Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2006 - IV ZR 297/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: 43.459,81 €.
Gründe:
- 1
- Der Senat verweist zunächst auf den den Parteien mit Schreiben des Vorsitzenden vom 19. Oktober 2005 erteilten rechtlichen Hinweis. An der dort geäußerten Rechtsauffassung hält er auch unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien vom 8. und 29. November 2005 fest. Ergänzend ist lediglich Folgendes zu bemerken:
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- 1. Die Frage, ob eine Belehrung nach § 12 Abs. 3 VVG die Klagfrist wirksam in Lauf setzt, ist eine Rechtsfrage, die nicht unstreitig gestellt werden kann, sondern davon abhängt, ob die Belehrung den stren- gen Anforderungen der Rechtsprechung entspricht. An einem allgemein geläufigen Rechtsbegriff, in den sich diese rechtliche Bewertung wie eine Tatsachenbehauptung einkleiden ließe, fehlt es, weil die besondere versicherungsrechtliche Problematik den Teilnehmern des Rechtsverkehrs weithin nicht geläufig ist. Die Formulierung im Tatbestand des Berufungsurteils "Der Beklagte versäumte die Klagefrist zur Geltendmachung der Ansprüche des Klägers gegenüber der Versicherung gemäß § 12 Abs. 3 VVG" enthält deshalb auch keinen solchen Rechtsbegriff, mit welchem - über die rein zeitliche Betrachtung hinaus - die Frage einer ordnungsgemäßen Belehrung und damit zugleich einer wirksamen Fristsetzung hätte unstreitig gestellt oder mit Bindungswirkung für den Senat festgestellt werden können.
- 3
- 2. Ob eine nach § 12 Abs. 3 VVG erteilte Belehrung die Klagfrist wirksam in Lauf setzt, ist unabhängig vom individuellen juristischen Wissen des Versicherungsnehmers oder seiner Vertreter allein aufgrund des objektiven Belehrungsinhalts zu beantworten. Denn die ordnungsgemäße Belehrung ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beginn des Fristlaufs (vgl. für die ähnliche Problematik einer Belehrung nach § 39 VVG: Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 39 Rdn. 21 m.w.N.; Gruber und Riedler in BK, VVG § 12 Rdn. 69 und § 39 Rdn. 34 ff.; OLG Hamm VersR 2002, 1139 ff.). Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG ist ein Instrument der Rechtssicherheit. Ihrer Zweckbestimmung liefe es zuwider, wenn von Fall zu Fall (und meist nachträglich) aufgrund des konkreten Wissens des Versicherungsnehmers und seiner Vertreter zu entscheiden wäre, ob eine unvollständige oder irreführende Belehrung die Frist dennoch in Lauf gesetzt hat oder nicht (vgl. dazu auch ÖOGH VersR 1973, 143 f.; OLG Hamm aaO). Aus den vom Kläger angeführten Literaturstel- len (Prölss in Prölss/Martin aaO § 12 Rdn. 37a; Gruber aaO § 12 Rdn. 69) ergibt sich nichts anderes. Dort wird nur der Sonderfall abweichend behandelt, in dem eine irreführende oder unvollständige Belehrung dem Versicherungsnehmer Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen verschweigt oder verschleiert, die ihm aber im konkreten Fall aus Rechtsgründen gar nicht offen stehen.
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- 3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ihm ein Schaden auch nicht dadurch entstanden, dass der Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen des behaupteten Diebstahls seines Kraftfahrzeuges inzwischen verjährt wäre und der Versicherer deshalb die Verjährungseinrede erheben könnte.
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- a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG beginnt die Verjährung eines Anspruchs aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Ende des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Es muss Klage auf sofortige Leistung erhoben werden können (BGH, Urteile vom 14. April 1999 - IV ZR 197/98 - VersR 1999, 706 unter 2 a; vom 10. Mai 1983 - IVa ZR 74/81 - VersR 1983, 673 unter II; ebenso Urteile vom 4. November 1987 - IVa ZR 141/86 - VersR 1987, 1235 unter 3 und vom 19. Januar 1994 - IV ZR 117/93 - VersR 1994, 337 unter 2 b, jeweils m.w.N.). Der maßgebliche Zeitpunkt ergibt sich hier aus § 11 Abs. 1 VVG. Der Kaskoversicherer hatte seine Erhebungen erst im Jahre 1999 nach Einsicht in die gegen den Kläger und einen Zeugen geführten Ermittlungsakten (aus denen die Feststellung von für die Leistungspflicht bedeutsamen Tatsachen erwartet werden konnte - vgl. dazu Prölss, aaO § 11 Rdn. 3a m.w.N.) abgeschlossen. Folglich begann die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG am 1. Januar 2000 zu laufen.
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- b) Bereits im November 2000 hat der Kläger jedoch mit der hier erhobenen Klage dem Kaskoversicherer den Streit verkündet. Diese Streitverkündung hat zunächst zur Unterbrechung der Verjährung und seit dem 1. Januar 2002 zu deren (noch fortdauernden) Hemmung geführt.
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- aa) Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB finden auf die am 1. Januar 2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche zwar grundsätzlich die seit dem genannten Tage geltenden (neuen) Vorschriften des BGB Anwendung. Soweit die seit dem 1. Januar 2002 geltenden BGBVorschriften anstelle der Verjährungsunterbrechung eine Verjährungshemmung vorsehen, bestimmt Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB, dass eine Verjährungsunterbrechung, die nach altem Recht eingetreten und mit Ablauf des 31. Dezember 2001 noch nicht beendet war, mit Ablauf des 31. Dezember 2001 endet und im Weiteren durch eine Hemmung der Verjährung nach neuem Recht ersetzt wird.
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- bb) So liegt der Fall hier:
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- Gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 4 BGB a.F. unterbrach eine Streitverkündung die Verjährung, wenn sie in dem Prozess erfolgte, von dessen Ausgang der Anspruch abhing. Dabei entsprach es gefestigter Rechtsprechung , dass mit dem Abhängigkeitserfordernis keine über § 72 ZPO hinausgehenden Anforderungen aufgestellt waren und es insoweit allein auf die Vorstellungen der Parteien im Zeitpunkt der Streitverkündung an- kam (BGHZ 36, 212, 214; BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00 - NJW 2002, 1414 unter I 1 b, bb (1); Urteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 115/77 - NJW 1979, 264 unter II 2 a). Insoweit genügte hier die zu Ende der Klagbegründung geäußerte Erwartung des Klägers, er werde , falls sich der Versicherer (nach Treu und Glauben) nicht auf § 12 Abs. 3 VVG berufen dürfe, sich wegen des Diebstahlsschadens beim Versicherer schadlos halten können.
- 10
- Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB n.F. bewirkt die Zustellung der Streitverkündung nur noch die Hemmung der Verjährung. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB gegeben. Wegen § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F. endet die nunmehr seit dem 1. Januar 2002 eingetretene Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf Versicherungsleistungen erst sechs Monate nach rechtskräftigem Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Traunstein, Entscheidung vom 29.05.2001 - 6 O 4196/00 -
OLG München, Entscheidung vom 04.12.2002 - 3 U 4109/01 -
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Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.
(1) Im Fall der Beendigung des Versicherungsverhältnisses vor Ablauf der Versicherungsperiode steht dem Versicherer für diese Versicherungsperiode nur derjenige Teil der Prämie zu, der dem Zeitraum entspricht, in dem Versicherungsschutz bestanden hat. Wird das Versicherungsverhältnis durch Rücktritt auf Grund des § 19 Abs. 2 oder durch Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung beendet, steht dem Versicherer die Prämie bis zum Wirksamwerden der Rücktritts- oder Anfechtungserklärung zu. Tritt der Versicherer nach § 37 Abs. 1 zurück, kann er eine angemessene Geschäftsgebühr verlangen.
(2) Endet das Versicherungsverhältnis nach § 16, kann der Versicherungsnehmer den auf die Zeit nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses entfallenden Teil der Prämie unter Abzug der für diese Zeit aufgewendeten Kosten zurückfordern.
Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.
(1) Wird bei einem auf eine bestimmte Zeit eingegangenen Versicherungsverhältnis im Voraus eine Verlängerung für den Fall vereinbart, dass das Versicherungsverhältnis nicht vor Ablauf der Vertragszeit gekündigt wird, ist die Verlängerung unwirksam, soweit sie sich jeweils auf mehr als ein Jahr erstreckt.
(2) Ist ein Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, kann es von beiden Vertragsparteien nur für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode gekündigt werden. Auf das Kündigungsrecht können sie einvernehmlich bis zur Dauer von zwei Jahren verzichten.
(3) Die Kündigungsfrist muss für beide Vertragsparteien gleich sein; sie darf nicht weniger als einen Monat und nicht mehr als drei Monate betragen.
(4) Ein Versicherungsvertrag, der für die Dauer von mehr als drei Jahren geschlossen worden ist, kann vom Versicherungsnehmer zum Schluss des dritten oder jedes darauf folgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.
(2) Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.
(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.
Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.