vorgehend
Amtsgericht Gera, 8 IN 36/00, 01.02.2010
Landgericht Gera, 5 T 76/10, 16.07.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 35/10
vom
30. September 2010
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer und
Dr. Pape
am 30. September 2010

beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 16. Juli 2010 wird abgelehnt.

Gründe:


I.


1
Auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 vom 7. Januar 2000 wurde am 9. Februar 2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der weitere Beteiligte zu 2 wurde zum Verwalter bestellt. Der Schuldner stellte am 7. März 2000 Antrag auf Restschuldbefreiung. Mit Beschluss vom 26. November 2003 wurde festgestellt, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er für die Zeit von sieben Jahren ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens seinen im Einzelnen bezeichneten Obliegenheiten nachkommt. Der Beschluss wurde rechtskräftig. In der Folgezeit regte der weitere Beteiligte zu 1 mehrfach an, das Verfahren nicht aufzuheben, weil weitere Forderungen einzuziehen sowie ein Grundstück zu verwerten seien. Das Insolvenzverfahren wurde nicht aufgehoben.

2
Mit Anwaltsschreiben vom 9. September 2009, bei Gericht eingegangen am 10. September 2009 hat der Schuldner die lange Dauer des Insolvenzverfahrens beanstandet und die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt. Der Antrag ist erfolglos geblieben; die sofortige Beschwerde des Schuldners ist zurückgewiesen worden. Nunmehr beantragt der Schuldner Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss. Er hält die Übergangsvorschrift des Art. 103a EGInsO für verfassungswidrig, weil sie keine Härteklausel für überlange Verfahren enthalte.

II.


3
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde, welche der Schuldner einlegen will, wäre unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung verlangt eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO). Der Schuldner hat - trotz der nach Aktenlage grob nachlässigen Behandlung seines Insolvenzverfahrens durch den Beteiligten zu 2 und durch das Insolvenzgericht, das diesen nunmehr zum unverzüglichen Abschluss des Verfahrens anzuhalten haben wird (§ 58 InsO) - keinen gesetzlichen Anspruch auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Vorschriften des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, gemäß Art. 103a EGInsO nicht anzuwenden (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007 - IX ZB 72/06, NZI 2008, 49, 50 Rn. 8; v. 21. Januar 2010 - IX ZB 155/09, NZI 2010, 265, 266 Rn. 8). Der Senat geht bisher in ständiger Rechtsprechung von der Wirksamkeit dieser Vorschrift aus (BGH, Beschl. v. 11. Oktober 2007, aaO, m.w.N.). Er hält den vorliegenden Fall für einen krassen Ausnahmefall. Wenn allerdings diese Einschätzung sich als unrichtig erweisen sollte, behält er sich vor, seine Rechtsprechung einer erneuten Überprüfung zu unterziehen.
Ganter Vill Lohmann
Fischer Pape

Vorinstanzen:
AG Gera, Entscheidung vom 01.02.2010 - 8 IN 36/00 -
LG Gera, Entscheidung vom 16.07.2010 - 5 T 76/10 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - IX ZA 35/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - IX ZA 35/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - IX ZA 35/10 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Insolvenzordnung - InsO | § 58 Aufsicht des Insolvenzgerichts


(1) Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen. (2) Erfüllt der Verwalter seine Pflichten n

Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung - EGInsO | Art 103a Überleitungsvorschrift


Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, sind die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - IX ZA 35/10 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - IX ZA 35/10 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - IX ZB 155/09

bei uns veröffentlicht am 21.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 155/09 vom 21. Januar 2010 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 298 Abs. 1, § 4a a) Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wegen fehlender Deckung der M
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2010 - IX ZA 35/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2011 - IX ZA 11/11

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZA 11/11 vom 7. Juli 2011 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richt

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2013 - IX ZB 11/13

bei uns veröffentlicht am 18.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 11/13 vom 18. Juli 2013 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 287 Abs. 2 Satz 1, § 300; EGInsO Art. 103a In vor dem 1. Dezember 2001 eröffneten Insolvenzverfahr

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Nov. 2011 - IX ZR 113/11

bei uns veröffentlicht am 17.11.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 113/11 vom 17. November 2011 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die

Referenzen

Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, sind die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen.

(2) Erfüllt der Verwalter seine Pflichten nicht, so kann das Gericht nach vorheriger Androhung Zwangsgeld gegen ihn festsetzen. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. Gegen den Beschluß steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend für die Durchsetzung der Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters.

Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, sind die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden.

8
Die 2. Auffassung des Beschwerdegerichts, Treuhänderin und Insolvenzgericht hätten den Schuldner auf die Möglichkeit hinweisen müssen, gemäß § 298 Abs. 1 Satz 2 InsO Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten zu stellen, geht fehl. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Vorschriften des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, gemäß Art. 103a EGInsO nicht anzuwenden (BGH, Beschl. v. 23. Juli 2004 - IX ZA 9/04, NZI 2004, 635; v. 11. Oktober 2007 - IX ZB 72/06, ZInsO 2007, 1224, 1225 Rn. 8). Dies gilt auch für die Regelung des § 298 Abs. 1 Satz2 InsO, die durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2710) in die Insolvenzordnung eingefügt worden ist (vgl. auch Wenzel aaO Rn. 4). Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren am 21. Juni 2001 eröffnet. Die Frage der Stundung der Verfahrenskosten konnte sich deshalb nicht stellen.