Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - I ZB 29/10

bei uns veröffentlicht am28.09.2011
vorgehend
Landgericht Hamburg, 327 O 807/08, 16.12.2009
Hanseatisches Oberlandesgericht, 4 W 6/10, 19.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 29/10
vom
28. September 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat, vom 19. Januar 2010 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 16. Dezember 2009 abgeändert.
Die aufgrund des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 23. Juli 2009 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 1.684,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. September 2009 festgesetzt.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Gegenstandswert: 352,04 €.

Gründe:


1
I. Der Kläger hat die Beklagte im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Modellhubschraubern wettbewerbsrechtlich in Anspruch genommen. Die Klage war teilweise erfolgreich, so dass das Landgericht dem Kläger 2/5 und der Beklagten 3/5 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das Landgericht die vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf die von ihr geltend gemachte Verfahrensgebühr hälftig angerechnet und den weitergehenden Antrag der Beklagten zurückgewiesen.
3
Das Oberlandesgericht hat die gegen die Kürzung der Verfahrensgebühr gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Berücksichtigung der Verfahrensgebühr weiter.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6
Das Landgericht habe die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr zu Recht anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe nicht entgegen. Diese Bestim- mung sei aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall nicht anwendbar.
7
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wie der beschließende Senat zeitlich nach Erlass des angefochtenen Beschlusses in Einklang mit der Rechtsprechung der übrigen mit dieser Frage befassten Senate des Bundesgerichtshofs entschieden hat, ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die durch die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht entstanden ist, bei der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen. Sie ist nicht aufgrund der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu kürzen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2011 - I ZB 47/10, GRUR-RR 2011, 232; Beschluss vom 7. Februar 2011 - I ZB 96/09, juris; Beschluss vom 28. April 2011 - I ZB 68/08, juris).
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 16.12.2009 - 327 O 807/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 19.01.2010 - 4 W 6/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 60 Übergangsvorschrift


(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staats

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 15a Anrechnung einer Gebühr


(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. (2) Sind mehrere Gebüh

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2011 - I ZB 47/10

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2011 - I ZB 96/09

bei uns veröffentlicht am 07.02.2011

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Okt. 2012 - I ZB 27/12

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 27/12 vom 25. Oktober 2012 in dem Rechtsstreit Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Sieht dieses Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor, kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen.

(3) Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

(1) Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45, auch in Verbindung mit § 59a). Steht dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch zu, ohne dass ihm zum Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung ein unbedingter Auftrag desjenigen erteilt worden ist, dem er beigeordnet oder für den er bestellt wurde, so ist für diese Vergütung in derselben Angelegenheit bisheriges Recht anzuwenden, wenn die Beiordnung oder Bestellung des Rechtsanwalts vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung wirksam geworden ist. Erfasst die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird, so ist insoweit für die Vergütung neues Recht anzuwenden. Das nach den Sätzen 2 bis 4 anzuwendende Recht findet auch auf Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts Anwendung, die sich nicht gegen die Staatskasse richten. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.

(2) Sind Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert mehrerer Gegenstände zu bemessen, gilt für die gesamte Vergütung das bisherige Recht auch dann, wenn dies nach Absatz 1 nur für einen der Gegenstände gelten würde.

(3) In Angelegenheiten nach dem Pflegeberufegesetz ist bei der Bestimmung des Gegenstandswerts § 52 Absatz 4 Nummer 4 des Gerichtskostengesetzes nicht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 15. August 2019 erteilt worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 47/10
vom
3. Februar 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher,
Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat, vom 20. April 2010 und der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 29. Januar 2010 aufgehoben.
Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 30. Januar 2009 und des Urteils vom 4. März 2009 sind als Nachfestsetzung zum Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2009 von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin weitere 1.180,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23. November 2009 zu erstatten.
Der Antragsgegnerin fallen die Kosten der Rechtsmittelverfahren zur Last.
Gegenstandswert: 1.180,40 €.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben ihres anwaltlichen Bevollmächtigten vom 13. Januar 2009 erfolglos wegen eines Wettbewerbsverstoßes ab. Im anschließenden Verfügungsverfahren wurden der Antragsgegnerin durch Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2009 und durch Urteil vom 4. März 2009 die Kosten des Verfahrens auferlegt.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Antragstellerin beantragt, unter Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr eine 0,65-fache Verfahrensgebühr aus einem Wert von 200.000 € in Höhe von 1.180,40 € nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG festzusetzen. Das Landgericht hat dem Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 16. April 2009 entsprochen. Mit weiterem Kostenfestsetzungsantrag vom 20. November 2009 hat die Antragstellerin eine Nachfestsetzung der restlichen 0,65-fachen Verfahrensgebühr in Höhe von 1.180,40 € nebst Zinsen mit der Begründung geltend gemacht, die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei zu Unrecht erfolgt.
3
Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihren Antrag auf Nachfestsetzung weiterverfolgt.
4
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
6
Der Nachfestsetzung stehe zwar nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 16. April 2009 entgegen. Die weitere 0,65-fache Ver- fahrensgebühr sei nicht Gegenstand des ersten Kostenfestsetzungsverfahrens gewesen.
7
Eine Nachfestsetzung sei jedoch ausgeschlossen, weil die entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei mit der Folge, dass sich die erstattungsfähige Verfahrensgebühr auf eine 0,65-fache Gebühr vermindert habe. Diese Gebühr sei durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2009 bereits festgesetzt. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe der Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht entgegen. Diese Bestimmung sei aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall nicht anwendbar.
8
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
a) Das Beschwerdegericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass dem Nachfestsetzungsantrag nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 16. April 2009 entgegensteht. Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind zwar der materiellen Rechtskraft fähig (BGH, Urteil vom 24. April 1990 - VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168, 170). Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich jedoch nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 Rn. 9, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Die Nachforderung des im ersten Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Februar 2009 bislang nicht geltend gemachten und bisher daher auch nicht festgesetzten Teils der Verfahrensgebühr ist deshalb nicht ausgeschlossen.
10
b) Der Nachfestsetzungsantrag ist auch begründet.
11
aa) Bis zum Inkrafttreten des § 15a RVG am 5. August 2009 entsprach es allerdings der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG eine in derselben Angelegenheit angefallene Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 Rn. 11 f.; Versäumnisurteil vom 11. Juli 2007 - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500 Rn. 11; Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 Rn. 6; Beschluss vom 30. April 2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095 Rn. 4; Beschluss vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, juris; Beschluss vom 25. September 2008 - VII ZB 93/07 Rn. 5, juris; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.).
12
Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt , dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben die mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs den Standpunkt eingenommen, dass die Regelung in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert, sondern diese lediglich klargestellt hat (Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 358 Rn. 6; Beschluss vom 31. März 2010 - XII ZB 230/09, AGS 2010, 256 Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, JurBüro 2010, 471 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09, AGS 2010, 459 Rn. 5; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 Rn. 9 f., JurBüro 2011, 22; Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, AGS 2010, 474 Rn. 8 f.; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - VII ZB 15/10 Rn. 6, JurBüro 2011, 78). Dieser Ansicht hat sich der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Bun- desgerichtshofs angeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2011 - I ZB 95/09 Rn. 12 und Beschluss vom 7. Februar 2011 - I ZB 96/09 Rn. 8).
13
bb) Aufgrund des Nachfestsetzungsantrags vom 20. November 2009 ist danach eine weitere 0,65-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 1.180,40 € nebst Zinsen festzusetzen.
14
3. Die angefochtenen Beschlüsse sind aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat selbst (§ 577 Abs. 5 ZPO) und setzt die Gebühren in der beantragten Höhe fest.
15
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.01.2010 - 315 O 46/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2010 - 4 W 43/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 96/09
vom
7. Februar 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat , vom 5. November 2009 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 07 für Handelssachen, vom 13. August 2009 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 25. September 2009 abgeändert.
Die von der Antragstellerin aufgrund des Urteils des Landgerichts Hamburg, Kammer 07 für Handelssachen, vom 28. April 2009 an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 2.200,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Mai 2009.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Beschwerdewert: 445,90 €.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin vor dem Landgericht Hamburg in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfolglos auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Kosten des Verfahrens hat das Landgericht der Antragstellerin auferlegt. Die Antragsgegnerin hat im Kostenfestsetzungsverfahren die Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 RVG VV aus einem Gegenstandswert von 25.000 € begehrt. Da die Prozessbevollmächtigten in derselben Angelegenheit für die Antragsgegnerin bereits vorgerichtlich tätig waren, hat der Rechtspfleger eine hierdurch angefallene 1,3-fache Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 RVG VV unter Berufung auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV zur Hälfte von der Verfahrensgebühr in Abzug gebracht und die der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 1.755 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist erfolglos geblieben.
2
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren auf Festsetzung der 1,3-fachen Verfahrensgebühr weiter.
3
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
4
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die vorgerichtlich für die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin entstandene 1,3-fache Geschäftsgebühr sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, mit der Folge, dass sich letztere entsprechend verringere. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe dem nicht entgegen, da diese Bestim- mung aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall keine Anwendung finde.
5
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
a) Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die durch die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstanden ist, ist im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht aufgrund der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu kürzen.
7
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zum Inkrafttreten des § 15a RVG am 5. August 2009 (Art. 10 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2449), nach der die Verfahrensgebühr gegen den Prozessgegner nur gekürzt um den nach der Vorbemerkung 3 Absatz 4 zu Nr. 3100 RVG VV anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr festgesetzt werden kann (Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; Beschluss vom 20. April 2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095; Beschluss vom 3. Juni 2008 - VI ZB 55/07, NJW-RR 2008, 1528; Beschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, JurBüro 2008, 529; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.). Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt, dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben sich die bisher mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs auf den Standpunkt gestellt, dass die Regelungen in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht ge- ändert, sondern diese lediglich klargestellt haben (Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, juris Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, JurBüro 2010, 471 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09, AGS 2010, 459 Rn. 5; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 Rn. 9 f.; Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn. 8). Da die Regelungen in § 15a RVG nur eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellen, findet die Bestimmung auch dann Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift - erfolgte. Dies hat der XII. Zivilsenat in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2009 (NJW 2010, 1375 Rn. 15 ff.) im Einzelnen dargelegt. Dem tritt der Senat bei (ebenso: BGH, Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn. 8 mwN).
8
An seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV vertretenen Auffassung (vgl. BGH, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.) hält der Senat nicht mehr fest und erachtet wie der VIII. Zivilsenat (vgl. Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 Rn. 10) und der IV. Zivilsenat (vgl. Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn. 9) ein Vorgehen nach § 132 GVG für nicht geboten.
9
3. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
10
Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, kann sich die Antragstellerin auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV nicht berufen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV ist bei der Kostenfestsetzung in voller Höhe zu berücksichtigen. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts abzuändern. Die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten sind danach antragsgemäß auf 2.200,90 € nebst Zinsen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festzusetzen.
11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 25.09.2009 - 407 O 45/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 05.11.2009 - 4 W 275/09 -