Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2012 - IX ZB 16/12

bei uns veröffentlicht am22.11.2012
vorgehend
Landgericht München I, 34 O 12903/11, 27.10.2011
Oberlandesgericht München, 5 W 82/12, 23.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 16/12
vom
22. November 2012
in dem Verfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 22. November 2012

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Januar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller, Verwalter in dem über das Vermögen der S. GmbH eröffneten Insolvenzverfahren, beabsichtigt , die Antragsgegnerin aus Insolvenzanfechtung in Höhe von 110.638,48 € in Anspruch zu nehmen. Er beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe , weil er bei einer Masse von 1.387,36 € und einer daraus an ihn zu entrichtenden Verwaltervergütung von 1.000 € und den anfallenden Gerichtskosten von 595,52 € außerstande sei, die Verfahrenskosten aufzubringen.
Die Vorinstanzen haben den Antrag abgelehnt. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.


2
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Antragsteller könne Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil sich nach Verfahrenseröffnung ergeben habe, dass nicht nur Masseunzulänglichkeit, sondern Massekostenarmut vorliege. Auf der Grundlage der tatsächlichen Angaben des Antragstellers seien die Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO erfüllt, weil die Insolvenzmasse nicht die Verfahrenskosten abdecke. Dabei sei ohne Bedeutung, dass im Falle einer erfolgreichen Prozessführung die Massekostenarmut entfalle.
4
2. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe zwecks Einziehung einer Forderung des Schuldners nicht gemäß § 114 Satz 1 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer mutwilligen Rechtsverfolgung versagt werden, wenn eine bestehende Massekostenarmut bei Stattgabe der beabsichtigten Klage beseitigt werden kann.
5
Schon aus dem vom Beschwerdegericht angeführten Beschluss des Senats vom 16. Juli 2009 (IX ZB 221/08, NZI 2009, 602 Rn. 4) ergibt sich, dass ein Kläger bei Massekostenarmut nur dann keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat, wenn die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs nicht dazu geeignet ist, eine Massekostenarmut abzuwenden. Diese Ansicht hat der Senat durch Beschluss vom heutigen Tage ausdrücklich bekräftigt und ausführlich begründet (Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12, zVb); hierauf wird Bezug genommen.
6
Da vorliegend die Massekostenarmut bei Erfolg der beabsichtigten Klage und wirtschaftlicher Durchsetzbarkeit eines stattgebenden Urteils (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12 unter II.2.b.cc) nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts abgewendet ist, kann mit der Begründung der Beschwerdeentscheidung die begehrte Prozesskostenhilfe nicht versagt werden.

III.


7
Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dies gibt diesem die Gelegenheit zu prüfen, ob bei Erfolg der beabsichtigten Klage die stattgebende Entscheidung gegen die Antragsgegnerin wirtschaftlich durchsetzbarist und die übrigen Voraussetzungen (§§ 114, 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO) für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen.
Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 27.10.2011 - 34 O 12903/11 -
OLG München, Entscheidung vom 23.01.2012 - 5 W 82/12 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a

Insolvenzordnung - InsO | § 207 Einstellung mangels Masse


(1) Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender G

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 63/12 vom 17. April 2013 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 17. April 2

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Stellt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, daß die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken, so stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein. Die Einstellung unterbleibt, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a gestundet werden; § 26 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Vor der Einstellung sind die Gläubigerversammlung, der Insolvenzverwalter und die Massegläubiger zu hören.

(3) Soweit Barmittel in der Masse vorhanden sind, hat der Verwalter vor der Einstellung die Kosten des Verfahrens, von diesen zuerst die Auslagen, nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu berichtigen. Zur Verwertung von Massegegenständen ist er nicht mehr verpflichtet.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

4
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs, die nicht dazu geeignet ist, eine bereits eingetretene Massekostenarmut zu beheben, nicht mehr zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 62/12
vom
22. November 2012
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Massekostenarmut steht der Gewährung von Prozesskostenhilfe zugunsten des
Insolvenzverwalters für die Verfolgung einer Forderung des Schuldners dann nicht
entgegen, wenn sie im Falle der Beitreibung des Klagebetrages abgewendet würde.
BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - IX ZB 62/12 - OLG München
LG Landshut
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin
Möhring
am 22. November 2012

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller, Verwalter in dem über das Vermögen des R. eröffneten Insolvenzverfahren, beabsichtigt, den Antragsgegner in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem über das Vermögen des D. H. eröffneten Insolvenzverfahren klageweise gemäß §§ 60, 61 InsO auf Schadensersatz in Höhe von 29.577,05 € in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Forderung bildet der Vorwurf, R. habe durch die Ausführung von Montageleistungen gegen H. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen wertlose Forderungen erworben, weil der Antragsgegner diesem die Fortführung seines Betriebes gestattet habe.
2
Der Antragsteller beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil er bei einer Masse von 7.502,47 € und einer daraus an ihn zu entrichtenden Verwaltervergütung von 7.736,13 € außerstande sei, die Verfahrenskosten aufzubringen. Die Vorinstanzen haben den Antrag abgelehnt. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

II.


3
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Antragsteller könne Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil sich nach Verfahrenseröffnung ergeben habe, dass nicht nur Masseunzulänglichkeit, sondern Massekostenarmut vorliege. Auf der Grundlage der tatsächlichen Angaben des Antragstellers seien die Voraussetzungen des § 207 Abs. 1 InsO erfüllt, weil die Insolvenzmasse nicht die Verfahrenskosten abdecke. Dabei sei ohne Bedeutung, dass im Falle einer erfolgreichen Prozessführung die Massekostenarmut entfalle.
5
2. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Dem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe zwecks Einziehung einer Forderung des Schuldners gegen einen Dritten nicht gemäß § 114 Satz 1 ZPO unter dem Gesichtspunkt einer mutwilligen Rechtsverfolgung ver- sagt werden, wenn eine bestehende Massekostenarmut bei Stattgabe der beabsichtigten Klage beseitigt werden kann.
6
a) Die Klage eines Insolvenzverwalters ist nicht schon dann mutwillig im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO, wenn er Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - IX ZB 221/08, WM 2009, 1673 Rn. 5). Anders ist die Lage, wenn sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens herausstellt , dass die Insolvenzmasse nicht einmal mehr ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken (BGH, aaO Rn. 6).
7
aa) In einem solchen Fall stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein, wenn nicht ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO gestundet werden (§ 207 Abs. 1 InsO). Der Verwalter hat nach Wegfall der Verpflichtung zur Verwertung von Massegegenständen (§ 207 Abs. 3 Satz 2 InsO) nur noch die vorhandene liquide Masse zu verteilen (BGH aaO). Prozesskostenhilfe für ein Klage- oder Rechtsmittelverfahren des Verwalters kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht. Fordert das Gesetz die alsbaldige Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 207 Abs. 1 InsO), kann nicht ein Anspruch auf Finanzierung eines erst noch durchzuführenden Rechtsstreits bestehen (BGH, aaO Rn. 8). Danach scheidet hier die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich aus, weil mit Rücksicht auf die vorhandene Masse von 7.502,47 € und die Vergütungsansprüche des Klägers von 7.736,13 € Massearmut eingetreten ist.
8
bb) Für diese an die Masselosigkeit anknüpfende Beurteilung ist es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ohne Bedeutung, ob der Verwalter - wie in der durch Beschluss vom 16. Juli 2009 (aaO) entschiedenen Sache - einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung oder aus einem anderen Rechtsgrund zu verfolgen sucht. Scheidet bei Massekostenarmut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen mit der Verfahrensaufhebung erlöschenden Anfechtungsanspruch aus, hat dies erst recht zu gelten, wenn der Anspruch nach Verfahrenseinstellung weiter geltend gemacht werden kann. In dieser Weise verhält es sich im Streitfall, weil die beabsichtigte Klage einen Einzelschaden des Schuldners zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - IX ZB 172/07, WM 2008, 1691 Rn. 13), den dieser nach Verfahrenseinstellung selbständig verfolgen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu befürchten, dass die Durchsetzung einer begründeten Forderung durch die Versagung von Prozesskostenhilfe vereitelt wird.
9
b) Entgegen der Würdigung des Beschwerdegerichts kommt zugunsten des Antragstellers trotz der eingetretenen Massekostenarmut ausnahmsweise die Gewährung von Prozesskostenhilfe in Betracht, weil im Falle der Durchsetzung der mit der beabsichtigten Klage verfolgten Forderung in Höhe von 29.755,05 € die gegebene Massekostenarmut beseitigt würde. Bei dieser Sach- lage kann die beabsichtigte Klage nicht als mutwillig eingestuft werden.
10
aa) Wie sich bereits aus dem angeführten Senatsbeschluss vom 16. Juli 2009 ergibt, ist Prozesskostenhilfe in Fällen der Massekostenarmut nur zu versagen , wenn auch die Durchsetzung des mit der beabsichtigten Klage verfolgten Anspruchs nicht dazu geeignet wäre, die eingetretene Massekostenarmut zu beheben (aaO, Rn. 4, 10). Daraus folgt im Gegenschluss, dass Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, sofern die Massekostenarmut infolge der Durchführung des Rechtsstreits, für den Prozesskostenhilfe beantragt wird, beseitigt werden kann (OLG Celle NZI 2010, 688 f; OLG Hamm ZInsO 2011, 1947; HmbKomm-InsO/Kuleisa, 5. Aufl., § 80 Rn. 50; FK-InsO/Kießner, 6. Aufl., § 207 Rn. 37; HK-InsO/Kayser, 6. Aufl., § 80 Rn. 50; HK-InsO/Landfermann, aaO § 207 Rn. 16; Jaeger/Windel, InsO, § 207 Rn. 103; Graf-Schlicker/Riedel, InsO, 3. Aufl., § 207 Rn. 4; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 117; Musielak/ Fischer, ZPO, 9. Aufl., § 116 Rn. 5; Jacoby, EWiR 2010, 473; aA OLG Celle ZIP 2010, 1464). Diese rechtliche Würdigung ermöglicht, dass ein Insolvenzverfahren mangels einer Einstellungspflicht fortgesetzt werden kann, wenn die Aktiva der Masse vornehmlich durchsetzbare Forderungen gegen Dritte wie Gesellschafter , Geschäftsführer und Anfechtungsgegner bilden. Müsste ein Insolvenzverfahren wegen Massekostenarmut trotz durchsetzbarer Forderungen eingestellt werden, wäre Drittschuldnern zu raten, selbst als berechtigt erkannten Forderungen in der Hoffnung auf eine Verfahrenseinstellung entgegenzutreten (vgl. Jacoby, aaO). Diese unerwünschte Folge wäre mit der Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens unvereinbar. Der Aktivmasse sind darum im Rahmen der Kostendeckungsprüfung nach § 207 Abs. 1 InsO auch bestrittene Ansprüche zuzurechnen, wenn für ihre erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eine im Sinne von § 114 ZPO hinreichende Erfolgsaussicht besteht (MünchKomm -InsO/Hefermehl, 2. Aufl. § 207 Rn. 22; Hinderer in Cranshaw/Paulus/ Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 207 Rn. 5; in diesem Sinne Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2012, § 207 Rn. 7; BKInsO /Gruber, 2007, § 207 Rn. 10; Uhlenbruck/Ries, aaO, § 207 Rn. 2).
11
bb) Zudem sichert diese Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenskostendeckung einen Gleichlauf der Voraussetzungen für die Versagung der Eröffnung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO) und die Einstellung eines Insolvenzverfahrens (§ 207 Abs. 1 Satz 1 InsO).
12
Im Rahmen des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO ist gemäß § 35 Abs. 1 InsO ein erst nach Verfahrenseröffnung realisierbarer Neuerwerb (HK-InsO/Kirchhof, aaO, § 26 Rn. 5) einschließlich möglicher anfechtungs- und haftungsrechtlicher Ansprüche (vgl. MünchKomm-InsO/Haarmeyer, aaO, § 26 Rn. 20) zu berücksichtigen. Folgerichtig sind auch Forderungen als Vermögenswert einzustellen, die nur im Prozessweg und auf der Grundlage der Gewährung von Prozesskostenhilfe (Jaeger/Schilken, aaO, § 26 Rn. 14) durchsetzbar sind (HK-InsO/Kirchhof , aaO, § 26 Rn. 7; Uhlenbruck, aaO, § 26 Rn. 14). Danach ist ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, wenn die Verfahrenskosten erst im Laufe des Verfahrens durch den Einzug der dem Schuldner zustehenden Forderungen bestritten werden können (Jaeger/Schilken, aaO, § 26 Rn. 29). Ebenso verhält es sich im Rahmen von § 207 Abs. 1 Satz 1 InsO. Eine Einstellung wegen Massekostenarmut scheidet aus, wenn ein Neuerwerb (§ 35 Abs. 1 InsO) auf der Grundlage realisierbarer Forderungen absehbar ist (HK-InsO/Landfermann, aaO, § 207 Rn. 16; HmbKomm-InsO/Weitzmann, aaO, § 207 Rn. 8). Vor diesem Hintergrund steht eine Massekostenarmut der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen, wenn sie durch die beabsichtigte Klage abgewendet werden kann.
13
cc) Bei der Beurteilung, ob durch die beabsichtigte Klage die Massenkostenarmut beseitigt werden kann, ist neben den ohnehin im Rahmen des § 114 ZPO zu prüfenden Erfolgsaussichten außerdem zu erwägen, ob eine stattgebende Entscheidung gegen den Beklagten wirtschaftlich durchgesetzt werden kann (vgl. OLG Celle ZVI 2012, 119, 120; Henning, aaO; Braun/Kießner, InsO, 5. Aufl., § 207 Rn. 6; Uhlenbruck, aaO). Falls die Leistungsfähigkeit des Beklagten mit Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage und die Höhe der Klageforderung nicht außer Zweifel steht, wird nach Maßgabe der voraussichtlichen Beitreibbarkeit ein prozentualer Abschlag vorzunehmen sein. Diese Bewertung obliegt zuvörderst dem Tatrichter. Im Streitfall erscheint ein solcher Abschlag mit Rücksicht auf die Höhe der Forderung und die Stellung des Beklagten als Rechtsanwalt nicht naheliegend.

14
c) Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde darauf, im Streitfall seien zudem die Stundungsvoraussetzungen nach § 4a InsO gegeben. Über einen entsprechenden Antrag ist bislang nicht entschieden worden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann eine solche Kostenstundung nicht gewähren.
15
d) Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dies gibt dem Beschwerdegericht die Gelegenheit, die übrigen Voraussetzungen (§§ 114, 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO) für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu prüfen.
Kayser Raebel Gehrlein Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 07.02.2012 - 51 O 3108/11 -
OLG München, Entscheidung vom 08.05.2012 - 5 W 441/12 -

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.