Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2004 - IV ZR 386/02

bei uns veröffentlicht am27.10.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 386/02
vom
27. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Hätte eine Nichtzulassungsbeschwerde im Zeitpunkt ihrer Einlegung wegen
grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden müssen und erledigt sich
dieser Zulassungsgrund vor der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde
durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts in anderer Sache
, ist die Revision gleichwohl zuzulassen, wenn sie Aussicht auf Erfolg
hat. Anderenfalls ist die Beschwerde unter Hinweis auf die fehlende Erfolgsaussicht
zurückzuweisen (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 6. Mai
2004 - I ZR 197/03 - BGH-Report 2004, 1189 unter 2 b; Beschluß vom
8. September 2004 - V ZR 260/03 - unter II 2 b bb).
BGH, Beschluß vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 386/02 - OLG Bamberg
LG Coburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf
am 27. Oktober 2004

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. Oktober 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 40.912 €

Gründe:


I. Die Parteien sind Versicherungsgesellschaften u nd streiten darum , wer von ihnen letztlich für die Kosten des Rücktransports eines in Afrika schwer erkrankten Versicherten nach Deutschland einzustehen hat. Der Versicherte war Mitglied der D. R. , die mit der Klägerin eine Flugrückholkostenversicherung abgeschlossen hatte , den Rücktransport durchführte und dem Versicherten in Rechnung stellte. Diese Kosten wurden zunächst von der Klägerin getragen, die nach den Versicherungsbedingungen aber Regreß nehmen konnte, soweit dem Versicherten ein Deckungsanspruch gegen einen anderen, pri-

mär haftenden Versicherer zustand. Im vorliegenden Fall war der über dieD. R. bei der Klägerin Versicherte außerdem bei der Beklagten krankenversichert. Gegenüber dem Regreßanspruch der Klägerin hat sich die Beklagte unter anderem auf ein Abtretungsverbot in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die Unwirksamkeit der von der Klägerin verwendeten Klauseln über deren nur subsidiäre Haftung sowie auf die Unanwendbarkeit des § 67 Abs. 1 VVG für den hier geltend gemachten Rückgriffsanspruch berufen.
Die Vorinstanzen haben der Klage im wesentlichen s tattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.
II. Die Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. a) Die Beklagte macht geltend, die Revision müs se zur Klärung der folgenden drei Grundsatzfragen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen werden, nämlich ob ein formularmäßiges Abtretungsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der privaten Krankenversicherung wirksam sei, ob Subsidiaritätsklauseln im Rahmen von Flugrückholkostenversicherungen einer Inhaltskontrolle standhielten und ob eine Regreßberechtigung aus § 67 Abs. 1 VVG auch dann angenommen werden könne, wenn der Subsidiärversicherer Zahlungen in Kenntnis seiner nachrangigen Zahlungsverpflichtung leiste.

b) Diese Fragen sind durch das Urteil des Senats v om 21. April 2004 (IV ZR 113/03 - VersR 2004, 994) geklärt worden. Die Besonder-

heiten des vorliegenden Falles rechtfertigen keine Abweichungen oder Ergänzungen. Allein deshalb kann die Beschwerde hier jedoch nicht zurückgewiesen werden.
2. a) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hier berei ts am 15. November 2002 eingelegt worden, also vor dem Urteil des Senats vom 21. April 2004. Im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde hätte der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht verneint werden können. Mithin konnte der Beschwerdeführer davon ausgehen, daß in einem Revisionsverfahren über die im Allgemeininteresse liegende Klärung der Zulassungsfragen hinaus in seinem individuellen Interesse auch eine volle Überprüfung des Berufungsurteils auf Rechtsfehler stattfinden werde (zu den Zielen des Revisionsverfahrens nach neuem Recht vgl. allgemein BVerfG NJW 2004, 1371; Wenzel, NJW 2002, 3353 f.).
Diese verfahrensrechtliche Position darf dem Besch werdeführer nicht durch das Revisionsgericht dadurch entzogen werden, daß durch seine - vom Beschwerdeführer nicht veranlaßte oder auch nur voraussehbare - Arbeits- und Entscheidungsreihenfolge die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zulassungsgründe vor der Entscheidung über seine Nichtzulassungsbeschwerde in einem anderen Verfahren geklärt werden (so auch BGH, Beschluß vom 6. Mai 2004 - I ZR 197/03 - BGHReport 2004, 1189 unter 2 b; Beschluß vom 8. September 2004 - V ZR 260/03 - unter II 2 b bb - zur Veröffentlichung bestimmt). Eine solche Verfahrensweise würde gegen die in Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG verbürgten Erfordernisse der Rechtsmittelklarheit, der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns sowie der Effektivität des gerichtlichen Rechts-

schutzes verstoßen (vgl. BVerfGE 49, 148, 164; 74, 228, 234; 96, 27,

39).



b) Anders kann es allerdings liegen, wenn sich die Zulassungsgründe vor der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde etwa aufgrund einer dem Revisionsgericht unzugänglichen Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse des zu beurteilenden Sachverhalts erledigt haben (wie im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 12. März 2003 - IV ZR 278/02 - NJW 2003, 1609 unter II 2 a). Denn für die Frage, ob die Revision im Hinblick auf § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts über die Nichtzulassungsbeschwerde an (BGH, Beschluß vom 20. November 2002 - IV ZR 197/02 - NJW-RR 2003, 352; Beschluß vom 12. März 2003 aaO; Beschluß vom 8. April 2003 - XI ZR 193/02 - NJW 2003, 2319 unter 2 c; Beschluß vom 13. August 2003 - XII ZR 303/02 - NJW 2003, 3352 unter II 6; Beschluß vom 8. September 2004 aaO unter II 2 b aa).

c) Danach sind in verfassungskonformer Auslegung v on §§ 543 Abs. 2 Satz 1, 544 Abs. 4 ZPO bei einer Beschwerde, die im Zeitpunkt ihrer Einlegung wegen grundsätzlicher Bedeutung hätte zugelassen werden müssen, bei der sich dieser Zulassungsgrund aber wie hier durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts in anderer Sache erledigt hat, die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers gleichwohl in vollem Umfang vom Revisionsgericht zu prüfen. Die Revision ist zuzulassen, wenn sie Aussicht auf Erfolg hat. Andernfalls ist die Beschwerde unter Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten zurückzuweisen (vgl. Beschluß vom

6. Mai 2004 aaO; Beschluß vom 8. September 2004 aaO unter II 2 b bb (2.)).
3. Dementsprechend hat der Senat das hier angegrif fene Berufungsurteil auf Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten überprüft. Soweit in der Nichtzulassungsbeschwerde Rechtsfehler gerügt werden, stehensie im Zusammenhang mit den geltend gemachten Zulassungsgründen und können aus den im Senatsurteil vom 21. April 2004 (aaO) genannten Gründen keinen Erfolg haben. Soweit der Beschwerdeführer insbesondere geltend macht, im vorliegenden Fall bestehe - anders als im Falle des Senatsurteils vom 21. April 2004 - keine Vorleistungspflicht des Subsidiärversicherers und ohne eine solche Verpflichtung sei die vereinbarte Subsidiaritätsklausel unwirksam (§ 9 AGBG), rechtfertigt dieser Einwand keine andere Beurteilung. Nach Maßgabe der Ziffer 6.4 der dem Vertrag zwischen der Klägerin und der D. R. zugrunde liegenden "Geschriebenen Beding ungen" erfolgen die Schadenszahlungen monatlich für all diejenigen Schäden, bei denen die Unterlagen vollständig vorliegen (dazu vgl. Ziffer 6.3 der Bedingungen); Ziffer 6.6 bestimmt ergänzend, daß der Rückgriff auf andere eventuell bestehende Kostenträger durch den Versicherer erfolgt. Eine Vorleistung durch die Klägerin entspricht damit den vertraglichen Vereinbarungen;

mit ihr wird innerhalb des bestehenden Versicherungsverhältnisses ein Schaden ersetzt, der unter den genommenen Versicherungsschutz fällt (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1988 - IVa ZR 143/87 - VersR 1989, 250 unter 3).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

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Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 113/03 Verkündet am:
21. April 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB § 242 Cd; VVG § 67 Abs. 1; MB/KK 94 § 6 Abs. 6

a) Zur Wirksamkeit einer Subsidiaritätsklausel in der Reiseversicherung (hier:
Kosten eines Krankenhausaufenthalts im Ausland und Rücktransportkosten
).

b) Tritt der nur subsidiär leistungspflichtige Reiseversicherer aufgrund einer
Verpflichtung zur Vorleistung für Krankheits- und Rücktransportkosten in
Vorlage, so handelt der private Krankenversicherer im Regelfall treuwidrig,
wenn er sich ihm gegenüber auf ein in der Krankenversicherung vereinbartes
Abtretungsverbot (hier: § 6 Abs. 6 MB/KK 94) beruft.
BGH, Urteil vom 21. April 2004 - IV ZR 113/03 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt
und Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 25. März 2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien, zwei Versicherungsunternehmen, strei ten darüber, wer die Kosten für einen Krankenhausaufenthalt im Ausland und den Rücktransport der erkrankten Versicherungsnehmerin nach Deutschland zu tragen hat.
Der Beklagte ist der private Krankenversicherer de r Versicherungsnehmerin. Die Versicherungsbedingungen entsprechen den Musterbedingungen 1994 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 94). Versicherungsschutz besteht nach dem von der Versicherungsnehmerin gewählten Tarif KK auch während der ersten drei Monate eines vorübergehenden Aufenthalts im außereuropäischen Ausland und umfaßt auch Kosten für einen medizinisch notwendigen Rücktransport.

Die Klägerin ist ein Reiseversicherer. Die Versich erungsnehmerin hatte bei ihr vor einer Urlaubsreise nach H. im Jahre 1998 einen Reiseversicherungsvertrag abgeschlossen, welcher ebenfalls die Versicherung von Rücktransportkosten (Soforthilfe-Versicherung) und eine Reisekrankenversicherung einschloß. Die diesem Vertrag zugrundeliegenden "Versicherungsbedingungen für Reiseversicherungen" enthalten in Abschnitt B § 7 für die Soforthilfe-Versicherung und in Abschnitt C § 5 für die Reisekrankenversicherung jeweils die folgende Subsidiaritätsklausel: "Entschädigung aus anderen Versicherungsverträgen Soweit im Versicherungsfall eine Entschädigung aus anderen Versicherungsverträgen beansprucht werden kann, gehen diese Leistungsverpflichtungen vor. Meldet die versicherte Person den Versicherungsfall der ... [Klägerin], wird diese in Vorleistung treten." Auf H. erkrankte die Versicherungsnehmerin so schwer, daß sie zunächst in ein Krankenhaus eingeliefert und später per Flugzeug nach Deutschland zurück transportiert werden mußte. Für die dadurch verursachten Kosten in Höhe von insgesamt 83.972,53 € (164.236 DM) ist die Klägerin eingetreten.
Mit ihrer Klage fordert sie den genannten Betrag v om Beklagten. Sie meint, infolge der im Reiseversicherungsvertrag vereinbarten Subsidiaritätsklauseln müsse letztlich der Beklagte als Primärversicherer die entstandenen Kosten tragen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der gesetzliche F orderungsübergang nach § 67 Abs. 1 VVG, auf den die Klägerin sich stützt, scheitere zum einen daran, daß die von der Klägerin verwendeten Subsidiaritätsklauseln unwirksam seien, weil sie die Versicherungsnehmerin unangemessen benachteiligten. Insbesondere gehe bei einem Regreß der Klägerin der Anspruch auf Beitragsrückerstattung in der Krankenversicherung für das Jahr 1998 verloren. Im übrigen stehe dem Forderungsübergang auch das in § 6 Abs. 6 MB/KK 94 enthaltene Abtretungsverbot entgegen.
Die Vorinstanzen haben der Klage mit der Einschrän kung stattgegeben , daß ein im Krankenversicherungsvertrag vereinbarter Selbstbehalt von 613,55 € (1.200 DM) in Abzug gebracht worden ist. Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:


Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es liege h insichtlich der Kosten für den Krankenhausaufenthalt im Ausland und die medizinisch notwendige Rückholung per Flugzeug eine Doppelversicherung vor, so daß der Innenausgleich der Versicherer grundsätzlich nach § 59 Abs. 2 VVG hätte erfolgen müssen. Die Vorschrift komme hier aber deshalb nicht zur Anwendung, weil die Klägerin nach den vertraglichen Vereinbarungen lediglich subsidiär hafte. In einem solchen Fall sei für einen Ausgleich unter den beteiligten Versicherern kein Raum, vielmehr sei der Erstattungsan-

spruch aus dem Krankenversicherungsvertrag nach § 67 Abs. 1 VVG auf die Klägerin übergegangen.
Die Subsidiaritätsklauseln des Reiseversicherungsv ertrages verstießen nicht gegen die §§ 3 und 9 AGBG. Dabei könne offenbleiben, ob sich der Beklagte auf eine Drittwirkung der genannten Bestimmungen überhaupt berufen könne. Denn die Vermeidung einer einstandspflichtigen Doppelversicherung sei grundsätzlich legitim. Weder der Werbung noch den Vertragsbedingungen der Klägerin könne entnommen werden, daß sie für die hier in Rede stehenden Kosten wie ein Primärversicherer ausschließlich leistungspflichtig habe werden wollen. Daß die Versicherungsnehmerin durch die Inanspruchnahme des Krankenversicherers ihren Anspruch auf Beitragsrückgewähr verliere, sei schon deshalb kein stichhaltiges Argument gegen die Wirksamkeit der Subsidiaritätsklauseln, weil dieselbe Folge auch bei einem Innenausgleich der Versicherer nach § 59 Abs. 2 VVG eintreten würde.
Der Beklagte könne sich auch nicht auf das im Kran kenversicherungsvertrag vereinbarte Abtretungsverbot berufen. Dessen Schutzzweck sei nämlich nicht darauf gerichtet, es der Versicherungsnehmerin aufzubürden , die Krankenversicherungsleistungen beim Beklagten selbst geltend zu machen und sodann an den Reiseversicherer auszukehren. Eine solche Konsequenz erscheine vielmehr unangemessen, die Berufung auf das Abtretungsverbot deshalb rechtsmißbräuchlich.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung in allen Punkten stand.

1. Die von der Klägerin verwendeten Subsidiaritäts klauseln sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat , läge hier - ohne die Subsidiaritätsklauseln - eine Doppelversicherung im Sinne von § 59 Abs. 1 VVG vor, bei der sich der Innenausgleich der beteiligten Versicherer im Grundsatz nach § 59 Abs. 2 VVG regeln würde. Die Subsidiaritätsklauseln der Klägerin bezwecken, daß für einen solchen Innenausgleich nach § 59 Abs. 2 VVG kein Raum bleibt, vielmehr abweichend davon den Krankenversicherer im Ergebnis die alleinige Primärhaftung treffen soll (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. November 1988 - IVa ZR 143/87 - VersR 1989, 250 unter 3; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. V I Rdn. 24). Diese Abweichung von § 59 Abs. 2 VVG ist rechtlich zulässig. Denn die Vorschrift ist hier schon deshalb nicht anzuwenden, weil die Subsidiaritätsklauseln verhindern, daß es überhaupt zu einer echten Doppelversicherung kommt (BGH, aaO; Martin, aaO). Die lediglich subsidiäre Haftung des Reiseversicherers führt statt dessen dazu, daß dieser mit der geschuldeten Vorleistung gemäß § 67 Abs. 1 VVG den Leistungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegen ihren Krankenversicherer erwerben soll. Insoweit ist der zur Leistung verpflichtete Primärversicherer, hier der Beklagte, als ersatzpflichtiger Dritter im Sinne von § 67 Abs. 1 VVG anzusehen. Das hat der Bundesgerichtshof bereits für den Fall anerkannt, daß ein nur subsidiär haftender Versicherer zwar offensichtlich irrtümlich, jedenfalls aber innerhalb eines bestehenden Versicherungsverhältnisses, einen Schaden ersetzt hat, der an sich unter den genommenen Versicherungsschutz fiel (BGH, Urteil vom 23. November 1988 aaO). Für den hier zu entscheidenden Fall der vertraglich vereinbarten Vorleistungspflicht des Subsidiärversicherers gilt aber nichts anderes. Die Senatsentschei-

dung vom 26. März 1997 (IV ZR 137/96 - VersR 1997, 1088) steht dem nicht entgegen; in jenem Falle waren die Leistungen, die den Rechtsübergang begründen sollten, außerhalb des bestehenden Versicherungsvertrages erfolgt.

b) Die von der Klägerin verwendeten Subsidiaritäts klauseln sind nicht Teil der kontrollfreien Leistungsbeschreibung des Reiseversicherungsvertrages. Vielmehr schränken sie die zunächst umfassend erteilte Leistungszusage, wonach der Reiseversicherer für im Ausland entstandene Krankheitskosten und Rücktransportkosten einstehen soll (vgl. B §§ 1 und 2 sowie C §§ 1-3 der Versicherungsbedingungen der Klägerin), nachträglich ein.

c) Die Subsidiaritätsklauseln halten einer Inhalts kontrolle nach § 9 AGBG stand. Das Berufungsgericht konnte es deshalb offenlassen, ob die genannten Vorschriften hier auch den Beklagten schützen sollen.
aa) Aus der maßgeblichen, auf den Wortlaut der Kla usel gerichteten Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers (BGHZ 123, 83, 85) sind sie als sogenannte eingeschränkte Subsidiaritätsklauseln zu verstehen (zum Begriff vgl. Bruck/Möller/Sieg, VVG Bd. II 8. Aufl. § 59 Anm. 50; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 59 Rdn. 27 bezeichnet sie - in Abgrenzung zu qualifizierten - als einfache Subsidiaritätsklauseln). Bei ihnen entfällt die Haftung des Subsidiärversicherers erst dann, wenn und soweit eine anderweitige Versicherung nicht nur besteht, sondern im konkreten Fall auch Deckung gewährt. Das hat hier zur Folge, daß die Haftung des Reiseversicherers in Höhe des im Krankenversicherungsvertrag

vereinbarten Selbstbehalts bestehen bleibt. Darüber streiten die Parteien auch nicht.
bb) Die Klauseln führen nicht zu einer Gefährdung des Vertragszwecks im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG.
Der Versicherungsschutz einer Reiseversicherung wi rd regelmäßig genommen, um Risiken einer Auslandsreise abzudecken, die andere Versicherer nicht tragen. Den Hintergrund bildet dabei häufig der Umstand, daß der Versicherungsnehmer - sei er privat oder gesetzlich krankenversichert - nicht mit hinreichender Sicherheit überblickt, in welchem Umfang sein Krankenversicherer Deckungsschutz bei Reisen ins Ausland bietet. Der Versicherungsnehmer erwartet deshalb insbesondere von der Reisekrankenversicherung , daß Lücken im Versicherungsschutz geschlossen werden, ohne daß er die vollen Prämien für eine echte Doppelversicherung zu tragen hat. Zum anderen erstrebt der Versicherungsnehmer eine erleichterte und schnelle Kostenerstattung und Klarheit darüber, an wen er sich im Versicherungsfall in erster Linie wenden kann. Die vorliegende Subsidiärversicherung trägt dem insoweit Rechnung, als sie eine Primärhaftung nur dort vorsieht, wo kein Deckungsschutz des Krankenversicherers besteht. Gleichzeitig gewährleistet sie mit der Vorleistungspflicht des Reiseversicherers, daß zunächst in jedem Falle ein Versicherer bei Erkrankung im Ausland eintritt (zur Bedeutung der Vorleistungsklausel: Martin , aaO V I Rdn. 26; Kollhosser, aaO § 59 Rdn. 25). Damit wird ein lükkenloser Versicherungsschutz sichergestellt.
Daß Versicherungsnehmer mit dem Abschluß der Reise krankenversicherung daneben regelmäßig auch den Zweck verfolgen, im Falle einer

Erkrankung im Ausland allein auf Leistungen des Reisekrankenversicherers zurückgreifen zu können, um sich so eine Beitragsrückerstattung ihres Krankenversicherers zu erhalten, läßt sich nicht feststellen.
cc) Auch im übrigen ist nichts dafür ersichtlich, daß die Subsidiaritätsklauseln den Versicherungsnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 9 Abs. 1 AGBG). Entgegen dem Vorwurf des Beklagten höhlen sie das Leistungsversprechen nicht aus. Denn zum einen bietet der Reiseversicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer die Sicherheit, daß in jedem Falle ein Versicherer für die im Ausland entstandenen Krankheits- und Rücktransportkosten aufkommen wird, zum anderen regelt der Vertrag, wer in Vorlage zu treten hat; schließlich bleiben dem Versicherungsnehmer Leistungen des Reiseversicherers erhalten, soweit er - wie hier - nach dem Krankenversicherungsvertrag einen Selbstbehalt zu tragen hat.
dd) Im übrigen gilt insoweit: Reisekrankenversiche rungen werden - wie andere Versicherungen auch - einer Vielzahl von Personen in unterschiedlichsten Lebens-, Alters-, Einkommens-, Gesundheits- und Krankenversicherungsverhältnissen angeboten. Aufgabe des Versicherers ist es dabei, ein beurteilungsfähiges, transparentes Leistungsangebot zu machen. Sache des damit angesprochenen Personenkreises bleibt es, eigenständig zu prüfen und zu entscheiden, ob die angebotene Versicherung zur Abdeckung der jeweiligen Interessen geeignet erscheint. Erwartungen, die sich darauf gründen, daß der Versicherungsnehmer ein Leistungsangebot nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und geprüft hat, ob es für ihn paßt, sind nicht schützenswert. Anders verhält es sich nur dann, wenn der Versicherer ein Angebot unterbreitet hat, das irrige Erwartungen

wecken kann oder in Wahrheit seinem deklarierten Schutzzweck nicht genügt (vgl. für die Krankentagegeldversicherung: BGH, Urteil vom 25. November 1992 - IV ZR 187/91 - VersR 1993, 297 unter II 3 c).
So liegt der Fall hier nicht. Daß der Versicherung snehmer bei Inanspruchnahme von Krankenversicherungsleistungen seine Beitragsrückerstattung verliert, hat seine Ursache allein im Krankenversicherungsvertrag. Denn wie das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, träte diese Folge auch dann ein, wenn der Reiseversicherungsvertrag keine Subsidiaritätsklauseln enthielte. Es läge dann eine Doppelversicherung im Sinne von § 59 VVG vor, bei der der Innenausgleich der Versicherer (§ 59 Abs. 2 VVG) ebenfalls die Inanspruchnahme des Krankenversicherers und den Verlust der Beitragsrückerstattung zur Folge hätte.
Aus diesem Grunde wirkt sich der mit den Subsidiar itätsklauseln verbundene gesetzliche Forderungsübergang nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG auch nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers aus und steht § 67 Abs. 1 Satz 2 VVG der Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs gegen den Krankenversicherer auch nicht entgegen.
Die Subsidiaritätsklauseln der Klägerin erwecken n icht den Anschein , der Reiseversicherer wolle abweichend von dieser Rechtslage allein für die im Ausland entstandenen Krankheits- und Rücktransportkosten aufkommen. Im Gegenteil weisen sie unmißverständlich darauf hin, daß anderweitiger Versicherungsschutz seiner Leistungspflicht vorgehen soll und er dann lediglich eine Vorleistung zu erbringen hat. Eine intransparente Regelung liegt insoweit nicht vor.

2. Das für den Krankenversicherungsvertrag in § 6 Abs. 6 MB/KK 94 vereinbarte Abtretungsverbot ("Ansprüche auf Versicherungsleistungen können weder abgetreten noch verpfändet werden") steht der Anwendung des § 67 Abs. 1 VVG im vorliegenden Falle nicht entgegen. Zwar hindert ein vertraglich vereinbartes Abtretungsverbot grundsätzlich den Rechtsübergang nach § 67 Abs. 1 VVG (§§ 412, 399 BGB, vgl. Senatsurteil vom 26. März 1997 aaO unter 5 c, aa). Das Berufen des Beklagten auf das Abtretungsverbot stellt sich jedoch als rechtsmißbräuchlich dar, weil es nicht mehr von einem im Zweckbereich der Klausel liegenden Interesse gedeckt wird.

a) Ob das hier vereinbarte Abtretungsverbot einer Kontrolle nach § 9 AGBG standhält, hat der Senat noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat indessen ausgesprochen, daß eine Vereinbarung, wonach die Abtretbarkeit nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern von der Zustimmung des Schuldners abhängig gemacht wird, grundsätzlich - auch in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen - zulässig ist (BGHZ 102, 293, 300). Der Senat hat erkannt, daß eine Klausel in einer Haftpflichtversicherung (§ 7 Nr. 3 AHB), wonach Versicherungsansprüche vor der endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers nicht übertragen werden können, einer Kontrolle nach § 9 AGBG standhält (Urteil vom 27. März 1997 aaO). Ob das auch für das hier in Rede stehende einschränkungslose Abtretungsverbot gilt, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn es als wirksam vereinbart anzusehen ist, kann sich der Beklagte im vorliegenden Falle darauf nicht berufen (§ 242 BGB).

b) Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt en tschieden, daß sich ein Berufen auf ein in den Bedingungen vereinbartes Abtretungsver-

bot als rechtsmißbräuchlich darstellen kann, wenn das Verhalten des Versicherers nicht von einem beachtlichen, im Zweckbereich der Klausel liegenden Interesse gedeckt wird (Senatsurteile vom 4. Mai 1983 - IVa ZR 106/81 - VersR 1983, 823; vom 13. Juli 1983 - IVa ZR 226/81 - VersR 1983, 945 unter I; vom 26. März 1997 aaO; vgl. ferner BGH, Urteile vom 20. Juni 1996 - I ZR 94/94 - NJW-RR 1996, 1393; vom 25. November 1999 - VII ZR 22/99 - WM 2000, 182). Solche Klauseln zielen vor allem darauf ab zu verhindern, daß der in Anspruch genommene Versicherer statt von seinem Versicherungsnehmer von einem oder mehreren anderen Gläubigern in Anspruch genommen werden kann, er also im Schadensfall das Vertragsverhältnis mit Dritten abwickeln und es im Fall eines Prozesses hinnehmen muß, daß sein Versicherungsnehmer die Stellung eines Zeugen erhalten und der Versicherer dadurch in seiner Beweisführung benachteiligt werden kann (vgl. BGHZ 65, 364, 365; 112, 387, 388; Senatsurteil vom 13. Juli 1983 aaO).
Von diesem Zweck des Abtretungsverbots wird die Ve rhinderung eines Forderungsübergangs gemäß § 67 Abs. 1 VVG auf einen Subsidiärversicherer grundsätzlich nicht erfaßt (vgl. schon Senatsurteil vom 26. März 1997 aaO unter 5 c, bb). Dem Schuldner steht in diesem Falle nach wie vor nur ein Gläubiger gegenüber; es bleibt für den Schuldner regelmäßig ohne weiteres überprüfbar, ob und in welchem Umfang der Anspruch auf den Subsidiärversicherer übergegangen und dieser zur Geltendmachung berechtigt ist. Insbesondere stehen einer Berufung auf das Abtretungsverbot unter diesen Voraussetzungen gewichtige Interessen des Versicherungsnehmers gegenüber, die zu beachten der Versicherer nach Treu und Glauben verpflichtet ist. Erfolgte der Rechtsübergang nicht, wäre der Versicherungsnehmer gehalten, seinen Anspruch auf Versiche-

rungsleistungen gegen den Krankenversicherer selbst zu verfolgen, das Erstrittene an den Subsidiärversicherer auszukehren und - sofern er ein solches Vorgehen unterläßt - diesem möglicherweise Schadensersatz zu leisten (vgl. BGHZ 65, 364, 366). Dies widerspricht in einem Maße berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers (vgl. dazu auch Lorenz, Anm. zum Senatsurteil vom 26. März 1997 - IV ZR 137/96 - VersR 1997, 1088, 1091), das ein Berufen auf das Abtretungsverbot als rechtsmißbräuchlich erscheinen läßt. Daß im vorliegenden Falle dennoch besondere Gründe für einen Ausschluß des Forderungsübergangs vorliegen, ist nicht ersichtlich.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 197/03
vom
6. Mai 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
PEE-WEE
Beim nachträglichen Wegfall der im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
gegebenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist
nach Auffassung des Senats im Hinblick auf den Zweck des Rechtsmittels zu
prüfen, ob die (angestrebte) Revision Aussicht auf Erfolg hat, und, wenn dies der
Fall ist, die Revision zuzulassen.
BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004 - I ZR 197/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Streitwert: 50.000 €

Gründe:


I. Die Klägerin ist seit 1998 Inhaberin der am 18. März 1942 in die Zeichenrolle des Reichspatentamts u. a. für Gewindewalzmaschinen und für Walzen oder Rollen mit Außengewinden eingetragenen Marke 543 428 "Pee-Wee". Inhaber war damals die im Jahr 1939 von W. P. gegründete "PEEWEE -Maschinen- und Apparatebau, Inh. W. P. ". Im Frühjahr 1943 wurde die Produktion der PEE-WEE Maschinen- und Apparatebau von Berlin nach dem im heutigen Bundesland Brandenburg gelegenen Düben (mittlerweile: Bad Düben) verlegt. Dort gründete W. P. zusammen mit anderen
Gesellschaftern die "PEE-WEE Maschinen- und Apparatebau W. P. K.-G.".
Im Jahr 1949 verließ W. P. aufgrund der politischen Entwicklung Bad Düben und gründete in Westdeutschland ein neues Unternehmen. Auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht wurde er enteignet und wurde die PEEWEE Maschinen- und Apparatebau K.-G. in das Eigentum des Volkes überführt, wobei sie in die Rechtsträgerschaft der in C. ansässigen "Vereinigung volkseigener Betriebe, Werkzeugmaschinen und Werkzeuge" überging. Nach einem weiteren Rechtsträgerwechsel im Jahr 1954 lautete die Firma "VEB Werkstattmaschinenfabrik Bad Düben".
Nach der Wende ist die Beklagte in Bad Düben entstanden.
Die Beklagte hat im Internet unter ihrer Internet-Adresse www.profiroll.de mit folgenden Angaben geworben:
"Wir, PROFIROLL TECHNOLOGIES Bad Düben, ein Unternehmen mit über 200 Mitarbeitern , verfügen über fast 60 Jahre an Erfahrung auf dem Gebiet des Gewinde - und Profilwalzens. Heute, so wie in der Vergangenheit, führen wir mit großem Engagement und Verpflichtung die Philosophie der Firmengründer von PEE-WEE-Maschinen- und Apparatebau fort. Maschine - Werkzeug - Verfahren aus einer Hand."
Nach der Auffassung der Klägerin verletzt der Satz "Heute, so wie in der Vergangenheit, führen wir mit großem Engagement und Verpflichtung die Philosophie der Firmengründer von PEE-WEE-Maschinen- und Apparatebau fort."
u.a. ihre Rechte an der Marke Pee-Wee. Dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht gefolgt.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht.
II. Die Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Entgegen der Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde wirft die Entscheidung des Berufungsgerichts weder hinsichtlich der Beurteilung, ob eine markenmäßige Verwendung vorliegt, noch hinsichtlich der Beurteilung der Identität der sich gegenüberstehenden Zeichen Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Ebensowenig gebietet sie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einen Zugriff durch das Revisionsgericht. Von einer Begründung hierzu wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO).
2. a) Die vom Berufungsgericht bejahte Frage, ob die markenmäßige Benutzung der angegriffenen Bezeichnung der Anwendung der Schrankenbestimmung des § 23 Nr. 2 MarkenG, Art. 6 Abs. 1 lit. b der Markenrechtsrichtlinie entgegensteht, hatte im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzliche Bedeutung. Diese Frage ist inzwischen durch das auf Vorlage des Senats (Beschl. v. 7.2.2002 - I ZR 258/98, GRUR 2002, 613 = WRP 2002, 547 - GERRI/KERRY Spring) ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Januar 2004 (Rs. C-100/02, GRUR 2004, 234, Tz. 26, 27 - Gerolsteiner Brunnen) geklärt. Die nach § 23 Nr. 2 MarkenG (Art. 6 Abs. 1 lit. b MarkenRL) gestattete Benutzung der Marke scheitert danach nicht von vornherein daran, daß das Zeichen auch in einer herkunftshinweisenden Weise eingesetzt wird. Ob seine Benutzung den anständigen Gepflogen-
heiten in Gewerbe oder Handel entspricht (Art. 6 MarkenRL) und nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 23 MarkenG), ist unabhängig davon, ob die Benutzung ihrer Art nach markenmäßig erfolgt oder nicht. Die Unlauterkeit des die Schutzschranke des § 23 MarkenG (Art. 6 MarkenRL) ausschließenden Verhaltens ist nach eigenen Kriterien zu beurteilen.

b) Der Senat gründet die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf den inzwischen erfolgten Wegfall der mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung. Der Senat ist in dieser Frage im übrigen der Auffassung, daß die Revision in einem solchen Fall zuzulassen ist, wenn sie Aussicht auf Erfolg hat (vgl. aber BGH, Beschl. v. 20.11.2002 - IV ZR 197/02, NJW-RR 2003, 352; Beschl. v. 12.3.2003 - IV ZR 278/02, NJW 2003, 1609; Beschl. v. 8.4.2003 - XI ZR 193/02, NJW 2003, 2319, 2320; Beschl. v. 23.9.2003 - VI ZA 16/03, NJW 2003, 3781; hierzu kritisch: Seiler, NJW 2003, 2290) . Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Rechtsmittels der Revision, das es der beschwerten Partei ermöglichen soll, unter Überwindung des Filters der Zulassungsgründe eine Korrektur der angefochtenen Entscheidung zu erlangen, ist es geboten, den erstrebten Rechtsschutz nicht schon deshalb zu versagen, weil in dem vom Rechtsmittelführer nicht allein zu beeinflussenden Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde der bei Rechtsmitteleinlegung gegebene Zulassungsgrund weggefallen ist. Über das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde kommt der beschwerten Partei allerdings nicht dieselbe verfahrensrechtliche Position zu, die ihr zustünde, wenn das Berufungsgericht - wie es geboten gewesen wäre - die Revision zugelassen hätte. Um Ungleichheit bei der Rechtsanwendung zu vermeiden, die in der Versagung der Zulassung durch das Berufungsgericht und im mehr oder weniger zufälligen Zeitpunkt der Klärung der Zulassungsfrage liegt, ist das Revisionsgericht aber nach der Auf-
fassung des Senats bei einer solchen Fallgestaltung gehalten, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angestrebte Revision zuzulassen, wenn sie Aussicht auf Erfolg bietet.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht sind vom Revisionsgericht, sofern nicht bereits die Nichtzulassungsbeschwerde eine Begründung der Revision enthält (§ 551 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO), eigenständig Revisionsrügen und deren Erfolgsaussicht zu erwägen. Hierbei gelten die Maßstäbe, wie sie beim Verfahren auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe anzulegen sind. Im Streitfall führt dies nicht zur Zulassung der Revision. Mangels Divergenz im Ergebnis bedarf es zur Entscheidung des vorliegenden Falles nicht der Anrufung des Großen Senats in Zivilsachen.

c) Die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist im Streitfall zu verneinen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die angegriffene Werbeaussage beim Durchschnittsleser den unzutreffenden Eindruck erweckt, die Beklagte führe auch die Produktion von PEE-WEE-Maschinen fort. Die mit der Klage beanstandete Verhaltensweise der Beklagten ist danach mit den guten Sitten in Handel und Gewerbe nicht vereinbar. Das Berufungsgericht hat deshalb die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG im Ergebnis zu Recht nicht zugunsten der Beklagten gelten lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 260/03
vom
8. September 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO (2002) § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
Ein grundlegendes Mißverständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet
eine strukturelle Wiederholungsgefahr und erfordert, wenn die angefochtene
Entscheidung darauf beruht, deshalb die Zulassung der Revision zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung.
Lagen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 ZPO bei
Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vor, so ist die Revision zur Sicherung
der Einheitlichkeit der Rechtsprechung auch dann zuzulassen, wenn die gerügte
Fehlerpraxis des Berufungsgerichts nach Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde
in einer Parallelsache durch eine Leitentscheidung des Bundesgerichtshofes
korrigiert worden ist.
BGH, Beschluß vom 8. September 2004 - V ZR 260/03 - OLG Hamm
LG Bielefeld
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. September 2004 durch den
Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Dr. Klein,
Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Juli 2003 zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte zu 1 kauft Altwohnbestände auf, nimmt an ihnen Renovierungsmaßnahmen vor und veräußert sie nach Aufteilung in Wohnungseigentum weiter. Mit notariellem Vertrag vom 19. April 1995 verkaufte sie dem Kläger und dessen heutiger Ehefrau aus einer 1974 errichteten Wohnanlage in R. eine Anfang 1995 durch Teilung entstandene 57 qm große Eigentumswohnung. Mit privatschriftlichem Vertrag vom gleichen Tag traten die Käufer einer Mieteinnahmegemeinschaft (Mietpool) bei, die von einer Schwesterfirma der Beklagten zu 1 verwaltet wird. Die Vertragsabschlüsse wurden durch einen "Repräsentanten" der Beklagten zu 1 herbeigeführt. Er erstellte auf Formblättern zwei "Besuchsaufträge", die Informationen zum Objekt, zur Finanzierung des Kaufs sowie zu den Einnahmen und Ausgaben enthielten. Bei der darin vermerkten Mieteinnahme handelt es sich
um den auf 57 qm entfallenden Anteil aus den in den Mietpool fließenden prospektierten Gesamteinnahmen des Objekts. In den folgenden Jahren überstieg der von dem Kläger und seiner Ehefrau zu tragende Eigenaufwand für die Wohnung den in den Besuchsaufträgen genannten Betrag. Es waren Nachzahlungen an den Mietpool zu leisten; ferner wurde die monatliche Instandhaltungsrücklage für ihre Wohnung ab 1998 um monatlich 57.- DM erhöht. Der Kläger behauptet, die Rentabilitätsberechnung der Beklagten zu 1 sei unrichtig, weil die Instandhaltungsrücklage zu niedrig angesetzt und damit die in den Besuchsaufträgen angegebene monatliche Mieteinnahme unrealistisch gewesen sei. Er verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm weiteren Schaden aus dem Erwerb der Wohnung zu ersetzen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stünden keine Schadensersatzansprüche aufgrund positiver Vertragsverletzung eines selbständigen Beratungsvertrags zu. Von einem Beratungsvertrag sei auszugehen, wenn der Verkäufer als Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen einen ausdrücklichen Rat erteile oder ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlege, das zur Förderung der Vermittlung des Geschäfts dienen solle. Das sei hier nicht der Fall, da sich den Besuchsaufträgen nicht entnehmen lasse, daß sie das Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen darstellten. Zudem enthielten sie, von der AfA abgesehen , keine Erläuterung der steuerlichen Seite. Die vom Bundesgerichtshof bisher entschiedenen Fälle beträfen demgegenüber Sachverhalte, in denen sich das Berechnungsbeispiel des Verkäufers auf die zu erzielende Steuerersparnis bezogen habe.
Das Oberlandesgericht hat die Revision nicht zugelassen; dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. 1. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verstöße gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) rechtfertigen die Zulassung der Revision allerdings nicht. Von einer Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen. 2. Die Revision ist zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
a) Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung zwar zu Recht die Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach ein Beratungsvertrag zustande kommt, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen dem Käufer, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt; gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, das der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll (BGHZ 140, 111, 115; Urt. v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811). Das Berufungsgericht verkennt jedoch die Anforderungen an das Zustandekommen eines Beratungsvertrags, wenn es entscheidend darauf abstellt, daß das Ergebnis intensiver Vertragsverhandlungen und diese widerspiegelnde Be-
rechnungsbeispiele über Kosten und insbesondere steuerliche Vorteile des Erwerbs aus den von der Beklagten zu 1 verfaßten und vom Kläger unterschriebenen Besuchsaufträgen ersichtlich sein müsse. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine – nicht zulassungsrelevante – fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall , sondern um ein grundlegendes Mißverständnis des rechtlichen Ansatzpunktes der Senatsrechtsprechung. Denn weder erfordert der Abschluß eines Beratungsvertrags die Dokumentation des Verhandlungsverlaufs noch kommt es darauf an, ob die durch das Erwerbsmodell zu erzielende steuerliche Ersparnis den Mittelpunkt der Beratung bildet. Ein solches Mißverständnis begründet wie das Zugrundelegen eines unrichtigen Obersatzes (Senatsbeschl. v. 18. März 2004, V ZR 222/03, NJW 2004, 1960) eine strukturelle Wiederholungsgefahr (vgl. Senatsbeschl. v. 10. April 2003, V ZR 360/02, nicht veröffentl.) und erfordert deswegen die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Senat, Beschl. v. 31. Oktober 2002, V ZR 100/02, NJW 2003, 754; Beschl. v. 18. März 2004, V ZR 222/03, aaO).

b) Der Zulassungsgrund ist nicht dadurch wieder entfallen, daß der Senat das Mißverständnis inzwischen in einer Parallelsache nach Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde durch Urteil vom 31. Oktober 2003 (V ZR 423/02, NJW 2004, 64) offen gelegt und bereinigt hat. Denn die Tatsache, daß mit der Veröffentlichung dieses Urteils eine Wiederholung oder Nachahmung der durch das Mißverständnis verursachten Rechtsanwendung nicht mehr zu besorgen ist, darf in den Fällen, in denen das Berufungsgericht aufgrund derselben Fehlerpraxis falsch entschieden hat, nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers gereichen.
aa) Grundsätzlich ist für das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen allerdings der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts maßgeblich. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschl. v. 20. November 2002, IV ZR 197/02, NJW-RR 2003, 352; Beschl. v. 12. März 2003,
IV ZR 278/02, NJW 2003, 1609; Beschl. v. 8. April 2003, XI ZR 193/02, NJW 2003, 2319, 2320; Beschl. v. 13. August 2003, XII ZR 303/02, NJW 2003, 3352, 3354; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 544 Rdn. 14) und beruht auf einem für das Beschwerdeverfahren anerkannten allgemeinen Grundsatz (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rdn. 12 m.w.N.).
Die Erwägung, die Nichtzulassungsbeschwerde diene der Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision, rechtfertigt es nicht, auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen (so aber Seiler, NJW 2003, 2290). Stellt sich die unterbliebene Zulassung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts als richtig dar, fehlt es an der Notwendigkeit ihrer Änderung ebenso wie in dem Fall, in dem der Zulassungsgrund wegen nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entfallen ist (BG H, Beschl. v. 12. März 2003, IV ZR 278/02, NJW 2003, 1609). Daß die Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich im Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts vorliegen müssen, kann sich auch zum Vorteil des Beschwerdeführers auswirken, so beispielsweise , wenn die Rechtssache wegen eines erst nach Erlaß des Berufungsurteils aufgetretenen Meinungsstreits grundsätzliche Bedeutung erlangt.
Ob durch eine spätere Entscheidung des Revisionsgerichts eine Divergenz des angefochtenen Urteils zur höchstrichterlichen Rechtsprechung entstehen kann, die die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (verneinend: BGH, Beschl. v. 8. April 2003, XI ZR 193/02, NJW 2003, 2319, 2320; vgl. zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO aber auch: BFH, Beschl. v. 31. Oktober 2002, IV B 126/01, veröffentlicht bei juris; zur Divergenz als Unterfall des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: Senat, BGHZ 154, 288, 292 f.), bedarf keiner Entscheidung. Denn das Berufungsgericht hat keinen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Obersatz formuliert. Es handelt sich um eine fehlerhafte, die Grundsätze der Senatsrechtsprechung nicht beachtende
Rechtsanwendung, wodurch eine Divergenz nicht begründet wird (vgl. Senat, BGHZ 154, 288, 293).
bb) Der Grundsatz, daß maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts ist, kann jedoch nicht ausnahmslos gelten. Eine Abweichung ist erforderlich, wenn durch höchstrichterliches Urteil eine ständige Fehlerpraxis unterer Gerichte korrigiert wird und anschließend, wie hier, über eine Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden ist, die zum Zeitpunkt der korrigierenden Entscheidung bereits eingelegt war und die gleiche Fehlerpraxis rügt. Beruht die angefochtene Entscheidung auf dieser Fehlerpraxis, so liefe die Zurückweisung der Beschwerde im Hinblick auf die künftig gesicherte Einheitlichkeit der Rechtsprechung dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Rechtsmittelklarheit zuwider.
(1.) Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Die Regelungen über die Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln müssen sich durch ein besonderes Maß an Gleichheit, Klarheit und innerer Logik auszeichnen (BVerfGE 74, 228, 234; vgl. auch BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats] NJW 2004, 1371, 1372). Zu diesen Anforderungen tritt das rechtsstaatliche Erfordernis der Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns hinzu, das das Gebot umschließt, dem Rechtssuchenden in klarer Abgrenzung den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen zu weisen (BVerfGE 49, 148, 164). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn das Prozeßrecht den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfG, DVBl 1995,

35).

Eine Auslegung der §§ 543, 544 ZPO, die zur Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde führte, wenn der im Zeitpunkt ihrer Einlegung vorhandene
Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch nachfolgende Entscheidungen des Revisionsgerichts entfällt, verstieße gegen diese Grundsätze. Im Fall des § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO hinge der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde sonst davon ab, ob der Rechtsfehler, der in der Sache des Beschwerdeführers die Zulassung der Revision erforderte, in vergleichbaren Fällen auch anderen Gerichten unterlaufen ist, ob die hiervon Betroffenen Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision eingelegt haben und schließlich davon, in welchem Verfahren zuerst eine die (künftige) Einheitlichkeit der Rechtsprechung sichernde Entscheidung des Revisionsgerichts erginge.
Für einen Beschwerdeführer wäre damit weder vorhersehbar noch kalkulierbar , ob seine anfänglich begründete Nichtzulassungsbeschwerde zur Zulassung der Revision führt (ebenso Seiler, NJW 2003, 2290). Anders als bei dem im Zeitpunkt der Entscheidung grundsätzlich erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu BVerfGE 104, 220, 232 sowie BGH, Urt. v. 12. März 2003, IV ZR 278/02, NJW 2003, 1609) hinge die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels auch nicht von Gegebenheiten ab, die mit dem Beschwerdeführer oder seiner Rechtssache in Zusammenhang stehen. Maßgeblich wären vielmehr davon völlig unabhängige, aus Sicht des Beschwerdeführers zufällige Umstände. Eine solche Unsicherheit wäre mit dem Gebot der Rechtsmittelklarheit sowie der Meßbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns unvereinbar.
(2.) Voraussetzung für die Zulassung ist allerdings, daß die beabsichtigte Revision Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004, I ZR 197/03, WRP 2004, 1051). Fehlt es daran, müßte die Revision also nach § 561 ZPO zurückgewiesen werden, erfordert das Gebot der Rechtsmittelklarheit keine Zulassung. Auch besteht kein schützenswertes Interesse an einer Zulassung. Indes wird bei dem Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Erfolgsaussicht der Revision in aller Regel nicht zweifelhaft sein, da er eine rechtsfehlerhafte Entscheidung vor-
aussetzt. Während im Fall des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht nur die grundsätzliche Bedeutung der Sache des Beschwerdeführers, sondern auch die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Revision entfallen kann, wenn der Bundesgerichtshof die Grundsatzfrage nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Rahmen eines anderen Verfahrens entscheidet, verändert die Korrektur einer berufungsgerichtlichen Fehlerpraxis durch das Revisionsgericht nicht die Erfolgsaussichten einer Revision gegen ein weiteres, auf derselben Fehlerpraxis beruhendes Urteil.
Nach alledem ist § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 ZPO dahingehend verfassungskonform auszulegen, daß die Revision trotz zwischenzeitlich ergangener höchstrichterlicher Leitentscheidung zuzulassen ist, wenn das angefochtene Urteil im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gefährdete und die beabsichtigte Revision im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Soweit in den Entscheidungen des IV. Zivilsenats vom 20. November 2002 (IV ZR 197/02, NJW-RR 2003, 352) und vom 12. März 2003 (IV ZR 278/02, NJW 2003, 1609), des XI. Zivilsenats vom 8. April 2003 (XI ZR 193/02, NJW 2003, 2319, 2320) und des XII. Zivilsenats vom 13. August 2003 (XII ZR 303/02, NJW 2003, 3352, 3354) etwas anderes zum Ausdruck kommt, haben die Senate auf Anfrage erklärt, hieran nicht festzuhalten.
Wenzel Klein Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 197/02
vom
20. November 2002
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting und Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 20. November 2002

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Mai 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurück- gewiesen.
Streitwert: 20.958,43 DM)

Gründe:


Der Beklagte und Beschwerdeführer ist vom Berufungsgericht wegen seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker u.a. zu Schadensersatz nach § 2219 BGB verurteilt worden. Nur insoweit erstrebt er mit der Revision die Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen und zur Begründung ausgeführt, nach seiner Ansicht sei nicht ernstlich zweifelhaft, daß Ansprüche aus § 2219 BGB innerhalb von 30 Jahren verjähren. Demgegenüber weist der Beklagte in seiner Nichtzulassungsbeschwerde auf Stimmen in der Literatur sowie auf ein

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2001 hin, wonach die Verjährungsfrist nur 3 Jahre betrage.
Auf eine Revision gegen die genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat der Senat durch Urteil vom 18. September 2002 (IV ZR 287/01) ausgesprochen, daß Schadensersatzansprüche nach § 2219 Abs. 1 BGB in 30 Jahren verjähren, auch wenn ein Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker tätig geworden ist. Damit ist die vom Beklagten für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage geklärt; die Zulassung der Revision ist auch nicht mehr zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Maßgebend ist insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung (MünchKomm/Wenzel, ZPO 2. Aufl., Aktualisierungsband 2002, § 544 Rdn. 14).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 193/02
vom
8. April 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________

a) Eine die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
begründende Divergenz liegt begriffsnotwendig nur dann vor, wenn zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Tatgerichts bereits entgegenstehende höchstrichterliche
Rechtsprechung existiert, von der das angefochtene Urteil abweicht.

b) Eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
setzt Wiederholungsgefahr voraus, die in der Regel zu verneinen ist, wenn das
Tatgericht zwar bereits ergangene, aber noch nicht veröffentlichte höchstrichterliche
Rechtsprechung in nicht vorwerfbarer Weise (noch) nicht beachtet.

c) Ob die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
geboten ist, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde.
BGH, Beschluß vom 8. April 2003 - XI ZR 193/02 - OLG München
LG München I
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Joeres, die Richterin
Mayen und den Richter Dr. Appl
am 8. April 2003

beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Mai 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 185.087,28

Gründe:


Die Rechtssache hat entgegen der Ansicht des Klägers weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) kann einer Rechtssache nur dann zukommen, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft , die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (Senatsbeschluß vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, WM 2002, 2344,
2347, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Das ist bei den vom Kläger angesprochenen Fragen nicht der Fall.

a) Durch die Senatsurteile vom 2. Mai 2000 (XI ZR 150/99, BGHZ 144, 223, 226 ff. und XI ZR 108/99, WM 2000, 1247, 1249) ist geklärt, daß es für die Widerruflichkeit einer Vertragserklärung nach dem Haustürwiderrufsgesetz grundsätzlich nicht auf die Haustürsituation des Vertretenen bei der Vollmachtserteilung, sondern auf die des Vertreters bei Abschluß des Darlehensvertrages ankommt. Ausreichend ist eine Haustürsituation allein des Vertretenen allenfalls dann, wenn der Vertretene dem Vertreter - anders als hier - für den Abschluß des Rechtsgeschäfts bestimmte Weisungen gegeben und deshalb sein Geschäftswille Abgabe und Inhalt der Willenserklärung des Vertreters entscheidend bestimmt hat.
Die Ausführungen des Klägers geben zu einer Änderung dieser Rechtsprechung keinen Anlaß. Auch die von ihm angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof kommt nicht in Betracht. § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG schließt einen Widerruf einer von einem Notar beurkundeten Willenserklärung - wie hier die Vollmachtserteilung - nach dem Haustürwiderrufsgesetz aus. Dies gilt nach dem eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut des Gesetzes ausnahmslos. Eine einschränkende richtlinienkonforme Auslegung kommt danach nicht in Betracht, ist aber auch nicht veranlaßt. Art. 1 Abs. 1, 3 und 4 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. Dezember 1985 (Abl. Nr. L 372/31 vom 31. Dezember 1985; Haustürgeschäfterichtlinie) setzt den Abschluß des Vertrages bzw. die Abgabe der Vertragserklärung in
einer Haustürsituation voraus. An einer solchen Situation fehlt es im Falle der notariellen Beurkundung einer Willenserklärung in den Kanzleiräumen des Notars.

b) Ebenso sind die Voraussetzungen, unter denen die kreditgebende Bank bei der Finanzierung des Kaufpreises einer Eigentumswohnung ausnahmsweise eine Aufklärungs- oder Beratungspflicht trifft, geklärt (vgl. Senatsurteile vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 902 ff., vom 18. April 2000 - XI ZR 193/99, WM 2000, 1245, 1246 und vom 18. März 2003 - XI ZR 188/02, WM 2003, 918, 921, jeweils m.w.Nachw.). Das gilt auch für die vom Kläger besonders angesprochene Frage, ob die Bank über eine vom Verkäufer an den Vermittler gezahlte Vergütung, vom Kläger als versteckte Innenprovision bezeichnet, aufzuklären hat. Durch Urteil vom 12. November 2002 (XI ZR 3/01, WM 2003, 61, 63), das bei Abfassung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung noch nicht vorlag, ist entschieden, daß eine Aufklärungspflicht der kreditgebenden Bank nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die Innenprovision zu einer - hier nicht dargelegten - so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert beiträgt , daß die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muß.
2. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Zulassung der Revision nicht erforderlich. Dieser Zulassungsgrund soll verhindern, daß schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen. Das ist nicht schon dann anzunehmen, wenn ein Gericht in einem Einzelfall eine Fehlentscheidung getroffen hat, selbst wenn der Fehler offensichtlich ist, wohl aber dann, wenn es von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und die Gefahr einer Wiederholung durch dasselbe Gericht oder einer Nachahmung durch andere Gerichte besteht (Senatsbeschluß vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, WM 2002, 2344, 2345; BGH, Beschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02, WM 2003, 554, 555 zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 543 Rdn. 8 unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung BT-Drucks. 14/4722, S. 104). An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn das angefochtene Urteil nicht von einer in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde konkret zu benennenden Vorentscheidung abweicht.

a) Als Vorentscheidung, von der das angefochtene Urteil vom 3. Mai 2002 angeblich abweicht, benennt der Kläger nur die Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. Mai 2002 (XI ZR 155/01, WM 2002, 1273). Dieses Urteil ist indes erst nach dem Berufungsurteil ergangen und damit keine Vorentscheidung. Ein Abweichen setzt aber begriffsnotwendig voraus, daß bereits eine anderslautende Entscheidung existent ist. Schon deshalb liegt eine Divergenz des Berufungsurteils zur Senatsentscheidung vom 14. Mai 2002, die dem Berufungsgericht nicht bekannt sein konnte, nicht vor. Unter diesem Gesichtspunkt scheidet auch eine Wiederholungsgefahr aus. Eine solche wird in der Regel nur dann angenommen werden können, wenn ein Gericht anderslautende höchstrichterliche Rechtsprechung in vorwerfbarer Weise nicht beachtet. Ein solches vorwerfbares Abweichen setzt aber stets voraus, daß die entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung zum einen schon ergangen und zum anderen auch schon veröffentlicht ist, so daß das Tatgericht zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.

b) Das angefochtene Berufungsurteil weicht zwar von der Entscheidung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2001 (III ZR 182/00, WM 2001, 2260, 2261), auf die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 14. Mai 2002 (aaO) lediglich hingewiesen hat, ab; dies macht der Kläger aber nicht - wie erforderlich - geltend. Während nach Ansicht des III. Zivilsenats ein Verstoß eines Geschäftsbesorgungsvertrages gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG ohne weiteres die Nichtigkeit der dem Geschäftsbesorger erteilten Ausführungsvollmacht zur Folge hat, hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Ausführungsvollmacht für den unbefugten Rechtsberater bejaht. Es ist dabei dem Senatsurteil vom 18. September 2001 (XI ZR 321/00, WM 2001, 2113, 2115) gefolgt, wonach es für die Frage der Nichtigkeit der Ausführungsvollmacht entscheidend darauf ankommt, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag und die Vollmacht ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB bilden.

c) Inzwischen sind Unterschiede in der Rechtsprechung des erkennenden Senats und des III. Zivilsenats insoweit ausgeräumt. Mit Urteilen vom 18. März 2003 (XI ZR 188/02, WM 2003, 918, 919 f.) und vom 25. März 2003 (XI ZR 227/02, Urteilsumdr. S. 9 f.) hat sich der erkennende Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dem Erkenntnis des III. Zivilsenats vom 11. Oktober 2001 (aaO), dem auch der II. und der IV. Zivilsenat folgen (Urteile vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, WM 2003, 247, 249 und vom 26. März 2003 - IV ZR 222/02, Urteilsumdr. S. 6 f.), ausdrücklich angeschlossen. Damit besteht zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (BGH, Beschlüsse vom 20. November 2002 - IV ZR 197/02, WM 2003, 554 und vom 12. März 2003 - IV ZR 278/02, Umdr. S. 5) keine
Notwendigkeit mehr für eine Vereinheitlichung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es spricht auch nichts dafür, das Berufungsgericht werde die nunmehr vereinheitlichte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs künftig nicht beachten.
Nobbe RiBGH Dr. Bungeroth ist Joeres wegen Krankheit an der Unterschrift gehindert. Nobbe
Mayen Appl

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.