Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2010 - IV ZR 349/07

bei uns veröffentlicht am17.02.2010
vorgehend
Landgericht Hamburg, 418 O 18/05, 23.11.2005
Hanseatisches Oberlandesgericht, 9 U 233/05, 03.04.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 349/07
vom
17. Februar 2010
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin HarsdorfGebhardt
und den Richter Dr. Karczewski
am 17. Februar 2010

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 3. April 2007 zugelassen.
Das vorgenannte Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 20.451,68 €

Gründe:


1
I. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin einen auf Rückzahlung ihrer Versicherungsleistung in Höhe von 20.451,68 € gerichteten Bereicherungsanspruch versagt und dabei angenommen, die von verschiedenen Tankstellenpächtern, darunter dem Zeugen P. , und der Firma O. (im Folgenden: Firma O. ) getroffene Vereinbarung zur Nutzung freier Warenkre- dit-Versicherungskontingente der Tankstellenpächter habe mit Blick auf den Warenkreditversicherungsvertrag der Beklagten betreffend Kraftstofflieferungen an den Tankstellenpächter P. keine Gefahrerhöhung dargestellt und sei auch nicht sittenwidrig gewesen. Dabei hat es entscheidend darauf abgestellt, diesem Versicherungsvertrag sei keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen, dass die Verbindlichkeiten des Tankstellenpächters nur bei Kauf von Treibstoff für den eigenen Bedarf seiner Tankstelle versichert gewesen seien. Vielmehr seien ihm auch so genannte Streckengeschäfte erlaubt gewesen.
2
II. Das Berufungsurteil verletzt dabei in entscheidungserheblicher Weise das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Senat hat deshalb ihre Revision zugelassen und die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im Beschlusswege zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
3
1. Die Feststellung einer Gefahrerhöhung erfordert einen Vergleich des versicherten Risikos mit der nach einer Änderung möglicherweise risikorelevanter Umstände neuen Gefahrenlage. Das kann immer nur anhand der Umstände des Einzelfalles geschehen, denn die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes über Gefahrerhöhungen dienen dem Zweck, die im Versicherungsvertrag ausgehandelte Balance zwischen versichertem Risiko und Prämie zu wahren, oder den Vertrag anzupassen - und notfalls auch zu beenden - wenn dieses Gleichgewicht gestört ist.
4
Ausgangspunkt ist - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - die Auslegung des Vertrages zur Ermittlung des versicherten Risikos (vgl. dazu auch HK-VVG/Karczewski § 23 Rdn. 9, 10). Sodann muss dieses versicherte Risiko mit der Risikolage verglichen werden, wie sie sich nach Veränderung der Umstände darstellt. Dabei kommt es - wie in der Senatsrechtsprechung geklärt ist - nicht auf einzelne Gefahrumstände an; stattdessen ist zu fragen, wie sich die Gefahrenlage seit der Stellung des Antrags auf Abschluss des Versicherungsvertrages im Ganzen entwickelt hat. Hierfür sind alle ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. (Senatsurteil vom 23. Juni 2004 - IV ZR 219/03 - VersR 2005, 218 unter II 1 b (1); BGHZ 79, 156 [158] = VersR 1981, 245 [246]; Senatsurteil vom 5. Mai 2004 - IV ZR 183/03 - VersR 2004, 895 = juris unter II 2 a aa).
5
2. Dem hat das Berufungsgericht nicht genügt. Es hat die besonderen Umstände des Einzelfalles weitgehend unberücksichtigt gelassen und insbesondere aus dem Blick verloren, dass die Klägerin vorgetragen und unter Beweis gestellt hatte, die Beklagte habe sich an der so genannten Pool-Vereinbarung zwischen mehreren Tankstellenpächtern und der Firma O. beteiligt. Diesem Vortrag wäre nachzugehen gewesen.
6
a) Schon die Auslegung des Warenkredit-Versicherungsvertrages betreffend Kraftstofflieferungen an den Pächter P. bleibt zur Frage, welches Risiko die Klägerin übernommen hatte, insoweit unvollständig, als sich das Berufungsgericht mit der allgemeinen Feststellung begnügt, der Versicherungsschutz habe sich auch auf so genannte "Streckengeschäfte" erstreckt. Es wäre weiter zu prüfen gewesen, ob sich das Leistungsversprechen auf jegliches Streckengeschäft bezog oder der Ein- schränkung unterlag, dass bei Abschluss solcher Streckengeschäfte keine besonderen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Zweitabnehmers vorliegen durften, die ihrerseits die Bonität des Bestellers gefährdete.
7
b) Im Weiteren wären die von der Klägerin vorgetragenen veränderten Umstände mit dem vertraglichen Soll-Zustand vergleichend zu würdigen gewesen. Das hat das Berufungsgericht weitgehend versäumt.
8
aa) Zwar mag sein Hinweis darauf, dass dem versicherten Besteller nach dem Warenkreditversicherungsvertrag auch Streckengeschäfte erlaubt waren, noch denjenigen Bedenken begegnen, die die Klägerin ganz allgemein gegen solche Streckengeschäfte erhebt. Das betrifft das Argument, dass ein Tankstellenpächter beim Kraftstoffkauf für die von ihm betriebene Tankstelle mit den nachfolgenden Barverkäufen an Endabnehmer das Risiko ausbleibender Bezahlung breit streue und deshalb größere Zahlungsausfälle in der Regel nicht zu besorgen seien, während man sich mit einem Streckengeschäft für einen einzelnen Lieferungsempfänger allein von dessen Zahlungsfähigkeit und -willigkeit abhängig mache und dadurch grundsätzlich das Risiko eines Totalausfalls erhöhe.
9
bb) Im Weiteren hat sich das Berufungsgericht aber nicht ausreichend mit der von der Klägerin vorgetragenen, teilweise auch unstreitigen besonderen Vorgeschichte der so genannten Pool-Vereinbarung und den konkreten Hinweisen auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Firma O. befasst.
10
Danach waren zu Ende des Jahres 2000 weder die Beklagte als Verkäuferin von Kraftstoffen noch die Klägerin als Warenkreditversiche- rer mit Blick auf Zweifel an der Liquidität der Firma O. weiterhin bereit, das Zahlungsausfallrisiko künftiger Lieferungen an letztere zu tragen. Die Klägerin hatte eine von der Beklagten beantragte Erhöhung der Versicherungssumme in dem Kreditversicherungsvertrag betreffend Lieferungen an die Firma O. ausdrücklich abgelehnt, und die Beklagte hatte daraufhin der Firma O. mit einem Lieferstopp gedroht, weil deren versichertes Lieferkontingent längst überschritten war.
11
Die so genannte Pool-Vereinbarung mehrerer Tankstellenpächter mit der Firma O. zielte vor diesem Hintergrund darauf ab, die freien Versicherungskontingente dieser Pächter in der Weise für künftige Kraftstofflieferungen der Beklagten an die Firma O. nutzbar zu machen, dass fortan die Pächter in entsprechendem Umfang als Zwischenhändler auftraten. Die Gestaltung der neuen Lieferverträge lief darauf hinaus, dass in den - die Tankstellenpächter betreffenden - Versicherungsverträgen das Risiko eines Forderungsausfalls nicht mehr in erster Linie von der Zahlungsfähigkeit der Tankstellenpächter, sondern letztlich vorwiegend von der Zahlungsfähigkeit der Firma O. abhing, also einem Risiko, das die Klägerin ersichtlich nicht zu tragen bereit war.
12
Spricht damit bereits vieles dafür, dass die genannten Umstände zumindest objektiv eine Gefahrerhöhung bedeuteten, so durfte das Berufungsgericht den Klägervortrag, die Beklagte habe sich an der so genannten Pool-Vereinbarung beteiligt, nicht übergehen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, den dazu angebotenen Beweis zu erheben. Denn hiervon hängt es ab, ob eine subjektive Gefahrerhöhung vorlag, auf die die Klägerin ihre Leistungsfreiheit stützt.
Terno Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 23.11.2005 - 418 O 18/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 03.04.2007 - 9 U 233/05 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 219/03 Verkündet am:
23. Juni 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2004

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 4. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen derM. T. GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Diese betrieb, ab dem 1. September 1995 vertreten durch den Geschäftsführer S. , einen Elektro-Einzelhandel; zu diesem Zwecke hatte sie im Hause Bahnhofstraße 5a in E. das Keller-, Erd- und erste Obergeschoß angemietet. Bei der Beklagten unterhielt sie eine Leitungswasser - und Betriebsunterbrechungsversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Leitungswasserversicherung (AWB 1987)

und die Zusatzbedingungen für die Betriebsunterbrechungs-Versicherung (ZKBU 1987) zugrunde lagen.
Im Hause Bahnhofstraße 5a, das im Miteigentum der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) P. /G. steht, blieben seit dem Jahre 1992 das zweite und dritte Obergeschoß ungenutzt. Die GbRGesellschafter P. und G. waren bis zum 31. August 1995 zugleich Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. In den Wintern 1992 bis 1996 stellten sie in den leerstehenden Räumlichkeiten Heizlüfter auf und führten Kontrollgänge durch. In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1996 kam es während einer seit November 1995 anhaltenden starken Frostperiode im dritten Obergeschoß zu einer Leckage an einem der über Putz verlaufenden Leitungsrohre, die der Kläger auf Erosion, die Beklagte auf einen Frostschaden zurückführt. Durch das austretende Leitungswasser kam es zu Überschwemmungen in den darunterliegenden Stockwerken. Die Gemeinschuldnerin, die ihren Anspruch gegen die Beklagte an die Sparkasse E. abgetreten hat, hat den ihr entstandenen Schaden an Einrichtung und Vorräten und aus der darauf beruhenden Betriebsunterbrechung zuletzt mit 72.098,29 € beziffert. Die Beklagte lehnt Versicherungsleistungen unter anderem deshalb ab, weil die Gemeinschuldnerin ihr die von den leerstehenden Räumlichkeiten ausgehende erhöhte Gefahr nicht angezeigt und überdies den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe, indem sie keine Maßnahmen zum Schutz der frostgefährdeten Leitungen ergriffen habe.
Das Landgericht hat der Leistungsklage nebst Zinse n stattgegeben , das Oberlandesgericht sie auf die Berufung der Beklagten abgewie-

sen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefocht enen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Gemeinschuldnerin leistungsfrei. Es habe über einen Zeitraum von mehreren Jahren die von den leerstehenden Räumlichkeiten ausgehende dauernde und jedem einleuchtende Gefahr eines Leitungswasserschadens bestanden. Diese Gefahr habe eine Pflicht der Gemeinschuldnerin zum Handeln begründet, der sie durch Betätigen der vorhandenen Absperrvorrichtungen an den Steigleitungen zum zweiten und dritten Obergeschoß hätte nachkommen müssen. Ein Absperren hätte bei einem Frost- oder auch Korrosionsschaden auf jeden Fall den Austritt einer größeren Menge Wasser verhindert. Die notwendige Kenntnis von der Gefahrenlage hätten die früheren Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als Miteigentümer des Gebäudes gehabt. Die Geschäftsführer hätten schon in den Jahren 1992 bis 1995 auch zum Schutze des Vermögens der Gemeinschuldnerin entsprechende Maßnahmen einleiten müssen. Daß diese Maßnahmen außerhalb des Versicherungsortes durchzuführen gewesen wären, sei dabei ohne Belang. Dieses Unterlassen habe über den Zeitpunkt des Ausscheidens der Ge-

schäftsführer fortgewirkt, denn im Februar 1996 sei der Schadensfall eingetreten.
Die Beklagte könne sich zudem auf Leistungsfreihei t wegen der nicht erfolgten Anzeige einer Gefahrerhöhung berufen. Dabei bedeute das Nichtbeheizen der Räume im zweiten und dritten Obergeschoß eine Gefahrerhöhung auch für die darunter liegenden versicherten Räume, denn mit Wasser gefüllte Leitungen könnten bei Frost zerstört werden und erhebliche Schäden verursachen. Die Gefahrerhöhung habe seit dem Jahre 1992 bestanden, so daß die damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin spätestens im Winter 1992/93 zur Anzeige bei der Beklagten verpflichtet gewesen seien. Die Geschäftsführer hätten Kenntnis von der Gefahrerhöhung gehabt, was daraus folge, daß sie versucht hätten, der Gefahr durch - wenn auch völlig ungeeignete - Maßnahmen zu begegnen. Das schlichte Auswechseln der Person der Geschäftsführer , wie hier zum 1. September 1995 geschehen, führe nicht notwendig dazu, daß der alte Kenntnisstand der juristischen Person vollständig erlösche ; zumindest für eine Übergangszeit sei ihr die Kenntnis ehemaliger Geschäftsführer zuzurechnen.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung in wesent lichen Punkten nicht stand. Dabei kommt es auf die Fragen, die dem Berufungsgericht Anlaß zur Zulassung der Revision gegeben haben, nicht an oder sie sind durch die bisherige Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet; dennoch war der Senat an die Zulassung gebunden (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

1. Nach § 6 Nr. 2 Abs. 1 und 2 AWB 1987 darf der V ersicherungsnehmer nach Stellung des Versicherungsantrages ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder gestatten. Er hat jede Gefahrerhöhung, die ihm bekannt wird, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn sie ohne seinen Willen eintritt. Wird die Anzeige nicht gemacht, so ist der Versicherer nach § 6 Nr. 2 Abs. 3 AWB 1987, der auf die §§ 23 bis 30 VVG und damit auch auf § 28 Abs. 1 VVG verweist, von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht auf Grundlage des bisherigen Vorbringens rechtsfehlerhaft bejaht.

a) Es hat bereits keine Feststellungen zum Beginn des Versicherungsverhältnisses getroffen. Den von den Parteien eingereichten Versicherungsunterlagen ist zu entnehmen, daß die Gemeinschuldnerin bei der Beklagten eine Leitungswasserversicherung mit Beginn zum 1. Mai 1993 genommen hat. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers , wie er in der Klagschrift enthalten ist, ist der Versicherungsvertrag sogar erst unter dem 9. August 1995 zustande gekommen. In beiden Fällen findet die Ansicht des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei spätestens im Winter 1992/93 zur Anzeige einer Gefahrerhöhung im Sinne des § 6 Nr. 2 AWB 1987 verpflichtet gewesen, keine tatsächliche Grundlage. Denn es war noch kein Versicherungsverhältnis zur Beklagten begründet, so daß die vom Berufungsgericht angenommene nachträgliche Gefahrerhöhung nicht gegeben sein konnte.


b) Auch im weiteren ist den Erwägungen des Berufun gsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu folgen. Es hat die bei der Prüfung einer Gefahrerhöhung zu beachtenden Grundsätze unzutreffend angewandt.
(1) Durch die Bestimmungen der §§ 23 ff. VVG, auf die § 6 Nr. 2 Abs. 3 AWB 1987 verweist, soll das Gleichgewicht zwischen Prämienaufkommen und Versicherungsleistung erhalten bleiben. Der Versicherer soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, obwohl sich die Risikolage so geändert hat, daß das Verhältnis zwischen Risiko und Prämie nicht mehr der Risikolage entspricht, die er bei Abschluß des Versicherungsvertrages voraussetzen durfte. Von einer Gefahrerhöhung kann demnach nur dann gesprochen werden, wenn nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, bei der der Versicherer den in Rede stehenden Versicherungsvertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte. Folgerichtig kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf einzelne Gefahrumstände an; statt dessen ist zu fragen, wie sich die Gefahrenlage ab Antragstellung (§ 6 Nr. 2 Abs. 2 AWB 1987, § 29a VVG) im ganzen entwickelt hat. Dabei sind alle ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. Soweit den gefahrerhöhenden Umständen gefahrvermindernde entgegenstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen (BGHZ 79, 156, 158; Senatsurteil vom 5. Mai 2004 - IV ZR 183/03 - unter II 2 a aa bei juris abrufbar).
(2) Das Berufungsgericht hat diese Prüfung nicht v orgenommen.
Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, daß der Lee rstand nicht die Geschäftsräume der Gemeinschuldnerin, sondern die darüber lie-

genden Räumlichkeiten im zweiten und dritten Obergeschoß betraf. Es haben sich nicht die Gegebenheiten der versicherten Sache selbst nachträglich verändert, es war lediglich ihr äußeres Umfeld betroffen. Soweit das Berufungsgericht der Auffassung ist, auch Einflüsse außerhalb der versicherten Sache seien geeignet, das bei Antragstellung vorausgesetzte Verhältnis zwischen Prämie und Risiko zu Lasten des Versicherers zu verschieben, hätte es die Risikolage in ihrer Gesamtheit untersuchen müssen. Während sich bei einem Leerstand von Räumlichkeiten einerseits das Risiko erhöht, daß infolge unzureichender Beheizung und Wartung der Rohre ein Leitungswasserschaden eintritt und nicht alsbald entdeckt wird, fallen andere für Leitungswasserschäden typische Risikoursachen weg, die von regelmäßig genutzten Räumen ausgehen, wie etwa aufgrund ungenügender Beaufsichtigung wasserführender Haushaltsgeräte oder von Verstopfungen der Leitungsrohre. Damit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt; eine - nach der erforderlichen Gefahrenaufrechnung - verbleibende überschießende Gefahrensituation ist auch sonst nicht ersichtlich.
(3) Sofern das Berufungsgericht davon ausgehen wol lte, ein besonderer Umstand - wie hier eine strenge winterliche Frostperiode - sei geeignet, die allgemeine Risikolage nachhaltig zu Lasten des Versicherers zu verändern, so übersieht es, daß ein solcher Zustand nicht durchgehend seit dem Winter 1992/93 bestanden haben kann, er vielmehr durch das Einsetzen der frostfreien Jahreszeit unterbrochen worden ist. Mit dem Wegfall der Gefahrerhöhung ist aber auch die Anzeigepflicht gegenstandslos geworden (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1975 - IV ZR 95/73 - VersR 1975, 845 unter A II). Die vom Berufungsgericht angenommene Anzeigepflicht der vormaligen Geschäftsführer hätte zu Beginn

des betreffenden Winterhalbjahres jeweils neu eingesetzt und mit seinem Ablauf geendet, denn nur während der Frostperiode ist denkbar, daß ein Zustand erhöhter Gefahr geschaffen wurde, der seiner Natur nach geeignet war, von so langer Dauer zu sein, daß er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell fördern konnte (vgl. BGHZ 7, 311, 317; Senatsurteil vom 27. Januar 1999 - IV ZR 315/97 - VersR 1999, 484 unter 2 a). Darüber hinaus gilt auch hier, daß es das Berufungsgericht hinsichtlich der Frostperioden ab 1992 an einer Gesamtabwägung aller gefahrerheblichen Umstände hat fehlen lassen.

c) Danach ist für die Leistungsfreiheit der Beklag ten nur maßgeblich , ob die Gemeinschuldnerin eine im konkreten Winterhalbjahr 1995/96 eingetretene Gefahrerhöhung entgegen § 6 Nr. 2 Abs. 2 AWB 1987, § 27 Abs. 2 VVG nicht zur Anzeige gebracht hat.
(1) Dazu gehört nach den genannten Bestimmungen ne ben der objektiven Gefahrerhöhung die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der erhöhten Gefahr. Diese Kenntnis konnte zu der betreffenden Zeit allein der Geschäftsführer S. haben. Auf die Zurechnung von Kenntnissen der vormaligen Geschäftsführer P. und G. kommt es schon deshalb nicht an, weil bislang nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist, daß es in den Jahren zuvor überhaupt anzeigepflichtige Zustände erhöhter Gefahr gab. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf unzureichende Maßnahmen der Geschäftsführer setzen sich zudem nicht mit den Anforderungen auseinander, die sich aus § 7 AWB 1987 ergeben. Sollten die Geschäftsführer diesen Anforderungen auch mit Blick auf die leer stehenden Räume genügt haben, dürfte eine Gefahrerhö-

hung bereits aus diesem Grunde ausscheiden. Damit erübrigt sich zugleich die vom Berufungsgericht als zulassungswürdig erachtete Frage nach der - zumindest "übergangsweisen" - Zurechnung des Kenntnisstandes der ehemaligen Geschäftsführer nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt. Davon abgesehen, läßt es die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht erkennen, weil es lediglich zum Ausdruck gebracht hat, es "neige einer solchen Annahme zu".
(2) Zum Kenntnisstand des Geschäftsführers S. im November 1995 und danach hat das Berufungsgericht keine näheren Feststellungen getroffen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz haben die Gesellschafter der GbR P. und G. in den oberen Geschossen regelmäßig Kontrollgänge vorgenommen, von denen der Geschäftsführer S. wußte. Das Berufungsgericht hat sich nicht dazu geäußert, ob der Geschäftsführer S. über diese Kenntnis, daß sich die Gesellschafter um die oberen Geschosse kümmerten , hinaus auch wußte, welche Maßnahmen - etwa das Aufstellen von Heizlüftern - im einzelnen ergriffen wurden und daß diese den zu beachtenden Sicherheitsvorschriften nicht genügten. Nur dann aber wäre zu prüfen, ob der Geschäftsführer S. insgesamt davon auszugehen hatte, daß ein gefahrerhöhender Zustand nicht beseitigt und daher der Beklagten anzuzeigen war.
(3) Der Umstand, daß die Gesellschafter der GbR zu gleich Gesellschafter der Gemeinschuldnerin und deren frühere Geschäftsführer gewesen sind, ist unbeachtlich, solange diese im Winter 1995/96 nicht neben dem GeschäftsführerS. Repräsentanten oder Wissensvertreter der Gemeinschuldnerin gewesen sind. Wissensvertreter ist dabei, wer

in nicht ganz untergeordneter Stellung vom Versicherungsnehmer zumindest in einem Teilbereich damit betraut ist, an dessen Stelle - oder an Stelle des dazu berufenen Organs - für das Versicherungsverhältnis rechtserhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. Römer, in: Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 6 Rdn. 167; BK/Schwintowski, § 6 VVG Rdn. 249; BK/Voit, § 16 VVG Rdn. 56). Als Repräsentant ist anzusehen, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten und befugt ist, selbständig in einem gewissen , nicht ganz unbedeutendem Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung; BGHZ 122, 250, 252 f.). Zu beidem hat weder die Beklagte substantiiert vorgetragen, noch liegen sonst dazu Feststellungen vor.

d) Selbst wenn der Geschäftsführer S. Ke nntnis von einer Erhöhung der Gefahr erlangt hätte, ohne diese der Beklagten unverzüglich zur Anzeige zu bringen, hätte dem Berufungsgericht immer noch die Prüfung oblegen, ob dem Kläger der Kausalitätsgegenbeweis gelungen ist (§ 6 Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 AWB 1987, § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 VVG). Er hat geltend gemacht, der Leitungswasserschaden sei nicht frostbedingt , sondern auf eine Erosion des Leitungsrohres zurückzuführen; es sei zu einer allmählichen Wandstärkereduzierung gekommen, die dem vorhandenen Innendruck nicht mehr habe entgegenwirken können. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, insbesondere das in dem zwischen den Parteien geführten selbständigen Beweisverfahren zur Klärung der Ursache der Leckage eingeholte Sachverständigengutachten nicht gewürdigt. Dazu hätte nach § 493 Abs. 1 ZPO Veranlassung bestanden; berufen sich beide oder auch nur eine Partei auf

Tatsachen, über welche selbständiger Beweis erhoben worden ist, erfolgt die Beweisverwertung von Amts wegen (Zöller/Herget, ZPO 24. Aufl. § 493 Rdn. 1; Musielak/Huber, ZPO 3. Aufl. § 493 Rdn. 2).
2. Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Voraussetzungen des subjektiven Risikoausschlusses des § 61 VVG bejaht hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern. Die sich für diese Vorschriften ergebenden "Fragen des Pflichtenkreises eines Versicherungsnehmers" sind allerdings durch die Rechtsprechung des Senats geklärt; einer Zulassung der Revision hätte es mithin - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht bedurft.

a) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur L eistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Dazu bedarf es nicht stets eines Handelns des Versicherungsnehmers. Tritt der Versicherungsfall ein, weil er trotz dringender Gefahr die ihm möglichen, geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zum Schutze des versicherten Gegenstandes nicht ergriffen hat, so hat er den Versicherungsfall durch Unterlassen "herbeigeführt", denn er hat das ursächliche Geschehen in der Weise beherrscht, daß er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zuließ, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutze des versicherten Interesses in der Hand hatte und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange davon ebenso Gebrauch machen konnte und sollte, wie eine nicht versicherte Person. Um den Versicherungsschutz andererseits nicht unangemessen zu beschränken, muß der Versicherungsnehmer das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt haben, wobei notwendig und ausreichend die Kenntnis von Umständen ist, aus denen sich ergibt, daß der

Eintritt des Versicherungsfalles in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist. Nur dann setzt sich der Versicherungsnehmer, der es durch Untätigkeit zum Eintritt des Versicherungsfalles hat kommen lassen, mit der Inanspruchnahme der Versicherungsleistung regelmäßig ebenso treuwidrig mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch wie derjenige, der den Versicherungsfall durch positives Tun herbeigeführt hat (Senatsurteile vom 14. April 1976 - IV ZR 29/74 - MDR 1976, 827; vom 14. Juli 1986 - IVa ZR 22/85 - VersR 1986, 962 unter III 1).

b) Das Berufungsgericht hält der Gemeinschuldnerin eine solche Untätigkeit vor. Es hat angenommen, sie habe den Versicherungsfall dadurch herbeigeführt, daß ihr Geschäftsführer es unterlassen habe, die Absperrhähne der zu den oberen Stockwerken führenden Steigleitungen zu betätigen, um auf diese Weise im Falle eines frost- oder erosionsbedingten Schadens den Austritt einer größeren Menge Wasser zu verhindern. Die erforderliche Kenntnis von der Gefahrenlage hätten schon die früheren Geschäftsführer P. und G. gehabt, die bereits in den Jahren 1992 bis 1995 in der Lage und verpflichtet gewesen wären, entsprechend tätig zu werden. Das übersieht abermals, daß die Gefahrenlage , soweit sie das Berufungsgericht auf einen drohenden frostbedingten Leitungswasserschaden zurückführen möchte, mit Ende der winterlichen Frostperioden ihre Erledigung gefunden hatte und erst im nachfolgenden Winter neu eintrat. Während der frostfreien Jahreszeit bestand keine Pflicht zum Betätigen der Absperrvorrichtungen; ohnehin hätten sich Versäumnisse nicht ausgewirkt, weil sie nicht ursächlich für den späteren Versicherungsfall geworden sein können. Auf eine Kenntnis der beiden vormaligen Gesellschafter von der (früheren) Gefahrenlage

kommt es mithin schon deshalb nicht an. Soweit das zum Versicherungsfall führende Geschehen seine Ursache in einer Erosion des Leitungsrohres gefunden haben sollte, wie der Kläger behauptet, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, daß bereits in den vorangegangenen Jahren während der Amtszeit der Geschäftsführer P. und G. eine dringende und praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehende Gefahr für das versicherte Gut bestand; dagegen spricht bereits der Schadenseintritt erst im Februar 1996. Für den Geschäftsführer S. fehlt es ebenfalls an den genannten Feststellungen. Das Berufungsgericht hat sich noch nicht einmal damit auseinandergesetzt, ob er überhaupt wußte, daß Absperrvorrichtungen vorhanden waren, und ob er zu diesen freien Zugang hatte.

c) Schließlich ist dem Berufungsurteil nicht zu en tnehmen, aus welchen Gründen das Berufungsgericht einen - von § 61 VVG vorausgesetzten - gesteigerten Fahrlässigkeitsvorwurf für gerechtfertigt hält. Insbesondere hat es in seine Überlegungen nicht einbezogen, daß aus Sicht des Geschäftsführers S. die Gesellschafter der GbR im zweiten und dritten Obergeschoß regelmäßige Kontrollgänge vornahmen, er also möglicherweise darauf vertrauen durfte, daß von dieser Seite ausreichende Maßnahmen zur Abwehr von Leitungswasserschäden getroffen wurden. Zu den Anforderungen, die an das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit zu stellen sind, verweist der Senat auf seine

bisherige Rechtsprechung (Senatsurteile vom 12. Oktober 1988 - IVa ZR 46/87 - VersR 1989, 141 unter 1 und 2; vom 14. Juli 1986 aaO unter II 2; vom 29. Januar 2003 - IV ZR 173/01 - VersR 2003, 364 unter II 2).
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 183/03 Verkündet am:
5. Mai 2004
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
_____________________
Für die Frage der Leistungsfreiheit des Versicherers nach den §§ 23 Abs. 1, 25
Abs. 1 VVG ist die Gefahrenlage bei Abschluß des Versicherungsvertrages mit derjenigen
zu vergleichen, die nach einer Veränderung der für die versicherte Gefahr
maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Dabei ist die jeweilige Gefahrenlage aufgrund
einer Gesamtabwägung aller gefahrrelevanten Umstände des Einzelfalles zu
bestimmen. Wie die Versicherer bestimmte Umstände bewerten und wie sich diese
Umstände auf die Prämiengestaltung auswirken, hat in diesem Zusammenhang zwar
erhebliche Indizwirkung, ersetzt die vom Tatrichter geforderte eigene Gesamtabwägung
aber nicht.
BGH, Urteil vom 5. Mai 2004 - IV ZR 183/03 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2004

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 26. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom beklagten Versicherer au s einer gebündelten Sachversicherung Ersatz für ein durch einen Brand am 12. Mai 1994 weitgehend zerstörtes Gaststättengebäude.
Das ursprünglich in Volkseigentum der DDR stehende Gaststättengrundstück wurde noch vor Inkrafttreten des Einigungsvertrages an private Erwerber verkauft, die es ihrerseits mit Kaufvertrag vom 19. März 1992 an eine aus den jetzigen Liquidatoren der Klägerin bestehende Gesell-

schaft bürgerlichen Rechts (GbR) weiterveräußerten. Mit Übergabe des Grundstücks (1. April 1992) vermietete die GbR dieses an die Klägerin, die es fortan bis zum Frühjahr 1994 nutzte. Die genannten Grundstückskaufverträge sind später nicht vollzogen worden, statt dessen wurde das Gaststättengrundstück 1998 an den früheren Rechtsträger, die Gemeinde, zurückverkauft.
Am 29. März 1993 hatte die Klägerin den Abschluß d er gebündelten Sachversicherung beantragt. Auf einem ergänzenden Fragebogen für Gaststättenhotels, Vergnügungslokale und ähnliche Betriebe war zur Bestimmung der Art des zu versichernden Betriebes angegeben worden: Restaurant /Speiselokal mit Tanz. Ergänzend ist vermerkt: "Unregelmäßige Gesellschaftstanzveranstaltungen möglich (z.B. Klassentreffen, Brigadeabende, Seniorentreffen usw.), geschlossene Gesellschaften, eventuell 14-tägig? ist noch in Planung ohne Diskothek." Dem darauf mit Versicherungsbeginn am 1. April 199 3 zustande gekommenen Vertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) und die Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung (SIGN 88) zugrunde.
Etwa ab Juni 1993 verpachtete die Klägerin den Gas tstättenbetrieb. Der Pächter betrieb fortan eine Schankwirtschaft und nutzte die Gaststätte an Wochenenden auch als Diskothek. Allerdings lief der Diskothekenbetrieb nach dem Jahreswechsel 1993/94 aus, nachdem die Küche von den zuständigen Behörden wegen mangelnder Hygiene geschlossen und die Stromversorgung infolge unbezahlter Rechnungen eingestellt worden war.

Der Pächter räumte das Objekt zum 31. März 1994, seither wurde das Gebäude nicht mehr genutzt.
Anfang April 1994 kam es zu zwei Einbrüchen in das leerstehende Gebäude, wobei die Täter Vandalismusschäden an Fenstern und Türen hinterließen. Mehrfach wurden Fenster und Türen zu Sicherungszwecken vernagelt.
Nach dem Brand vom 12. Mai 1994 machte die Klägeri n aus der Feuerversicherung einen auf 960.000 DM bezifferten Neuwertschaden geltend. Die Beklagte lehnte eine Regulierung ab und kündigte statt dessen das Versicherungsverhältnis mit Schreiben vom 3. Juni 1994 fristlos, weil die Klägerin mehrere Gefahrerhöhungen vorgenommen habe. Denn zur Zeit des Brandes sei die Gefahrenlage hinsichtlich des Feuerrisikos gemessen am Zustand zu Beginn des Versicherungsverhältnisses erheblich erhöht gewesen. Im Laufe des Jahres 1993 sei an Wochenenden eine Diskothek betrieben worden; Diskothekenbetriebe versichere sie wegen des hohen Risikos schon seit 25 Jahren nicht mehr. Der Niedergang des Gaststättenbetriebes habe sich bereits Monate vor Rückgabe des Objekts durch den Pächter abgezeichnet. Die Klägerin habe beabsichtigt, das Gebäude abzureißen, und es deshalb dem Verfall preisgegeben. Der Brand sei der Klägerin insoweit sehr gelegen gekommen. Im übrigen sei allenfalls der gemeine Wert des Gebäudes zu erstatten.
Dem hält die Klägerin entgegen, es sei geplant gew esen, das alte Gebäude aufzustocken und daneben einen Neubau (Bettenhaus) zu errichten. Einen Abriß des alten Gebäudes habe sie nicht beabsichtigt. Das Gebäude habe bis zum Brand auch viel zu kurz leer gestanden, um von

einer Gefahrerhöhung zu sprechen. Überdies habe sie alles getan, um mögliche gefahrerhöhende Umstände auszuschalten. Der angebliche Zustand des Gebäudes sei im übrigen nicht kausal für den Brand, der Diskothekenbetrieb sei längst eingestellt gewesen.
Mit Urteil vom 15. Mai 1997 hat das Landgericht di e Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat am 25. März 1999 die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, der Versicherungsvertrag sei mangels eines in der Person der Klägerin, ihrer Gesellschafter und der von ihnen gegründeten GbR bestehenden versicherten Interesses gegenstandslos. Das beruhe darauf, daß die Genannten nicht Eigentümer des versicherten Objekts geworden seien und auch zu keiner Zeit eine gesicherte Erwerbsaussicht gehabt hätten.
Der Senat (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2000 - IV Z R 100/99 - VersR 2001, 53) hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im nunmehr angefochtenen Berufungsurteil vom 26. J uni 2003 ist die Berufung der Klägerin erneut zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt wieder zur A ufhebung des Berufungsurteils. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1

Satz 2 ZPO Gebrauch und verweist die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I. Das Berufungsgericht führt aus:
1. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, daß der Brand vom 12. Mai 1994 auf Veranlassung der Geschäftsführer der Klägerin gelegt worden sei oder sie den Versicherungsfall in anderer Weise vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hätten.
2. Leistungsfreiheit nach den §§ 23, 25 VVG, 6 Nr. 2 AFB 87 sei auch nicht schon dadurch eingetreten, daß das Gebäude leer gestanden habe und zunehmend verwahrlost sei. Denn zum einen stellten der Auszug bisheriger Bewohner und das bloße Leerstehenlassen eines Wohngebäudes oder Gewerbeobjekts nach der Rechtsprechung für sich genommen noch keine Gefahrerhöhung dar. Zum anderen handele es sich bei dem - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erst ab April 1994 einsetzenden - Verrottungs- und Verwilderungsprozeß, der insbesondere durch die während zweier Einbrüche verursachten Vandalismusschäden gekennzeichnet sei, nicht um eine gewollte Maßnahme des Versicherungsnehmers im Sinne von § 23 Abs. 1 VVG. Vielmehr habe die Klägerin sogar eine Reihe von Sicherungsmaßnahmen ergriffen (Bauzaun, behelfsmäßige Reparatur einer Fensterscheibe, Vernageln von Fenstern und Türen). Die ab April 1994 fortschreitende Verwahrlosung sei deshalb allein an den Regeln über die nicht veranlaßte Gefahrerhöhung (§§ 27 ff. VVG) zu messen. Die Klägerin habe zwar spätestens innerhalb einer Woche nach dem zweiten Einbruch die Beklagte über die erhöhte Gefahrenlage unterrichten

müssen. Die Beklagte sei aber deshalb nicht leistungsfrei geworden, weil - wie das Berufungsurteil näher ausführt - der Versicherungsfall noch innerhalb der Monatsfrist des § 28 Abs. 1 VVG eingetreten sei.
3. Die Beklagte sei aber nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG, 6 Nr. 4 AFB 87 leistungsfrei geworden, weil die Klägerin ihr eine gefahrerhöhende Betriebserweiterung, nämlich den Diskothekenbetrieb im zweiten Halbjahr 1993, nicht angezeigt habe.
Nach der Beweisaufnahme hätten die Geschäftsführer der Klägerin von der Änderung des Betriebes - Diskothekenveranst altungen an mindestens zwei Wochenenden im Monat, manchmal auch an jedem Wochenende - Kenntnis gehabt. Es liege auf der Hand und sei im übrigen durch die Beweisaufnahme bestätigt, daß bei Diskotheken das Brandrisiko besonders groß sei. Wie ein Zeuge vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft anhand statistischen Materials glaubhaft bekundet habe, sei das Brandrisiko bei Diskotheken sowohl hinsichtlich der Schadenshöhe als auch der Schadenshäufigkeit signifikant höher als bei gewöhnlichen Gaststätten. Das habe nach den Angaben einer weiteren Zeugin aus der Versicherungswirtschaft zu deutlich höheren Prämiensätzen und Jahresnettoprämien für Diskotheken geführt. Diese erhöhten Prämien würden auch dann noch erhoben, wenn eine Diskothek ihren Betrieb eingestellt habe. Denn auch die Stillegung werde von den Versicherern als gefahrerhöhender Umstand bewertet. Diskotheken seien im übrigen im fraglichen Zeitraum nur noch von einer aus zehn Versicherungsgesellschaften bestehenden Zeichnungsgemeinschaft versichert worden. Der Gruppenleiter der Abteilung Sachversicherung der Beklagten habe inso-

weit glaubhaft bekundet, daß die Beklagte das Objekt bei Kenntnis der Diskothekenveranstaltungen nicht versichert hätte.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht verkennt, daß weder die AF B 87 noch das Versicherungsvertragsgesetz an die Verletzung der Obliegenheit aus § 6 Nr. 4 AFB 87, eine Betriebsaufnahme oder -veränderung unverzüglich anzuzeigen , die Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers knüpfen. Nur für den Fall, daß mit der Betriebsaufnahme oder -veränderung zugleich eine Gefahrerhöhung verbunden ist, verweist § 6 Nr. 4 AFB 87 auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 23 bis 30 VVG. Grund für eine mögliche Leistungsfreiheit des Versicherers ist dann aber nicht die Verletzung der Anzeigeobliegenheit, sondern die Gefahrerhöhung selbst (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG, vgl. dazu Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 6 AFB 87 Rdn. 3).
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Denn auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Würdigung läßt sich nicht entscheiden, ob die Beklagte wegen der mit dem Diskothekenbetrieb möglicherweise verbundenen Gefahrerhöhung nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG, 6 Nr. 2 AFB 87 leistungsfrei ist.

a) Es fehlt insoweit eine einzelfallbezogene Gesamtbewertung der für die Gefahranalyse maßgeblichen Umstände.

aa) Durch die Vorschriften über die Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) soll das Gleichgewicht zwischen dem vom Versicherer übernommenen Risiko und der vereinbarten Prämie erhalten werden; der Versicherer soll nicht gezwungen sein, am Versicherungsvertrag festzuhalten, obwohl das Verhältnis zwischen Prämie und Risiko nicht mehr der Risikolage entspricht , die er bei Abschluß des Versicherungsvertrags voraussetzen durfte. Dabei ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise geboten. Es kommt nicht darauf an, ob einzelne neue Gefahrenquellen (hier der vorübergehende Diskothekenbetrieb) entstanden sind, sondern darauf, ob sich die Risikolage insgesamt gesehen erhöht hat (BGH, Urteil vom 6. Juni 1990 - IV ZR 142/89 - VersR 1990, 881 unter III; BGHZ 79, 156, 158, 159). Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise mehrfach darauf hingewiesen, daß das Leerstehen eines Gebäudes in der Feuerversicherung keineswegs immer eine Gefahrerhöhung bedeutet, weil dadurch zwar manche neuen Gefahrenquellen entstehen, andere aber wegfallen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1990 aaO m.w.N.). Für die Frage der Leistungsfreiheit nach den §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG ist deshalb die Gefahrenlage bei Abschluß des Versicherungsvertrages mit derjenigen zu vergleichen, die nach einer Veränderung der für die versicherte Gefahr maßgeblichen Umstände eingetreten ist, wobei die jeweilige Gefahrenlage aufgrund einer Gesamtabwägung aller gefahrrelevanten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen ist. Dabei sind alle aus dem Parteivortrag ersichtlichen gefahrerheblichen Tatsachen in Betracht zu ziehen. Soweit gefahrerhöhenden Umständen gefahrvermindernde entgegenstehen, sind sie gegeneinander abzuwägen (sog. Gefahrkompensation, vgl. dazu BGHZ 79, 156, 158 m.w.N.; Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. N III Rdn. 18 ff.; Langheid in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. §§ 23-25 Rdn. 31 ff.; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 23 Rdn. 15 - jeweils m.w.N.) Wie die Versicherer bestimm-

te Umstände bewerten und wie sich diese Umstände auf die Prämiengestaltung auswirken, kann zwar erhebliche Indizwirkung haben, die vom Tatrichter geforderte eigene Abwägung aber nicht ersetzen.
Aus der Entscheidung BGHZ 79, 156, 159, 160 ergibt sich nichts anderes. Zwar ist dort ausgeführt, wenn feststehe, daß sowohl gefahrerhöhende als auch gefahrvermindernde Umstände vorlägen, obliege es dem Versicherer, näher darzutun, welches Gewicht diesen Umständen zukomme und wie sie sich auf die Entwicklung der Gefahr ausgewirkt hätten. Der Versicherer müsse sich insbesondere darüber erklären, welche Erkenntnisse der Versicherungswirtschaft über die Feuergefährlichkeit von Diskotheken vorlägen und welche Folgerungen daraus für die Prämienbemessung gezogen würden. Auch sei darzulegen, wie vom versicherungstechnischen Standpunkt aus das Brandrisiko einer stillgelegten Diskothek in einem nicht benutzten und mangelhaft gesicherten Gebäude zu beurteilen sei. Erst danach sei eine Abwägung der gefahrerhöhenden und gefahrvermindernden Umstände möglich. Der Darlegungspflicht könne durch Vorlage der maßgeblichen Prämienrichtlinien genügt werden.
Diese Ausführungen beziehen sich aber erkennbar au f die Sachlage in dem dort entschiedenen Fall. Sie dürfen nicht dahin mißverstanden werden, daß sich die oben beschriebene Gesamtbewertung der gefahrerhöhenden und gefahrvermindernden Umstände regelmäßig schon in der Ermittlung der angesprochen versicherungstechnischen Daten erschöpft.
bb) Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichne t, daß sich die Gefahrenlage mehrfach geändert hat. Insbesondere ist der vorübergehend

über ein halbes Jahr an Wochenenden veranstaltete Diskothekenbetrieb vor dem Versicherungsfall eingestellt worden.
Eine Änderung der Gefahrenlage gegenüber der bei V ertragsschluß vorausgesetzten kann sich hier aus dem vorübergehenden, an den Wochenenden veranstalteten Diskothekenbetrieb ergeben. Eine dadurch möglicherweise eingetretene Gefahrerhöhung kann aber auch durch nachträglich eingetretene Umstände entfallen, so etwa hier durch die Einstellung des Diskothekenbetriebes, es sei denn, daß trotz der Einstellung die Gefahren dieses Betriebes fortwirken oder neue gefahrrelevante Umstände hinzutreten. Deshalb kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob sich nach Einstellung des Diskothekenbetriebes ein Zustand erhöhter Gefahr gegenüber dem bei Vertragsschluß vorausgesetzten feststellen läßt.
Dem Berufungsurteil ist schon nicht zu entnehmen, welche Fallumstände das Berufungsgericht neben den ermittelten versicherungsstatistischen Daten in seine Gefahrbewertung einbezogen hat. Die Ausführungen stehen teilweise in einem nicht hinreichend aufgelösten Widerspruch zu der Aussage, das bloße Leerstehenlassen auch gewerblicher Gebäude begründe noch keine Gefahrerhöhung. Andererseits wird die Gefahr einer betriebenen Diskothek ohne weiteres mit derjenigen einer stillgelegten zumindest gleichgesetzt, wobei anscheinend der Leerstand als solcher hinsichtlich der Feuergefahr als dem Diskothekenbetrieb gleichwertig angesehen wird. In welchen Merkmalen einer Diskothek gefahrerhöhende Umstände gesehen werden und inwiefern die Sachlage nach Beendigung des Diskothekenbetriebs hinsichtlich der Feuergefahr gleichwertig sein soll (welche Gefahrumstände entfielen, wodurch werden sie kompensiert ?), läßt das Berufungsgericht selbst dann nicht ausreichend erkennen,

wenn man annimmt, es habe die an anderer Stelle des Urteils erörterten Umstände des Leerstandes erneut in seine Betrachtung einbezogen. Auch bleibt offen, ob und inwieweit sich die dargestellten allgemeinen Überlegungen zur Gefährdung einer Diskothek auf den konkreten Einzelfall, bei dem der Diskothekenbetrieb nur auf Wochenenden beschränkt war, übertragen lassen.

b) Gemäß § 25 Abs. 3, letzter Halbsatz VVG tritt L eistungsfreiheit des Versicherers nicht ein, wenn die Gefahrerhöhung weder Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls noch auf den Schadensumfang hatte. Die Beweislast für diesen Kausalitätsgegenbeweis liegt beim Versicherungsnehmer. Das Berufungsurteil prüft die Kausalitätsfrage nicht. Ersichtlich kann aber jedenfalls der Diskothekenbetrieb selbst den Brand im Mai 1994 nicht mehr begünstigt haben, weil der Betrieb schon zum Jahreswechsel 1993/94 eingestellt war und das Gebäude seit April 1994 leer stand. Da das Berufungsurteil nicht deutlich macht, worin der Grund für die Fortdauer einer erhöhten, vom früheren Diskothekenbetrieb ausgehenden Brandgefahr auch noch nach Betriebsschließung zu sehen sein soll, läßt sich die Kausalitätsfrage auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe beantworten.
Daß die Beklagte nicht bereit war, einen Diskothek enbetrieb zu versichern , führt nicht weiter. Denn insoweit sind die Rechte des Versicherers durch das in § 24 VVG geregelte Kündigungsrecht gewahrt. Das Kausalitätserfordernis des § 25 Abs. 3 VVG bezieht sich allein auf die tatsächliche Frage, ob die Gefahrerhöhung den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Schadensverlauf beeinflußt hat.

3. Soweit das Berufungsgericht Leistungsfreiheit d er Beklagten gemäß § 28 Abs. 1 VVG verneint hat, dringt die Revisionserwiderung mit der Gegenrüge nicht durch. Selbst wenn die Anzeige des ersten Einbruchs in das Gebäude bei der Polizei bereits am 8. April 1994 erstattet wurde, handelte die Versicherungsnehmerin hier auch dann noch unverzüglich im Sinne des § 27 Abs. 2 VVG, wenn sie die Anzeige an den Versicherer erst nach kurzer Frist erstattete. Denn dem Versicherungsnehmer muß Gelegenheit verbleiben, die Gefahrenlage auch unter Prüfung möglicher noch durchzuführender gefahrmindernder Maßnahmen einzuschätzen. Insoweit ist die vom Berufungsgericht der Versicherungsnehmerin zugebilligte kurze Prüfungszeit, bis zu deren Ablauf die Anzeige gegenüber dem Versicherer noch als unverzüglich anzusehen ist, hier nicht zu beanstanden.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch