Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2004 - IXa ZB 262/03

bei uns veröffentlicht am27.02.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IXa ZB 262/03
vom
27. Februar 2004
in der Zwangsvollstreckungssache
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft, die Richter Raebel, von Lienen, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf und
Roggenbuck
am 27. Februar 2004

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 22. September 2003 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 63.420,91 €

Gründe:


I.


Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin aus dem Urteil des Landgerichts Gießen vom 16. Oktober 2000 (Az: 2 O 553/99) und mehreren Kostenfestsetzungsbeschlüssen die Zwangsvollstreckung. Nach ihrer Forderungsaufstellung vom 22. Februar 2002 bestehen offene Ansprüche einschließlich Zinsen und Kosten in Höhe von 63.420,91 €.
In allen Vollstreckungstiteln ist als Gläubigerin die "S. Bank Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Dr. K. G. Sch. , E. -R. -Straße ...,
95030 H. /S. " genannt. Im Dezember 2001 schieden die persönlich haftenden Gesellschafter Dr. K. Sch. und K. M. Sch. aus der S. Bank KGaA aus. Als Komplementärin verblieb in der KGaA lediglich die S. Bank Geschäftsführungs GmbH. Am 12. Dezember 2001 wurde die Umfirmierung der Gesellschaft in "S. Bank GmbH & Co. KGaA" im Handelsregister eingetragen. Später wurde sie in die "S. Bank Aktiengesellschaft" umgewandelt; dies wurde am 18. Dezember 2002 im Handelsregister eingetragen.
Die Schuldnerin hat gegen die Zwangsvollstreckung am 22. Mai 2002 Erinnerung eingelegt, nachdem sie einem auf den 17. Mai 2002 bestimmten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ferngeblieben war. Sie hat die Auffassung vertreten, die "S. Bank KGaA" sei durch das Ausscheiden der zwei persönlich haftenden Gesellschafter aufgelöst, die "S. Bank GmbH & Co. KGaA" sei nicht wirksam entstanden. Außerdem sei die Vollstrekkung nicht von vertretungsberechtigten Personen beantragt worden. Ferner hat sie die Umwandlung der Gesellschaft in die "S. Bank AG" als unwirksam beanstandet. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen; die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Schuldnerin.

II.


Die unbeschränkt zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat gemeint, die von der "S. Bank GmbH & Co KGaA", die damals existent gewesen sei und sich nicht in Liquidation befunden habe, gestellten Vollstreckungsanträge seien wirksam. Das Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafter Dr. K. G. Sch. und K. M. Sch. aus der "S. Bank KGaA" habe nicht zu deren Auflösung geführt, weil neben der als Komplementärin verbliebenen "S. Bank Geschäftsführungs GmbH" noch Kommanditisten vorhanden gewesen seien. Den Regelungen der Satzung und des Gesellschaftsvertrages könne nicht entnommen werden, daß das Vorhandensein nur eines persönlich haftenden Gesellschafters , das grundsätzlich dem Fortbestand der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht entgegen stehe, zur Auflösung der Gesellschaft führen solle. Die Vollstreckungsanträge seien wirksam, weil sie u.a. von dem Handlungsbevollmächtigten St. unterzeichnet worden seien und die Handlungsvollmacht beim Betrieb einer Bank auch die Erteilung eines Zwangsvollstrekkungsauftrags umfasse. Ob die Umwandlung der "S. Bank GmbH & Co. KGaA" in die "S. Bank Aktiengesellschaft" wirksam erfolgt sei, könne im vorliegenden Verfahren nicht geprüft werden, weil nach ihrer Eintragung im Handelsregister Nichtigkeitsgründe nur im Wege der Klage auf Nichtigkeitserklärung (§ 275 AktG) geltend gemacht werden könnten.
Demgegenüber führt die Rechtsbeschwerde aus, es stehe nicht fest, daß die Gläubigerin bei Erteilung der Zwangsvollstreckungsaufträge wirksam vertreten gewesen sei. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Gläubigerin habe eine wirksame Bevollmächtigung des Handlungsbevollmächtigten St. nicht schlüssig behauptet und durch das vorgelegte "Ernennungsschreiben vom 29. Februar 2000" nicht nachgewiesen. Dem von den Bankangestellten H. B. und Ho. R. - ohne Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis und eine Vertretungsmacht - unterzeichneten Schriftstück könne in Verbindung
mit dem Handelsregister nicht entnommen werden, daß diese bevollmächtigt gewesen seien, Herrn St. eine Handlungsvollmacht gemäß § 54 Abs. 1 HGB zu erteilen. Es liege auch keine Genehmigung der Antragstellung aufgrund des Verhaltens der Gläubigerin im Beschwerdeverfahren vor, da sich deren Vertreter der Möglichkeit einer Unwirksamkeit der Vollstreckungsanträge nicht bewußt gewesen sei.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

a) Die Gläubigerin durfte aus den auf die "Sch. Bank KGaA" lautenden Titeln gegen die Schuldnerin vollstrecken. Es liegt nämlich Identität zwischen der "S. Bank KGaA", der "S. Bank GmbH & Co. KGaA" und der "S. Bank Aktiengesellschaft" trotz Gesellschafter- und Formwechsel vor (vgl. § 190 Abs. 1, § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Es bedarf deshalb auch keiner Umschreibung der Vollstreckungsklausel nach § 727 ZPO (vgl. Zöller/Stöber, ZPO 24. Aufl. § 727 Rn. 5, 32). Insbesondere ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, daß das Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafter Dr. K. G. Sch. und K. M. Sch. aus der "S. Bank KGaA" nicht zu deren Auflösung geführt hat und die Wirksamkeit der Umwandlung der "S. Bank GmbH & Co. KGaA" in die "S. Bank Aktiengesellschaft“ in diesem Verfahren nicht überprüft werden kann. Dies wird von der Rechtsbeschwerde nicht mehr in Frage gestellt.

b) Die von dem Handlungsbevollmächtigten St. für die Gläubigerin gestellten Zwangsvollstreckungsanträge sind wirksam.
Wie die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin zutreffend ausgeführt haben, durfte das Beschwerdegericht aus der vorgelegten Handlungsvollmacht vom 29. Februar 2000 und dem Vorbringen der Gläubigerin, sie habe ihrem Mitarbeiter St. Handlungsvollmacht erteilt, rechtsfehlerfrei auf eine wirksam erteilte Vollmacht schließen. Denn die Schuldnerin hat im Beschwerdeverfahren - nachdem die Gläubigerin dazu im Schriftsatz vom 20. Mai 2003 substantiiert vorgetragen hatte - die Vertretungsmacht der Bankmitarbeiter H. B. und Ho. R. , welche als Vertreter der Gläubigerin die Handlungsvollmacht für St. unterschrieben haben, nicht bestritten. Außerdem hat sich die Gläubigerin in diesem Schriftsatz auf die von ihr als wirksam angesehene Handlungsvollmacht berufen und diese somit bestätigt, so daß für das Beschwerdegericht kein Anlaß bestand, an der Vertretungsmacht der Bankangestellten H. B. und Ho. R. zur Erteilung der Handlungsvollmacht zu zweifeln.
Kreft Raebel v. Lienen
Kessal-Wulf Roggenbuck

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2004 - IXa ZB 262/03 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 727 Vollstreckbare Ausfertigung für und gegen Rechtsnachfolger


(1) Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, geg

Handelsgesetzbuch - HGB | § 54


(1) Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so

Umwandlungsgesetz - UmwG 1995 | § 190 Allgemeiner Anwendungsbereich


(1) Ein Rechtsträger kann durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten. (2) Soweit nicht in diesem Buch etwas anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften über den Formwechsel nicht für Änderungen der Rechtsform, die in anderen Gesetzen vor

Umwandlungsgesetz - UmwG 1995 | § 202 Wirkungen der Eintragung


(1) Die Eintragung der neuen Rechtsform in das Register hat folgende Wirkungen:1.Der formwechselnde Rechtsträger besteht in der in dem Formwechselbeschluss bestimmten Rechtsform weiter.2.Die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind an de

Aktiengesetz - AktG | § 275 Klage auf Nichtigerklärung


(1) Enthält die Satzung keine Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens oder sind die Bestimmungen der Satzung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, so kann jeder Aktionär und jedes Mitglied des Vo

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Enthält die Satzung keine Bestimmungen über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens oder sind die Bestimmungen der Satzung über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, so kann jeder Aktionär und jedes Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats darauf klagen, daß die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. Auf andere Gründe kann die Klage nicht gestützt werden.

(2) Kann der Mangel nach § 276 geheilt werden, so kann die Klage erst erhoben werden, nachdem ein Klageberechtigter die Gesellschaft aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen, und sie binnen drei Monaten dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist.

(3) Die Klage muß binnen drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft erhoben werden. Eine Löschung der Gesellschaft von Amts wegen nach § 397 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen.

(4) Für die Anfechtung gelten § 246 Abs. 2 bis 4, §§ 247, 248 Abs. 1 Satz 1, §§ 248a, 249 Abs. 2 sinngemäß. Der Vorstand hat eine beglaubigte Abschrift der Klage und das rechtskräftige Urteil zum Handelsregister einzureichen. Die Nichtigkeit der Gesellschaft auf Grund rechtskräftigen Urteils ist einzutragen.

(1) Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.

(2) Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist.

(3) Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte.

(1) Ein Rechtsträger kann durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten.

(2) Soweit nicht in diesem Buch etwas anderes bestimmt ist, gelten die Vorschriften über den Formwechsel nicht für Änderungen der Rechtsform, die in anderen Gesetzen vorgesehen oder zugelassen sind.

(1) Die Eintragung der neuen Rechtsform in das Register hat folgende Wirkungen:

1.
Der formwechselnde Rechtsträger besteht in der in dem Formwechselbeschluss bestimmten Rechtsform weiter.
2.
Die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind an dem Rechtsträger nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften beteiligt, soweit ihre Beteiligung nicht nach diesem Buch entfällt. Rechte Dritter an den Anteilen oder Mitgliedschaften des formwechselnden Rechtsträgers bestehen an den an ihre Stelle tretenden Anteilen oder Mitgliedschaften des Rechtsträgers neuer Rechtsform weiter.
3.
Der Mangel der notariellen Beurkundung des Formwechselbeschlusses und gegebenenfalls erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber wird geheilt.

(2) Die in Absatz 1 bestimmten Wirkungen treten in den Fällen des § 198 Abs. 2 mit der Eintragung des Rechtsträgers neuer Rechtsform in das Register ein.

(3) Mängel des Formwechsels lassen die Wirkungen der Eintragung der neuen Rechtsform oder des Rechtsträgers neuer Rechtsform in das Register unberührt.

(1) Eine vollstreckbare Ausfertigung kann für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers sowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Schuldners und denjenigen Besitzer der in Streit befangenen Sache, gegen die das Urteil nach § 325 wirksam ist, erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird.

(2) Ist die Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig, so ist dies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen.