Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Juli 2005 - I ZB 7/05
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe:
I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen amtsgerichtlichen Endurteil vom 28. August 2003, mit dem der Schuldner verurteilt wurde, an den Gläubiger 1.480 € nebst Zinsen zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe eines im Urteilstenor näher bezeichneten PKW. Das Fahrzeug wurde dem Schuldner am 22. April 2004 tatsächlich angeboten. Er lehnte die Rücknahme jedoch ab, da der PKW fahruntüchtig sei.
In der Folgezeit fanden mehrere erfolglose Mobiliarvollstreckungsversuche gegen den Schuldner statt. Er wurde daraufhin von dem Gerichtsvollzieher zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 Abs. 1 Nr. 4, § 900 Abs. 1 ZPO aufgefordert. Dagegen legte der Schuldner Widerspruch ein mit der Begründung, er befinde sich nicht im Annahmeverzug, weil ihm das Fahrzeug nicht im Zustand nachhaltiger Fahrbereitschaft angeboten worden sei. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hatte keinen Erfolg.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, für das Vollstreckungsverfahren sei grundsätzlich nur der Inhalt des Tenors der vollstreckungsfähigen Entscheidung, gegebenenfalls unter klarstellender Heranziehung der Entscheidungsgründe , maßgeblich. In dem im Streitfall zugrundeliegenden Titel sei als Zug um Zug zu bewirkende Leistung des Gläubigers lediglich die Rückgabe des anhand der Fahrgestellnummer bezeichneten PKW ausgeurteilt worden. Ein bestimmter Zustand des Fahrzeugs werde weder im Urteilstenor noch in den Entscheidungsgründen gefordert. Der Gerichtsvollzieher habe danach nur zu prüfen, ob die angebotene Gegenleistung richtig, insbesondere identisch, sei. Da dem Schuldner im vorliegenden Fall das richtige Fahrzeug tatsächlich angeboten worden sei, habe der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstrekkung beginnen dürfen.
2. Die Rechtsbeschwerde vertritt demgegenüber die Auffassung, der Gerichtsvollzieher müsse bei einer Zug um Zug-Verurteilung vor Beginn der
Zwangsvollstreckung prüfen, ob die angebotene Leistung mängelfrei sei. Dem kann nicht beigetreten werden.
3. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, daß dem Vollstreckungsschuldner die von dem Gläubiger zu erbringende Gegenleistung in einer den Voraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO genügenden Weise angeboten worden ist.
a) Nach § 756 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher, wenn die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt, die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat. Die von dem Gläubiger geschuldete Gegenleistung muß so angeboten werden, wie sie im Vollstreckungstitel beschrieben ist (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rdn. 4). Bei Unklarheiten können gegebenenfalls Tatbestand und Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils zur Konkretisierung der von dem Gläubiger geschuldeten Leistung herangezogen werden (vgl. MünchKomm.ZPO/Heßler, 2. Aufl., § 756 Rdn. 27). Demgemäß ist bei einer Gattungsschuld das Angebot einer Sache von mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB, § 360 HGB) erforderlich. Ist der zu leistende Gegenstand - wie im Streitfall - individuell bezeichnet (Stückschuld ), ist dieser dem Vollstreckungsschuldner anzubieten und zu übergeben (MünchKomm.ZPO/Heßler aaO, § 756 Rdn. 27; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 756 Rdn. 7; Musielak/Lackmann aaO, § 756 Rdn. 4).
b) Umstritten ist, ob und in welchem Umfang der Gerichtsvollzieher von sich aus oder jedenfalls auf eine Beanstandung des Schuldners hin zu prüfen
habe, ob nicht die angebotene, im Vollstreckungstitel konkret bezeichnete Sache mit erheblichen Mängeln behaftet sei (vgl. MünchKomm.ZPO/Heßler aaO, § 756 Rdn. 29 ff.; Zöller/Stöber aaO, § 756 Rdn. 7; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 756 Rdn. 22, jeweils mit umfangreichen Nachweisen zum Meinungsstand ).
Für die Frage, in welchem Zustand der von dem Vollstreckungsgläubiger zu leistende Gegenstand dem Vollstreckungsschuldner zu übergeben ist, ist in erster Linie der Vollstreckungstitel maßgeblich. Sofern der Titel oder Tatbestand und Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils keine gesonderten Angaben zur Beschaffenheit der von dem Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung enthalten, kommt es nur darauf an, daß der angebotene mit dem bezeichneten Gegenstand identisch ist. Die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans wird nach dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung durch den Titelinhalt begrenzt. Enthält der Titel nur die Angabe, daß ein individueller Gegenstand anzubieten ist, ist nur die Identität zu prüfen (vgl. Musielak/Lackmann aaO, § 756 Rdn. 4; Stein/Jonas/Münzberg aaO, § 756 Rdn. 22; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 756 Rdn. 6). Daher ist die Vollstreckung durchzuführen, wenn die im Titel eindeutig genannte Sache angeboten wird.
Die Rüge des Schuldners, der angebotene Gegenstand habe sich seit der Übergabe an den Gläubiger derart verschlechtert, daß er ihn nicht mehr annehmen müsse, hat der Gerichtsvollzieher nur zu berücksichtigen, wenn die Mängel zu einer Identitätsänderung der angebotenen Sache geführt haben. Im übrigen muß der Schuldner seine Einwendungen im Wege einer Vollstrekkungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen (vgl. OLG Stuttgart DGVZ
1991, 8 f.; LG Hamburg DGVZ 1984, 10; LG Rottweil DGVZ 1990, 171 f.; LG Karlsruhe DGVZ 1998, 27; Musielak/Lackmann aaO, § 756 Rdn. 4; Stein/ Jonas/Münzberg aaO, § 756 Rdn. 22; Schuschke/Walker aaO, § 756 Rdn. 6; Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 756 Rdn. 8; Wieczorek/Schütze/ Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 756 Rdn. 12; a.A. LG Bonn DGVZ 1983, 187, 188; LG Hannover DGVZ 1984, 152; LG Neuruppin NJW-RR 2004, 854; vgl. auch Zöller/Stöber aaO, § 756 Rdn. 7; MünchKomm.ZPO/Heßler aaO, § 756 Rdn. 12, 29).
c) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Schuldner in dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Urteil zur Zahlung von 1.480 € nebst Zinsen verurteilt worden, Zug um Zug gegen Rückgabe lediglich eines anhand der Fahrgestellnummer zu individualisierenden PKWs. Diesen Gegenstand hat der Gläubiger dem Schuldner am 22. April 2004 tatsächlich angeboten. Ein bestimmter Zustand des Fahrzeugs wird weder im Urteilstenor noch in den Entscheidungsgründen gefordert. Auf dieser Tatsachengrundlage kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht angenommen werden, daß der von dem Vollstreckungsgläubiger an den Schuldner zurückzugebende PKW fahrbereit sein muß. Eine solche Annahme läßt sich auch nicht aufgrund einer Auslegung des in Rede stehenden Vollstreckungstitels gewinnen, da es hierfür - wie das Beschwerdegericht unangegriffen festgestellt hat - an konkreten Anhaltspunkten fehlt.
III. Danach war die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann
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Annotations
(1) Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.
(2) Der Gerichtsvollzieher darf mit der Zwangsvollstreckung beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde.
(1) Hat der Gläubiger die Vornahme der Pfändung beim Schuldner beantragt und
- 1.
hat der Schuldner die Durchsuchung (§ 758) verweigert oder - 2.
ergibt der Pfändungsversuch, dass eine Pfändung voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird,
(2) Der Schuldner kann einer sofortigen Abnahme widersprechen. In diesem Fall verfährt der Gerichtsvollzieher nach § 802f; der Setzung einer Zahlungsfrist bedarf es nicht.
(1) Wird künftiges Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet und dem Gläubiger überwiesen, darf der Drittschuldner erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die jeweilige Gutschrift folgt, an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen; eine Verlängerung des in § 899 Absatz 2 bezeichneten Zeitraums erfolgt dadurch nicht. Auf Antrag des Gläubigers kann das Vollstreckungsgericht eine von Satz 1 erster Halbsatz abweichende Anordnung treffen, wenn sonst unter Würdigung des Schutzbedürfnisses des Schuldners für den Gläubiger eine unzumutbare Härte entstünde.
(2) Guthaben, aus dem bis zum Ablauf der Frist des Absatzes 1 nicht an den Gläubiger geleistet oder das bis zu diesem Zeitpunkt nicht hinterlegt werden darf, ist in dem auf die Gutschrift folgenden Kalendermonat Guthaben im Sinne des § 899 Absatz 1 Satz 1.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.
(2) Der Gerichtsvollzieher darf mit der Zwangsvollstreckung beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde.
Wird eine nur der Gattung nach bestimmte Ware geschuldet, so ist Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten.
(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.
(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)