Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2003 - 5 StR 562/02

bei uns veröffentlicht am29.01.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 562/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 29. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2003

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Juni 2002 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch der Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (Einzelstrafen neun Monate und ein Jahr Freiheitsstrafe), versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen (Einzelstrafen zehn Monate und ein Jahr Freiheitsstrafe), Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 18 Fällen sowie versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in fünf Fällen (Einzelstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge einen Teilerfolg und ist im übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen liegt zugrunde, daß der Angeklagte in den Süßwarenregalen zweier Selbstbedienungsgeschäfte mit Rattengift bzw. Nitroverdünnung versetzte Süßwaren deponiert hat. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift hierzu zutreffend ausgeführt: „Der Tatrichter hat seiner ‚stereotypen Pflicht‘ nicht genügt, die Frage eines möglichen Rücktritts vom Versuch zu erörtern (vgl. Basdorf SchlHA 1993, 57, 58; Senat, Beschluß vom 14. Mai 2002 – 5 StR 138/02). Dies nötigt hier zur Aufhebung des Urteils im beantragten Umfang. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß die beiden Versuche der gefährlichen Körperverletzung beendet waren und der Angeklagte durch seine zeitnah abgesandten ‚Bekennerschreiben‘ die Tatvollendung planmäßig verhindert hat. Daß er dies nicht eigenhändig tat, sondern lediglich das Auffinden der von ihm präparierten Produkte durch andere veranlaßt hat, ist rechtlich ohne Belang (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 2 Bemühen 3). Dasselbe gilt in Hinblick auf die Frage, ob die vom Angeklagten gewählte Form der Erfolgsverhinderung optimal war (vgl. Senat, Beschluß vom 7. Juni 1978 – 5 StR 315/78 – b. Holtz MDR 1980, 453; Senat in NStZ 1999, 128 und in BGHSt 44, 204, 208). Etwas anderes mag gelten, wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht (so wohl BGHSt 33, 295, 302 u. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 2 Bemühen 1); darum ging es hier jedoch nicht (vgl. auch BGH, Beschluß vom 14. August 2002 – 2 StR 251/02 – sowie Beschluß vom 26. September 2002 – 1 ARs 36/02).“ Dies führt zur Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Senat schließt jedoch aus, daß die Verurteilung wegen der Körperverletzungsfälle die Bemessung der anderen Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt haben könnte.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 138/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter sexueller Nötigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2002

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. November 2001 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hat seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten dringt mit der Sachrüge durch. Die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand; dies zieht hier die Aufhebung des gesamten Urteils nach sich.
1. Wegen einer Serie von acht zwischen August 1987 und April 1989 jeweils im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangener Taten (teils versuchter) sexueller Nötigungen bzw. Vergewaltigungen wurde der Angeklagte im Februar 1990 zu zwei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Nachdem er Ende Oktober 1990 vorzeitig auf Bewährung entlassen worden war, begann er bereits im März 1991 eine bis August 1991 andauernde Serie von fünf erneut im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit begangener Vergewaltigungen. Deshalb wurde er im Mai 1992 unter Einbeziehung der vorgenannten Bestrafung zu einer einheitlichen Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt, und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet.
Nachdem der Vollzug der Unterbringung Anfang des Jahres 2000 während einer Lehre des Angeklagten erheblich gelockert worden war, beging dieser im Juli 2000 während des fortdauernden Vollzugs der Unterbringung die jetzt zu beurteilende Tat: Er überfiel in den Morgenstunden auf dem Weg zu seiner Lehrstelle in einer Grünanlage von hinten eine Frau, drückte der Geschädigten die Luft ab, zog sie ins Gebüsch, brachte sie zu Boden, würgte sie und versuchte, sie mit Schlägen vom Schreien abzuhalten, bevor er nach einem stärkeren Hilfeschrei von ihr abließ und flüchtete.
2. Das Landgericht hat sich bei diesem Tathergang rechtsfehlerfrei – unter maßgeblicher Berücksichtigung der entsprechenden Vorgehensweise des Angeklagten bei seinen früheren Tatserien – von dessen Ziel überzeugt , gewaltsam sexuelle Handlungen an seinem Opfer vorzunehmen. Auch bestehen angesichts der Feststellungen zu den Schreien des Opfers und den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten an dem nicht völlig unbelebten Tatort (UA S. 29) gegen den Ausschluß eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch der sexuellen Nötigung letztlich keine durchgreifenden Bedenken (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 24 Rdn. 23 m.w.N.), wenngleich es insoweit an grundsätzlich erforderlichen näheren rechtlichen Ausführungen des Landgerichts fehlt.
3. Nicht nachvollziehbar bleibt indes der Ausschluß erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat.
Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, daû beim Angeklagten ungeachtet einiger Therapiefortschritte während der Unterbringung nach wie vor eine “schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narziûtischen, dissozialen und emotional-instabilen Anteilen sowie einer Störung der sexuellen Präferenz im Sinne eines sexuellen Sadismus”, mithin eine schwere andere seelische Abartigkeit (UA S. 33) vorlag. Der spezifische enge motivatorische Zusammenhang dieser schweren psychischen Störung des Angeklagten mit der festgestellten Tat indiziert, wie auch die Revision zutreffend ausführt, eine erhebliche Verminderung seiner dabei vorhandenen Steuerungsfähigkeit (vgl. nur Tröndle/Fischer aaO § 21 Rdn. 4 m.w.N.). Die im Einklang mit dem psychiatrischen Sachverständigen von der Strafkammer gegen die Annahme einer Erheblichkeit der zustandsbedingten Herabsetzung des Steuerungsvermögens angeführten Erwägungen sind demgegenüber fast durchweg zweifelhaft und können insgesamt nicht als tragfähig anerkannt werden. Der Umstand, daû es während der andauernden Kontrolle in der Unterbringungssituation lediglich zu einer Einzeltat gekommen ist, mag das Bestehen nach wie vor vorhandener Selbstkontrollmöglichkeiten des Angeklagten belegen; hierdurch läût sich indes nicht widerlegen , daû diese ungeachtet noch recht massiver Auûenkontrolle und trotz nachdrücklichster Warnungen durch den fortdauernden Maûregelvollzug bei ihm anlagebedingt instabil sind. Nichts anderes gilt für den bewuûten ± wenngleich rechtlich als unfreiwillig bewerteten ± Abbruch der Tat, wie er auch bei Einzelfällen der ersten Tatserie des Angeklagten erfolgt war. Die auch sonst gereizte und aggressive Stimmung des Angeklagten im Tatzeitpunkt mag die Überwindung der gebotenen Eigenkontrolle trotz aller Auûeneinwirkungen erklären, ein Beleg gegen eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit ist auch hierin nicht zu finden. Schlieûlich sind auch aus dem planvollen und gezielten Tatverhalten des Angeklagten keine hinreichenden Anzeichen für eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung seines Hemmungsvermögens bei Tatplanung und -begehung zu ersehen (vgl. auch BGH, Beschl. vom 7. März 2002 ± 3 StR 335/01 zur minderen Bedeutung des Leistungsverhaltens für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit durch schwere seelische Abartigkeit). Allein aus dem eher unauffälligen Nachtatverhalten läût sich solches auch kaum herleiten.
4. Der Senat sieht sich veranlaût, das Urteil insgesamt aufzuheben. Infolge lückenhafter Prüfung enthält es auch Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten. So hat das Landgericht es unterlassen, das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) zu prüfen, die nach den Feststellungen durch eine Begehungsweise mittels eines hinterlistigen Überfalls in Betracht zu ziehen ist, insbesondere aber angesichts der massiven Einwirkungen auf die Luftzufuhr der Geschädigten wegen einer Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung auf der Hand liegt. Nach den rechtsfehlerfrei angestellten Überlegungen zu den Parallelen mit den Vortaten des Angeklagten wäre ferner eine weitergehende Feststellung der Tatziele des Angeklagten in Betracht zu ziehen gewesen, die seine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) hätte rechtfertigen können. Für eine Durchentscheidung zum Nachteil des Angeklagten fehlt es jedenfalls insoweit an ausreichenden Feststellungen.
Die Rechtsfehler beschweren den Angeklagten zwar nicht. Wenn die lückenhafte Beurteilung aber bei erneuter umfassender Beurteilung vermieden wird, könnte dies auch bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB dazu führen, daû die Schuld des Angeklagten im Ergebnis nicht geringer als bislang zu bewerten sein wird.
Eine durch bisherige Feststellungen nicht eingeschränkte, umfassende eigene Sachprüfung durch den neuen Tatrichter ist daher vorzugswürdig (vgl. auch BGH, Urt. vom 23. Januar 2002 ± 5 StR 391/01). Der neue Tatrichter wird danach zu Schuldspruch und Maûregelanordnung umfassend ohne Bindung an das angefochtene Urteil, zur Strafe unter Bedacht auf § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO neu zu befinden haben. Auch unter Berücksichtigung der schützenswerten Belange der Nebenklägerin erscheint eine solche Verfahrensweise bei der gegebenen Beweislage, bei der eine sie besonders belastende zeugenschaftliche Vernehmung zu vermeiden sein wird, noch vertretbar.
5. Angesichts des Verlaufs der bisherigen Therapie erscheint es geboten , daû der neue Tatrichter nunmehr einen weder während der Therapie im Maûregelvollzug noch auch nur im Vollstreckungsverfahren mit dem Angeklagten befaûten Sachverständigen zu dessen Schuldfähigkeit vernimmt. Sofern dieser zu gleichen Befunden wie der bisherige Sachverständige gelangt , läge bei gleichen oder gar schwereren Feststellungen zur Tat die gesicherte Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB auf der Hand, welche ± neben einer kaum milderen Bestrafung ± die erneute Anordnung einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gemäû § 63 StGB nach sich ziehen dürfte.
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sind bei einer Strafhöhe wie bisher, wenn nicht bereits nach § 66 Abs. 1 StGB (vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 4), jedenfalls nach § 66 Abs. 2 StGB erfüllt. Es käme daher nicht auf die vom Bundesgerichtshof , soweit ersichtlich, noch nicht entschiedene Rechtsfrage zu den formellen Voraussetzungen der vom Landgericht herangezogenen Norm des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB an, ob bereits eine frühere Verurteilung wegen mehrerer der genannten Straftaten zu drei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, somit ohne weiteres die gegen den Angeklagten zuletzt verhängte einheitliche Jugendstrafe , ausreichte (so Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 66 Rdn. 61) oder ob eine entsprechend hohe Einzelfreiheitsstrafe zu verlangen wäre (so Hanack in LK 11. Aufl. Nachtrag zu § 66 Rdn. 8); für den letztgenannten Fall fehlte es an der gebotenen tatrichterlichen Prüfung, ob für eine der durch die einheitliche Jugendstrafe sanktionierten einschlägigen Taten allein drei Jahre Jugendstrafe verhängt worden wären.
Neben einer erneuten Unterbringung nach § 63 StGB käme indes eine Unterbringung nach § 66 StGB gemäû § 72 Abs. 1 StGB angesichts identischer Ursachen von psychischer Störung und Hang nicht in Betracht (vgl. BGH, Urt. vom 19. Februar 2002 ± 1 StR 546/01 und vom 20. Februar 2002 ± 2 StR 486/01). Der gebotene Schutz der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Angeklagten wäre dann allein im Vollzug der Unterbringung nach § 63 StGB zu gewährleisten (BGH aaO).
Harms Häger Basdorf Brause Schaal

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 36/02
vom
26. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
hier: Anfrage des 2. Strafsenats vom 14. August 2002 - 2 StR 251/02
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2002 gemäß
§ 132 Abs. 3 GVG beschlossen:
Der vom 2. Strafsenat beabsichtigten Entscheidung steht Rechtsprechung des Senats nicht entgegen.

Gründe:


Der 2. Strafsenat (Beschluß vom 14. August 2002 - 2 StR 251/02) beabsichtigt zu entscheiden: "Ein gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB strafbefreiender Rücktritt vom Versuch eines unechten Unterlassungsdelikts setzt nicht voraus, daß der Täter, der die Vollendung der Tat erfolgreich verhindert und dies auch anstrebt, unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder optimale gewählt hat." Der 2. Strafsenat meint, dem könne Rechtsprechung des 1. Strafsenats, insbesondere das Urteil BGHSt 31, 46, entgegenstehen. Das ist indessen nicht der Fall. Soweit das Senatsurteil BGHSt 31, 46 im Blick auf bestimmte Formulierungen (aaO S. 49) in der Literatur anders verstanden wird (vgl. Anfragebeschluß S. 4/5), beruht das auf einer nicht zutreffenden Interpretation. Der Zusammenhang jenes Senatsurteils und sein sinngerechtes Verständnis im Blick
auf den dort zugrundeliegenden Sachverhalt ergeben, daß der Senat verlangt, der Täter habe die von ihm gewählte, objektiv und aus seiner Sicht geeignete Verhinderungsmöglichkeit auszuschöpfen (BGHSt 31, 46, 50 unter Ziff. 2.). In dem dort zu beurteilenden Fall hatte der Angeklagte das schwerverletzte Opfer mit dem Pkw in die Nähe des Krankenhauses gefahren, es dort aussteigen lassen und es dem Zufall überlassen, ob die Schwerverletzte das Krankenhaus allein oder mit fremder Hilfe auch erreichen würde. (Sie war später etwa auf der Hälfte der verbleibenden Wegstrecke von einem Passanten bewußtlos in einem Gebüsch gefunden worden.) Es bedurfte also - auf der Grundlage des vom Täter zur Rettung eingeschlagenen Weges - weiterer, von ihm nicht veranlaßter Rettungshandlungen eines Dritten; deshalb hatte der Täter dort weder die objektiv gebotenen noch die aus seiner Sicht ausreichenden Bemühungen zur Erfolgsabwendung entfaltet.
In dem jetzt vom 2. Strafsenat zu entscheidenden Fall hingegen hat der Angeklagte grundsätzlich geeignete Rettungshandlungen Dritter veranlaßt. Er hat sich freilich durch die Alarmierung von Feuerwehr und Polizei für einen möglicherweise zunächst weniger aussichtsreichen, aber einen nach den Umständen des Einzelfalles wohl dennoch geeigneten Weg der Rettung entschieden und die dadurch - d.h. bei dem eingeschlagenen Weg - gegebene Verhinderungsmöglichkeit naheliegenderweise auch ausgeschöpft. Das volle Risiko eines gleichwohl eintretenden Taterfolges trug er ohnehin (vgl. BGHSt 31, 46, 49 m.w.Nachw.). Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz