Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Okt. 2010 - IX ZR 207/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 192.467 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
- 2
- Das 1. Berufungsgericht hat bei der Auslegung des Vergleichs vom 2. Januar 2002 nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen. Es ist davon ausgegangen, dass die Regelung des § 19 Nr. 4 des Gesellschafts- vertrages mangels anderweitiger Regelung im Vergleich vom 2. Januar 2002 im Kern fortbestehen sollte. Folglich bedurfte es zur Auslegung des Vergleichs keiner Feststellungen, was sonst branchenüblich sein mag. Das Gebot des rechtlichen Gehörs schützt nicht davor, dass das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt (BVerfGE 69, 145, 148 f; 70, 288, 294; 86, 133, 146; 96, 205, 216). Nur wenn der Vortrag vom Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts aus erheblich ist, bedarf es einer Auseinandersetzung.
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- 2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vergleichs vom 2. Januar 2002 erfordert auch nicht die Zulassung der Revision zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Hätte das Berufungsgericht, wie die Beschwerde geltend macht, gegen den Grundsatz der widerspruchsfreien und interessengerechten Auslegung von Verträgen gemäß §§ 133, 157 BGB verstoßen, wären Interessen der Allgemeinheit nicht berührt. Weder bestünde Wiederholungs- noch Nachahmungsgefahr. Die Beschwerde legt im Übrigen keine der beiden Gefahren konkret dar. Sie lassen sich auch nicht unmittelbar aus der rechtlichen Begründung des Berufungsurteils oder der Sache selbst ableiten, weil es sich hierbei um die Beurteilung einer einzelfallbezogenen Vertragsklausel handelt.
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- 3. Die Zulassung der Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage erforderlich, ob der Kläger die Kosten der Vollstreckung aus dem am 2. Januar 2002 geschlossenen Vergleich nach § 788 Abs. 2 ZPO gegen die verbliebenen Gesellschafter festsetzen lassen kann, soweit sein Abfindungsanspruch durch den am 15. Dezember 2005 geschlossenen Vergleich in vollstreckungsfähiger Weise bestätigt worden ist. Es ist bereits geklärt, dass Vollstreckungskosten weiterhin gegen den Schuldner festgesetzt werden können, wenn die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Vollstreckungstitels zweifelhaft ist, der ihm zugrunde liegende materielle Anspruch aber der Sache nach später durch einen Prozessvergleich bestätigt wird (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 2003 - IXa ZB 204/03, WM 2003, 2294; v. 24. Februar 2010 - XII ZB 147/05, MDR 2010, 654).
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- 4. Bedarf an Einheitlichkeitssicherung wird schließlich auch nicht durch die Annahme des Berufungsgerichts begründet, den Kläger treffe ein überwiegendes Mitverschulden daran, dass der von den Beklagten verursachte Schaden durch zwei im Vollstreckungsverfahren eingelegte aussichtslose Rechtsmittel vergrößert wurde. Das Berufungsgericht hat die Senatsrechtsprechung zur Zurechnung des Verschuldens eines Zweitanwalts im Verhältnis zwischen Mandant und Erstanwalt (BGH, Urt. v. 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93, WM 1994, 948; v. 29. November 2001 - IX ZR 278/00, NJW 2002, 1117, 1121; vgl. auch Urt. v. 17. November 2005 - IX ZR 8/04, WM 2006, 592, 595, sowie Mennemeyer in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 995 ff) nicht verkannt. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass den Kläger ein eigenes Verschulden treffe, weil er nach seinem eigenen Informationsstand vor Einlegung jener Rechtsmittel selbst habe erkennen können, dass hierfür keine Erfolgsaussichten bestünden.
- 6
- Von 5. einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 06.07.2007 - 8 O 393/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 02.10.2008 - 12 U 94/07 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils. Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner; § 100 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
(2) Auf Antrag setzt das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten gemäß § 103 Abs. 2, den §§ 104, 107 fest. Im Falle einer Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 887, 888 und 890 entscheidet das Prozessgericht des ersten Rechtszuges.
(3) Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird.
(4) Die Kosten eines Verfahrens nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 851a, 851b, 900 und 904 bis 907 kann das Gericht ganz oder teilweise dem Gläubiger auferlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht.