Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2011 - IX ZR 21/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 29.599,11 € festgesetzt.
Gründe:
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- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
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- 1. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage zu den nachvertraglichen Pflichten des Rechtsanwalts bedarf keiner Klärung. Das Urteil ist nicht lange nach Beendigung des Mandats zugestellt worden, sondern noch in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Mandatsniederlegung. Der Kläger hat auch durch die Inkaufnahme eines Versäumnisurteils keine grobe Verletzung eigener Obliegenheiten begangen, sondern von einer prozessualen Möglichkeit Gebrauch gemacht.
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- Nach der Niederlegung des Mandats bleibt der Rechtsanwalt verpflichtet, seine frühere Partei über eine an ihn erfolgte Zustellung unverzüglich zu unterrichten. Darauf, dass der frühere Prozessbevollmächtigte die nachwirkende Pflicht ordnungsgemäß erfüllt, darf sich die Partei verlassen. Solange der Kläger keine Zustellungsnachricht von dem Beklagten erhalten hatte, brauchte er daher nicht damit zu rechnen, dass der Beklagte die Zustellung entgegengenommen und die Einspruchsfrist in Gang gesetzt hatte (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1979 - V ZR 146/78, VersR 1980, 383, 384; vom 2. März 1988 - IVa ZR 218/87, VersR 1988, 835, 836). Selbst wenn dem Versäumnisurteil eine Rechtsmittelbelehrung beigegeben war, konnte der Kläger mangels eigener Kenntnis des Zustellungszeitpunkts den Ablauf der Zweiwochenfrist nicht berechnen.
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- Jedenfalls wenn der Anwalt das zugestellte Urteil nicht unverzüglich an den ehemaligen Mandanten weiterleitet, sondern erst mit erheblicher Verzögerung , muss er auf das Zustellungsdatum hinweisen (vgl. Rinkler in Zugehör/ G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. Rn. 230). Vorliegend hätte eine unverzügliche Übersendung den Kläger zwar nicht früher erreicht, weil er erst am 14. April 2007 aus dem Urlaub zurückkehrte. Er hätte dann aber erkennen können, dass ein erheblicher Teil der Frist bereits abgelaufen war. Der Beklagte mag berechtigt gewesen sein, das Versäumnisurteil erst am 12. April 2007 zu übersenden, weil er von der späteren Urlaubsrückkehr wusste. Dann hätte er aber auf das Zustellungsdatum hinweisen müssen.
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- Eine möglicherweise anzunehmende eigene Erkundigungspflicht des Klägers ließ die genannte anwaltliche Pflicht des Beklagten nicht entfallen.
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- 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe annehmen dürfen, am 19. April 2007, also am vierten Werktag nach Zugang des Versäumnisurteils , noch rechtzeitig Einspruch einlegen zu können, ist nicht schlechterdings unvertretbar, weil sich der Kläger darauf verlassen durfte, dass der Beklagte ihm das Urteil pflichtgemäß unverzüglich zugeleitet und nicht länger als eine Woche liegengelassen hatte.
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- 3. Das Berufungsgericht hat die Zurechnung eines Verschuldens des Instanzanwalts des Klägers nicht willkürlich abgelehnt.
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- Rechtsanwälte, die nacheinander demselben Auftraggeber Schaden zugefügt haben, haften diesem grundsätzlich als Gesamtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines haftpflichtigen Anwalts den Schadensbeitrag des anderen Anwalts als Mitverschulden entgegenhalten lassen muss. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt voraus , dass dieser sich des Zweitanwalts bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfüllen , der durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde (BGH, Urteil vom 7. April 2005 - IX ZR 132/01, WM 2005, 1812, 1813 mwN), also, wenn der zweite Anwalt beauftragt ist, die Folgen des vom ersten Anwalts begangenen Fehlers zu beseitigen (BGH, Urteil vom 17. November 2005 - IX ZR 8/04, WM 2006, 592, 595 mwN). Das hat das Berufungsurteil zutreffend gesehen. Der neue Anwalt des Klägers war beauftragt, den Prozess fortzuführen , nicht dagegen, die Folgen der Pflichtverletzung des Beklagten zu beseitigen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung mag unzureichend gewesen sein. Je- denfalls zeigt dieser Wiedereinsetzungsantrag, dass weder der Kläger noch sein neuer Anwalt von einem Fehler des Beklagten ausgingen, dessen Folgen es zu beseitigen gelte.
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 17.07.2008 - 9 O 100/08 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.01.2009 - 12 U 162/08 -
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.