Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - I ZB 27/12

bei uns veröffentlicht am25.10.2012
vorgehend
Landgericht Berlin, 103 O 160/07, 30.04.2010
Kammergericht, 2 W 121/10, 06.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 27/12
vom
25. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. Februar 2012 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 30. April 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Gegenstandswert: 367,90 €.

Gründe:


1
I. Der Kläger hat gegen den Beklagten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger zurückgenommen.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht die vom Kläger zu erstattenden Kosten auf 2.525,49 € nebst Zinsen festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Kammergericht die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zur Hälfte auf ihre Verfahrensgebühr angerechnet und den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten deshalb in Höhe von 367,90 € zurückgewiesen.
3
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Berücksichtigung der Verfahrensgebühr weiter.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6
Das Landgericht habe die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr zu Unrecht nicht anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV sei entsprechend der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323) die Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens über denselben Gegenstand anzurechnen. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe nicht entgegen. Diese Bestimmung sei aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall nicht anwendbar.
7
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie der beschließende Senat in Einklang mit der Rechtsprechung der übrigen mit dieser Frage befassten Senate des Bundesgerichtshofs entschieden hat, ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die durch die Tätigkeit der Prozess- bevollmächtigten des Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht entstanden ist, bei der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen. Sie ist nicht aufgrund der Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu kürzen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - I ZB 47/10, GRUR-RR 2011, 232; Beschluss vom 28. September 2011 - I ZB 29/10, juris).
Bornkamm Pokrant Kirchhoff
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 30.04.2010 - 103 O 160/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.02.2012 - 2 W 121/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 60 Übergangsvorschrift


(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staats

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15a Anrechnung einer Gebühr


(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. (2) Sind mehrere Gebüh

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - I ZB 29/10

bei uns veröffentlicht am 28.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 29/10 vom 28. September 2011 in der Rechtsbeschwerdesache Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Sc

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Jan. 2008 - VIII ZB 57/07

bei uns veröffentlicht am 22.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 57/07 vom 22. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 91 RVG-VV, Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 a) Es wird daran festgehalten, dass sich durch die ant

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2011 - I ZB 47/10

bei uns veröffentlicht am 03.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 47/10 vom 3. Februar 2011 in der Rechtsbeschwerdesache Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffer

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 57/07
vom
22. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 91 RVG-VV, Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4

a) Es wird daran festgehalten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich
entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG aF) auf die
Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4
VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden
gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr
vermindert (Senatsurteile vom 7. März 2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; vom
14. März 2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050; vom 11. Juli 2007 – VIII ZR 310/06,
NJW 2007, 3500).

b) Für die Anrechnung ist es ohne Bedeutung, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher
Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht
, tituliert oder bereits beglichen ist.

c) Eine vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallene Geschäftsgebühr kann nicht Gegenstand
einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein (im Anschluss an BGH, Beschluss
vom 27. April 2006 – VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 f.).
BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07 - LG Magdeburg
AG Quedlinburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Januar 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns
und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Achilles

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 18. Juni 2007 und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 10. Juli 2006 aufgehoben. Die von dem Kläger aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Quedlinburg vom 1. März 2006 an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 733,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. März 2006. Der weitergehende Festsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Wert des Beschwerdegegenstandes: Wertstufe bis 300 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien haben um die Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages gestritten. Die auf Kaufpreisrückzahlung und Erstattung von Versicherungsaufwendungen gerichtete Klage ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts auf Kosten des Klägers abgewiesen worden. Bereits vorprozessual hatten die Parteien über die anschließend rechtshängig gemachten Ansprüche korrespondiert , wobei die Beklagte die erhobenen Ansprüche durch ihren späteren Prozessbevollmächtigten zurückweisen ließ. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat das Amtsgericht auf Antrag der Beklagten neben einer 1,3Verfahrens - und einer 1,2-Terminsgebühr (Nrn. 3100, 3104 VV RVG), die nach dem festgesetzten Streitwert von 3.535 € bemessen waren, antragsgemäß noch eine 1,3-Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) festgesetzt, die nach einem vorprozessual noch über der Klageforderung liegenden Forderungsbetrag bemessen war, und hierauf eine 0,65-Verfahrensgebühr nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert angerechnet. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers, der sich gegen den Ansatz einer Geschäftsgebühr gewandt hat, hat das Beschwerdegericht an diesem Ansatz festgehalten, die 13/10-Geschäftsgebühr jedoch lediglich unter Zugrundelegung des gerichtlich festgesetzten Streitwerts festgesetzt und hierauf eine 0,65-Verfahrensgebühr angerechnet. Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, die in den Grenzen des mit der sofortigen Beschwerde gestellten Antrages einen vollständigen Fortfall des Ansatzes einer Geschäftsgebühr erstrebt sowie auf die Verfahrensgebühr eine 0,65-Geschäftsgebühr angerechnet wissen will.

II.

2
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorprozessual zu Zwecken der Anspruchsabwehr entfaltete Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (ab 1. Juli 2006: Nr. 2300 VV RVG) ausgelöst habe und dass diese angesichts ihres eindeutigen Bezuges zum späteren Rechtsstreit im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend gemacht werden könne, zumal hierdurch der Beklagten ein im Vergleich zu einem Hauptsacheverfahren einfacherer Weg zur Durchsetzung ihres Kostenerstattungsanspruchs eröffnet werde. Jedoch stehe ihr ein solcher Anspruch nur in Höhe der Hälfte der Geschäftsgebühr nach dem gerichtlich festgesetzten Streitwert zu.
4
2. Diese Sichtweise rügt die Rechtsbeschwerde mit Recht als fehlerhaft, weil das Beschwerdegericht mit der vorprozessual angefallenen Geschäftsgebühr unzulässig Kosten in die Kostenerstattung einbezogen hat, die keine Prozesskosten sind. Darüber hinaus wird die Festsetzung der Vorinstanzen der in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG (im Folgenden: Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG) geregelten Gebührenanrechnung nicht gerecht.
5
a) Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Beschwerdegericht die durch den vorprozessualen Versuch einer Anspruchsabwehr entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG als festsetzungsfähig angesehen hat. Denn ebenso wie die Aufwendungen für ein anwaltliches Mahnschreiben nicht zu den Prozesskosten gehören, können die vorprozessual zur Anspruchsabwehr angefallenen Gebühren nicht im Rahmen einer Kostenerstattung nach § 91 ZPO angesetzt werden und somit nicht Gegenstand einer Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2006 – VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 f.).
6
b) Die Rüge der Rechtsbeschwerde greift weiter durch, soweit das Beschwerdegericht die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ohne Anwendung der Anrechnungsvorschrift gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht hat. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 7. März 2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049, unter II 2 a; Urteil vom 14. März 2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050, unter II 2 d; Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007 – VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500, unter II 2) so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist. Durch diese Anrechnung verringert sich die erst später nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibt. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der genannten Anrechnungsvorschrift erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens und nicht umgekehrt, so dass sich nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr , sondern die im gerichtlichen Verfahren angefallene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung reduziert.
7
Der Senat hält an dieser Sichtweise, die in erster Linie auf den klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung gestützt ist, trotz der namentlich in der Instanzrechtsprechung (z.B. KG, AGS 2007, 439; OLG München, Rpfleger 2007, 686; OLG Karlsruhe, AGS 2007, 494; OLG Koblenz, AnwBl 2007, 873; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. Oktober 2007 – 8 W 442/07; wie der Senat etwa VGH München, NJW 2006, 1990; OLG Hamburg, MDR 2007, 1224) geäußerten Kritik fest.
8
aa) Die teilweise vertretene Auffassung, der Gesetzgeber habe bei der Anrechnungsbestimmung gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG an der unter der Geltung des § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO entwickelten Praxis nichts ändern wollen, wonach die schon dort vorgeschriebene Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren angefallene Prozess- oder Verkehrsgebühr bei der späteren Kostenfestsetzung nicht zu berücksichtigen sei (vgl. OLG München, aaO), wird durch die Gesetzesbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drs. 15/1971, S. 209) nicht gestützt. Aus den dort wiedergegebenen Erwägungen geht nicht hervor, dass der Gesetzgeber sich überhaupt mit diesen im rechnerischen Ergebnis ohnehin als wenig bedeutsam angesehenen Praxisdetails befasst hat oder gar eine Festsetzungspraxis hat bestätigen wollen, die am Gesetzeswortlaut vorbei von der hierin vorgesehenen Anrechnung Abstand genommen hatte. Das Anrechnungserfordernis ist vielmehr nur vor dem Hintergrund der neu vorgesehenen Teilanrechnung erörtert worden, und zwar in dem Sinne, dass der Umfang derjenigen Tätigkeit, den die in Vorbemerkung 3 Absatz 2 VV RVG umschriebene Verfahrensgebühr abdecken sollte, entscheidend davon beeinflusst werde, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst gewesen sei. Denn eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhalte, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig gewesen sei, sei nicht zu rechtfertigen, wobei in diesem Zusammenhang unter anderem noch das Bestreben nach einer aufwandsbezogenen Vergütung hervorgehoben worden ist. Der Gesetzgeber hat also mit Blick auf einen erfahrungsgemäß geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand des schon vorprozessual mit der Sache befassten und hierfür nach Nrn. 2400 ff. VV RVG vergüteten Prozessbevollmächtigten dessen gerichtliche Verfahrensgebühr bereits in ihrer Entstehung um den in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG beschriebenen Teil der vorprozessual verdienten Gebühren kürzen wollen.
9
Erst recht ist kein Grund ersichtlich, eine unter der Geltung von § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO nicht selten gegen den klaren Gesetzeswortlaut praktizierte Anrechnung der Prozess- auf die Geschäftsgebühr in die Anwendung der Anrechnungsklausel gemäß Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG fortzuschreiben und zu diesem Zweck den unzweideutig in umgekehrte Richtung gehenden Gesetzeswortlaut als auslegungsfähig und auslegungsbedürftig anzusehen (so aber OVG Münster, NJW 2006,1991, 1992). Ebenso wenig besteht nach den im Gesetzgebungsverfahren anzutreffenden Äußerungen Anlass, von einem kor- rekturbedürftigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei Abfassung der genannten Anrechnungsbestimmung auszugehen (so zutreffend Streppel, MDR 2007, 929, 930).
10
bb) Kein entscheidendes Gewicht kommt der häufig angeführten Überlegung zu, wie schon § 118 Abs. 2 BRAGO betreffe die Anrechnungsbestimmung in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG nur das Rechtsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, nicht jedoch das für eine etwaige Kostenerstattung maßgebliche Außenverhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Prozessgegner (vgl. KG, OLG München, OLG Stuttgart und OLG Karlsruhe, aaO). Hierbei wird – worauf auch Streppel, aaO, zutreffend hinweist – übersehen, dass § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine Kostenerstattung an die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts und darüber unmittelbar an die genannte Anrechnungsbestimmung anknüpft. Entsteht die Verfahrensgebühr wegen der in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG vorgesehenen Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG von vornherein nur in gekürzter Höhe, kommt im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht. Ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, ist bereits nach dem Wortlaut der Anrechnungsbestimmung ohne Bedeutung. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist nach dieser Vorschrift vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte.
11
cc) Soweit eingewandt wird, es sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich , dass die unterlegene Partei nur deshalb niedrigere Kosten zu erstatten habe , weil der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite bereits vorprozessual das Geschäft seines Mandanten betrieben habe, greift dies ebenso wenig durch wie die Überlegung, die vom Senat vertretene Auslegung der Anrechnungsvorschrift begünstige diejenige Partei sinnwidrig, die davon abgesehen habe, bereits vorprozessual einen Rechtsanwalt einzuschalten (vgl. KG und OVG Münster , aaO; ferner VGH München, NJW 2007, 170). Es trifft zwar zu, dass durch diese Auslegung ein Beklagter gegenüber der unter der Geltung von § 118 Abs. 2 BRAGO praktizierten Anwendung der Anrechnungsvorschrift benachteiligt wird, wenn ihm für eine bereits vorprozessual eingeleitete Rechtsverteidigung kein Erstattungsanspruch zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 – VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Dass ein von ihm aufzubringender, materiellrechtlich nicht auf den Prozessgegner abwälzbarer Gebührenanspruch zur Kürzung eines ihm im Falle des Obsiegens zustehenden prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach §§ 91 ff. ZPO führt, hat seinen Grund jedoch allein darin, dass durch die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG ein seinem Prozessbevollmächtigten nach Nrn. 3100 ff. VV RVG zustehender Gebührenanspruch unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt gekürzt wird, nämlich weil er aufgrund seiner vorprozessualen Befassung in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat. Dieser geringere Aufwand im Rahmen der von § 91 ZPO erfassten Prozessführung wiederum war nach der Gesetzesbegründung (aaO) einer der entscheidenden und durch die Anknüpfung am voraussichtlichen Tätigkeitsumfang sachlich auch tragfähigen Beweggründe des Gesetzgebers, dem Prozessbevollmächtigten nur eine insoweit gekürzte Vergütung zuzubilligen. Dies anschließend im prozessualen Erstattungsrechtsverhältnis der Parteien durch eine abweichende Erstattungspraxis wieder zu korrigieren, ist zudem rechtlich nicht geboten. In- soweit konnte es der Gesetzgeber vielmehr bei der bestehenden Rollen- und Risikoverteilung und den hiernach nur eingeschränkt bestehenden materiellrechtlichen Erstattungsansprüchen belassen.
12
dd) Für nicht durchgreifend erachtet der Senat schließlich die Bedenken, das Kostenfestsetzungsverfahren eigne sich nach seinen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten nicht, die für eine Anrechnung erforderlichen Voraussetzungen festzustellen (vgl. OLG München und KG, aaO). Abgesehen davon, dass ein anrechnungserhebliches vorprozessuales Tätigwerden in der Regel durch entsprechenden und häufig schon bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftwechsel dokumentiert ist und dass die Bemessung der Höhe einer Geschäftsgebühr durch die in Nr. 2400 VV RVG vorgesehene Regelgebühr sowie durch die in der Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG vorgesehene Anrechnungskappung zumeist ebenfalls keinen übermäßigen Feststellungs- und Wertungsaufwand erfordert, ist das Kostenfestsetzungsverfahren durchaus darauf angelegt, auch streitigen Sachvortrag zu verarbeiten und zu klären (§ 104 Abs. 2, § 294 ZPO; dazu näher etwa Musielak/Wolst, ZPO, 5. Auflage, § 104 Rdnr. 18 m.w.N.). Zudem ist eine Anrechnung nicht von Amts wegen, sondern erst auf substantiierten, über eine Äußerung bloßer Vermutungen hinausgehenden Einwand des Festsetzungsgegners zu beachten. Im Übrigen bleibt bei Unaufklärbarkeit der Anrechnungsvoraussetzungen immer noch die Beweislastentscheidung zu Lasten dessen, der sich abweichend vom gesetzlichen Regelfall einer 1,3Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auf die Anwendbarkeit der als Ausnahmebestimmung zu wertenden Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG beruft.
13
Dass die sonst unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie angeführten Erwägungen nicht geeignet sind, ein vom klaren Wortlaut dieser Anrechnungsbestimmung abweichendes Auslegungsergebnis zu rechtfertigen, hat der Senat bereits früher hervorgehoben (Urteil vom 7. März 2007, aaO, unter II 2 a; Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007, aaO, unter II 2). Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die Anlass gäben, hiervon abzurücken.
14
3. Die Rechtsbeschwerde rügt hiernach zu Recht, dass das Beschwerdegericht zum einen die angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht und zum anderen die durch den vorprozessualen Versuch einer Anspruchsabwehr entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG als ebenfalls erstattungsfähig angesehen hat. Vielmehr muss die angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG wegen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG, die nach dem aus der Anlage B 3 ersichtlichen vorprozessualen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten unstreitig angefallen ist, auf eine 0,65-Gebühr gekürzt werden. Die Beklagte kann deshalb, wie von der Rechtsbeschwerde vorgerechnet, jeweils eine Gebühr nach Nrn. 3100 (allerdings gekürzt auf 0,65) und 3104 VV RVG, Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG sowie die nach Nr. 7008 VV RVG anzusetzende Mehrwertsteuer in Höhe von an sich insgesamt nur 548,97 € erstattet verlangen.
15
Infolge der Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den mit der sofortigen Beschwerde gestellten Antrag (Begrenzung des zu erstattenden Betrages auf 733,70 € nebst Zinsen) ist allerdings nur eine Abänderung der Kostenfestsetzung in diesem Umfang möglich. Da in der Sache keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, sondern der Sachverhalt zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO nach Maßgabe vorstehender Beschlussformel in der Sache selbst zu entscheiden. Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Quedlinburg, Entscheidung vom 10.07.2006 - 3 C 306/05 (IV) -
LG Magdeburg, Entscheidung vom 18.06.2007 - 3 T 325/07 *288* -

(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.

(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45, auch in Verbindung mit § 59a). Steht dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch zu, ohne dass ihm zum Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung ein unbedingter Auftrag desjenigen erteilt worden ist, dem er beigeordnet oder für den er bestellt wurde, so ist für diese Vergütung in derselben Angelegenheit bisheriges Recht anzuwenden, wenn die Beiordnung oder Bestellung des Rechtsanwalts vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung wirksam geworden ist. Erfasst die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird, so ist insoweit für die Vergütung neues Recht anzuwenden. Das nach den Sätzen 2 bis 4 anzuwendende Recht findet auch auf Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts Anwendung, die sich nicht gegen die Staatskasse richten. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.

(2) Sind Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen, gilt für die gesamte Vergütung das bisherige Recht auch dann, wenn dies nach Absatz 1 nur für einen der Gegenstände gelten würde.

(3) In Angelegenheiten nach dem Pflegeberufegesetz ist bei der Bestimmung des Gegenstandswerts § 52 Absatz 4 Nummer 4 des Gerichtskostengesetzes nicht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 15. August 2019 erteilt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 47/10
vom
3. Februar 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat, vom 20. April 2010 und der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 29. Januar 2010 aufgehoben.
Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 30. Januar 2009 und des Urteils vom 4. März 2009 sind als Nachfestsetzung zum Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2009 von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin weitere 1.180,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23. November 2009 zu erstatten.
Der Antragsgegnerin fallen die Kosten der Rechtsmittelverfahren zur Last.
Gegenstandswert: 1.180,40 €.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben ihres anwaltlichen Bevollmächtigten vom 13. Januar 2009 erfolglos wegen eines Wettbewerbsverstoßes ab. Im anschließenden Verfügungsverfahren wurden der Antragsgegnerin durch Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2009 und durch Urteil vom 4. März 2009 die Kosten des Verfahrens auferlegt.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Antragstellerin beantragt, unter Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr eine 0,65-fache Verfahrensgebühr aus einem Wert von 200.000 € in Höhe von 1.180,40 € nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG festzusetzen. Das Landgericht hat dem Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 16. April 2009 entsprochen. Mit weiterem Kostenfestsetzungsantrag vom 20. November 2009 hat die Antragstellerin eine Nachfestsetzung der restlichen 0,65-fachen Verfahrensgebühr in Höhe von 1.180,40 € nebst Zinsen mit der Begründung geltend gemacht, die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei zu Unrecht erfolgt.
3
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihren Antrag auf Nachfestsetzung weiterverfolgt.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Der Nachfestsetzung stehe zwar nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 16. April 2009 entgegen. Die weitere 0,65-fache Ver- fahrensgebühr sei nicht Gegenstand des ersten Kostenfestsetzungsverfahrens gewesen.
7
Eine Nachfestsetzung sei jedoch ausgeschlossen, weil die entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei mit der Folge, dass sich die erstattungsfähige Verfahrensgebühr auf eine 0,65-fache Gebühr vermindert habe. Diese Gebühr sei durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2009 bereits festgesetzt. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe der Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht entgegen. Diese Bestimmung sei aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall nicht anwendbar.
8
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
a) Das Beschwerdegericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass dem Nachfestsetzungsantrag nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 16. April 2009 entgegensteht. Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind zwar der materiellen Rechtskraft fähig (BGH, Urteil vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 170). Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich jedoch nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 Rn. 9, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Die Nachforderung des im ersten Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Februar 2009 bislang nicht geltend gemachten und bisher daher auch nicht festgesetzten Teils der Verfahrensgebühr ist deshalb nicht ausgeschlossen.
10
b) Der Nachfestsetzungsantrag ist auch begründet.
11
aa) Bis zum Inkrafttreten des § 15a RVG am 5. August 2009 entsprach es allerdings der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG eine in derselben Angelegenheit angefallene Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 Rn. 11 f.; Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500 Rn. 11; Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 Rn. 6; Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095 Rn. 4; Beschluss vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, juris; Beschluss vom 25. September 2008 - VII ZB 93/07 Rn. 5, juris; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.).
12
Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt , dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben die mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs den Standpunkt eingenommen, dass die Regelung in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert, sondern diese lediglich klargestellt hat (Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 358 Rn. 6; Beschluss vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09, AGS 2010, 256 Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, JurBüro 2010, 471 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09, AGS 2010, 459 Rn. 5; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 Rn. 9 f., JurBüro 2011, 22; Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, AGS 2010, 474 Rn. 8 f.; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 Rn. 6, JurBüro 2011, 78). Dieser Ansicht hat sich der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Bun- desgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2011 - I ZB 95/09 Rn. 12 und Beschluss vom 7. Februar 2011 - I ZB 96/09 Rn. 8).
13
bb) Aufgrund des Nachfestsetzungsantrags vom 20. November 2009 ist danach eine weitere 0,65-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 1.180,40 € nebst Zinsen festzusetzen.
14
3. Die angefochtenen Beschlüsse sind aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat selbst (§ 577 Abs. 5 ZPO) und setzt die Gebühren in der beantragten Höhe fest.
15
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.01.2010 - 315 O 46/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2010 - 4 W 43/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 29/10
vom
28. September 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat, vom 19. Januar 2010 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 16. Dezember 2009 abgeändert.
Die aufgrund des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 23. Juli 2009 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 1.684,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. September 2009 festgesetzt.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Gegenstandswert: 352,04 €.

Gründe:


1
I. Der Kläger hat die Beklagte im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Modellhubschraubern wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen. Die Klage war teilweise erfolgreich, so dass das Landgericht dem Kläger 2/5 und der Beklagten 3/5 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf die von ihr geltend gemachte Verfahrensgebühr hälftig angerechnet und den weitergehenden Antrag der Beklagten zurückgewiesen.
3
Das Oberlandesgericht hat die gegen die Kürzung der Verfahrensgebühr gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Berücksichtigung der Verfahrensgebühr weiter.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6
Das Landgericht habe die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr zu Recht anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe nicht entgegen. Diese Bestim- mung sei aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall nicht anwendbar.
7
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie der beschließende Senat zeitlich nach Erlass des angefochtenen Beschlusses in Einklang mit der Rechtsprechung der übrigen mit dieser Frage befassten Senate des Bundesgerichtshofs entschieden hat, ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die durch die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht entstanden ist, bei der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen. Sie ist nicht aufgrund der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu kürzen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - I ZB 47/10, GRUR-RR 2011, 232; Beschluss vom 7. Februar 2011 - I ZB 96/09, juris; Beschluss vom 28. April 2011 - I ZB 68/08, juris).
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 16.12.2009 - 327 O 807/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.01.2010 - 4 W 6/10 -