Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2001 - III ZB 52/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 14.700 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger legten gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 11. April 2001 zugestellte Urteil des Landgerichts am 8. Mai 2001 beim Oberlandesgericht Berufung ein. Nach einem Hinweis vom 13. Juni 2001 auf die Nichtwahrung der Begründungsfrist begründeten sie durch einen am 18. Juni 2001 ein-
gegangenen Schriftsatz ihr Rechtsmittel und beantragten zugleich mit folgender Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Die gewissenhafte, seit vier Jahren tätige Rechtsanwaltsfachangestellte im Büro ihres Prozeûbevollmächtigten , der die Aufgabe der Fristeintragung und Fristüberwachung zur eigenständigen Bearbeitung übertragen gewesen sei, habe die Berufungsbegründungsfrist nicht - wie es normalerweise geschehe - sofort notiert, als die Eingangsbestätigung des Oberlandesgerichts eingegangen sei. Sie habe diese einem weiteren Schreiben des Oberlandesgerichts vom 8. Mai 2001 beigeheftete Bestätigung nämlich übersehen. Auf die Beanstandung der Beklagten, die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist habe nicht bis zur Mitteilung über den Eingang des Rechtsmittels zurückgestellt werden dürfen, haben die Kläger mit einem am 30. Juli 2001 eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht, im Büro ihres Prozeûbevollmächtigten habe die Weisung bestanden, die Berufungsbegründungsfrist sofort nach Einlegung der Berufung zu notieren und bei Eingang einer Bestätigung des Oberlandesgerichts zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Auch die sofortige Eintragung des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist sei versehentlich unterblieben. Im übrigen sei eine Wiedervorlage der Akte in der Woche nach Pfingsten (5. bis 8. Juni 2001) wegen Arbeitsüberlastung der Mitarbeiterin unterblieben.
Das Berufungsgericht hat die Erteilung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.
II.
Die nach §§ 238 Abs. 2, 519b Abs. 2, 547 ZPO statthafte und auch sonst (§§ 569, 577 ZPO) zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Klägern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt, da die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden ihres Prozeûbevollmächtigten beruht, das sich die Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Rechtsanwalt die Berechnung üblicher und in seiner Praxis häufig vorkommender Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen. Er muû aber durch geeignete organisatorische Maûnahmen dafür sorgen, daû Fristversäumnisse möglichst vermieden werden (vgl. BGH, Beschluû vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94 - NJW 1994, 2551 m.w.N.). Solche dem Prozeûbevollmächtigten zurechenbaren organisatorischen Fehler liegen hier jedoch vor.
a) Nach dem - zuletzt erst in der Beschwerdeinstanz durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten K. vom 24. September 2001 und von Kopien des Fristenkalenders vom 6. und 11. Juni 2001 - glaubhaft gemachten Vorbringen der Kläger hat die angesprochene Mitarbeiterin nach Zustellung des Urteils am 11. April 2001 den Ablauf der Berufungsfrist auf den 11. Mai 2001 und der Berufungsbegründungsfrist auf den 11. Juni 2001 notiert. Da die Berufungsschrift bereits am 8. Mai 2001 verfaût
war und die Mitarbeiterin davon ausging, die Berufung werde voraussichtlich am kommenden Tag beim Berufungsgericht eingereicht, strich sie "rein vorsorglich" im Fristenkalender die Frist zum 11. Juni 2001. Der Weisung des Prozeûbevollmächtigten, im Zusammenhang mit der Einlegung der Berufung die Berufungsbegründungsfrist zu notieren bzw. zu aktualisieren, kam sie nicht nach. Sie nahm auch keine Überprüfung ihrer Eintragung vor, als sie die Eingangsmitteilung des Berufungsgerichts erreichte. Schlieûlich legte sie die Handakten nicht zur Bearbeitung am 6. Juni 2001 vor, obwohl die Sache mit dem Vermerk "VF!" an diesem Tag im Fristenkalender eingetragen war, sondern erst im Laufe der folgenden Woche, als bereits der telefonische Hinweis über die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Kanzlei erreicht hatte. Als Grund für die Nichtwiedervorlage werden der vermehrte Arbeitsaufwand in der nach dem Pfingstwochenende verkürzten Arbeitswoche und der Umstand genannt , die Wiedervorlagen erfolgten in der Regel im zweiwöchigen Rhythmus, was nach dem verkürzten Wochenende (gemeint möglicherweise: wegen der verkürzten Arbeitswoche) nicht möglich gewesen sei.
b) Es ist schon fraglich, ob das Wiedereinsetzungsgesuch zulässig ist. Denn grundsätzlich sind innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO alle Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist, darzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschluû vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99 - NJW 2000, 365, 366). Der Senat braucht die Frage, ob einzelne Umstände verspätet dargelegt oder glaubhaft gemacht worden sind, jedoch nicht abschlieûend zu beantworten, da auch bei Würdigung des gesamten Vorbringens der Kläger ein ihnen zurechenbares organisatorisches Verschulden ihres Prozeûbevollmächtigten vorliegt. Es fehlen nämlich
klare Angaben über die der Mitarbeiterin des Prozeûbevollmächtigten erteilten Weisungen zur Eintragung und zeitlichen Bemessung einer Vorfrist in Bezug auf das System der Wiedervorlage von Handakten im zweiwöchigen Rhythmus, so daû nicht festgestellt werden kann, ob die eingetragene Vorfrist in der Büroorganisation des Prozeûbevollmächtigten die Aufgabe wahrnehmen konnte, dem Rechtsanwalt durch rechtzeitige Vorlage der Akten auch für den Fall der hier eingetretenen Unregelmäûigkeiten des Büropersonals noch eine ausreichende Zeit zur fristgerechten Bearbeitung zu belassen. Darüber hinaus ist ihm als organisatorisches Verschulden zuzurechnen, daû er gegen die durch Urlaub und verkürzte Arbeitszeit verursachte Überlastung seiner allein im Büro verbliebenen Mitarbeiterin keine Vorkehrungen getroffen, insbesondere nicht beachtet hat, daû durch ein Ausbleiben von Wiedervorlagen Fristen versäumt werden können, wie es sich hier verwirklicht hat. Der in der Beschwerdeinstanz nochmals gestellte Antrag auf Erteilung der Wiedereinsetzung ist danach jedenfalls unbegründet.
2. Die Beschwerde beanstandet nicht, daû das Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist von einem Monat begründet worden ist und darum unzulässig ist (§§ 519 Abs. 2, 519b Abs. 1 ZPO).
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(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.
(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
