Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2008 - IX ZB 256/08

bei uns veröffentlicht am06.11.2008
vorgehend
Amtsgericht München, 1501 IN 1007/07, 10.04.2008
Landgericht München I, 14 T 7585/08, 29.05.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 256/08
vom
6. November 2008
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape und Grupp
am 6. November 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 29. Mai 2008 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

Gründe:


1
Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich der Rechtsmittelzug nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, wenn das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732; v. 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379; v. 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340, 341; v. 21. September 2006 - IX ZB 127/05, ZIP 2006, 2008). Die Rechtsbeschwerde ist daher auch im Rahmen von Anträgen auf Erhöhung der Pfändungsgrenze nach § 850c ZPO in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 InsO nur auf Zulassung des Beschwerdegerichts nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO eröffnet (BGH, Beschl. v. 21. September 2006 aaO Rn. 4), an der es hier fehlt. Die Zulassung kann auch nicht nachgeholt werden.

2
Im Hinblick auf die unzutreffende Belehrung über die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde durch das Landgericht sind keine Gerichtskosten zu erheben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Kayser Raebel Gehrlein Pape Grupp
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 10.04.2008 - 1501 IN 1007/07 -
LG München I, Entscheidung vom 29.05.2008 - 14 T 7585/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 21 Nichterhebung von Kosten


(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Insolvenzordnung - InsO | § 36 Unpfändbare Gegenstände


(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnun

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BESCHLUSS
IX ZB 239/04
vom
12. Januar 2006
in dem Verbraucherinsolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen wird von der Abtretungserklärung
gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst (Fortführung von
BGH, ZVI 2005, 437).

b) Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur Insolvenzmasse
, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder
während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.
BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04 - LG Aschaffenburg
AG Aschaffenburg
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 12. Januar 2006

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners und die sofortige Beschwerde des Treuhänders werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aschaffenburg vom 29. September 2004 und der Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 19. August 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.022,90 € festgesetzt.
Dem Schuldner wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Kummer beigeordnet.

Gründe:


I.


1
Beschluss Mit vom 24. Oktober 2001 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - auf Eigenantrag das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. Nach Durchführung des Schlusstermins wurde das Verfahren durch Beschluss vom 18. November 2003 aufgehoben. Zum Treuhänder im Restschuldbefreiungsverfahren wurde der bisherige Treuhänder bestimmt.
2
Für das Jahr 2003 stand dem Schuldner ein Einkommensteuererstattungsanspruch von 1.162 € zu. Diesen teilte das Finanzamt, nachdem das Insolvenzverfahren am 18. November 2003 aufgehoben worden war, anteilig auf. Den auf die Zeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens entfallenden Betrag in Höhe von 1.022,90 € überwies es an die Gerichtskasse, den Restbetrag von 139,10 € an den Schuldner.
3
Beschluss Mit vom 19. August 2004 hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - von Amts wegen entschieden, dass auch der an die Gerichtskasse überwiesene Betrag dem Schuldner zustehe. Auf die sofortige Beschwerde des Treuhänders hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und festgestellt, dass der (Rest-)Anspruch auf Einkommensteuererstattung in Höhe von 1.022,90 € dem Treuhänder zustehe. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

II.


4
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 793 ZPO, weil sie vom Landgericht zugelassen worden ist. Hieran ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden, § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
5
Für die Frage, was der Treuhänder durch die Abtretung erlangt, findet gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 InsO entsprechende Anwendung. Vorliegend geht es um die Frage, ob der Einkommensteuererstattungsanspruch pfändbares Einkommen darstellt. Dies ist in § 850 ZPO geregelt. Gemäß § 36 Abs. 4 InsO ist für die Entscheidung dieser Frage wie in den Fällen des § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht zuständig (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, ZIP 2004, 732). Der Rechtsmittelzug richtet sich in diesem Fall nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften. Deshalb war hier gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde gegeben (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 aaO; v. 17. Februar 2004 - IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441). Der Beschluss des Insolvenzgerichts, dem eine Anhörung des Treuhänders vorausgegangen war, hatte Entscheidungscharakter (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379).
6
Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, § 575 Abs. 1 bis 3 ZPO.

III.


7
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der bisherigen Entscheidungen sowie zur Zurückverweisung an das Insolvenzgericht.
8
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Anspruch auf Einkommensteuererstattung für das Jahr 2003 von der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO umfasst sei und deshalb dem Treuhänder zustehe.
9
Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, wird der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst , weil er öffentlich-rechtlicher Natur ist und nicht den Charakter eines Einkommens hat, das dem Berechtigten aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zusteht (BGH, Urt. v. 21. Juli 2005 - IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437, 438).
10
2. Der streitige Betrag unterfällt damit derzeit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss vom 18. November 2003 hat der Schuldner dieses Recht über sein Vermögen zurückerlangt, soweit es nicht von der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO erfasst wird. Der Anspruch auf Steuerrückerstattung war damit aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen (MünchKomm-InsO/Hintzen, § 200 Rn. 31, § 203 Rn. 21; Kübler/Prütting/Holzer, InsO § 200 Rn. 6 f).
11
3. Das Insolvenzgericht hätte jedoch von Amts wegen die Anordnung einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 InsO prüfen müssen. Eine sol- che Anordnung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren zulässig (BGH, Beschl. v. 1. Dezember 2005 - IX ZB 17/04, z.V.b.). Diese Entscheidung wird das Insolvenzgericht nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt dann eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein (MünchKomm-InsO/Hintzen, § 203 Rn. 21; HK-InsO/Irschlinger, aaO § 203 Rn. 6).
12
Bei seiner Entscheidung wird das Insolvenzgericht davon auszugehen haben, dass der streitige Betrag nach dem Schlusstermin als Gegenstand der Masse ermittelt worden ist, § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
13
Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht gepfändet werden können, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse (vgl. BGHZ 92, 339, 340 f). Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer sind jedoch gemäß § 46 Abs. 1 AO pfändbar (BGHZ 157, 195; BFHE 187, 1, 3; BFH InVo 2000, 277, 278; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 35 Rn. 68).
14
Der Anspruch auf Steuererstattung entsteht, wie die Einkommensteuerschuld , gemäß § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Vor diesem Zeitpunkt steht nicht fest, ob für das Kalenderjahr eine Einkommensteuer entstanden ist, die niedriger ist als die Vorauszahlungen , die der Steuerpflichtige geleistet hat (BFHE 128, 146, 147; 179, 547, 550 f). Die Steuerfestsetzung hat auf den Entstehungszeitpunkt keinen Einfluss; denn sie hat für das Steuerschuldverhältnis nur deklaratorischen Charakter (BFHE 73, 300, 301; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109).
15
Die Frage, welchem Vermögen Steuererstattungsansprüche zuzuordnen sind, bestimmt sich für die Zwecke des Insolvenzverfahrens nicht nach Steuerrecht , sondern nach Insolvenzrecht. Maßgebend ist danach nicht der Zeitpunkt der Vollentstehung des Rechts, sondern der Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist (BFHE 128, 146, 147; 172, 308, 310; 179, 547, 551). Der Anspruch hängt in diesem Fall nur noch vom Zeitablauf ab (vgl. BGHZ 92, 339, 341).
16
Dieser Rechtsgrund ist hier bereits mit der Abführung der Lohnsteuer entstanden, die auf die Einkommensteuer anzurechnen ist, § 36 Abs. 2 EStG. Durch Steuerabzug erhoben im Sinne dieser Vorschrift ist auch die gemäß § 38 EStG einbehaltene und an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer (Ludwig Schmidt/Heinicke, EStG 24. Aufl. § 36 Rn. 5, § 38 Rn. 1).
17
Der Erstattungsanspruch stand lediglich unter der aufschiebenden Bedingung , dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer geringer sein würde als die Summe der Anrechnungsbeträge, so dass sich gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 2 AO ein Erstattungsbetrag ergab (vgl. BFH BStBl II 1979, 639, 640; BFHE 179, 547, 551; Tipke/Kruse, AO Stand September 2005 § 251 Rn. 102; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109). Die Finanzbehörde ist bereits dann etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt verwirklicht worden ist (Franz Klein, AO 8. Aufl. § 251 Rn. 25; MünchKomm-InsO/Brandes, § 95 Rn. 26).
18
Der Insolvenzschuldner hat mit der Vorauszahlung eine Anwartschaft auf den am Ende des Veranlagungszeitraums entstehenden Erstattungsanspruch, so dass dieser in die Masse fällt, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während dessen Dauer der ihn begründende Sachverhalt verwirklicht ist. Derartige Steuererstattungsanspüche werden daher zu Recht allgemein als zur Insolvenzmasse gehörig angesehen (BFHE 170, 300, 301; 179, 547, 551 und ständig; AG Göttingen NZI 2001, 270, 271; AG Dortmund ZInsO 2002, 685; Jaeger/Henckel, InsO § 35 Rn. 109; Uhlenbruck, InsO § 35 Rn. 68; Kilger/ K. Schmidt, Insolvenzgesetze § 1 KO Anm. 2 B d; Kübler/Prütting/Holzer, § 35 Rn. 84; MünchKomm-InsO/Lwowski, § 35 Rn. 422; Tipke/Kruse aaO § 251 Rn. 102; Pahlke/Koenig, AO § 251 Rn. 104; Hess, InsO 2. Aufl. § 35 f Rn. 250; HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl. § 35 Rn. 24; Nerlich/Römermann/Andres, § 35 Rn. 59; Braun/Bäuerle, InsO 2. Aufl. § 35 Rn. 70; Frotscher, Besteuerung in der Insolvenz 5. Aufl. S. 52).
19
4. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO; vgl. BGHZ 160, 176, 185 f).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Aschaffenburg, Entscheidung vom 19.08.2004 - IK 168/01 -
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 29.09.2004 - 4 T 169/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 127/05
vom
21. September 2006
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
während der Insolvenz
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts über eine Erinnerung gegen die Art
und Weise der Herausgabevollstreckung aus einem Eröffnungsbeschluss findet die
sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO statt.
BGH, Beschluss vom 21. September 2006 - IX ZB 127/05 - LG Köln
AG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 21. September 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. April 2005 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
1. Über das Vermögen des Schuldners ist am 12. Februar 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der (weitere) Beteiligte zu 2 ist zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Dieser beabsichtigt, die Herausgabe der im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Der Schuldner vertritt die Ansicht, dass der Eröffnungsbeschluss keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Er hat Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung eingelegt. Das Amtsgericht - Abteilungsrichter - hat die Vollstreckungserinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist als unzulässig verworfen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Aufhebung des Verwerfungs- beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht erreichen.
2
2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft, weil das Beschwerdegericht sie nicht zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
3
a) Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich der Rechtmittelzug nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften , wenn das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet (BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004 - IX ZB 97/03, WM 2004, 834, 835; v. 6. Mai 2004 - IX ZB 104/04, ZIP 2004, 1379; v. 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04, ZIP 2006, 340 f). Gemäß § 148 Abs. 2 InsO kann der Verwalter auf Grund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses die Herausgabe der Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners befinden, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. § 766 ZPO gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Vollstreckungsgerichts das Insolvenzgericht tritt. Ob die Art und Weise der Zwangsvollstreckung zulässig ist, ist nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zu beurteilen, welche für die Durchführung der Zwangsvollstreckung gelten (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 170).
4
b) Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 20. Dezember 2004 war daher - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nach § 793 ZPO statthaft. Gilt jedoch der allgemeine Vollstreckungsrechtsschutz , findet die Rechtsbeschwerde nur auf Zulassung des Beschwerdegerichts statt (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO; vgl. BGH, Beschl. v. 5. Februar 2004, aaO). Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden. Auf die Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache kommt es nur in den Fällen des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO an, also bei Rechtsbeschwerden, die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung statthaft sind.
5
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 2 ZPO abgesehen.
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 20.12.2004 - 73 IN 741/02 -
LG Köln, Entscheidung vom 13.04.2005 - 1 T 116/05 -

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850l, 851c, 851d, 899 bis 904, 905 Satz 1 und 3 sowie § 906 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Verfügungen des Schuldners über Guthaben, das nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos nicht von der Pfändung erfasst wird, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Freigabe dieses Kontoguthabens durch den Insolvenzverwalter.

(2) Zur Insolvenzmasse gehören jedoch

1.
die Geschäftsbücher des Schuldners; gesetzliche Pflichten zur Aufbewahrung von Unterlagen bleiben unberührt;
2.
im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners die Sachen nach § 811 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b und Tiere nach § 811 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe b der Zivilprozessordnung; hiervon ausgenommen sind Sachen, die für die Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit erforderlich sind, welche in der Erbringung persönlicher Leistungen besteht.

(3) Sachen, die zum gewöhnlichen Hausrat gehören und im Haushalt des Schuldners gebraucht werden, gehören nicht zur Insolvenzmasse, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, daß durch ihre Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.

(4) Für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Vorschriften der Zwangsvollstreckung unterliegt, ist das Insolvenzgericht zuständig. Anstelle eines Gläubigers ist der Insolvenzverwalter antragsberechtigt. Für das Eröffnungsverfahren gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.