Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2007 - III ZR 313/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Gegenstandswert: 225.245,58 €.
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin betreibt einen Gartenbaubetrieb, der Beklagte bewirtschaftet eine höher liegende angrenzende Ackerparzelle. Seit mehreren Jahren baut der Beklagte dort Spargel an. Zwei Jahre nach Anlegung des Spargelfelds begann er damit, die Spargeldämme während der Wintermonate zusätzlich durch eine Plastikfolie zu schützen. Hierdurch werden die Niederschläge in Richtung des Grundstücks der Klägerin abgeleitet.
- 2
- Ende des Jahres 2002 kam es in dieser Gegend zu heftigen Regenfällen, in deren Folge Wasser vom Grundstück des Beklagten in ein Gewächshaus der Klägerin eindrang. Das Landgericht hat den Beklagten zum Schadensersatz in Höhe von 214.491,16 € nebst Zinsen verurteilt, das Oberlandesgericht hat die Klage unter Hinweis auf § 115 Abs. 1 Satz 2 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995 (NRW LWG) abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
II.
- 3
- Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2, § 544 ZPO).
- 4
- Gegen die Auslegung des § 115 Abs. 1 Satz 2 NRW LWG durch das Berufungsgericht bestehen keine Bedenken. Die Regelung dient wie ihr Vorläufer (§ 197 Abs. 2 PrWG) dem Zweck, den Oberlieger durch das in Satz 1 der Vorschrift bestimmte Verbot, den Ablauf des wild abfließenden Wassers künstlich so zu verändern, dass tiefer liegende Grundstücke belästigt werden, in seiner Dispositionsfreiheit nicht allzu sehr einzuschränken und ihm in der wirtschaftlichen Ausnutzung seines Grundstücks Bewegungsfreiheit zu lassen (Senatsurteil BGHZ 114, 183, 191 und zu § 78 Abs. 1 Satz 2 LWG a.F. Urteil vom 22. November 1971 - III ZR 211/68, MDR 1972, 305 f.; jeweils m.w.N.). Angesichts dieses Gesetzeszwecks besteht kein Anlass, den Begriff der von dem Verbot ausgenommenen "veränderten wirtschaftlichen Nutzung" des Grund- stücks eng auszulegen und, wie die Beschwerde es befürwortet, einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der Nutzungsumstellung (hier: Anlegung des Spargelfelds) durch den Oberlieger und den zur Ertragssteigerung ergriffenen Folgemaßnahmen (hier: Abdeckung der Spargeldämme mit Plastikfolie) oder aber ein objektiv zweckmäßiges Vorgehen zu verlangen. Mit Recht haben deswegen andere Senate des Oberlandesgerichts Köln bereits früher entschieden, dass der Eigentümer des höher liegenden Grundstücks nicht auf wirtschaftlich sinnvolle oder technisch richtige Änderungen in seiner wirtschaftlichen Benutzung beschränkt ist (VersR 1989, 752; 1995, 666, 667; ebenso OLG Schleswig OLG-Report 1997, 5, 6). Abweichende Stellungnahmen in der veröffentlichten Rechtsprechung oder im Fachschrifttum zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf. Soweit der Senat im Zusammenhang mit Straßenbaumaßnahmen von dem Träger der Straßenbaulast verlangt, bei der Planung und dem Bau der Straße auch die anerkannten Regeln der Straßenbautechnik und der Wasserwirtschaft zu beachten (zuletzt Beschluss vom 29. Juni 2006 - III ZR 269/05, NVwZ-RR 2006, 758, 759), beruht dies auf gesteigerten Amtspflichten der öffentlichen Hand, die einen privaten Grundstücksnachbarn nicht treffen.
Herrmann Wöstmann
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 12.10.2005 - 25 O 506/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 27.06.2006 - 24 U 156/05 -
Annotations
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.