vorgehend
Landgericht Mosbach, 1 O 74/11, 01.03.2012
Oberlandesgericht Karlsruhe, 17 U 51/12, 23.04.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 169/13
vom
18. Dezember 2013
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2013 durch
den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann,
Seiters und Reiter

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. April 2013 - 17 U 51/12 - durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:


1
Nach § 552a Satz 1 ZPO weist das Revisionsgericht die vom Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.
2
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision - maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Zurückweisungsentscheidung (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. Januar 2005 - I ZR 255/02, NJW-RR 2005, 650 f; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 30. Juni 2004, BT-Drucks. 15/3482, S. 19) - liegen nicht vor.

3
Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wegen der Abweichung von Entscheidungen des Oberlandesgerichts München zugelassen , um eine höchstrichterliche Entscheidung zur Auslegung des im Prospekt enthaltenen Hinweises zur "Fungibilität" herbeizuführen und um eine Klärung zu ermöglichen, ob ein Anlageberater durch eine Beratung auf der Grundlage des Prospekts die an ihn zu stellenden Anforderungen erfüllt oder insoweit eine zusätzliche Prüfungs- und Nachforschungspflicht bestand. Die angesprochenen Fragen hat der Senat jedoch durch seine Urteile vom 15. November 2012 (III ZR 55/12, VersR 2013, 193), vom 20. Juni 2013 (III ZR 293/12, BeckRS 2013, 11561) und vom 31. Oktober 2013 (III ZR 66/13, BeckRS 2013, 19776) entschieden. Soweit die ersten beiden Urteile nicht (auch) den streitgegenständlichen I. Immobilienfonds GbR, sondern (nur) den Vorgängerfonds I. Immobilienfonds GbR betreffen, handelt es sich - soweit hier von Bedeutung - um gleichgelagerte Sachverhalte.
4
2. Der Revision des Klägers fehlt die Aussicht auf Erfolg.
5
a) Was die Prospektangaben zur "Fungibilität" anbetrifft, hat der Senat in seinem Urteil vom 20. Juni 2013 (aaO Rn. 6 ff) zu der wortgleichen Passage im Prospekt der I. Immobilienfonds GbR festgestellt, dass kein Fehler vorliegt. Der Kläger macht mit der Revision in diesem Zusammenhang geltend, der für die Beklagte tätige Berater S. habe die Hinweise im Prospekt deutlich eingeschränkt und relativiert, so dass sich eine Pflichtverletzung der Beklagten auch bei Verneinung eines Prospektfehlers jedenfallsaus den mündlichen Erklärungen des Beraters ergebe. Auch insoweit hat die Revision keine Erfolgsaussicht. Zwar ist der Umstand, dass ein Beteiligungsprospekt Chancen und Risiken der Kapitalanlage hinreichend verdeutlicht, kein Freibrief für den Berater, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet beziehungsweise für die Entscheidungsbildung des Anlageinteressenten mindert (vgl. nur Senatsurteil vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 7 mwN). Der Kläger wendet sich mit seiner Revision insoweit jedoch nur gegen die gegenteilige tatrichterliche Bewertung der Aussage des Zeugen S. durch die Instanzgerichte. Revisionserhebliche Fehler sind nicht gegeben. Der Kläger versucht letztlich nur in untauglicher Weise, seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen.
6
b) Mit Urteil vom 31. Oktober 2013 (aaO Rn. 9 ff) hat der Senat entschieden , dass die Beklagte nicht verpflichtet war, bei der Beratung von Anlageinteressenten von sich aus die Frage der kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen und der hieraus resultierenden Interessenkonflikte in einer über den Prospektinhalt hinausgehenden Intensität zu behandeln. Ferner hat der Senat (aaO Rn. 15) noch einmal darauf hingewiesen, dass die in den Prospekten beider Fonds im Investitions- und Finanzierungsplan vorgesehene Position "Avale Bauzeit" sowohl zum Grunde als auch zur Höhe der von der Beklagten geschuldeten Plausibilitätsprüfung stand hält und keinen Anlass zur weitergehen- den Nachforschung bietet (vgl. auch Urteile vom 15. November 2012, aaO Rn. 8 ff und vom 20. Juni 2013 aaO Rn. 14 ff).
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanzen:
LG Mosbach, Entscheidung vom 01.03.2012 - 1 O 74/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.04.2013 - 17 U 51/12 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 255/02
vom
20. Januar 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
SIM-Lock II
Für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung
der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts
maßgeblich.
BGH, Beschl. v. 20. Januar 2005 - I ZR 255/02 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Januar 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Pokrant, Dr. Büscher,
Dr. Schaffert und Dr. Bergmann

beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. August 2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Klägerin, die Inhaberin der für "Geräte und Anlagen für den Mobilfunk" eingetragenen Marke "S. " ist, stellt Mobiltelefone her, die mit einem sog. SIM-Lock versehen sind. Dieser bewirkt, daß die Mobiltelefone nur im Netz eines bestimmten Netzbetreibers verwendet werden können.
Der Beklagte hat von der Klägerin hergestellte und mit ihrer Marke versehene Mobiltelefone, bei denen die Sperre entfernt worden war, vertrieben und selbst Entsperrungen vorgenommen.
Die Klägerin hat den Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - wegen Verletzung ihrer Markenrechte auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Auskunftserteilung verurteilt und seine Verpflichtung festgestellt, Schadensersatz zu leisten. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (OLG Frankfurt GRUR-RR 2002, 327). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
II. Die Revision wird zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht mehr vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die klärungsbedürftige Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die sich dem Berufungsgericht im vorliegenden Fall stellte, hat der Senat inzwischen im Urteil vom 9. Juni 2004 - I ZR 13/02 (WRP 2005, 106 - SIM-Lock) entschieden. Eine die Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausschließende Produktveränderung i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG liegt danach vor, wenn Mobiltelefone, mit denen aufgrund einer Sperre (sog. SIM-Lock) nur in einem bestimmten Mobilfunknetz telefoniert werden kann, nach dem Inverkehrbringen durch den Markeninhaber ohne dessen Zustimmung von einem Dritten entsperrt werden.
Danach lagen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts vor. Sie sind jedoch aufgrund der "SIM-Lock"-Entscheidung des Senats zwischenzeitlich entfallen. Die-
ser Fall wird vom Regelungsbereich des § 552a ZPO erfaßt. Denn maßgeblich für die Beurteilung nach § 552a ZPO, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 15/3482, S. 19; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 552a Rdn. 3; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 552a Rdn. 2; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Anh. § 552a).
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Sinne der Entscheidung "SIM-Lock" erkannt.

a) Der Beklagte ist zur Auskunft nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG, § 242 BGB und zum Schadensersatz nach § 14 Abs. 6 MarkenG verpflichtet.
Der Beklagte hat mit der Marke "S. " gekennzeichnete Mobiltelefone ohne Zustimmung der Klägerin vertrieben (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). Der markenrechtliche Schutz war nicht aufgrund Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausgeschlossen, weil die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der Mobiltelefone aus berechtigten Gründen i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen konnte. Die Aufhebung der Sperre (SIM-Lock) der Mobiltelefone stellte eine Produktveränderung dar, die die Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG ausschloß (vgl. BGH WRP 2005, 106, 108 - SIM-Lock). Die Markenrechtsverletzung hat der Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, jedenfalls fahrlässig begangen.

b) Entgegen der Ansicht der Revision erfassen der Auskunfts- und der Feststellungsantrag nicht auch Fälle, in denen die Klägerin der Aufhebung der Sperre zugestimmt hat. Aus den Gründen des Berufungsurteils, die zur Auslegung des Urteilstenors heranzuziehen sind, ergibt sich, daß eine Markenverlet-
zung nur dann vorliegt, wenn die Aufhebung der Sperre ohne Zustimmung der Klägerin erfolgt ist.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Markenrechts durch die Klägerin verneint. Diese braucht einen Weitervertrieb der mit ihrer Marke gekennzeichneten Waren nicht hinzunehmen , wenn der Originalzustand der von ihr produzierten und vertriebenen Mobiltelefone von dem Beklagten oder durch Dritte verändert worden ist.
Auch soweit sich die Revision auf eine irreführende Werbung eines Netzbetreibers gegenüber Endkunden, einen Verdrängungswettbewerb gegenüber dem Handel und einem Verkauf unter Einstandspreis beruft, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Klägerin hieran beteiligt ist. Durchgreifende Verfahrensrügen dagegen hat die Revision nicht erhoben.
Die Entfernung des "SIM-Lock" stellt sich entgegen der Meinung der Revision auch nicht als Fehlerberichtigung i.S. von § 69d UrhG dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann Pokrant Büscher
Schaffert Bergmann

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 66/13
Verkündet am:
31. Oktober 2013
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Oktober 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Januar 2013 aufgehoben , soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen seiner Meinung nach fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Beteiligung an zwei geschlossenen Immobilienfonds.
2
Nach Gesprächen mit dem damals für die Beklagte tätigen Mitarbeiter G. zeichnete der Kläger am 26. Februar sowie am 28. Oktober 1996 Beteiligungen an der I. Immobilienfonds M. GbR sowie an der I. Immobilienfonds D. GbR in Höhe eines Nominalbetrags von 30.000 DM beziehungsweise 55.000 DM zuzüglich jeweils eines Agios von 5 %. Gegenstand der Immobilienfonds waren laut Prospekt "Erwerb und Vermietung" einer damals im Bau befindlichen "Vorsorge- und Rehabilitationsklinik" in K. sowie in D. . Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften waren neben dem Initiator der Projekte H. die B. Verwaltungsgesellschaft mbH (Gesellschafter und Geschäftsführer H. ) sowie die E. GmbH (Geschäftsführer H. ; Gesellschafter die I. AG - im Folgenden: I. -, Vorstand und Aktionär ebenfalls H. ).
3
Die für den Bau der Kliniken vorgesehenen Grundstücke standen im Eigentum der I. und wurden mit der Verpflichtung, dort die Klinikgebäude im eigenen Namen und auf eigene Kosten zu errichten, an die Fondsgesellschaften verkauft. Die I. sollte allerdings weiterhin im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen bleiben und die Grundstücke treuhänderisch für die Gesellschaften halten (Grundbuchtreuhand). Als Geschäftsbesorgerin war die B. Verwaltungsgesellschaft mbH, als Mieterin und Betreiberin der Kliniken die E. GmbH vorgesehen.
4
In den Anlageprospekten war im Rahmen der Investitionsplanung über ca. 90 Mio. DM beziehungsweise ca. 65 Mio. DM unter anderem auch die Position "Avale Bauzeit" mit 782.568 DM beziehungsweise 1.150.000 DM vorgesehen ("Investitions- und Finanzierungplan" S. 16 bzw. S. 17). Diese Beträge flossen später an den Gründungsgesellschafter H. .
5
Während nach der Fertigstellung der M. klinik an die Kapitalanleger in den Jahren 1998 und 1999 noch Ausschüttungen erfolgten, war dies bei der Klinik D. von Anfang an nicht möglich, weshalb die Beklagte hierfür ku- lanzhalber Zahlungen an die von ihr vermittelten Anleger erbrachte. Eine Insolvenz der Fondsgesellschaften konnte zunächst durch jeweils im September 2001 beschlossene Kapitalerhöhungen, an denen der Kläger sich beteiligte, vermieden werden. Weitere Sanierungsbemühungen waren erfolglos.
6
Der Kläger hat die Beklagte wegen verschiedener Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage mit Abstrichen bei den Zinsen stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht - zur Frage der Aufklärungspflicht über die personellen und kapitalmäßigen Verflechtungen und die Sonderzuwendungen an den Gründungsgesellschafter H. - zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe


I.


7
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht auf die vorhandenen Verflechtungen der Beteiligten sowie die insoweit nach den Prospekten zu erwartenden Sonderzuwendungen an den Gründungsgesellschafter hingewiesen. Auch wenn aus den Prospekten, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, bei der gebotenen Plausibilitätsprüfung ex ante nicht erkennbar gewesen sei, dass von Anfang an die Absicht bestanden habe, dem Gründungsgesellschafter persönlich die unter der Position "Avale Bauzeit" genannten Beträge zukommen zu lassen, diese Gelder mithin planmäßig an diesen fließen sollten, habe nach der vertraglichen Konzeption die erhebliche Gefahr einer selbstbegünstigenden Interessenwahrnehmung durch H. bestanden. H. sei über seine Gesellschaften wirtschaftlich betrachtet Grundstückseigentümer und Grundbuchtreuhänder für die Fondsgesellschaft , Geschäftsbesorger für die Fondsgesellschaft und Mieter der Fondsgesellschaft gewesen. Dies sei für die Beklagte beziehungsweise die von ihr mit der Prospektprüfung beauftragte Gesellschaft erkennbar gewesen. Aufgrund der personellen Verflechtungen habe insoweit ein Eigeninteresse von H. bestanden , an Dienstleistungen jeglicher Art, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Projekte anfielen, gut zu verdienen. Demgegenüber sei dieses Interesse für die Anleger nicht ohne weiteres erkennbar gewesen; die Gesellschafterstellungen von H. hätten sich erst bei aufmerksamer Lektüre der Darstellung der Beteiligten in den Prospekten ergeben. Nach dem Inhalt der Prospekte sollten H. beziehungsweise die von ihm beherrschten Gesellschaften neben dem Kaufpreis für die Kliniken eine nicht unerhebliche Vergütung für die Geschäftsbesorgung erhalten (§§ 2, 9 der Geschäftsbesorgungsverträge). Darüber hinaus habe, auch wenn aus dem Inhalt der Prospekte nicht ohne weiteres abzuleiten gewesen sei, dass H. selbst ein Angebot für ein "Aval" abgegeben haben könnte, doch zumindest die Möglichkeit bestanden, dass H. für die Stellung von Sicherheiten weitere Geldbeträge bekommen werde. Hierbei habe der Umstand, dass er Gesellschafter-Geschäftsführer der Geschäftsbesorgerin gewesen sei und diese nach § 1 Abs. 2 des Geschäftsbesorgungsvertrags für die Gesellschaft und die Gesellschafter habe handeln sollen, einen Zufluss der unter "Avale Bauzeit" in den Prospekten jeweils aufgeführten Ausgabepositionen an ihn erleichtert. Vor diesem Hintergrund wäre bei beiden Fonds ein ausdrücklicher Hinweis auf die vielfältigen Funktionen des Gründungsgesellschafters veranlasst gewesen. Zu einer sachgerechten Aufklärung hätte es gehört, den Anlegern deutlich zu machen, dass H. über die bestehenden Verflechtungen letztlich Empfänger einer Reihe von vorgesehenen Vergütungen gewesen sei oder zumindest hätte sein können, und dass er als Or- gan der Geschäftsbesorgerin der Fonds-GbR unter anderem für die Überwachung der Verträge mit der I. und der E. GmbH zuständig sei. Da er selbst hinter diesen Unternehmen gestanden habe, habe die Gefahr bestanden , dass er nicht nur die Interessen der Fonds, sondern auch eventuell gegenläufige Interessen vertrete. Die Beklagte habe selbst nicht behauptet, dass eine derartige Aufklärung im Rahmen der Beratungsgespräche durch ihren Mitarbeiter G. erfolgt sei. Für einen Anlageinteressenten seien diese Verflechtungen sowie die geplanten und weiteren möglichen Vermögenszuflüsse zugunsten von H. und der von ihm beherrschten Unternehmen nur bei sehr aufmerksamem Lesen der Prospekte erkennbar gewesen. Insoweit seien diese letztlich für einen durchschnittlichen Anleger nicht hinreichend verständlich und somit kein geeignetes Mittel der Aufklärung.

II.


8
Die - vom Berufungsgericht nur beschränkt zugelassene - Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
9
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Beklagte nicht verpflichtet, bei der Beratung von Anlageinteressenten von sich aus die Frage der kapitalmäßigen und personellen Verflechtung und der hieraus resultierenden Interessenkonflikte in einer über den Prospektinhalt hinaus gehenden Intensität zu behandeln.
10
a) Die aus einem Anlageberatungsvertrag folgende Pflicht zur objektgerechten Beratung bezieht sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (vgl. nur Senat, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 10 undUrteil vom 15. November 2012 - III ZR 55/12, VersR 2013, 193 Rn. 6, jeweils mwN). Wird zur Information von Beitrittsinteressenten ein Prospekt herausgegeben, so hat der Prospekt seinerseits den Anleger über alle wichtigen Umstände sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. nur Senat, Urteil vom 28. Februar 2008 - III ZR 149/07, VuR 2008, 178 Rn. 8 mwN).
11
Zu den Umständen, über die der Anleger durch den Prospekt zu unterrichten ist, gehört auch eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern einerseits sowie andererseits den Unternehmen, deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und insoweit auch der für diesen Personenkreis vorgesehenen und gewährten Sonderzuwendungen und -vorteile (vgl. nur Senat , Urteile vom 22. April 2010 - III ZR 318/08, WM 2010, 1017 Rn. 24 und vom 15. Juli 2010 - III ZR 321/08, WM 2010, 1537 Rn. 25; siehe auch BGH, Urteil vom 21. September 2010 - XI ZR 232/09, NJW-RR 2011, 124 Rn. 29, jeweils mwN).
12
b) Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab lässt sich aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht bejahen.
13
Die Angaben in den Fondsprospekten sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein hinreichend verständliches und geeignetes Mittel der Aufklärung der Anleger. Die insoweit gebotene objektive Auslegung der Prospekte kann der Senat selbst vornehmen (vgl. nur Senat, Urteil vom 22. März 2007 - III ZR 218/06, WM 2007, 873 Rn. 6; BGH, Urteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 22 und vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 31). In den Prospekten wird auf S. 24 beziehungsweise S. 25 unter der Überschrift "Beteiligte" im Einzelnen dargestellt, in welcher maßgeblichen Form der Gründungsgesellschafter H. an den mit den Projekten befassten Unternehmen beteiligt ist. Aus den Prospekten, zu deren Inhalt - anders als es der Kläger reklamiert - auch die auf S. 29 ff beziehungsweise S. 30 ff abgedruckten Verträge (unter anderem der Geschäftsbesorgungsvertrag ) gehören, lässt sich deutlich seine maßgebliche Stellung auch auf Seiten der Grundbuchtreuhänderin, der Geschäftsbesorgerin sowie der Mieterin der Klinik ersehen. Soweit das Berufungsgericht hieraus ein Eigeninteresse von H. ableitet, an Dienstleistungen jeglicher Art, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Projekts anfallen, zu verdienen, war dieses ebenso wie die vom Berufungsgericht problematisierte Gefahr etwaiger Interessengegensätze für jedermann erkennbar. Dies gilt auch, soweit in den Prospekten auf S. 24 beziehungsweise S. 25 ausdrücklich angesprochen wird, dass die I. beabsichtige , als Vertragspartner für verschiedene Dienstleistungsbereiche aufzutreten beziehungsweise Unternehmen und Personen der eigenen Unternehmensbereiche vorzuschlagen.
14
Weiterer ausdrücklicher Hinweise darüber hinaus bedurfte es nicht. Denn bei der zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts (vgl. Senat, Urteile vom 28. Februar 2008 aaO, vom 14. Juni 2007 - III ZR 125/06, WM 2007, 1503 Rn. 9 und vom 20. Juni 2013 - III ZR 293/12, juris Rn. 12; BGH, Urteile vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91, WM 1992, 901, 904, vom 18. September 2012 aaO Rn. 30 und vom 5. März 2013 - II ZR 252/11, WM 2013, 734 Rn. 14) musste sich auch ohne besondere Spezialkenntnisse jedem Anleger aufdrängen, dass der Gründungsgesellschafter H. an den mit den Projekten befassten Firmen beteiligt war und insoweit davon profitieren konnte.
15
2. Dass im Übrigen die in den Prospekten im Investitions- und Finanzierungplan vorgesehene Position "Avale Bauzeit" sowohl zum Grunde als auch zur Höhe der von der Beklagten geschuldeten Plausibilitätsprüfung standhält und keinen Anlass zu weitergehenden Nachforschungen bot, hat der Senat bereits entschieden (vgl. Urteile vom 15 November 2012 - III ZR 55/12, VersR 2013, 193 Rn. 8 ff und vom 20. Juni 2013 aaO Rn. 15 ff).
16
3. Das Berufungsurteil ist daher, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist, aufzuheben. In diesem Umfang ist die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Denn das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob die Prospekte dem Kläger - wie von der Beklagten behauptet und vom Kläger bestritten - so rechtzeitig vor der Zeichnung der Anlagen übergeben worden sind, dass die persönliche Aufklärungspflicht des Beraters entfallen ist (vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, WM 2007, 542 Rn. 17 und Urteil vom 20. Juni 2013 - III ZR 293/12, juris Rn. 7). Die hierzu notwendigen Feststellungen sind nachzuholen, wobei der Senat darauf hinweist, dass der Anleger die Beweislast dafür trägt, dass ihm der Anlageprospekt nicht oder zu spät übergeben worden ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Mai 2006 - III ZR 205/05, NJW-RR 2006, 1345 Rn. 6 ff).
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanzen:
LG Kempten, Entscheidung vom 13.02.2012 - 33 O 449/11 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 24.01.2013 - 14 U 720/12 -
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Danach kann eine ordnungsgemäße Erfüllung der bestehenden Aufklärungspflichten gegenüber dem Anlageinteressenten zwar auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln , und dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. Der Umstand indes, dass ein solcher Prospekt Chancen und Risiken der Anlage hinreichend verdeutlicht, ist kein Freibrief für den Berater oder Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise und Erläuterungen im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert (vgl. z.B. Senatsurteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn. 15, vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, juris Rn. 7, jeweils vom 12. Juli 2007 - III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690 Rn. 10, und III ZR 145/06, NJW-RR 2007, 1692 Rn. 9). Hinzu kommt, dass der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anla- geberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht beimisst. Die notwendig allgemein gehaltenen und mit zahlreichen Fachbegriffen versehenen Prospektangaben treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund (vgl. Senatsurteil vom 22. Juli 2010, aaO).