Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2018 - 5 StR 629/17
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 6. Februar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten G. G. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten T. G. wegen einer zu dieser Tat durch Unterlassen begangenen Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten erweisen sich im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.
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- Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob das Landgericht zu Recht von einer Garantenstellung des Angeklagten T. G. ausgegangen ist:
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war T. G. Eigentümer und Betreiber eines Spätkaufs mit Internetcafe in . Seinen Bruder G. beschäftigte er dort als Angestellten. G. G. beschloss, Drogen zu verkaufen und sich dabei die Infrastruktur undden Laden von T. zu Nutze zu machen. Er besorgte sich im Herbst 2016 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 80 Gramm THC und 30 Gramm Kokain guter Qualität, um die Drogen gewinnbringend weiterzuverkaufen.
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- In der Folgezeit wurden aus diesem Vorrat etwa fünf Gramm Kokaingemisch und ca. 200 Gramm Marihuana verkauft. G. G. bezog in den Verkauf ab Januar 2017 den im Laden ebenfalls beschäftigten Nichtrevidenten E. ein und gab ihm etwas vom Drogenvorrat zum Verkaufen an die Ladenkundschaft, die er zu ihm schickte. In unmittelbarer Nähe zu dem Aufbewahrungsort der im Laden zu verkaufenden Drogen unter dem Verkaufstresen lag für G. G. griffbereit ein Baseballschläger und auf dem Tresen ein Teleskopschlagstock. Beide Gegenstände hatte er dazu bestimmt, den Spätkauf zu schützen, notfalls aber auch den Betäubungsmittelhandel hiermit absichern oder verteidigen zu können. T. G. wusste hiervon. Ein großer Teil der angeschafften Drogen konnte bei einer Durchsuchung im Februar 2017 im Laden und in der Wohnung von G. G. festgestellt werden.
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- Der Ladeninhaber T. G. , der sich nahezu täglich und vielfach gemeinsam mit G. G. im Laden aufhielt, erfuhr alsbald von der Tätigkeit seines Bruders, billigte diese und schritt nicht ein. Dabei war ihm klar, dass das Geschäft von G. G. in dieser Form nur möglich war, weil der Laden mit seinen abgeklebten Scheiben, seiner schweren Einsehbarkeit von au- ßen, dem separaten Lagerraum hinter dem Verkaufstresen und der recht hohen Frequenz von Lauf- und Stammkundschaft sowie der geringen Anzahl von Mitarbeitern (nur G. G. und der Nichtrevident) hierfür optimale Bedingungen bot. Aufgrund seiner Position als Eigentümer und Betreiber wäre es T. G. ohne weiteres möglich gewesen, den Handel seines Bruders zu unterbinden.
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- 2. Diese Feststellungen belegen die Voraussetzungen der vom Landgericht angenommenen Garantenstellung des Angeklagten T. G. aus seiner Stellung als Betriebsinhaber nach den Grundsätzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung (vgl. hierzu näher insb. Berndt, StV 2009, 689; Bülte, NZWiSt 2012, 176; Dannecker/Dannecker JZ 2010, 981; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 13 Rn. 67 ff.; Kretschmer, StraFo 2012, 259; Kudlich in SSW-StGB, 3. Aufl., § 13 Rn. 31 f.; Lackner/Kühl, 28. Aufl., § 13 Rn. 14; Mansdörfer/Trüg, StV 2012, 432; Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268, 269; Petermann, FS Schiller, 2014, S. 538; Roxin, FS Beulke, S. 239, und Strafrecht AT II, § 32 Rn. 134 ff.; Rudolphi/Stein in SK-StGB, 9. Aufl., § 13 Rn. 35a; Schall, FS Rudolphi , S. 267, und FS Kühl, S. 417; Schlösser, NZWiSt 2012, 281; Sommer /Lindemann JuS 2015, 1057; Schünemann, wistra 1982, 41; Spring, Die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung – Unterlassungshaftung betrieblich Vorgesetzter für Straftaten Untergebener, 2009, und GA 2010, 222; Stree/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 13 Rn. 53 f.; Weigend in LK, 12. Aufl., § 13 Rn. 56).
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- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 – 4 StR 71/11, BGHSt 57, 42, 45 f.) kann sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter je nach den Umständen des Einzelfalls eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten von Mitarbeitern er- geben. Diese beschränkt sich auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten und umfasst nicht solche Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht. Betriebsbezogen ist eine Tat dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweist (BGH, aaO, S. 46).
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- b) Dies war nach den Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln der Fall. Der Angeklagte G. G. hat Betäubungsmittel unter Nutzung der Verkaufs- und Lagerräume gleichsam in Erweiterung des legalen Geschäftsbetriebes an die Ladenkundschaft verkauft. Diese Geschäfte unter Einschaltung des Nichtrevidenten E. waren Ausfluss seiner betrieblichen Tätigkeit als Verkäufer im Ladenlokal seines Bruders, was auch die Einbindung von Stammkundschaft in den Betäubungshandel belegt. Die Ausstattung der Räume (abgeklebte Scheiben) sowie die Art und Weise des Geschäftsbetriebes (hohe Frequenz, kurze Aufenthaltszeiten ) erleichterten zudem das Durchführen illegaler Geschäfte.
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- c) Angesichts dieser Umstände bedarf es keiner näheren Erörterung, ob T. G. die Handelsaktivitäten seines Bruders G. nicht vielmehr bewusst durch aktives Tun wie etwa die Übergabe der Ladenschlüssel oder sonstige Handlungen unterstützt hat. Ein etwaiger Rechtsfehler insoweit beschwert den Angeklagten T. G. nicht.
Berger Mosbacher
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.