Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2009 - IX ZB 123/06

05.03.2009
vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 19 O 85/06, 17.03.2006
Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 W 101/06, 23.06.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 123/06
vom
5. März 2009
in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 5. März 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Juni 2006 wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.273 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Durch Urteil des Appellationsgerichts Lublin/Polen vom 5. November 2002 (I ACa 485/02) wurde die Klage der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin auf "Anpassung des Inhalts der Grundbücher an den tatsächlichen Rechtsstand" in Abänderung des Urteils des Bezirksgerichts in Radom/ Polen vom 12. Juni 2002 (I C 822/01) abgewiesen und die Antragsgegnerin verurteilt, an die Antragstellerin als Prozesskosten der ersten Instanz 1.733 PLN und als Prozesskosten der zweiten Instanz 11.065 PLN zu zahlen.
2
Auf Antrag der Antragstellerin hat die stellvertretende Vorsitzende einer Kammer des Landgerichts das Urteil des Appellationsgerichts Lublin/Polen vom 5. November 2002 für vollstreckbar erklärt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung weiter.

II.


3
Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig; denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
4
Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2 AVAG müssen die Zulässigkeitsgründe in der Begründung der Rechtsbeschwerde dargelegt werden. Der Bundesgerichtshof befasst sich nur mit den Zulässigkeitsgründen, die in der Beschwerde schlüssig und substantiiert dargelegt sind (BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2005 - IX ZB 27/02, IHR 2006, 259, 260).
5
Danach liegt ein Zulässigkeitsgrund nicht vor.
6
1. Das Verfahren wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - im Folgenden: EuGV- VO - vom 22. Dezember 2000, Amtsblatt EG 2001 Nr. L 12 S. 1, oder zur Anwendbarkeit des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (BGBl. 1994 II S. 2660) auf.
7
Für die beantragte Vollstreckbarerklärung ist die genannte Verordnung schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil sie im Verhältnis zu Polen erst seit 1. Mai 2004 anwendbar ist (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht , 8. Aufl. Einleitung Rn. 20) und auch die Übergangsregelung in Art. 66 EuGVVO nicht zur Anwendbarkeit der Verordnung führt. Dies hat das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.
8
Anwendbar auf den vorliegenden Fall ist das Luganer Übereinkommen, das im Verhältnis zu Polen seit 1. Februar 2000 gilt (BGBl. 2000 II S. 1246). Die Anwendbarkeit setzt selbstverständlich voraus, dass der Anwendungsbereich gemäß Art. 1 des Übereinkommens eröffnet ist. Das ist offenkundig und nicht klärungsbedürftig.
9
Auch die weitere von der Rechtsbeschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage der Darlegungslast für die Anwendbarkeit des Übereinkommens ist nicht entscheidungserheblich. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das Abkommen sei nach seinem Art. 1 Abs. 2 nicht anwendbar, weil das Gebiet des Erbrechts betroffen sei, trifft dies nicht zu.
10
Die von der Rechtsbeschwerdeführerin erhobene Klage war ein Zivilrechtsstreit , der auf Grundbuchberichtigung gerichtet war. Dass dabei als Vorfragen Probleme des Erbrechts und des polnischen Verwaltungsrechts zu prü- fen gewesen sein können, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, was den Gegenstand des Rechtsstreits selbst bildet. Ob Vorfragen vom Anwendungsbereich erfasst sind, ist unerheblich (vgl. EuGH Urt. v. 25. Juli 1991 - Rs C 190/89, Sammlung 1991 I S. 3855, 3902 Rn. 26 ff; v. 15. Mai 2003 - Rs C 266/01, Sammlung 2003 I S. 4867, 4895 Rn. 42 f; Kropholler, aaO Art. 1 Rn. 18; Rauscher /Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Brüssel I - VO Art. 1 Rn. 5; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 1 Rn. 11a, 24; Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 1 Rn. 1). Die Kostenentscheidung bei einem klageabweisenden Urteil fällt in den Anwendungsbereich , wenn ihm die Hauptsache unterfällt (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1996, 510, 511; Schlosser, aaO Art. 1 Rn. 13 a.E.). So verhielt es sich hier.
11
2. Es bedarf auch keiner Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Das Verfahren der Vordergerichte ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdebegründung nicht zu beanstanden, das Grundrecht der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
12
a) Die Rechtsbeschwerde verkennt, dass das Landgericht das Urteil des Appellationsgerichts Lublin vom 5. November 2002 hinsichtlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung für vollstreckbar erklärt hat. Dieses Urteil war auch vorgelegt. Es befindet sich auf derselben Urkunde wie das Urteil des Bezirksgerichts in Radom.
13
b) Der Inhalt des Gerichtsverfahrens war hinreichend erkennbar. Es handelte sich - wie dargelegt - um eine zivilrechtliche Klage auf Grundbuchberichtigung.

14
c) Eine Nachprüfung der sachlichen Richtigkeit der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung findet nicht statt, Art. 29 LugÜ. Die Vollstreckbarerklärung kann gemäß Art. 34 Abs. 2 LugÜ nur aus den in den Art. 27 und 28 LugÜ angeführten Gründen abgelehnt werden. Nach Art. 27 Nr. 1, Art. 34 Abs. 2 LugÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt , wenn die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedsstaates, in dem sie geltend gemacht wird, widersprechen würde. Wie Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ ist diese Vorschrift eng auszulegen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Ordre-Public-Klausel nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates stünde (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Juni 2005 - IX ZB 64/04, Umdruck S. 4 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs).
15
Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass die Antragsgegnerin einen Verstoß gegen den ordre public gemäß Art. 27 Nr. 1 LugÜ substantiiert dargelegt hat. Der Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30. Juni 2006 war vom Beschwerdegericht nicht zu berücksichtigen, weil er bei diesem erst am 11. Juli 2006 eingegangen ist, also lange nach Erlass der angegriffenen Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 23. Juni 2006. Die Antragsgegnerin hatte schon vor Erlass dieser Entscheidung des Beschwerdegerichts ausreichend Gelegenheit zur Äußerung.
16
3. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bemisst sich nach dem Umrechnungskurs von Zloty (PLN) zu Euro am Tag des Eingangs der Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof am 4. August 2006; dieser Kurs betrug nach Auskunft der Deutschen Bundesbank 3,9105.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.03.2006 - 19 O 85/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.06.2006 - I-3 W 101/06 -

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 15 Statthaftigkeit und Frist


(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen. (3) Die Rechtsbeschwerdefri

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 16 Einlegung und Begründung


(1) Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen der Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof eingelegt. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. § 575 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden. Soweit die Rechtsbeschwerd

Referenzen

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Die Rechtsbeschwerde wird durch Einreichen der Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof eingelegt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen. § 575 Absatz 2 bis 4 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Beschwerdegericht von einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen sei, muss die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, bezeichnet werden.

(3) Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Beschlusses, gegen den sich die Rechtsbeschwerde richtet, vorgelegt werden.