Absenden der Briefsendungen an die Wohnungseigentümer. Dieser Aufwand gehört zu den Aufgaben des Verwalters und kann jedenfalls nicht auf den unterlegenen Prozessgegner abgewälzt werden.

V.


19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann

Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 04.08.2008 - 72 C 188/07 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.10.2008 - 84 T 355/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 70/05
vom
11. Mai 2006
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 11. Mai 2006 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann
und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. März 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 929,60 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen zwei Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Koblenz zurückgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, die anwaltliche Prozessvertretung der beiden sukzessive am Rechtsstreit beteiligten Beklagten stelle eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit dar. Da der Auftrag vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden sei, sei diese Angelegenheit nach den Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zu beurteilen. Auf Seiten der Beklagten sei lediglich eine nach § 6 Abs. 1 BRAGO erhöhte Prozessgebühr angefallen. Dies gelte jedenfalls deshalb, weil sich aus dem Sitzungsprotokoll ergebe, dass der Pro- zessbevollmächtigte der Beklagten bereits bei Vollzug des Parteiwechsels von der Beklagten zu 2 bevollmächtigt gewesen sei. Weitere Angaben zum Sachverhalt enthält die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts nicht; auch das Ziel der sofortigen Beschwerde wird nicht wiedergegeben.
2
Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihre "Sachanträge im Verfahren der sofortigen Beschwerde (Festsetzung der beantragten Gebühren)" weiter.

II.

3
1. Da die Beklagte zu 2 mit Wirkung zum 1. Januar 2005 ihre Rechtsform identitätswahrend von einer offenen Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft geändert hat (vgl. BayObLG, NJW-RR 1998, 1565 und 2002, 1363) und seither als Shopping-Center-A. M. & L. GmbH & Co. KG firmiert, ist das Rubrum entsprechend zu berichtigen.
4
2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt nach § 577 Abs. 4 S. 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, weil dessen Entscheidung nicht mit Gründen im Sinne der §§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 6 ZPO versehen ist.
5
Nach gefestigter Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20. Juni 2002, IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648, 2649; Beschl. v. 5. August 2002, IX ZB 51/02, NJW-RR 2002, 1571; Beschl. v. 12. Juli 2004, II ZB 3/02, NJW-RR 2005, 78 und Beschl. v. 7. April 2005, IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916) müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (für Urteile vgl. auch BGH, Urt. v. 30. September 2003, VI ZR 438/02, m.w.N.). Nach §§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht fest- gestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne. Sie begründen einen Verfahrensmangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist und die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht.
6
Die rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses scheitert bereits daran, dass der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nicht erkennbar ist. Das Beschwerdegericht bezeichnet weder die zur Festsetzung angemeldeten noch die vom Landgericht festgesetzten Kosten noch teilt es mit, in welchem Umfang die Kostenfestsetzung angegriffen wurde. Auch die Kostengrundentscheidungen und der für die Kostenerstattung erhebliche Sachverhalt lassen sich weder der Beschwerdeentscheidung noch dem erwähnten Sitzungsprotokoll entnehmen.
7
3. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 13.01.2005 - 8 O 354/03 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 09.03.2005 - 14 W 153/05 u. 154/05 -

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).

(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.

(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:

1.
die Identität des Betroffenen,
2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen,
3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung,
4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie
5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
Die Behörde soll in Verfahren der Abschiebungshaft mit der Antragstellung die Akte des Betroffenen vorlegen.

(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.

12
a) Im Zeitpunkt der Haftanordnung lag nach dem Inhalt der Verfahrensakten ein rechtswirksamer Antrag auf Anordnung der Freiheitsentziehung (§ 417 FamFG) nicht vor. Das Vorliegen eines solchen Antrags ist jedoch Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat , Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, juris, Rdn. 7).
7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Antrages der zuständigen Verwaltungsbehörde nach § 417 FamFG ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Senat, Beschl. v. 30. März 2010, V ZB 79/10, Rn. 7; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, Rn. 12, juris).
7
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die zuständige Staatsanwaltschaft dem Beschwerdegericht ihr Einvernehmen mit der Abschiebung der Betroffenen telefonisch mitgeteilt und das Beschwerdegericht die Beteiligten in dem Termin zur Anhörung der Betroffenen davon unterrichtet hat. Damit entfiel zwar das deren Abschiebung entgegenstehende Hindernis, jedoch nicht die in der Beschwerdeinstanz nicht heilbare Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Ohne einen nach § 417 FamFG wirksamen Haftantrag durfte die Abschiebungshaft weder angeordnet noch verlängert werden (vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2009, 304, 305; Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, NVwZ 2010, 1508, 1509 Rn. 19 und vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 16). Einen erneuten Haftantrag vor dem Amtsgericht hat die Beteiligte zu 2 jedoch nicht gestellt.

(1) Eine Betretenserlaubnis (§ 11 Absatz 8) darf nur mit Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Behörde, die den Ausländer ausgewiesen, abgeschoben oder zurückgeschoben hat, ist in der Regel zu beteiligen.

(2) Über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Absatz 5 oder 7 und das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 25 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 bis 4 entscheidet die Ausländerbehörde nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.

(3) Räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Absatz 2 Satz 1, Anordnungen nach § 47 und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, dürfen von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Aufenthalt des Ausländers nach den Vorschriften des Asylgesetzes auf den Bezirk der anderen Ausländerbehörde beschränkt ist.

(3a) Die Aufhebung einer Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Absatz 5 darf nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des geplanten Zuzugsorts erfolgen. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des § 12a Absatz 5 vorliegen; eine Ablehnung ist zu begründen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Ausländerbehörde am Zuzugsort nicht innerhalb von vier Wochen ab Zugang des Ersuchens widerspricht. Die Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen begründet keine Zuständigkeit einer Ausländerbehörde.

(4) Ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, darf nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Ein Ausländer, der zu schützende Person im Sinne des Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetzes ist, darf nur im Einvernehmen mit der Zeugenschutzdienststelle ausgewiesen oder abgeschoben werden. Des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn nur ein geringes Strafverfolgungsinteresse besteht. Dies ist der Fall, wenn die Erhebung der öffentlichen Klage oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Straftat nach § 95 dieses Gesetzes oder nach § 9 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern oder Straftaten nach dem Strafgesetzbuch mit geringem Unrechtsgehalt erfolgt ist. Insoweit sind Straftaten mit geringem Unrechtsgehalt Straftaten nach § 113 Absatz 1, § 115 des Strafgesetzbuches, soweit er die entsprechende Geltung des § 113 Absatz 1 des Strafgesetzbuches vorsieht, den §§ 123, 166, 167, 169, 185, 223, 240 Absatz 1, den §§ 242, 246, 248b, 263 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 265a, 267 Absatz 1 und 2, § 271 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 273, 274, 276 Absatz 1, den §§ 279, 281, 303 des Strafgesetzbuches, dem § 21 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 430) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und dem § 6 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, es sei denn, diese Strafgesetze werden durch verschiedene Handlungen mehrmals verletzt oder es wird ein Strafantrag gestellt.

(5) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch gilt nicht für Ausreiseeinrichtungen und Einrichtungen, die der vorübergehenden Unterbringung von Ausländern dienen, denen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder bei denen die Abschiebung ausgesetzt wird.

(6) Vor einer Entscheidung über die Erteilung, die Verlängerung oder den Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 4a oder 4b und die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 ist die für das in § 25 Abs. 4a oder 4b in Bezug genommene Strafverfahren zuständige Staatsanwaltschaft oder das mit ihm befasste Strafgericht zu beteiligen, es sei denn, es liegt ein Fall des § 87 Abs. 5 Nr. 1 vor. Sofern der Ausländerbehörde die zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht bekannt ist, beteiligt sie vor einer Entscheidung über die Festlegung, Aufhebung oder Verkürzung einer Ausreisefrist nach § 59 Absatz 7 die für den Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde.

(7) Zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 16a, 16d, 16e, 18a, 18b, 18c Absatz 3 und der §§ 19 bis 19c können die Ausländerbehörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Auslandsvertretung zur Erfüllung ihrer Aufgaben die Bundesagentur für Arbeit auch dann beteiligen, wenn sie ihrer Zustimmung nicht bedürfen.

9
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Antrag nicht dazu verhält, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorlag. Ausführungen dazu gehören zu der Darlegung der Voraussetzungen der Abschiebung, die ein Antrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG unbedingt enthalten muss, wenn sich aus ihm selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Das Fehlen entsprechender Ausführungen ist dann schon ein Begründungsmangel, der zur Unzulässigkeit des Antrags führt (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 10, 14 f.). So liegt es hier indessen nicht. Der Antrag lässt nicht ohne weiteres erkennen, dass wegen des Ladendiebstahls bereits ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet oder das auf dem Stammblatt des Beteiligten zu 2 am Ende angeführte Strafverfahren noch anhängig war.
9
b) In derselben Entscheidung hat der Senat auch ausgeführt, dass das Fehlen des Einvernehmens nicht nur zur Unzulässigkeit der Haft führt, sondern die Unzulässigkeit des Haftantrags zur Folge haben kann, nämlich wenn sich aus dem Antrag der beteiligten Behörde oder aus den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, und der Antrag zu dem Vorliegen des Einvernehmens keine Angaben enthält (Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10, Rn. 7 mwN, juris).
8
a) Eine rückwirkende Heilung kommt ohnehin nicht in Betracht. Liegt allerdings das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vor, kann das dazu führen, dass der Haftantrag zulässig wird. Voraussetzung ist, dass die Behörde die Antragsbegründung um die Darlegung zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360; Beschluss vom 3. Mai 2011 -V ZA 10/11, juris Rn. 11).
12
bb) Unerheblich ist, dass nach der Rechtsprechung des Senats die mit der Inhaftierung aufgrund eines unzulässigen Haftantrags einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 133/10 Rn. 7, juris; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 14, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19). Liegt nämlich im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) vor, kann das dazu führen, dass insoweit erstmals ein zulässiger Haftantrag vorhanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Das ist dann der Fall, wenn die den Haftantrag stellende Behörde die Antragsbegründung um die Darlegungen zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzt und der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11 Rn. 11, juris; Beschluss vom 27. April 2011 - V ZB 71/11 Rn. 10, juris; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10 Rn. 13, juris; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360). Ab diesem Zeitpunkt fehlt es jedenfalls im Hinblick auf das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft(en) nicht mehr an einem zulässigen - und insoweit begründeten - Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft.
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Der Mangel des Haftantrags wäre zwar - mit Wirkung für die Zukunft - geheilt worden, wenn die Beteiligte zu 2 die fehlenden Angaben nachgeholt und der Betroffene Gelegenheit erhalten hätte, dazu in einer persönlichen Anhörung Stellung zu nehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. September 2011 – V ZB 61/11, Rn. 8, juris; Beschluss vom 6. Oktober 2011 – V ZB 188/11, Rn. 12 f., juris). Hierzu ist es aber nicht gekommen.