Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2013 - 5 StR 606/12
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Feststellungen ein täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht hinreichend belegen.
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- a) Ob die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu bewerten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Tatbeitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein solches enges Verhältnis des Täters besteht , ist nach den gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 156/07, NStZ 2007, 531).
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- b) Zu der auf Grundlage der Feststellungen nach diesen Maßstäben erforderlichen Abgrenzung zwischen den Beteiligungsformen Mittäterschaft und Beihilfe verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Die Annahme von (Mit-) Täterschaft am Handeltreiben versteht sich vorliegend auch nicht von selbst. Der Angeklagte hat zwar die Einkaufs- und Einfuhrfahrten – bis auf die erste Fahrt, bei der er von einem Tatbeteiligten eingewiesen worden ist – eigenständig und eigenverantwortlich durchgeführt und somit auch einen wesentlichen Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft erbracht. Am eigentlichen Umsatzgeschäft war er jedoch nicht beteiligt. Nach den Feststellungen bestimmte der anderweitig Verfolgte F. mit seinem Lieferanten in Tschechien telefonisch die Art und Menge der zu erwerbenden Betäubungsmittel, die er nach Übergabe durch den Angeklagten gewinnbringend weiterverkaufte, und entlohnte den Angeklagten für die jeweilige Fahrt. Dass der Angeklagte Einfluss auf die Art und Menge der Betäubungsmittel und auf die Frequenz der Einfuhrfahrten nehmen konnte, ist nicht festgestellt. Gleiches gilt für die Risi- koverteilung bei Sicherstellung oder sonstigem Verlust der Betäubungsmittel oder des dem Angeklagten für deren Bezahlung von F. überlassenen Geldes.
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- 2. Dieser Rechtsfehler führt insgesamt – auch hinsichtlich der rechtsfehlerfrei angenommenen, jeweils tateinheitlich begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – zur Aufhebung des Schuldspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass noch weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die ein (mit-) täterschaftliches Handeltreiben des Angeklagten belegen würden. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, zu den einzelnen Einkaufs- und Einfuhrfahrten und zu den jeweiligen Mengen und Wirkstoffgehalten der Betäubungsmittel sind rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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- 3. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem gesamten Strafausspruch die Grundlage. Der Senat weist indes darauf hin, dass er die Bedenken des Generalbundesanwalts gegen die Begründung der vom Landgericht vorgenommenen Strafrahmenwahl und Strafzumessung im engeren Sinne nicht zu teilen vermag.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten als Mittäter wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Urteilsgründe tragen die Bewertung, der Angeklagte habe (mit-)täterschaftlich gehandelt, nicht.
I.
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- Zum Tatgeschehen hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen : „Am 19.05.2006 gegen 17.30 Uhr wurden der gesondert verfolgte N. B. als Kurier und der in demselben anderen Verfahren angeklagte F. G. als zum Empfang Erschienener bei der Übergabe von 2675 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 794,623 CHC und 539,4 Gramm Kokain mit einem solchen von 220,294 Gramm THC, die zuvor von Ersterem von den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland verbracht worden waren, in D. festgenommen und das Rauschgift, das ansonsten gewinnbringend weiterverkauft worden wäre, sichergestellt. Zuvor hatte der Angeklagte zur Durchführung des Drogentransports aus dem Nachbarland hierher gegen Zahlung eines Lohnes von mindestens 2000,00 Euro durch einen den Behörden unbekannten Hintermann in der Türkei den Kontakt zwischen N. B. und F. G. hergestellt. Der Angeklagte war sich hierbei bewusst, dass N. B. , der mit dem LKW einer legale Geschäfte betreibenden Speditionsfirma unterwegs war, eine solch große Menge Rauschgift aus den Niederlanden nach Deutschland zum gewinnbringenden Verkauf verbringen wird. Eine behördliche Erlaubnis hierfür bestand nicht, was allen Beteiligten bekannt war.“
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- Zur Beweiswürdigung hat die Strafkammer ausgeführt: „Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung den gegen ihn erhobenen Vorwurf in dem … [oben] … aufgeführten Umfang eingeräumt. In der Anklage ist er weiterhin beschuldigt worden, während der Fahrt die Route N. B. s fernmündlich gesteuert zu haben. Dies wurde nicht festgestellt.“
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- Rechtlich hat die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt wie folgt gewürdigt:
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- „Der Angeklagte hat sich somit nach §§ 30 Abs. 1 Nr. 4, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 52, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.“
II.
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- Auf dieser Grundlage hat die Verurteilung des Angeklagten wegen (mit-)täterschaftlicher Einfuhr und (mit-)täterschaftlichen Handeltreibens keinen Bestand.
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- Ob die Beteiligung an unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln oder an deren Einfuhr als Mittäterschaft oder Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen (BGH NStZ 2006, 454). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 37, 289, 291 m.w.N.; BGHSt - GS - 50, 252, 266 m.w.N.; BGH NStZ 2000, 482, 483). Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39, 56 und 58; zum Kurier vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06 -, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ).
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- In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 1984, 413, 414; 1985, 165; BGH NJW 1997, 3385, 3387; 2004, 3051, 3053 f.; BGH NStZ-RR 2005,71).
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- Gemessen an diesen Maßstäben ist die Entscheidung der Strafkammer, den Angeklagten aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen als (Mit-)Täter zu verurteilen, nicht rechtsfehlerfrei. Die Rolle des Angeklagten beschränkte sich darauf, dass er - nicht einmal selbst, sondern über einen unbekannten „Hintermann“ in der Türkei - den Kontakt zwischen dem Kurier und dem Empfänger der Betäubungsmittel in Deutschland herstellte. Dafür erhielt er den in Anbetracht der Handelsmenge eher geringen Betrag von 2.000,-- €. Ein weitergehendes Tatinteresse des Angeklagten ist nicht festgestellt. Mit dem Anund Verkauf des Rauschgifts hatte er nichts zu tun. Auf die Gestaltung des Transports und des Transportweges hatte er, wie die Strafkammer in der Beweiswürdigung ausdrücklich betont hat, keinen Einfluss. Der bislang festgestellte Tatbeitrag des Angeklagten ist lediglich unterstützend und kann nur als Beihilfe zum Handeltreiben beziehungsweise zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bewertet werden.
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- Dem Senat ist eine Schuldspruchberichtigung verwehrt, da es nicht ausgeschlossen ist, dass in einer neuen Hauptverhandlung - unter Ausnutzung der von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift angebotenen Beweismittel, insbesondere der Ergebnisse der Telefonüberwachung - noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer tragfähigen Bewertung des Tatbeitrags des Angeklagten als (mit-)täterschaftlich führen.
Frau Richterin am BGH Elf befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Hebenstreit Nack