Bundesgerichtshof Beschluss, 30. März 2006 - IX ZB 15/05

bei uns veröffentlicht am30.03.2006
vorgehend
Amtsgericht Chemnitz, 14 IN 755/04, 12.07.2004
Landgericht Chemnitz, 3 T 4152/04, 09.12.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 15/05
vom
30. März 2006
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Kayser und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer
am 30. März 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 9. Dezember 2004 wird als unzulässig verworfen.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde.
Der Wert des Gegenstandes des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 6.822,82 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Mit Beschluss vom 12. Juli 2004 hat das Insolvenzgericht die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 9.128,02 € festgesetzt. Der Beschluss ist dem Schuldner am 10. September 2004 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 21. September 2004, eingegangen bei Gericht am 24. September 2004, hat der Schuldner mitgeteilt, er könne bei der Durchsicht des Beschlusses einige Zusammenhänge und Betragsfestlegungen nicht nachvollziehen. Auch die Berechnungsart sei für ihn nicht zu er- kennen. Damit seine Unklarheiten problemlos beseitigt werden könnten, bitte er um einen Termin zu einem klärenden Gespräch.
2
Mit Berichtigungsbeschluss vom 28. September 2004 ist die Vergütung wegen eines Rechenfehlers auf 9.041,02 € reduziert worden. In den Gründen des Beschlusses ist der dabei zugrunde gelegte Berechnungswert näher erläutert worden.
3
Dieser Beschluss ist dem Schuldner am 30. September 2004 ausgehändigt worden. Am 7. Oktober 2004 hat er gegen diesen Beschluss "Erinnerung (Einspruch)" eingelegt und begründet. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2004, eingegangen bei Gericht am 15. Oktober 2004, hat er die Begründung vertieft und ausdrücklich auch gegen den Beschluss vom 12. Juli 2004 Beschwerde eingelegt.
4
Landgericht Das hat die eingelegten Rechtsmittel als sofortige Beschwerden behandelt; diejenige gegen den Beschluss vom 12. Juli 2004 hat es als unzulässig verworfen, die gegen den Beschluss vom 28. September 2004 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

6
1. Beschluss vom 12. Juli 2004
7
Das Landgericht hat in dem Schreiben vom 21. September 2004 zutreffend nicht die Einlegung einer sofortigen Beschwerde gesehen. Gemäß § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V. mit § 4 InsO muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Wegen der geringen Formstrenge reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch die höhere Instanz hinreichend klar erkennen lässt (BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1991 - XI ZB 6/91, NJW 1992, 243; v. 23. Oktober 2003 - IX ZB 369/02, ZInsO 2004, 89). Ist jedoch der Anfechtungswille auch bei großzügiger Auslegung nicht erkennbar, kann eine Eingabe an das Gericht nicht nachträglich dadurch zu einer Beschwerde gemacht werden, dass die Partei erklärt, ihre Eingabe möge als Beschwerde gewertet werden (BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2003 aaO).
8
Beschwerdegericht Das hat zutreffend gesehen, dass sich aus dem Schreiben des Schuldners auch bei großzügiger Auslegung nicht erkennen ließ, dass er Beschwerde einlegen wollte oder eine sachliche Überprüfung der Entscheidung durch die höhere Instanz begehrte. Verlangt wurde vielmehr eine mündliche Erörterung der Entscheidungsgründe. Dieses Erläuterungsbegehren ist verständlich, weil der Beschluss vom 12. Juli 2004 hinsichtlich der zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar war. Ersichtlich wollte der Schuldner seine Entscheidung, ob sofortige Beschwerde eingelegt werden sollte, von dem Ergebnis der erbetenen Erläuterung abhängig machen. Hierbei hat er jedoch die einzuhaltende Notfrist von zwei Wochen zur Einlegung der sofortigen Beschwerde außer Acht gelassen, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Umstand, dass der Beschluss vom 12. Juli 2004 nur sehr knapp begründet war, verlängert die Notfrist nicht.
9
Die späteren Schriftsätze des Schuldners, in denen die Einlegung einer sofortigen Beschwerde gesehen werden kann, hat das Landgericht zutreffend als verfristet angesehen. Dies wird von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht beanstandet.
10
Mit der Anforderung des § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO, dass ausdrücklich Beschwerde eingelegt werden oder zu erkennen gegeben werden muss, es werde eine sachliche Überprüfung der Entscheidung durch das höhere Gericht begehrt, ist der Zugang zu dem Beschwerdegericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unzumutbar erschwert.
11
2. Beschluss vom 28. September 2004
12
Insoweit weist die Rechtsbeschwerde lediglich darauf hin, die sofortige Beschwerde habe zugleich die berichtigte Vergütungsfestsetzung erfasst. Damit wird ein Zulässigkeitsgrund nicht dargelegt.
Ganter Kayser Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 12.07.2004 - 14 IN 755/04 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 09.12.2004 - 3 T 4152/04 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 4 Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung


Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 569 Frist und Form


(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts ande

Insolvenzordnung - InsO | § 64 Festsetzung durch das Gericht


(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest. (2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt i

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(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest.

(2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß der vollständige Beschluß in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.

(3) Gegen den Beschluß steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. § 567 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.