Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juli 2007 - IX ZB 233/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 484.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, §§ 6, 7 InsO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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- Die Frage, ob der Schuldner seinen Wohnsitz nach Eingang des Insolvenzantrags rechtsmissbräuchlich verlegt hat, ist nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für die Frage, ob der Schuldner auch nach seinem Umzug nach Frankreich noch den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in Hannover hatte (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO). Das Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist, bleibt für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor der Eröffnung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlegt (EuGH NZI 2006, 153; BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 418/02, NZI 2006, 297; v. 2. März 2006 - IX ZB 192/04, NZI 2006, 364).
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- im Auch Übrigen ist rechtlich erhebliches Vorbringen des Schuldners nicht übergangen worden (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Schuldner hat erstmals im Beschwerdeverfahren behauptet, die Wohnung in Straßburg bereits am 1. Mai 2005 angemietet zu haben. Zuvor hatte er erklärt, seinen Wohnsitz - wie aus der Bescheinigung des Einwohnermeldeamts Hannover vom 9. Mai 2005 ersichtlich - am 13. Mai 2005 aufgegeben zu haben. Das Amtsgericht hat sich in seinem Vermerk vom 29. Juni 2005 mit dem Beschwerdevorbringen dahingehend auseinandergesetzt, das Anmieten einer Wohnung sei nicht gleichbedeutend mit der Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt, dass das Gericht das wesentliche Vorbringen der Partei zur Kenntnis nimmt und bei der Entscheidung berücksichtigt, nicht jedoch, dass das Gericht diejenigen Schlussfolgerungen zieht, welche die Partei für richtig hält.
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- Das weitere Vorbringen des Schuldners, der 13. Mai 2005 sei nicht der Tag seines Auszugs aus der Familienwohnung in Hannover gewesen, sondern bei seiner am 9. Mai 2005 erfolgten Abmeldung von der zuständigen Beamtin eigenmächtig eingetragen worden, ist unerheblich. Das Insolvenzgericht Hannover wäre dann nicht für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig gewesen , wenn der Schuldner bei Eingang des Insolvenzantrags am 2. Mai 2005 den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen bereits nach Straßburg verlegt hatte. Tatsachenvortrag des Schuldners, welcher diese Annahme stützen könnte, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Die Stellungnahme des Schuldners vom 30. August 2005 ist erst nach Erlass des angefochtenen Beschlusses beim Beschwerdegericht eingegangen. Aus ihr ergibt sich im Übrigen, dass der Schuldner den Umzug nach Straßburg nach dem 2. Mai 2005 begonnen und erst am 10. Mai 2005 "endgültig abgeschlossen" hat. Selbst wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners also allein durch seinen Hauptwohnsitz zu bestimmen gewesen wäre, war das Insolvenzgericht Hannover am 2. Mai 2005 noch zuständig gemäß Art. 3 Abs. 1 EuInsVO.
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- Dass dem Schuldner weder das Gutachten vom 23. Juni 2005 noch der Vermerk über die Nichtabhilfe vom 29. Juni 2005 bekannt gegeben worden ist, war verfahrensfehlerhaft, hat sich im Ergebnis aber nicht ausgewirkt. Auf das Gutachten kam es hinsichtlich der im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch streitigen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts Hannover nicht an; zum Vermerk vom 29. Juni 2005 hat der Schuldner im Rechtsbeschwerdeverfahren nichts Rechtserhebliches vorgetragen. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 23.06.2005 - 906 IN 427/05 -4- -
LG Hannover, Entscheidung vom 09.08.2005 - 20 T 45/05 -
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(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.