Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2020 - 5 StR 587/19
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Januar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie analog § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
a) der Strafausspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt ist und
b) der Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass Zinsen seit dem 27. Oktober 2018 zu zahlen sind.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels, die der Adhäsionsklägerin S. insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die den Nebenklägern sowie der Adhäsionsklägerin in der Revisionsinstanz erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- Auf die Sachrüge war außer der Klarstellung im Strafausspruch lediglich im Adhäsionsausspruch der Zeitpunkt der Verzinsung zu ändern. Zinsbeginn der vom Landgericht ab Rechtshängigkeit zugesprochenen Zinsen ist der Tag nach Eingang der Adhäsionsantragsschrift bei Gericht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 96). Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts sind folgende Bemerkungen veranlasst:
- 3
- 1. Die Aufklärungsrüge betreffend die Beauftragung eines „kompetenten islamwissenschaftlich-psychologischpsychiatrischen Gutachters“ genügt bereits deswegen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil der Beschwerdeführer das vorbereitende psychiatrische Gutachten, aus dem er vielfach zitiert, nicht in seiner Gesamtheit vorgelegt hat.
- 4
- 2. Bei der Bewertung der Tat des im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland gekommenen und seit 1992 hier lebenden Angeklagten als Mord aus niedrigen Beweggründen hat sie zutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt (vgl. dazu zuletzt BGH, Urteil vom 13. November 2019 – 5 StR 466/19 Rn. 24 ff. mwN) und in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet. Auch gegen die Prüfung der Schuldfähigkeit ist rechtlich nichts zu erinnern.
Mosbacher Köhler
Vorinstanz:
Braunschweig, LG, 30.01.2019 - 112 Js 26900/18 9 Ks (7/18)
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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 2. auf dessen Antrag, sowie nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es ihn verurteilt, an den Neben- bzw. Adhäsionskläger für die Zeit vom 26. September 2017 bis zum 10. Oktober 2017 Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem als Schmerzensgeld anerkannten Betrag von 4.000 EUR zu zahlen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Abänderung des Adhäsionsausspruchs im Zinsbeginn; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Der Angeklagte hat Anspruch auf Prozesszinsen aus dem von ihm anerkannten Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 4.000 EUR gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1 BGB, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2015 – 4 StR 411/15; BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2018 – 5 StR 277/18 und vom 20. März 2018 – 5 StR 52/18; Beschlüsse vom 17. Oktober 2018 – 2 StR 357/18 und 2 StR 259/18; Folgetagslösung; siehe auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 555/16; Urteil vom 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; BAG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 5 AZR 621/16, NJW 2018, 1707, 1709). Soweit der Senat im Hinblick auf anders lautende Entscheidungen des 1. und des 3. Strafsenats (vgl. Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, StV 2017, 321, 322; und vom 15. April 2014 – 3 StR 69/14, Rn. 2) erwogen hat, seine Rechtsauffassung zu überdenken (vgl. Senat, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18, Rn. 21), hält er hieran nicht fest, zumal der 1. und der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mitgeteilt haben, an ihrer entgegen stehenden Rechtsprechung nicht festhalten zu wollen.
- 3
- Rechtshängigkeit ist vorliegend mit Adhäsionsantragsstellung am 26. September 2017 eingetreten, so dass Prozesszinsen ab dem 27. September 2017 zu zahlen sind. Der Senat hat die Entscheidung daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO abgeändert.
- 4
- 2. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.
RiBGH Dr. Quentin Bartel ist erkrankt und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.