Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2008 - III ZR 13/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 25.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Amtspflichtverletzung als Notar auf Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte beurkundete am 17. Januar 2002 einen Vertrag zwischen dem Kläger und dessen damaliger Ehefrau. Gegenstand war die Übertragung des hälftigen Miteigentums der Ehefrau an dem gemeinsamen Hausgrundstück auf den Kläger. Im Gegenzug verpflichtete sich dieser zur Zahlung von 33.745 € sowie zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über 5.113 €. Weiterhin verpflichtete er sich, seine Ehefrau von den Darlehensverbindlichkeiten, die den eingetragenen Grundstücksbelastungen von 150.000 DM zugrunde lagen, freizustellen. Die Urkunde enthielt in Nummer III. 4. weiterhin folgende Abgeltungsklausel: "Mit Zahlung vorbezeichneten Betrages, der Übergabe des Schuldanerkenntnisses und der Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Erwerber sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche, seien sie bekannt oder unbekannt, die das mit dieser Urkunde übertragene Hausanwesen betreffen, erledigt. Die Erschienene zu 1) erklärt, keine Forderungen aus der Übertragung des ½-Miteigentumsanteils an den Erschienenen zu 2) mehr zu stellen."
- 2
- Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befand sich die Ehe des Klägers in einer Krise, die letztlich auch zur Trennung der Eheleute und zur Scheidung im Juli 2004 führte. In dem Scheidungsverfahren machte die damalige Ehefrau des Klägers Zugewinnausgleichsansprüche geltend. Die Eheleute einigten sich darauf , dass der Kläger an seine Ehefrau insoweit 25.000 € zahlte.
- 3
- Der Kläger verlangt diesen Betrag von dem Beklagten mit der Begründung ersetzt, dieser habe die in dem notariellen Vertrag vom 17. Januar 2002 enthaltene Abgeltungsklausel nicht hinreichend präzise formuliert, so dass Zugewinnausgleichsansprüche der Ehefrau wegen des übertragenen Hausgrundstückanteils nicht ausgeschlossen gewesen seien. Diese habe die ihr als Gegenleistung überlassenen Mittel vor dem für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Stichtag verbraucht, während er zu diesem Zeitpunkt noch im Genuss des durch die Übertragung des Miteigentumsanteils bewirkten Wertzuwachses gewesen sei. Da Zugewinnausgleichsansprüche wegen des übertragenen Hausgrundstücksanteils nicht ausgeschlossen gewesen seien, habe dieser Wertzuwachs bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs Berücksichtigung finden müssen.
- 4
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung des verlangten Schadensersatzes verurteilt. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde , mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
II.
- 5
- Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat eine schadensstiftende Amtspflichtverletzung des Beklagten und einen Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe der eingeklagten 25.000 € aus § 19 Abs. 1 BNotO bejaht. Dabei hat es jedoch übergangen , dass der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. September 2006 den vom Kläger seiner Schadensberechnung zugrunde gelegten Wert des Hausgrundstücks von 200.000 € bestritten und allenfalls einen Wert von 118.000 € zugestanden hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte dieses Bestreiten im Verlauf des Rechtsstreits aufgegeben hat. Das Berufungsgericht hat demgegenüber der Verurteilung des Beklagten ohne jede Erörterung die vom Kläger errechnete Höhe des Schadensersatzanspruches zugrunde gelegt. Zwar sind die Gerichte nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (z.B.: BGHZ 154, 288, 300 f mit umfangreichen weiteren Nachweisen ). Das ist aber insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht (z.B.: BVerfGE 86, 133, 145 f; BVerfG NJW 1998, 2583, 2584). Der Wert des Hausgrundstücks ist ein solcher für die Entscheidung des Rechtsstreits zentraler Punkt, da hiervon abhängt, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstanden ist, der der vom Berufungsgericht angenommenen Amtspflichtverletzung des Beklagten zuzurechnen ist (siehe hierzu sogleich Nummer 2).
- 7
- 2. Auf dieser Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs beruht die Entscheidung der Vorinstanz.
- 8
- a) Ausgehend von dem vom Beklagten allenfalls zugestandenen Wert des Hausgrundstücks hatte die Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Zugewinnausgleich , auch wenn Nummer III. 4. des Vertrages vom 17. Januar 2002, wie es das Berufungsgericht annimmt, Zugewinnausgleichsansprüche im Zusammenhang mit der Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück nicht ausschließt. Das Endvermögen des Klägers (§§ 1375, 1384 BGB) wäre unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen - und vom Beklagten als ihm günstig nicht ersichtlich bestrittenen - Lasten und Verbindlichkeiten wie folgt zu berechnen: Wert des Hausgrundstücks: 118.000,00 € ./. Belastungen: 75.000,00 € ./. sonstige Verbindlichkeiten des Klägers 11.000,00 € 32.000,00 €
- 9
- liegt Dies unter seinem Anfangsvermögen (§ 1374 BGB), das er mit 45.000 € beziffert, so dass er keinen Zugewinn erzielt hätte.
- 10
- b) Allerdings mag der Entschluss des Klägers, sich auf die Vereinbarung, durch die er sich zur Zahlung von 25.000 € an seine Ehefrau verpflichtete, einzulassen , durch die unpräzise Formulierung der Ausgleichsklausel im Vertrag vom 17. Januar 2002 ungeachtet der für den Zugewinn zu berücksichtigenden Werte mitveranlasst worden sein. In diesem Fall liegt es jedoch nahe, dass bei erneuter tatrichterlicher Würdigung das Eingehen des Klägers auf die entsprechende Forderung seiner damaligen Ehefrau als ein Eingriff in den Geschehensablauf zu betrachten ist, der den Schaden erst endgültig herbeiführte und der den Zurechnungszusammenhang mit der haftungsbegründenden Handlung unterbrach. Eine solche Unterbrechung der durch die Verletzung notarieller Amtspflichten ausgelösten Ursachenkette tritt zwar nicht ein, wenn für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses darstellt (z.B.: Senatsurteil vom 6. Mai 2004 - III ZR 247/03 - DNotZ 2004, 849, 852 m.w.N.). Wenn aber selbst bei einer dem Kläger nachteiligen Auslegung der Abgeltungsklausel aufgrund der zur Berechnung des Zugewinns einzusetzenden Werte ein Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau ausgeschlossen gewesen wäre, dürfte der Abschluss der Vereinbarung über die Zahlung von 25.000 € eine gänzlich unsachgemäße und daher ungewöhnliche Reaktion des Klägers gewesen. Etwas anderes kann etwa gelten, wenn zwischen ihm und seiner Ehefrau eine Fehlvorstellung oder ein Streit über den Wert des Grundstücks bestanden und die Vereinbarung diesen Punkt ebenfalls mit erledigt hätte. Hierfür gibt es jedoch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keinen Anhaltspunkt.
- 11
- 3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den weiteren Einwendungen des Beklagten gegen das angefochtene Urteil auseinanderzusetzen, auf die einzugehen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anlass hat.
Wöstmann Hucke
Vorinstanzen:
LG Siegen, Entscheidung vom 12.12.2006 - 8 O 284/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 07.12.2007 - 11 U 9/07 -
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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig die ihm anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er diesen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Verletzten nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen; das gilt jedoch nicht bei Amtsgeschäften der in §§ 23, 24 bezeichneten Art im Verhältnis zwischen dem Notar und seinen Auftraggebern. Im übrigen sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schadensersatzpflicht im Fall einer von einem Beamten begangenen Amtspflichtverletzung entsprechend anwendbar. Eine Haftung des Staates an Stelle des Notars besteht nicht.
(2) Hat ein Notarassessor bei selbständiger Erledigung eines Geschäfts der in §§ 23, 24 bezeichneten Art eine Amtspflichtverletzung begangen, so haftet er in entsprechender Anwendung des Absatzes 1. Hatte ihm der Notar das Geschäft zur selbständigen Erledigung überlassen, so haftet er neben dem Assessor gesamtschuldnerisch; im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Assessor ist der Assessor allein verpflichtet. Durch das Dienstverhältnis des Assessors zum Staat (§ 7 Abs. 3) wird eine Haftung des Staates nicht begründet. Ist der Assessor als Notarvertretung des Notars tätig gewesen, so bestimmt sich die Haftung nach § 46.
(3) Für Schadensersatzansprüche nach Absatz 1 und 2 sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.
(1) Endvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei der Beendigung des Güterstands gehört. Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen.
(2) Dem Endvermögen eines Ehegatten wird der Betrag hinzugerechnet, um den dieses Vermögen dadurch vermindert ist, dass ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands
- 1.
unentgeltliche Zuwendungen gemacht hat, durch die er nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen hat, - 2.
Vermögen verschwendet hat oder - 3.
Handlungen in der Absicht vorgenommen hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen.
(3) Der Betrag der Vermögensminderung wird dem Endvermögen nicht hinzugerechnet, wenn sie mindestens zehn Jahre vor Beendigung des Güterstands eingetreten ist oder wenn der andere Ehegatte mit der unentgeltlichen Zuwendung oder der Verschwendung einverstanden gewesen ist.
Wird die Ehe geschieden, so tritt für die Berechnung des Zugewinns und für die Höhe der Ausgleichsforderung an die Stelle der Beendigung des Güterstandes der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.
(1) Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstands gehört.
(2) Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist.
(3) Verbindlichkeiten sind über die Höhe des Vermögens hinaus abzuziehen.