Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2010 - IX ZB 220/09

bei uns veröffentlicht am02.12.2010
vorgehend
Amtsgericht Celle, 29 IN 155/05, 09.07.2009
Landgericht Lüneburg, 3 T 81/09, 07.09.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 220/09
vom
2. Dezember 2010
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape und Grupp und die Richterin
Möhring
am 2. Dezember 2010

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 7. September 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
Rechtsbeschwerde Die ist statthaft (§§ 7, 6, 296 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), aber unzulässig. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
2
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Obliegenheit des Schuldners, einen Wechsel der Beschäftigungsstelle anzuzeigen (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 Fall 2 InsO), auch die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit aus dem Zustand der Arbeitslosigkeit heraus umfasst (BGH, Beschl. v. 18. Februar 2010 - IX ZB 211/09, ZInsO 2010, 685 Rn. 6). Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit kann durch eine nachträgliche Unterrichtung des Treuhänders und des Insolvenzgerichts und durch Abführung des pfändbaren Teils der Bezüge nicht mehr geheilt werden, wenn der Verstoß bereits aufgedeckt und ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt wurde (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010 - IX ZB 211/09, aaO m.w.N.). Dies hat das Beschwerdegericht beachtet.
3
Klärungsbedürftige Grundsatzfragen wirft der Fall nicht auf. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde verursachte die Obliegenheitsverletzung eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedung (§ 296 Abs. 1 Satz 1 InsO), weil die ersten Bezüge aus der neu aufgenommenen Tätigkeit nicht bei ihrer Fälligkeit aufgrund der Abtretungserklärung vom Treuhänder eingezogen werden konnten, sondern dem Schuldner ausbezahlt wurden. Die nachträgliche Weiterleitung der Bezüge an den Treuhänder ändert daran nichts.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Celle, Entscheidung vom 09.07.2009 - 29 IN 155/05 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 07.09.2009 - 3 T 81/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 296 Verstoß gegen Obliegenheiten


(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dad

Insolvenzordnung - InsO | § 295 Obliegenheiten des Schuldners


Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist1.eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbar

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Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2010 - IX ZB 211/09

bei uns veröffentlicht am 18.02.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 211/09 vom 18. Februar 2010 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 296 Abs. 1 Satz 1 a) Die Restschuldbefreiung kann nicht versagt werden, wenn

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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; im Fall des § 295 Satz 1 Nummer 5 bleibt einfache Fahrlässigkeit außer Betracht. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

(3) Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

6
a) Das Beschwerdegericht ist noch zutreffend von einer Verletzung des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO wegen nicht unverzüglicher Mitteilung der Aufnahme einer Nebenbeschäftigung ausgegangen. Es hat sich aber nicht hinreichend mit einer möglichen Heilung dieser Obliegenheitsverletzung durch nachträgliche Anzeige und Nachzahlung des dem Treuhänder vorenthaltenen Betrags ausei- nandergesetzt. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Heilung einer Obliegenheitsverletzung in der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens durch Zahlung des dem Treuhänder vorenthaltenen pfändbaren Einkommens ausgeschlossen ist, wenn ein Gläubiger bereits beantragt hat, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen (BGH, Beschl. v. 17. Juli 2008 - IX ZB 183/07, NZI 2008, 623, 624 Rn. 13; v. 22. Oktober 2009 - IX ZB 9/09 Rn. 8). Hieraus folgt aber - entgegen einer in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Auffassung (AG Göttingen NZI 2009, 66; HmbKommInsO /Streck, 3. Aufl. § 296 Rn. 11; Wenzel, in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 296 Rn. 5; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 296 Rn. 20; für ein eingeschränktes Nachzahlungsrecht dagegen FK-InsO/Ahrens, 5. Aufl. § 296 Rn. 14 f; HKInsO /Landfermann, 5. Aufl. § 296 Rn. 3; Henning in Wimmer/Dauernheim/ Wagner/Weidekind, Handbuch des Fachanwalts für Insolvenzrecht, 3. Aufl. 15. Kap. Rn. 116; Heyer, Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren, S. 144) - nicht, dass eine Heilung der Obliegenheitsverletzung auch dann ausscheidet, wenn der Schuldner die Anzeige nachholt und den fehlenden Betrag einzahlt, bevor sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt ist. In diesem Fall liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die letztlich die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt. Die Versagung der Restschuldbefreiung wäre deshalb unverhältnismäßig. Die Situation ist derjenigen im eröffneten Verfahren vergleichbar, in dem der Schuldner einen Verstoß gegen § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dadurch kompensiert, dass er von sich aus seine Mitwirkungspflichten erfüllt , bevor ein Versagungsantrag gestellt worden ist. Hierzu hat der Senat entschieden , dass im Regelinsolvenzverfahren eine Versagung der Restschuldbefreiung regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn der Schuldner unrichtige Angaben korrigiert, bevor der betroffene Gläubiger dies beanstandet (BGH, Beschl. v. 17. September 2009 - IX ZB 284/08, ZInsO 2009, 1954; vgl. aber auch Beschl. v. 14. Mai 2009 - IX ZB 116/08, NZI 2009, 481, 482 Rn. 15).

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; im Fall des § 295 Satz 1 Nummer 5 bleibt einfache Fahrlässigkeit außer Betracht. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

(3) Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.