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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 27/19
2 StE 8/19-3
vom
13. Juni 2019
in dem Strafverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen
Vereinigung
ECLI:DE:BGH:2019:130619BAK27.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Angeschuldigten und ihrer Verteidiger am 13. Juni 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Gründe:


I.


1
Die Angeschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 6. November 2018 (2 BGs 861/18) am 14. November 2018 festgenommen und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe sich vom 26. Februar 2014 bis Ende Januar 2017 als Mitglied an der Gruppierung "Islamischer Staat" (IS) und damit an einer ausländischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB.
2
Der Generalbundesanwalt hat unter dem 9. Mai 2019 wegen des dem Haftbefehl zugrunde liegenden Vorwurfs und wegen weiterer Tatvorwürfe Anklage gegen die Angeschuldigte vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

II.


3
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
4
1. Die Angeschuldigte ist der ihr in dem Haftbefehl zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.
5
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
6
aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak und das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht der IS als legitimes Mittel des Kampfes an.
7
Die Führung der Vereinigung, die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im Juni 2014 von ISIG in IS umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm - hat seit 2010 der "Emir" Abu Bakr al-Baghdadi inne. Al-Baghdadi war von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l’tisam" verbreitet , die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah - Rasul - Muhammad") auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die mehreren Tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
8
Die von ihr besetzten Gebiete teilte die Vereinigung in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf das Schaffen totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des IS in Frage stellen, sahen sich Verhaftung , Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom ISIG bzw. IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht die Vereinigung immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbe- reichs Terroranschläge. So hat sie für Anschläge in Europa, etwa in Frankreich, Belgien und Deutschland, die Verantwortung übernommen.
9
bb) Die Angeschuldigte fasste spätestens Anfang 2014 den Entschluss, Deutschland zu verlassen und sich über die Türkei in das Herrschaftsgebiet des IS in Syrien zu begeben. Sie reiste am 26. Februar 2014 nach Syrien ein. Noch am selben Tag heiratete sie nach islamischem Recht den anderweitig verfolgten S. , der als Kämpfer für den IS tätig war. Sie lebte mit ihm zusammen in einem Haus, das ihnen von der Organisation zur Verfügung gestellt worden war. Ein halbes Jahr nach ihrer Einreise zog die Angeschuldigte mit S. in den Irak, wo beide zwei Jahre lang in verschiedenen vom IS kontrollierten Städten lebten, bevor sie nach Syrien zurückkehrten. Am 13. März 2015 wurde in Mossul ihr gemeinsamer Sohn geboren.
10
Ihrer Überzeugung entsprechend kleidete sich die Angeschuldigte in Ganzkörperverschleierung mit Handschuhen, auf denen die Symbole des IS (Glaubensbekenntnis und Prophetensiegel) aufgedruckt und offen sichtbar waren. Ihre mit den Zielen der Organisation übereinstimmende innere Haltung brachte sie auch dadurch zum Ausdruck, dass sie bei einem zwischenzeitlichen Grenzübertritt in die Türkei eine Flagge des IS mit sich trug.
11
Die Angeschuldigte und ihr Ehemann erhielten vom IS monatliche Geldzahlungen , S. in Höhe von 60 US-Dollar, die Angeschuldigte in Höhe von 45 US-Dollar. Außerdem zahlte die Vereinigung ihnen für ihren Sohn 25 US-Dollar pro Monat. Während S. als Kämpfer für die Vereinigung tätig war, führte die Angeschuldigte den gemeinsamen Haushalt und betreute das Kind.
12
Während eines nicht näher bestimmbaren Zeitraums, in dem S. wegen der Teilnahme an einem Kampfeinsatz ortsabwesend war, heiratete die Angeschuldigte nach islamischem Ritus auch das höherrangige IS-Mitglied e. , der unter anderem als "Boss der Bosse" für die Planung von Angriffen in Deir ezZor zuständig war. Den Kontakt zu ihm hatte die Angeschuldigte selbst hergestellt. Die Ehe mit e. wurde nach drei Wochen wieder geschieden.
13
Die Angeschuldigte ließ sich während ihres Aufenthalts im Gebiet des IS von ihrem Ehemann im Umgang mit Waffen ausbilden, und zwar mit dem Sturmgewehr AK 47, der Maschinenpistole Uzi, einer Browning und dem M16-Gewehr. Sie trug anschließend eine Waffe bei sich und setzte sie zumindest bei einer Gelegenheit zur Bedrohung anderer Personen ein. Außerdem übte sie die tatsächliche Gewalt über einen Sprengstoffgürtel aus und bot zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt in einer WhatsApp-Gruppe, die von deutschsprachigen Frauen aus durch den IS kontrollierten Städten in Syrien und im Irak genutzt wurde, einen Sprengstoffgürtel zum Kauf an.
14
Nachdem S. wegen Spionageverdachts vom IS inhaftiert worden war, hielt sich die Angeschuldigte in einem vom IS verwalteten Frauenhaus auf. Geldzahlungen erhielt sie seitdem nicht mehr.
15
Während ihres Aufenthalts im IS-Gebiet begab sich die Angeschuldigte wiederholt in die Türkei, unter anderem im Oktober 2016. Anschließend kehrte sie aufgrund ihrer im Einklang mit den Zielen und der Ideologie des IS stehenden Haltung jeweils wieder nach Syrien zurück.
16
b) Der dringende Tatverdacht beruht hinsichtlich der terroristischen Vereinigung IS für den hier relevanten Zeitraum auf islamwissenschaftlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. St. und Dr. K. sowie auf diversen Behördenerklärungen der Geheimdienste und polizeilichen Auswertungsberichten.
17
Im Hinblick auf die der Angeschuldigten zur Last gelegten Tat folgt der dringende Tatverdacht im Wesentlichen aus den Angaben, welche die Angeschuldigte nach ihrer Inhaftierung in der Türkei im April 2017 gegenüber Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz gemacht hat, aus den Erkenntnissen, die im Rahmen einer seit Januar 2018 durchgeführten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme sowie bei der Auswertung von Mobiltelefonen der Angeschuldigten gewonnen worden sind und aus den Angaben der Zeugin Sch. . Darausergeben sich insbesondere Hinweise darauf, dass die Angeschuldigte die Ideologie des IS teilte, sich aus eigenem Antrieb in das von der Organisation beherrschte Gebiet begab, dort nach islamischem Ritus einen IS-Kämpfer sowie später ein höherrangiges IS-Mitglied heiratete, sich von ihrem Ehemann im Umgang mit Waffen ausbilden ließ, einen Sprengstoffgürtel trug, um gegebenenfalls sich selbst sowie "Feinde" der Organisation zu töten, und vom IS alimentiert wurde.
18
Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl und in der Anklageschrift Bezug genommen.
19
c) Danach hat sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB).
20
Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (siehe etwa BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128 mwN; Beschluss vom 13. September 2011 - StB 12/11, NStZ-RR 2011, 372 f.).
21
Daran gemessen ist aufgrund der bislang vorliegenden Erkenntnisse entgegen dem Vorbringen in dem Schriftsatz vom 26. März 2019, mit dem die Angeschuldigte Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt und diese begründet hat (StB 8/19), davon auszugehen, dass sich die Angeschuldigte in den IS eingliederte. Sie reiste aufgrund ihres eigenen Entschlusses in das von der Organisation kontrollierte Gebiet ein und heiratete noch am selben Tag nach islamischem Ritus einen IS-Kämpfer, mit dem sie anschließend in Unterkünften lebte, die ihnen von der Vereinigung zur Verfügung gestellt wurden. Überdies wurde die Angeschuldigte ebenso wie ihr Ehemann vom IS alimentiert. Ihren eigenen Angaben zufolge zahlte die Organisation jedem "Mann" 60 US-Dollar pro Monat und jeder "Frau" 45 US-Dollar. Der von der Angeschuldigten bezogene Geldbetrag stellte sich mithin nicht etwa bloß als eine Art "Familienzuschlag" dar, den ihr Ehemann zusätzlich bezog, weil er für den Unterhalt der Angeschuldigten sorgen musste. Durch die Zahlung trug der IS vielmehr selbst Sorge für den Lebensunterhalt der Angeschuldigten, ebenso wie dadurch, dass er ihr nach der Inhaftierung von S. eine Unterkunft in dem von der Organisation verwalteten Frauenhaus zur Verfügung stellte.
22
Auf eine Eingliederung der Angeschuldigten in die Vereinigung lässt zudem schließen, dass sie von ihrem Ehemann, der zugleich als Kämpfer für die Organisation tätig war, im Umgang mit verschiedenen Waffen ausgebildet wurde und anschließend sowohl selbst eine Waffe führte als auch einen Sprengstoffgürtel trug, um gegebenenfalls "Feinde" des IS mit in den Tod zu reißen. In Anbetracht dieser Umstände stellen sich auch die Tätigkeiten der Angeschuldigten im Zusammenleben mit ihrem Ehemann, insbesondere das Führen des Haushalts und die Kindesbetreuung während der Zeiträume, in denen dieser als Kämpfer ortsabwesend war, nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne Organisationsbezug dar (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19).
23
Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Das folgt entweder unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli2009 - StB 34/09, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 1) oder aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil die Angeschuldigte Deutsche ist und das Gebiet, in dem sie sich als Mitglied des IS beteiligte, effektiv keiner staatlichen Strafgewalt unterlag. Im Übrigen ist der Anschluss an eine terroristische Organisation gemäß Art. 1 und 3 des syrischen Antiterrorgesetzes (Gesetz 19/2012), das die zuvor geltenden Vorschriften über die Strafbarkeit einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Art. 304 bis 306 des syrischen Strafgesetzbuchs ersetzt hat, auch in Syrien mit Strafe bedroht.
24
Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern des IS liegt vor.
25
2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO).
26
Die Angeschuldigte hat im Fall ihrer Verurteilung mit einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Die Angeschuldigte verfügt zwar über soziale Kontakte in Deutschland. Diese sind aber nicht geeignet, sie von einer Flucht abzuhalten. Ihre familiäre Bindung - auch zu ihrem Kind - ist fragil und hat sie seit ihrer Rückkehr nach Deutschland nicht davon abgehalten, mehrfach für längere Zeit die von ihr zeitweise mitgenutzte Wohnung ihrer Mutter unter Zurücklassung ihres Kindes zu verlassen und sich wochenlang an wechselnden Orten bei flüchtigen Bekannten oder in verschiedenen Einrichtungen aufzuhalten, in denen sie der Prostitution nachging. Im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung haben sich zudem Hinweise darauf ergeben, dass die Angeschuldigte erwägt, Deutschland zu verlassen. Sie verfügt über vielfältige Kontakte, unter anderem in die Rockerszene, die sie in die Lage versetzen, geeignete Orte zu finden, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass sich die Angeschuldigte, sollte sie in Freiheit gelangen, nicht dem Strafverfahren stellen wird.
27
Zumindest begründen die genannten Umstände die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung der Vorschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) auf den Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO zu stützen ist.
28
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind aus den genannten Gründen nicht erfolgversprechend.
29
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind erfüllt. Der Umfang der Ermittlungen und ihre besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.
30
Nach der Festnahme der Angeschuldigten am 14. November 2018 mussten umfangreiche Unterlagen aus einem gegen S. geführten Ermittlungsverfahren ausgewertet und im Zusammenhang damit Sachverständigengutachten eingeholt werden, insbesondere zur waffenrechtlichen Einordnung der Schusswaffen, an denen die Angeschuldigte von S. ausgebildet worden war. Überdies war es erforderlich, die Zeugin Sc. zu vernehmen und eine weit über 100 Seiten umfassende Vernehmung der Zeugin Ke. auszuwerten. Mittlerweile hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen abgeschlossen und zeitnah unter dem 9. Mai 2019 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.
31
In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
32
4. Die Fortdauer der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Wimmer Tiemann

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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
einen Angriff gegen Personen, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge richtet, die an einer humanitären Hilfsmission oder an einer friedenserhaltenden Mission in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem humanitären Völkerrecht gewährt wird, oder
2.
einen Angriff gegen Personen, Gebäude, Material, Sanitätseinheiten oder Sanitätstransportmittel richtet, die in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen gekennzeichnet sind,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen, insbesondere wenn der Angriff nicht mit militärischen Mitteln erfolgt, ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Schutzzeichen der Genfer Abkommen, die Parlamentärflagge oder die Flagge, die militärischen Abzeichen oder die Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen missbraucht und dadurch den Tod oder die schwere Verletzung eines Menschen (§ 226 des Strafgesetzbuches) verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
Gift oder vergiftete Waffen verwendet,
2.
biologische oder chemische Waffen verwendet oder
3.
Geschosse verwendet, die sich leicht im Körper des Menschen ausdehnen oder flachdrücken, insbesondere Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

128
Die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, bedarf regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und seine Verbindung zu der Vereinigung ausschließlich in dem Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied der Organisation besteht. Denn die Beteiligung als Mitglied setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Die Begehungsform der mitgliedschaftlichen Beteiligung kommt im Unterschied zu den Tathandlungen des Werbens für die oder des Unterstützens der Vereinigung nur in Betracht , wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert (Krauß aaO § 129 Rdn. 110). Zwar ist hierfür eine organisierte Teilnahme am Leben der Vereinigung nicht erforderlich, weshalb es etwa einer förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft mit etwa listenmäßiger Erfassung, Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder gar Ausstellung eines Mitgliedsausweises nicht bedarf (BGHSt 18, 296, 299 f.; 29, 114, 121; Rebmann NStZ 1989, 97, 100 Fn. 27). Notwendig ist allerdings, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied (BGHSt 18, 296, 300; 29, 114, 123; BGH NStZ 1993, 37, 38; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 Rdn. 13). Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (Krauß aaO § 129 Rdn. 105). Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH NStZ 1993, 37, 38).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
__________
StB 12/11
vom
13. September 2011
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen
Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Beschwerdeführers und seiner Verteidiger am 13. September
2011 gemäß § 304 Abs. 5, § 307 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. April 2011 (2 BGs 195/11) und dessen die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnenden Beschluss vom 19. Mai 2011 (2 BGs 246/11) wird verworfen. Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Damit erledigt sich der Antrag des Beschuldigten, gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen auszusetzen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Beschuldigte wurde am 29. April 2011 festgenommen und befindet sich seit dem 30. April 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (2 BGs 195/11) in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich in Bochum , Düsseldorf und an anderen Orten von Juni 2010 bis zu seiner Festnah- me als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - Al Qaida - beteiligt, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen.
2
Nach mündlicher Haftprüfung auf Antrag des Beschuldigten hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 19. Mai 2011 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet (2 BGs 246/11).
3
Die gegen die Entscheidungen des Ermittlungsrichters gerichtete Beschwerde des Beschuldigten bleibt ohne Erfolg.
4
1. Der Beschuldigte ist des ihm im Haftbefehl vorgeworfenen Tatgeschehens dringend verdächtig.
5
a) Nach bisherigem Ermittlungsstand ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
6
aa) Die 1988 von Usama bin Laden und weiteren Islamisten gegründete Al Qaida verfolgt das Ziel, die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien und dort Gottesstaaten auf der Grundlage der Scharia zu errichten. Hierzu führt sie einen "Heiligen Krieg" ("Jihad") gegen die den eigenen Glauben und die Gemeinschaft der Gläubigen bedrohenden Feinde des Islam, zu denen sie die gesamte westliche Welt und die als "Apostaten" angesehenen prowestlichen Regime in den muslimischen Staaten zählt. Den "Jihad" versteht Al Qaida als gewaltsamen Kampf; sich hieran zu beteiligen sieht sie als individuelle Pflicht eines jeden rechtgläubigen Muslims. Für ein legitimes Mittel des "Jihad" hält sie insbesondere die Verunsicherung des "Feindes" durch terroristische Anschläge, die auf die Tötung einer möglichst großen Zahl von Men- schen abzielen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Al Qaida ab 1996 zu einer hierarchisch aufgebauten, auf eine zentrale Führung ausgerichteten Organisation , die vor allem in Afghanistan zahlreiche Lager zur Ausbildung von ihr rekrutierter "Jihadisten" unterhielt. Die von Al Qaida in der Folgezeit verübten Anschläge - wie die vom 11. September 2001 und zuvor am 7. August 1998 auf die US-amerikanischen Botschaften in Ostafrika - waren mit großer Sorgfalt und in jahrelanger Vorarbeit geplant.
7
Im Zuge der Militärintervention in Afghanistan nach dem 11. September 2001 wurde die Organisation teilweise zerschlagen. Umstrukturiert in ein Netzwerk aus einem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet operierenden Kern und aus Mitgliedern, die in einer Vielzahl anderer Staaten agieren, besteht Al Qaida indes bis heute fort und führt nach entsprechender Anpassung ihrer Steuerungs-, Koordinations- und Mobilisierungsmechanismen auch den gewaltsamen "Jihad" weiter. An der Spitze stand zunächst weiterhin Usama bin Laden; nach dessen Tod im Mai 2011 übernahm Ayman Al-Zawahiri die Führung. Dieser Führungsebene unmittelbar nachgeordnet sind die Verantwortlichen für die Bereiche Militär, Außenbeziehungen, Finanzen und Medien /Propaganda, ebenso der für die Al Qaida in Afghanistan verantwortliche Scheich Atiyatallah Al-Libi (Jamal Ibrahim Al-Masrati), dem seinerseits unter anderem der - wohl Anfang September 2011 in Pakistan festgenommene - "Außenminister" und Europaverantwortliche Scheich Younis al Mauretani unterstand. In den afghanisch-pakistanischen Grenzregionen unterhält die Kernorganisation auch weiterhin Ausbildungslager, in denen insbesondere neu geworbene Mitglieder aus anderen Staaten auf den Einsatz in ihren Herkunftsländern vorbereitet werden.
Spätestens Anfang 2010 entschloss sich die Führungsebene von Al Qaida, auch die Bundesrepublik Deutschland mit terroristischen Anschlägen zu überziehen , was sie mit deren militärischem Engagement in Afghanistan zu rechtfertigen versucht. Maßgeblich befasst mit der Planung und Vorbereitung solcher Anschläge in Deutschland ist Scheich Atiyatallah.
8
bb) Der Mitbeschuldigte -K. schloss sich Al Qaida während eines Aufenthalts in einem ihrer Ausbildungslager in Afghanistan von Januar bis Mai 2010 an. Er leistete einen Treueeid gegenüber Scheich Atiyatallah , der ihn beauftragte, nach Deutschland zurückzukehren, dort in eigener Verantwortung zunächst neue Mitglieder für die Vereinigung zu gewinnen und mit diesen zusammen sodann Terroranschläge zu verüben. In Ausführung dieses Auftrags und in weiterem Kontakt zur Führungsebene von Al Qaida bemühte sich -K. nach seiner Ankunft in Deutschland um die Rekrutierung von Mittätern und begann mit den erforderlichen Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag. Auf seine Veranlassung erklärten sich zunächst der Mitbeschuldigte S. und im Sommer 2010 auch der Beschuldigte C. ihm gegenüber bereit, sich den Zielen von Al Qaida unterzuordnen, sich in deren Organisation einzugliedern und deren Zwecke durch eigene Tätigkeit zu fördern. In der Folge beteiligten sich beide an der logistischen Vorbereitung des vorgesehenen Anschlags und an der Schaffung hierfür dienlicher organisatorischer Strukturen. So stellte der Beschuldigte dem Mitbeschuldigten -K. zur Sicherung geheim zu haltender Dokumente und zur Erleichterung der vertraulichen Kommunikation mit der Führungsebene von AI Qaida im afghanischpakistanischen Grenzgebiet am 26. März 2011 einen verschlüsselten USBStick und am 16. April 2011 einen USB-Stick mit der von ihm unmittelbar zuvor aus dem Internet heruntergeladenen Verschlüsselungssoftware " " zur Verfügung, in deren Gebrauch er die Mitbeschuldigten auch einwies.
9
b) Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergibt sich aus der gebotenen Gesamtschau der in den bisherigen Ermittlungen festgestellten Beweisanzeichen. Diese widersprechen der Einlassung des Beschuldigten, er habe sich mit den Mitbeschuldigten nur allgemein über das Phänomen von Terroranschlägen ausgetauscht und sei ihnen, jedenfalls aus seiner Sicht, lediglich aus Gefälligkeit bei der Verschlüsselung ihrer Korrespondenz mit frei zugänglicher Software behilflich gewesen. Sie deuten auf eine enge willentliche Einbindung sowohl in die Organisation von Al Qaida als auch in die Planung eines Anschlags in Deutschland hin. Im Einzelnen:
10
aa) Der Mitbeschuldigte -K. war von Scheich Atiyatallah beauftragt, zur Durchführung von Anschlägen in Deutschland in eigener Verantwortung für Al Qaida weitere Personen als Mitglieder anzuwerben.
11
Scheich Atiyatallah ist nach vorliegenden Erkenntnissen ein hochrangiges Mitglied der Kern-Al Qaida. Er war die einzige Person, die Zugang zu Usama Bin Laden und dessen Stellvertreter Ayman Al-Zawahiri hatte, und dürfte nunmehr Stellvertreter von Ayman Al-Zawahiri sein. In einer Videobotschaft ("Der Westen und der dunkle Tunnel"), gesichert am 22. September 2009, bezeichnete Scheich Atiyatallah unter Bezugnahme auf andere Verlautbarungen der Organisation die deutsche Bevölkerung als legitimes Anschlagsziel, sollte die bevorstehende Bundestagswahl zu einer Regierung führen, die das deutsche Engagement in Afghanistan bestätigt (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 22. Juli 2011 - Erkenntnisse zu Scheich Atiyatallah).
12
Bei der Durchsuchung der auch vom Mitbeschuldigten -K. genutzten Wohnung des Mitbeschuldigten S. am 29. April 2011 wurde neben der Schlafcouch des -K. ein Laptop mit zwei USB-Sticks sowie einer microSD- Karte sichergestellt. Auf einem der USB-Sticks befand sich eine am 14. April 2011 erstellte Textdatei mit einem arabischsprachigen Schreiben in lateinischer Schrift an "unseren Shaikh und unseren lieben 3ateyeto lahe [Transskript analog Atiyatallah], möge Allah ihn beschützen" (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 4. Juli 2011 - Vorläufiger Auswertebericht zu den Asservaten 1.3.3.1.5.1-4 -, S. 20). Darin heißt es unter anderem (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 27. Juni 2011): "O unser Shaikh, wir halten noch unser Versprechen, entweder Sieg oder Märtyrertum. O unser Shaikh, ich trainiere einige Jugendliche aus Europa, die bislang in Sachen Sicherheit sauber sind. Nach dem Ende des Trainings werde ich mit Hilfe Allahs mit dem Schlachten der Hunde der Söhne des Gelben anfangen. … Mein lieber Shaikh, hier ist meine E-Mail: … Und hier ist meine neue Nummer in … [verschlüsselte Informationen]. … Grüße mir alle Lieben, insbesondere Shaikh Jounes, und gib ihm meine Angaben, damit er mich mit diesen kontaktieren kann. Unser Shaikh, führe uns auf den rechten Weg durch eure Ratschläge und schicke mir, wenn es möglich ist, den Lehrgang über Gifte. Und bete für deinen Bruder im Land der Versuchungen, dass er standhaft bleibt und ein gutes Ende bekommt. …"
13
Über den vom Mitbeschuldigten -K. genutzten Account " " auf dem von Indonesien aus betriebenen passwortgesicherten jihadistischen Internet-Forum " " wurde sodann am 14. April 2011 um 20.53 Uhr (MESZ) unter dem Betreff "Nachricht an Scheich Atiyatullah" eine Mitteilung an den Account " " versandt, die einen mit der Software " " verschlüsselten Text enthielt. Unter den Betreffs "von A. an Scheich Atiyatullah", "Dies ist der Schlüssel für Scheich Atiyatullah" und "Die Nachricht ist mit dem Schlüssel vom Scheich Atiyatullah, möge Allah ihn bewahren, verschlüsselt" folgten auf diesem Wege am 23. und am 26. April weitere Mitteilungen. Der Mitbeschuldigte -K. hielt sich zu den jeweiligen Zeitpunkten in Callshops auf; in den beiden letzten Fällen konnte seine Anmeldung in dem genannten Forum festgestellt werden (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 14. Juli 2011 - Sicherung des Accounts " ").
14
bb) Die Mitbeschuldigten waren mit konkreten Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag in Deutschland befasst. Dies ergibt sich zunächst aus deren Gesprächen, die aufgrund der vom Amtsgericht Wiesbaden (71 Gs 29/11) gemäß § 20h BKAG angeordneten Überwachung der Wohnung des Mitbeschuldigten S. , aufgezeichnet wurden.
15
Am 5. April 2011 sprachen sie über Grillanzünder ("weiße Kohle").
16
Am 7. April 2011 um 22.48 Uhr bzw. um 23.14 Uhr äußerte der Mitbeschuldigte -K. : "… Die Deutschen sind Dachil [Eindringling]." … "Wir sind Helden. … Wir werden Vorbilder für andere."
17
Am 8. April 2011 um 13.48 Uhr unterhielten sich die Mitbeschuldigten über Bezugsmöglichkeiten und Preise von Aceton und (90-prozentigem) Wasserstoffperoxid. Am 16. April 2011 um 18.35 Uhr äußerte der Mitbeschuldigte -K. : "Hab ich Aceton."
18
Am 11. April 2011 um 21.31 Uhr erklärte der Mitbeschuldigte -K. : "Und dann müssen wir kaufen äh einen Koffer. … Beim Baumarkt kannst du kaufen diese Plaketten, Eisenplaketten und so. Kannst du die machen weg in Koffer und dann machst du die Sachen zu, damit das äh Druck. Macht Druck auf und macht mehr."
19
Am 26. April 2011 ab 17.49 Uhr wurde folgender Dialog aufgezeichnet: S. : " … musst du diesen Scheiß kochen?" -K. : "… Es gibt Retamin. … Kerzenwachs, ja. Mischen mit Wachs und … Diesel. … Das ist Diesel. … Du musst weg, das ist gefährlich. …" S. : "Ich mach Fenster auf." … -K. : "… Jetzt gut vermischen. … Guck mal, die erste Pulver. … Die Arschlöcher schreiben nicht hin äh citric. … Sogar bei Deutschen sind die zuhause gekommen … hatte dieses äh … Hexal … ." … S. : "Was musst du jetzt machen?" -K. : "Jetzt muss ich das alles äh mixen … mit warmem Wasser und da- nach … trocknen lassen … sieben … und diese Rest … lass ich ihn kochen bis äh Wasser weggeht … Bleibt eine, eine weiße Pulver. … Dann misch ich das mit äh Zitronensäure und Hydro… dann hast du den Zünder für eine Bombe. … Zünder ist die wichtigste, Bombe ist einfach. … Bombe ist nicht so schwer. Aber Zünder, weil Zünder ist mehr gefährlicher als als Bombe. Der Zünder kannst du nicht davon eine Bombe machen … Zu hoch gefährlich. … Diese Zünder, wenn der explodiert gibt’s ein Feuerkopf." …
20
Am 27. April 2011 um 19.01 Uhr unterhielten sich die Mitbeschuldigten wie folgt: -K. : "… Los, gib mir Wasser …" S. : "… Das muss trocknen." -K. : "Ist getrocknet."
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Weiter hatte der Mitbeschuldigte -K.
- am 29. Dezember 2010 im Internetcafé " " in das Handbuch der Al Qaida zur Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen " " von Scheich Al-M. heruntergeladen (Vermerke des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum
Beschuldigten C. - S. 33 und vom 6. Januar 2011; Auswertung im Vermerk des Bundeskriminalamts vom 19. August 2011, S. 14),
- am 7. April 2011 im Call-Shop " " in im Internet nach Bezugsmöglichkeiten für Isopropanol, Zitronensäure ("citric"), Aceton, Wachsspänen , Wasserstoffperoxid und Aluminiumpulver recherchiert (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 13. April 2011),
- am 21. April 2011 im " Internetcafé" in eine InternetRecherche nach elektronischen Bauteilen, Funk-Fernbedienungen, Zeitschaltern , Chlorwasserstoff und Düngemitteln durchgeführt (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 23. April 2011)
- sowie am 26. April 2011 in Düsseldorf Grillanzünder erworben.
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Wie im Vermerk des Bundeskriminalamts - Auswertung von Ermittlungserkenntnissen zum Komplex Tatmittel - vom 28. April 2011 beschrieben, deutet dies auf Versuche hin, die Initialsprengstoffe Hexamethylentriperoxiddiamin (HMTD) oder Triacetontriperoxid (TATP) herzustellen. Grundstoff von HMTD ist Hexamethylenteramin, dessen Gewinnung aus Grillkohleanzündern in der Schrift " " beschrieben wird; Grundstoff von TATP ist Aceton. Für die Herstellung beider Explosivstoffe benötigt man Wasserstoffperoxid und eine Säure. Wachse und Öle dienen der Phlegmatisierung der hochreaktiven pulverisierten Substanzen. Entsprechende Selbstlaborate sind ähnlich leistungsfähig wie gewerblich hergestelltes TNT.
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Eine Datei mit umfangreichen Informationen zur Herstellung und Handhabung von Sprengstoffen fand sich auch auf der am 29. April 2011 sicherge- stellten microSD-Karte (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 4. Juli 2011 - Vorläufiger Auswertebericht zu den Asservaten 1.3.3.1.5.1-4 -, S. 18).
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cc) Anlässlich der Überwachung der Wohnung des Mitbeschuldigten S. aufgezeichnete Gespräche belegen auch, dass der Beschuldigte von der Mitgliedschaft des Mitbeschuldigten -K. in der Al Qaida Kenntnis hatte.
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Der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte -K. sind seit mehreren Jahren miteinander bekannt. Am 16. April 2011 wurde folgendes Gespräch aufgezeichnet: -K. : "Der meinte, den Bruder Sam meint, … politische, äh diese militäri- sche … er meinte diese sind gefährlich. … Der meinte O. …" C. : "Ist schon lange her, dass wir darüber reden …" -K. : "Aber ist lange her, nicht?" C. : "… Drei Jahre?" -K. : "Drei Jahre ja. Weil es ist … passiert. Ich wollt dass nie dieser Bruder …".
26
Am 8. April 2011 sprachen beide über die Erlebnisse des Mitbeschuldigten -K. im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet: C. : "Dieser äh Abu Askar" [am 4. Oktober 2010 in Waziristan getötet; Vermerk des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 45]. … -K. : "… Der Ali ist neben mir als Shahid [Märtyrer], mit, äh, mit dieser Arschlöcher mit …Weil die Dro äh die Drohne kann nicht richtig … Wir können überhaupt nicht arbeiten. … die hier … sind von Al Qaida … Ich habe, Bruder, Afghanen getroffen da … der trainiert … Weißt du wo hat Shaikh äh Attiyatallah? Shaikh Usama hat ihm geschickt nach Mauretanien … Wir brauchen unsere Ulama [Gelehrte] … er hat ihn geschickt nach Mauretanien , weil …".
27
Auf ein enges und vertrauensvolles Verhältnis der beiden ist insbesondere auch daraus zu schließen, dass -K. den Beschuldigten als seinen Sohn bezeichnete. Aus Überwachungsmaßnahmen ergibt sich, dass dieser dem Mitbeschuldigten S. am 14. April 2011 den Besuch seines "Sohnes" und eines Freundes ankündigte; wenig später erschien C. mit einer unbekannten Person (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 18).
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dd) Dass sich der Beschuldigte willentlich in die Organisation eingegliedert und deren Zielen unterworfen hat, wird ebenfalls aus seinen mit dem Mitbeschuldigten -K. geführten und aufgezeichneten Gesprächen erkennbar.
29
Am 26. März um 10.32 Uhr besprachen beide die Anmietung einer Wohnung : -K. : "Wenn Wohnung auf Name von jeden und wir bezahlen das, zum Beispiel." C. : "Jeder eine." -K. : "Nicht jeder eine Wohnung, eine Wohnung zum Beispiel auf dein Namen, oder auf Name von Michael, oder … und dann wohn ich da und dann fangen wir wieder an. …" Um 11.20 Uhr entwickelte sich folgender Dialog: -K. : "Willst Du nicht kämpfen?" C. : "Ich hab, ich hab ihm gesagt, wenn du gibst … Granaten." … -K. : " … Wir führen Krieg zusammen, und du willst nur …" C. : "Soll ich, Akhi [mein Bruder], dieses heiraten, Nikah [Heirat], nur so dass ich es weiß und die anderen denken Freundin oder sollen meine Eltern wissen dass ich Dings, dass ich äh" -K. : "Nein, lass alle denken das ist Freundin". …
30
Um 11.26 Uhr unterhielten sich beide über die Studienpläne des Beschuldigten : C. : "Du hast gefragt, was ich studieren will, bin immer noch bei dieselbe Sache." -K. : "Wo ist das?" C. : "Aalen, ne?" -K. : "Hä?" C. : "Aalen. Ist das zu weit für euch? Oder ist das OK, wenn ich nach Aalen gehe? Ist bei Stuttgart." … -K. : "Egal. Und ist das nicht, bist du nicht für …" C. : "Pharmazie?" -K. : "Ja, Pharmazie." C. : "Wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich. Ich kann mich bewerben dafür , aber mal gucken ob ich ankomme." -K. : "Weißt du warum? … Du kannst all die Sachen besorgen." C. : "Das ist übertrieben. Weißt du warum? … du gehst auf die wann haben die das, wann haben die das. … Alle denken, du kannst die Überwachungskameras …" -K. : "… Und bewerbe dich auch in Bochum. …Damit du nicht nur ein Tür hast."
31
Ferner wurde bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 29. April 2011 ein Zettel mit handschriftlich aufgelisteten Stichworten gefunden , u.a. "Sicherheitsvorkehgn", "Lockpickg" [Öffnen von Schließzylindern], "Pässe falsch", "Tarnugsmöglichktn", "Maskn", "Geld beschaffn", "Ausrüstug", "Technick", "Infiltrationsmöglicktn" (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 14. Mai 2011 - Vorläufige Auswertung Asservat 2.2.1.3.3.1.1).
32
Zum Zeitpunkt der Versendung der "Nachricht an Shaikh Atiyatullah" am 14. April 2011 um 20.53 Uhr befand sich der Mitbeschuldigte -K. in Begleitung des Beschuldigten im " Callshop" in , . Der Beschuldigte saß schräg hinter -K. an einem Bildschirmarbeitsplatz, beide betrachteten vertieft den Bildschirm (Observationsprotokoll des Bundes- kriminalamts vom 14. April 2011). Schon aus Gründen der Absicherung der in hohem Maße konspirativ arbeitenden Organisation ist es wenig wahrscheinlich, dass der Mitbeschuldigte -K. dem Beschuldigten Kenntnis von den Möglichkeiten der Verbindungsaufnahme mit einem hochrangigen Funktionär verschafft haben könnte, ohne sich davon zu überzeugen, dass der Beschuldigte die Ziele von Al Qaida für sich bejaht und sich deren Verband zugehörig fühlt.
33
ee) Schließlich ist der Beschuldigte auch dringend verdächtig, konkrete Tätigkeiten zur Förderung der Ziele von Al Qaida entfaltet zu haben, indem er Software zur Sicherung geheim zu haltender Dokumente und zur Erleichterung der vertraulichen Kommunikation mit der Führungsebene von AI Qaida besorgte und die Mitbeschuldigten in deren Gebrauch einwies. Am 26. März 2011 kam es in der Wohnung des Mitbeschuldigten S. zu folgender Unterredung des Beschuldigten mit dem Mitbeschuldigten -K. : -K. : "Ich hab die Bücher gegeben, ein Buch über äh … Hast du ihn dabei?" C. : "Doch. USB-Stick. … Aber es ist verschlüsselt, ne." -K. : "Was denn?" C. : "USB-Stick. Die Speicherkarte ist verschlüsselt, von mir. … Das Programm … hast du …" -K. : "Welches Programm?" C. : " . … ist beste. Das ist das beste Verschlüsselungsprogramm überhaupt. … Einmal ein kolumbianischer Banker, sie ha- ben seine Festplatte genommen, ein Jahr lang hat FBI versucht …".
34
Am 8. April 2011 äußert der Beschuldigte gegenüber dem Mitbeschuldigten -K. : " … diese was ich dir gesagt hab … du kannst das so verschlüsseln, dass du jedesmal, wenn du anmachst, kommt jetzt Passwortabfrage, das heißt egal wenn."
35
Am 16. April 2011 ab 12.58 Uhr wurde über einen unter der Anschrift des Beschuldigten für dessen Mutter registrierten Festnetzanschluss das Programm " " aus dem Internet heruntergeladen (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 16. Mai 2011 - Zwischenbericht zum Beschuldigten C. - S. 9, 35). Im Anschluss daran erklärt der Beschuldigte den Mitbeschuldigten die Installation vom USB-Stick aus. Es kommt in der Wohnung des Mitbeschuldigten S. zu folgendem Gespräch: C. : "Guck, das sieht so aus. Wenn du dein USB-Stick, öffnet sich nur das hier, dieses hier, ja?" …Gehst du rauf. und jetzt Passwort eingeben." S. : "Öffnen und installieren … die Karte auch? … C. : "Ja. … Das installiert sich nicht von. … Siehst du, ich mach dir nen neuen Pfad auf. … Machst du ab, er installiert es dann auf dem USB-Stick. … Du willst das Programm haben, ne?"
36
c) Danach ist der Beschuldigte dringend verdächtig, sich als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt zu haben, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Insbesondere begründen die vorliegenden Erkenntnisse eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Tathandlungen des Beschuldigten nicht lediglich als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland im Sinne von § 129a Abs. 5 StGB zu bewerten sind.
37
Allerdings bedarf die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter - wie beim Beschuldigten anzunehmen - nie an einem Ort befunden hat, an dem Vereinigungsstrukturen bestehen, und ihn nur der Kontakt zu einem in Deutschland befindlichen Mitglied mit der Organisation - hier mit dem Mitbeschuldigten -K. - verbindet. Allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, reicht hierfür nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Vielmehr setzt die Mitgliedschaft ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 112 f.).
38
Indes sieht der Senat im hier zu beurteilenden Falle konkrete und deutliche Beweisanzeichen dafür, dass der Beschuldigte die Vereinigung nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, von innen her gefördert und damit eine Stellung innerhalb der Vereinigung eingenommen hat, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet (BGH aaO).
39
Wie im Schreiben des Mitbeschuldigten -K. vom 14. April 2011 zum Ausdruck kommt, hat er den Beschuldigten in Ausführung eines ihm von Scheich Atiyatallah ausdrücklich erteilten Auftrags für den gemeinsamen "Kampf" gewonnen. In weiterer Abstimmung mit Scheich Atiyatallah hat er ihn einem "Training" unterzogen und ihn schließlich an den in Verfolgung der Ziele der Al Qaida entfalteten Aktivitäten teilhaben lassen. Diese unmittelbare Beteiligung der oberen Führungsebene von Al Qaida lässt darauf schließen, dass die vom Mitbeschuldigten -K. betriebene Rekrutierung von Personen mit dem Ziel ihrer Beteiligung an Anschlägen und ihre dauerhafte Einbindung in die Organisation nicht nur dessen eigenem Willen, sondern auch dem im Kreis der Kern-Al Qaida entwickelten Verbandswillen entsprach. Andererseits hat sich der Beschuldigte dem ihm vom Mitbeschuldigten -K. vermittelten Willen der Organisation unterworfen. Er hat den Mitbeschuldigten -K. als Autorität anerkannt und Bereitschaft gezeigt, selbst seine persönliche Lebensplanung an die von diesem geäußerten Vorstellungen anzupassen, soweit dadurch Handlungsspielräume eröffnet werden, die den Verbandszweck fördern können.
40
d) Das Bundesministerium der Justiz hat am 18. September 2002 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern und Unterstützern der Al Qaida erteilt und am 6. März 2009 auf alle bereits begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit dieser Vereinigung ausgeweitet (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).
41
2. Es besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklärung der Tat gefährdet wäre (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN).
42
Der Beschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit nicht unerheblichem Freiheitsentzug zu rechnen. Die begründete Erwartung, die Vollstreckung einer verwirkten Strafe werde ohnehin zur Bewährung ausgesetzt werden, kann er beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht haben. Jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des eröffneten Strafrahmens bleibt es für diese Einschätzung entgegen der Auffassung der Beschwerde auch ohne Belang , ob auf den zur Tatzeit 19 Jahre alten Beschuldigten noch Jugendstrafrecht Anwendung findet, denn an die Stelle eines Höchstmaßes von zehn Jah- ren Freiheitsstrafe (§ 129a Abs. 1 StGB) träte bei einem Heranwachsenden ein solches von zehn Jahren Jugendstrafe (§ 105 Abs. 3 JGG).
43
Die bestehenden sozialen Bindungen des Beschuldigten an die Bundesrepublik Deutschland erscheinen nicht tragfähig genug, um dem hiervon ausgehenden Fluchtanreiz verlässlich entgegenwirken zu können. Zwar hat der Beschuldigte ein enges Verhältnis zu seinen hier lebenden Eltern und Geschwistern , unterhält in der elterlichen Wohnung einen festen Wohnsitz und beabsichtigt, sich zum Wintersemester 2011/2012 für das Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Bonn einzuschreiben. Indes besteht Anlass zu Zweifeln, ob ihn diese Umstände davon abhalten werden, Fluchtgedanken auch in die Tat umzusetzen. So ist er bereits am 23. November 2009 - unter unentschuldigtem Fehlen in der von ihm besuchten Schule - über Istanbul in die Stadt Meshhed im Iran gereist, erfahrungsgemäß ein Sammelpunkt "Jihadwilliger" auf dem Weg nach Afghanistan und Pakistan. Persönliche Beziehungen des Beschuldigten zu dieser Region werden nicht ersichtlich; seine Familie in Deutschland unterrichtete er erst nach vermutlichem Scheitern der Weiterreise (Vermerk des Bundeskriminalamts vom 3. August 2011 und die darin aufgeführten Erkenntnisse).
44
Vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte gerade der Einbindung in ein weitreichendes konspiratives Netzwerk einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig ist, das ihm ein Untertauchen wesentlich erleichtern könnte, kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
45
3. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
46
Allerdings weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass allein etwaige weitere zeitaufwändige Versuche ungewissen Ausgangs, die auf dem Rechner des Beschuldigten gesicherten verschlüsselten Dateien zu öffnen, ein Hinausschieben der Abschlussverfügung nicht rechtfertigen werden.
Becker Pfister Mayer
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an der terroristischen Vereinigung "Islamischer
Staat" durch Tätigkeiten in deren Herrschaftsgebiet (Fortführung von
BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17).
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19
BESCHLUSS
AK 22/19
vom
15. Mai 2019
in dem Strafverfahren
gegen
alias:
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:150519BAK22.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Angeschuldigten und ihrer Verteidiger am 15. Mai 2019 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen :
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Gründe:


I.


1
Die Angeschuldigte ist am 17. Oktober 2018 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (4 BGs 204/18) vom 15. Oktober 2018 festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeschuldigte habe sich von März 2015 bis Mai 2016 in Syrien und im Irak als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland ("Islamischer Staat" [IS]) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen, und sich während dieser Zeit Mitte 2015 im Rahmen der Bürgerkriegsgeschehnisse im Irak gemeinschaftlich handelnd Sachen der gegnerischen Partei in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig angeeignet, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten gewesen sei, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 bis 3 StGB, § 9 Abs. 1 Variante 3 VStGB, § 25 Abs. 2, § 52 StGB. Die Angeschuldigte habe sich von Deutschland aus in das syrische und irakische Bürgerkriegsgebiet begeben und dort dem IS angeschlossen. Im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Ehemann nach islamischem Ritus D. habe sie von der Vereinigung ein Wohnanwesen übernommen, dessen Eigentümer oder andere Berechtigte geflohen oder vertrieben gewesen seien.
3
Mit Anklageeschrift vom 3. April 2019 hat der Generalbundesanwalt am 5. April 2019 Anklage gegen die Angeschuldigte zum Oberlandesgericht Düsseldorf wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte erhoben. Zugleich hat er gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 StPO von der Verfolgung etwaiger weiterer mitgliedschaftlicher Betätigungsakte abgesehen, die nicht gleichzeitig den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift als der § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllen und die in ihrer Gesamtheit zu der angeklagten Tat in Realkonkurrenz stehen.
4
Mit Beschluss vom 11. April 2019 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten.

II.


5
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
6
1. Gegenstand der Haftprüfung ist der vollzogene und vorgelegte Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 2018 mit der Maßgabe, dass sich die Anklageschrift vom 3. April 2019 nur noch auf den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte bezieht. Im Haftbefehl aufgeführte weitere, nicht gegen andere Strafgesetze verstoßende Betätigungsakte als Mitglied des IS, die durch das Organisationsdelikt als verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit verklammert würden und in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§ 53 StGB) zu der angeklagten nach § 9 Abs. 1 Variante 3 VStGB gesondert strafbaren Beteiligungshandlung hinzuträten (zu den Konkurrenzen s. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6; vom 8. November 2017 - AK 54/17, NStZ-RR 2018, 42, 43), unterliegen - nach Anklageerhebung - nicht mehr dem Verfolgungswillen des Generalbundesanwalts (s. auch BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2017 - AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53, 54). Allerdings sind sie weiterhin bedeutsam namentlich für die Beurteilung der Mitgliedschaft als solcher und die bei der Prüfung der Haftgründe zu berücksichtigende Straferwartung.
7
2. Die Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte dringend verdächtig.
8
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
9
aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
10
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte, wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm, hat seit 2010 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Bei der Ausrufung des Kalifats erklärte der Sprecher des IS al-Baghdadi zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Ihm unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet , die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muham- mad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere tausend Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
11
Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch von in Gegnerschaft zum IS stehenden Oppositionsgruppen , ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellen, sehen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So hat er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel und Berlin, die Verantwortung übernommen.
12
Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt.
13
bb) Die Angeschuldigte ist muslimischen Glaubens. Sie radikalisierte sich spätestens Ende des Jahres 2014 und entschied sich entsprechend ihrer islamistischen Gesinnung dazu, von Deutschland nach Syrien und in den Irak auszureisen, um sich dort dem IS anzuschließen und am Kampf gegen das Assad-Regime sowie an der Ausbreitung eines religiös-fundamentalistischen islamischen Staates nach den Regeln der Scharia zu beteiligen. Zu diesem Zweck heiratete sie noch im Januar 2015 von Deutschland aus per Skype nach islamischem Ritus den in der Türkei aufhältigen D. , der bereits zuvor in Syrien als Kämpfer für den IS aktiv gewesen war. Am 5. Februar 2015 reiste die Angeschuldigte gemeinsam mit ihrem damals achtjährigen Sohn Y. , der aus ihrer geschiedenen Ehe stammte, mit dem Flugzeug nach Istanbul. Dort trafen sie D. . Gemeinsam mit diesem gelangten sie am 19. März 2015 mit Hilfe von vom IS bezahlten Schleusern über die türkische Grenzmetropole Gaziantep nach Syrien.
14
Spätestens zu diesem Zeitpunkt schloss sich die Angeschuldigte dem IS an; sie identifizierte sich mit dessen Ideologie, Handlungsweisen und Zielen und unterwarf sich dem Willen der Vereinigung im Einvernehmen mit für diese verantwortlich Handelnden. Mit einem Kleinbus wurden die Angeschuldigte, ihr Sohn und D. nach Mossul gebracht, wo der IS die Familie registrierte.Die Angeschuldigte und ihr Sohn wurden in einem "Frauenhaus" untergebracht, während D. von der Vereinigung ideologisch geschult wurde. Im Juni2015 zog die Familie in Mossul in eine von der Organisation zur Verfügung gestellte Wohnung. Während sich D. als Kämpfer für die Vereinigung betätigte, führte die Angeschuldigte den gemeinsamen Haushalt. Der IS zahlte ihr und ihrem Ehemann nach islamischem Recht ein monatliches "Gehalt" in Höhe von etwa 250 Dollar.
15
Im August 2015 siedelte die Familie nach Tal Afar. Dort nahmen sie ein unter der Verwaltung des IS stehendes Haus mit Garten in Besitz, das von Militärangehörigen schiitischen Glaubens bewohnt gewesen und von den rechtmäßigen Eigentümern oder anderen Berechtigten zurückgelassen worden war, als diese vor den IS-Truppen geflohen oder von diesen vertrieben worden waren. Die Organisation teilte die Immobilie der Angeschuldigten und D. zu, denen die vorgenannten Umstände bewusst waren. Ihnen kam es auch darauf an, als Angehörige der Vereinigung hierdurch deren Herrschaftsanspruch zu festigen und eine Rückeroberung des Gebiets durch gegnerische Militärverbände zu erschweren. In dem Haus bewahrte D. zeitweise seine Waffen auf. Der Angeschuldigten oblag dort ebenfalls die Haushaltsführung.
16
Als D. Mitte Dezember 2015 während eines Wachdienstes an der Grenze zu Syrien getötet wurde, kehrte die Angeschuldigte nach Mossul zurück. Nach D. s Tod zahlte der IS der Angeschuldigten einmalig 1.000 Dollar. Im Mai 2016 zog sie mit ihrem Sohn nach Raqqa (Syrien). Mit dem Willen, die Vereinigung zu verlassen, reisten beide Ende Oktober 2016 von dort mit Unterstützung von Kämpfern der Freien Syrischen Armee sowie unter Inanspruchnahme der Dienste eines Schleusers in die Türkei aus.
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b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" beruht insbesondere auf Gutachten der Sachverständigen Dr. S. und Dr. K. sowie Auswertungsberichten des Bundeskriminalamts.
18
Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Mitgliedschaft der Angeschuldigten im IS und der Inbesitznahme des von der Organisation ihr und D. zugeteilten Hauses ergibt sich vor allem aus den vielfachen Äußerungen der Angeschuldigten selbst: anlässlich ihrer Befragung durch das Bundeskriminalamt am 13. Juli 2018 in Ankara (Türkei), in der Hauptverhandlung vom 18. Dezember 2017 vor der Strafkammer in Kilis (Türkei), gegenüber einem Reporter der BILD-Zeitung im Sommer 2018, bei einem Interview per Videotelefonie für eine am 17. September 2018 ausgestrahlte ARD-Reportage sowie in einigen an das Polizeipräsidium K. und das Auswärtige Amt gerichteten E-Mails, die sie im Zeitraum zwischen Mai 2017 und September 2018 mit Blick auf eine ins Auge gefasste Rückkehr nach Deutschland verfasst hat. Die Verwertung ihrer Angaben gegenüber den Polizeibehörden begegnet in Anbetracht der zuvor erteilten Belehrungen über ihre Beschuldigtenrechte keinen Bedenken. Soweit sich die Angeschuldigte anlässlich ihrer Befragung durch das Bundeskriminalamt sinngemäß dahin eingelassen hat, sich nicht in den IS eingegliedert , sondern nur in dessen Herrschaftsgebiet gelebt zu haben (Sachakte Band I Bl. 484: "Eigentlich nicht [identifiziert], ich dachte wir leben jetzt hier ..."), lässt sich dies nach Aktenlage schon nicht mit weiteren - von ihr selbst verschiedentlich getätigten - Äußerungen in Einklang bringen. Darüber hinaus haben die Ermittlungen weitere Beweise insbesondere zur Radikalisierung der Angeschuldigten und deren ideologischer Anbindung an den IS hervorgebracht, namentlich die Zeugenaussage ihres geschiedenen Ehemanns Sb. vor dem Ermittlungsrichter sowie die Erkenntnisse aus ihrem FacebookProfil. Zu weiteren Einzelheiten der voraussichtlichen Beweisführung wird auf das in der Anklageschrift vom 3. April 2019 im Einzelnen dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen.
19
c) In rechtlicher Hinsicht folgt aus alledem, dass sich die Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 bis 3 StGB, § 9 Abs. 1 Variante 3 VStGB, § 25 Abs. 2, § 52 StGB strafbar gemacht hat.
20
aa) Die Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB) dringend verdächtig. Sie hat sich im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit gültigen Fassung als Mitglied am IS beteiligt. Darauf, inwieweit die Anforderungen an diese Tathandlungsvariante infolge der Neufassung der §§ 129, 129a StGB mit Wirkung vom 22. Juli 2017 (s. BGBl. I S. 2440 f.) herabgesetzt worden sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207), kommt es hier im Hinblick auf § 2 Abs. 1, 3 StGB nicht an.
21
(1) Jedenfalls für die alte Fassung des § 129a Abs. 1 StGB gilt:
22
Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus, dass sich der Täter, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042, 3044).
23
Die Mitgliedschaft erfordert eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Zwar setzt sie keine förmliche Beitrittserklärung oder organisierte Teilnahme des Täters am Leben der Vereinigung voraus. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Hierfür reicht allein eine Tätigkeit für die Organisation nicht aus, mag sie auch besonders intensiv sein; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern von ihrer Zustimmung abhängig ist. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 113 f.; Beschlüsse vom 13. September 2011 - StB 12/11, NStZ-RR 2011, 372 f.; vom 7. September 2017 - AK 42/17, NStZ-RR 2018, 10, 11).
24
Eine Förderungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 106; ferner BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1979 - StB 52/79, BGHSt 29, 114, 123; Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 291; Beschluss vom 14. Juli 2016 - 3 StR 23/16, BGHR StGB § 129 a Abs. 1 Beteiligung als Mitglied 1). In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 82). In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftli- chen Betätigungsakt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 1979 - StB 52/79, aaO, S. 121; vom 30. März 2001 - StB 4 u. 5/01, BGHSt 46, 349, 356; LK/Krauß aaO, Rn. 107).
25
(2) Auf der Grundlage des der Angeschuldigten angelasteten Sachverhalts war die Angeschuldigte nicht nur passives Mitglied des IS, sondern förderte als solches aktiv dessen Ziele:
26
Sie wurde einvernehmlich in die Organisation des IS aufgenommen. Sie reiste aus eigenem Antrieb von Deutschland in das syrische und irakische Bürgerkriegsgebiet , um - mittelbar - am Kampf gegen das Assad-Regime und an der Ausbreitung eines religiös-fundamentalistischen Staates nach den Regeln der Scharia teilzunehmen. Das erklärte Ziel ihrer Ausreise war von Anfang an die Vereinigung "IS" ("ISIG"). Sie identifizierte sich mit deren Ideologie, den Handlungsweisen und Zielen. Auf der Reise heiratete sie in der Türkei nach islamischem Ritus den IS-Kämpfer D. . Die Schleusung der beiden und des Sohnes der Angeschuldigten nach Syrien wurde durch die Vereinigung finanziert. Später im Irak wurde die Familie vom IS förmlich registriert. Sie lebte ausschließlich in Städten, die von der Organisation kontrolliert wurden. Die Angeschuldigte hatte an Geldleistungen teil, die von behördenähnlichen Organisationseinheiten des IS gezahlt wurden und auch für sie selbst, nicht nur für ihren Ehemann nach islamischem Ritus bestimmt waren. Sie verstand diese Leistungen als "eine Art Monatslohn" auch für die ihr obliegenden Tätigkeiten. Des Weiteren stellte die Vereinigung der Angeschuldigten und D. sukzessive Wohnunterkünfte zur Verfügung; sie wurde zudem vorübergehend - während D. s Schulung - in einem "Frauenhaus" untergebracht. All dies ging deutlich über ein bloßes Leben im "Kalifat" (s. hierzu BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207) hinaus.
27
Die Angeschuldigte war damit nicht nur passives Mitglied; vielmehr verrichtete sie erhebliche vereinigungstypische Tätigkeiten für die Zwecke der Organisation. Die haftprüfungsgegenständliche Inbesitznahme des vom IS zugeteilten Wohnanwesens, die Ausfluss der Mitgliedschaft der Angeschuldigten war, stellt eine aktive Förderungshandlung dar. Es entsprach dem Interesse des IS, dass zwei Angehörige der Vereinigung, darunter ein Kämpfer, das Haus unter Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht bezogen und hierdurch - zumal in Anbetracht der Bewaffnung - die tatsächliche Gebietsherrschaft festigten. Darüber hinaus ist die Haushaltsführung hier als auf Dauer angelegtes vereinigungstypisches Verhalten zu bewerten. Es diente ersichtlich auch der Aufrechterhaltung von D. s Kampfbereitschaft, entsprach dem vom IS propagierten Rollenverständnis unter den Geschlechtern und wurde wegen seiner Bedeutung für die Vereinigung eigens entlohnt. Die Angeschuldigte erfüllte - nach Aktenlage - nicht lediglich die "häuslichen Pflichten", die sich aus dem Zusammenleben mit ihrem Ehemann nach islamischen Ritus ergaben (s. hierzu BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207), sondern erbrachte hiermit auch Leistungen gegenüber dem IS. Dass sie vornehmlich Haushaltstätigkeiten verrichtete, steht ihrer mitgliedschaftlichen Beteiligung nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2018 - StB 10/18, NStZ 2018, 598, 599, sowie StB 11/18, NStZ-RR 2018, 369, 371).
28
bb) Daneben ist die Angeschuldigte eines Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 Variante 3 VStGB i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB, § 2 VStGB dringend verdächtig. Auf der Grundlage des der Angeschuldigten zur Last liegenden Sachverhalts sind sämtliche Merkmale dieses Straftatbestands erfüllt:
29
Gemeinschaftlich handelnd mit D. eignete sich die Angeschuldigte das Grundstück mit Haus und Garten an, in dem irakische Militärangehörige schiitischen Glaubens gewohnt hatten und das von den Eigentümern oder anderen Berechtigten zurückgelassen worden war, als die IS-Truppen heranrückten. Denn die Inbesitznahme der Immobilie war darauf angelegt, es den Berechtigten ohne deren Willen dauerhaft zu entziehen. Für die Aneignung ist dabei ohne Belang, dass der IS das Anwesen zuvor unter seine Verwaltung gestellt hatte. Diese Aneignung hatte zudem einen erheblichen Umfang. Bei dem Grundstück mit Haus und Garten handelte es sich ferner um Sachen der gegnerischen Konfliktpartei, die der Gewalt der eigenen Partei, des IS, unterlagen; dieser ist im Verhältnis zu der Zivilbevölkerung als Gegner anzusehen, erst recht im Verhältnis zum irakischen Staat und dessen Militär. Schließlich stand die Inbesitznahme mit dem bewaffneten Konflikt in dem für die Tatbestandsverwirklichung erforderlichen funktionalen Zusammenhang, war völkerrechtlich nicht gerechtfertigt und auch nicht ansatzweise durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten (s. zu alledem im Einzelnen Senatsbeschluss vom 4. April 2019 - AK 12/19).
30
cc) Das Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte steht in Tateinheit (§ 52 StGB, § 2 VStGB) zur mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung.
31
dd) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Dies folgt für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2, 4 StGB (s. hierzu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.), für die Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte aus § 1 Satz 1 VStGB.
32
ee) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2, 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt hinsichtlich des IS vor.
33
3. Neben dem dringenden Verdacht liegen auch die weiteren allgemeinen Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft vor.
34
a) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie derjenige der Schwerkriminalität nach § 112 Abs. 3 StPO.
35
aa) Es ist derzeit wahrscheinlicher, dass sich die Angeschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.
36
Sie hat für den Fall ihrer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitstrafe zu rechnen. Beide von ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich verwirklichten Verbrechenstatbestände sehen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor (§ 129a Abs. 1 StGB, § 9 Abs. 1 VStGB). Im Rahmen der Strafzumessung kann das Oberlandesgericht auch - zu seiner Überzeugung feststehende - mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen der Angeschuldigten berücksichtigen, die nicht nach anderen Strafvorschriften strafbar sind und von deren Verfolgung der Generalbundesanwalt nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 StPO abgesehen hat, soweit es die Handlungen prozessordnungsgemäß feststellt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. März 2015 - 2 StR 54/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 33; ferner Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 662, 666 mwN). Der IS, dem die Angeschuldigte mutmaßlich mehr als ein Jahr angehörte, gilt als besonders ge- fährliche terroristische Vereinigung, die sich zudem durch ein ausnehmend grausames Vorgehen gegen ihre Gegner auszeichnet.
37
Fluchthindernde Umstände, die geeignet wären, dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz entgegenzuwirken, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Die Angeschuldigte hatte sich vor ihrer Ausreise nach Syrien und in den Irak von ihrer Familie abgewandt und verfügt in Deutschland über kein stabiles soziales Umfeld. Sie hielt sich von Februar 2015 an mehr als dreieinhalb Jahre im Ausland auf, sodass sie naheliegenderweise weiterhin über Kontakte dorthin verfügt.
38
bb) Die Angeschuldigte ist einer Straftat nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB dringend verdächtig. Daher liegen zusätzlich die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift (s. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) vor. Die oben dargelegten Umstände begründen - erst recht - die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne weitere Inhaftierung der Angeschuldigten vereitelt werden könnte.
39
b) Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.
40
c) Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
41
4. Die spezifischen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind ebenfalls gegeben. Der Umfang der Ermittlungen und deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft :
42
Nach der Festnahme der Angeschuldigten bei ihrer Wiedereinreise nach Deutschland am 17. Oktober 2018 und der Durchsuchung ihrer Person sind die hierbei aufgefundenen Asservate ausgewertet worden, darunter insbesondere ein USB-Speicherstick. Dieser enthält Video-, Audio-, Bild- und Textdateien in deutscher, türkischer und englischer Sprache im Gesamtumfang von 14,6 Gigabyte. Er ist forensisch gesichert worden. Bis Anfang 2019 sind die verfahrensrelevanten , zuvor aufbereiteten Daten (darunter zahlreiche Textdateien, 266 türkisch- und vier englischsprachige Audiodateien sowie 17 Videodateien in englischer Sprache) einer islamwissenschaftlichen Bewertung unterzogen worden , ebenso mehrere Einzelschriften und das Facebook-Profil der Angeschuldigten.
43
Darüber hinaus sind bis Ende Januar 2019 die persönlichen Verhältnisse der Angeschuldigten ermittelt worden. Nachdem bis zum 10. Januar 2019 erfolglos versucht worden war, über den Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamts in der Türkei Einzelheiten zu dem dortigen gegen die Angeschuldigte geführten Strafverfahren in Erfahrung zu bringen, ist die Türkei am 18. Januar 2019 förmlich um Rechtshilfe ersucht worden. Eine Antwort steht noch aus.
44
Außerdem sind bis Ende Januar 2019 Ermittlungen zu weiteren möglichen Zeugen geführt worden, insbesondere solchen, von denen zu erwarten war, dass sie Angaben zur Radikalisierung der Angeschuldigten oder deren Leben in Syrien und im Irak machen können. Des Weiteren sind als potentielle Zeugen Familienangehörige der Angeschuldigten ermittelt worden. Am 19. Februar 2019 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ihren geschiedenen Ehemann vernommen.
45
Auf der Grundlage dieses Stands der Ermittlungen hat der Generalbundesanwalt bis zum 3. April 2019 die Anklageschrift erstellt, die am 5. April 2019 beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen ist. Aus Gründen der Beschleunigung hat er davon abgesehen, eine Antwort auf das Rechtshilfeersuchen an die Türkei abzuwarten. Der Vorsitzende des beim Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Sache befassten Strafsenats hat am 8. April 2019 die Zustellung der Anklageschrift und eine dreiwöchige Stellungnahmefrist für die Angeschuldigte verfügt.
46
Demnach sind das Ermittlungs- und das Zwischenverfahren bislang in einer dem Beschleunigungsgebot genügenden Weise geführt worden.
Schäfer Gericke Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
StB 34/09
vom
31. Juli 2009
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im
Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Juli 2009 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Generalbundesanwalts wird der Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Behandlung und Entscheidung über die Anträge des Generalbundesanwalts vom 20. April 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an den Ermittlungsrichter zurückverwiesen.

Gründe:

1
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 19. Mai 2009 die Anträge des Generalbundesanwalts abgelehnt, für Telekommunikationsanschlüsse der Beschuldigten und dreier Kontaktpersonen nach § 100 a StPO die Überwachung der Telekommunikation bzw. nach § 100 g StPO die Erhebung der Verkehrsdaten anzuordnen. Er ist der Ansicht, dass auf die den Beschuldigten angelasteten Taten deutsches Strafrecht keine Anwendung findet. Die Beschwerde des Generalbundesanwalts führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an den Ermittlungsrichter.

I.


2
Den Beschuldigten, die gleichzeitig die deutsche und die a Staatsangehörigkeit besitzen, wird vorgeworfen, sich als Mitglieder an der ausländischen terroristischen Vereinigung
V
beteiligt zu haben. (Wird ausgeführt.

)


II.


3
1. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse begründen den Verdacht, dass die Beschuldigten sich an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Mitglied beteiligt haben, deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Menschen zu töten (§§ 129 b Abs. 1 Satz 2, 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB; §§ 100 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 d, 100 g Abs. 1 Nr. 1 StPO). Die Beschuldigten sind aufgrund der verbreiteten Botschaften nicht lediglich werbender oder unterstützender Erklärungen für die V verdächtig, sondern aktiver mitgliedschaftlicher Handlungen zur Förderung von deren Aufbau und Fortdauer. Ihre Äußerungen lassen eine Eingliederung in die Organisation (vgl. BGHSt 51, 345, 353), eine Unterordnung unter deren Ziele und ein Handeln in deren Namen erkennen. Die in den Botschaften enthaltenen Aufrufe sind ersichtlich darauf angelegt, die Schlagkraft der V zu stärken. (Wird ausgeführt.)
4
2. Zutreffend geht der Ermittlungsrichter davon aus, dass die Beschuldigten einer Tat verdächtig sind, die sie ausschließlich durch eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit begangen haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB). Nicht anschließen kann sich der Senat aber dessen Meinung, die Geltung des deutschen Strafrechts sei nicht hinreichend wahrscheinlich.
5
a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob sich die Anwendbarkeit des § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB unmittelbar aus § 129 b Abs. 1 Satz 2 2. Alt. StGB ergibt. Zwar enthält § 129 b Abs. 1 Satz 2 StGB nach herrschender Ansicht keine die §§ 3 ff. StGB verdrängenden Sonderrege- lungen über die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts (Altvater, NStZ 2003, 179 f.; Fischer, StGB 56. Aufl. § 129 b Rdn. 4; Krauß in LK 12. Aufl. § 129 b Rdn. 13; Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 129 b Rdn. 3; Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 b Rdn. 18). Zumindest für die zweite Alternative dieser Vorschrift, die Auslandstaten eines Deutschen nach § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 129, 129 a StGB betrifft, könnte dies indes anders zu beurteilen sein. Denn besteht der Zweck der Bestimmung darin, anknüpfend an den Personalitätsgrundsatz Auslandstaten von Ausländern straffrei zu stellen (Altvater aaO 181; Miebach/Schäfer aaO), könnte dies vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 1 c des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (AblEG L 164/3 vom 22. 6. 2002) dafür sprechen, dass § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 129, 129 a StGB für entsprechende Auslandstaten eines Deutschen unabhängig vom Recht des Tatorts Anwendung findet, auch wenn im Gegensatz etwa zu § 35 AWG oder § 21 KWKG das Tatortrecht nicht ausdrücklich für unmaßgeblich erklärt wird.
6
b) Für die den Beschuldigten vorgeworfene Tat gilt das deutsche Strafrecht mit nach derzeitigem Ermittlungsstand hinreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, und zwar unabhängig davon, ob die V als Organisation auf b oder auf c Gebiet existent ist und ob das betreffende Gebiet der effektiven Ausübung staatlicher Gewalt faktisch entzogen ist mit der Folge, dass es im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. StGB keiner Strafgewalt unterliegt (vgl. Ambos in MünchKomm-StGB § 7 Rdn. 18). Besteht die Strafgewalt fort, gilt das deutsche Strafrecht nach der ersten Alternative der Vorschrift. Aus der Veröffentlichung der einschlägigen Strafvorschriften auf der Internetseite des United Nations Office on Drugs and Crime (http:/www.unodc.org unter Terrorism Prevention, National Legal Resources) schließt der Senat, dass das den Beschuldigten vorgeworfene Tatgeschehen sowohl nach b als auch nach c Recht mit Strafe bedroht ist. (Wird ausgeführt.)
7
c) Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch über §§ 3, 9 Abs. 1 StGB unter dem Aspekt eröffnet sein könnte, dass ein zum Tatbestand des § 129 b Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB gehörender Erfolg im Inland eingetreten ist.
8
3. Der Senat verweist die Sache zur Entscheidung über die Anträge des Generalbundesanwalts an den Ermittlungsrichter zurück. Eine eigene Sachentscheidung des Beschwerdegerichts ist in Ausnahme von § 309 Abs. 2 StPO dann nicht geboten, wenn sich das Erstgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus mit der Sache nur gleichsam formal, nicht aber unter Würdigung des eigentlich entscheidungserheblichen Sachverhalts beschäftigt hat (Frisch in SKStPO § 309 Rdn.13 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Der Ermittlungsrichter hat die Anträge mangels Geltung des deutschen Strafrechts abgelehnt und sich somit auf einen einzelnen, letztlich nicht tragfähigen Gesichtspunkt gestützt. Mit den bei einer Anordnung nach §§ 100 a, 100 g StPO aufgeworfenen zentralen, das Fernmeldegeheimnis berührenden und eigentlich entscheidungserheblichen Fragen wie Erforderlichkeit der Maßnahme und ihre Zulässigkeit gegen Dritte musste er sich von seinem Ansatz her nicht mehr befassen. Er hat deshalb auch von den dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
Becker Sost-Scheible Mayer

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.