Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2017 - 5 StR 561/16
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 8. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten Ao. wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Verabredung eines Verbrechens des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit der Bestimmung eines Minderjährigen zur Förderung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und mit Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt ist,
b) im Maßregelausspruch und im Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten M. und G. wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Verabredung eines Verbrechens des (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, den Angeklagten Ao. zusätzlich wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Men- ge in Tateinheit mit „der Bestimmung eines nicht Volljährigen zur Abgabe von Betäubungsmitteln und der Förderung des Handeltreibens mit Betäubungsmit- teln“ in weiterer Tateinheit mit (unerlaubtem)Besitz von Betäubungsmitteln so- wie den Angeklagten A. wegen Beihilfe zum (unerlaubten) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu (Gesamt-)Freiheitsstrafen verurteilt; hinsichtlich des Angeklagten Ao. hat es darüber hinaus dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet und sichergestelltes Bargeld in Höhe von 12.800 € für verfallen erklärt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten Ao. hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sie – wie auch die Revisionen der Angeklagten G. , M. und A. – gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
- 2
- 1. Hinsichtlich der Revision des Angeklagten G. bemerkt der Senat mit Blick auf den Schriftsatz der Verteidigung vom 12. Dezember 2016:
- 3
- Die Strafkammer ist aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zur Annahme eines täterschaftlichen Handelns des Angeklagten G. gekommen. Hätten die Angeklagten M. und Ao. eine finanzielle Beteiligung des Angeklagten G. an den Gewinnen aus den Verkäufen des in der Plantage „I. S. “ angebauten Cannabis eingeräumt, hätte sich dies nicht zwin- gend strafmildernd für sie ausgewirkt, sondern eine bandenmäßige Begehungsweise nahegelegt.
- 4
- 2. Die Revision des Angeklagten Ao. führt zu einer Berichtigung des Schuldspruchs sowie zur Aufhebung des Maßregelausspruchs nebst Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe.
- 5
- a) Die tateinheitliche Verurteilung wegen „Bestimmung eines nicht Volljährigen zur Abgabe von Betäubungsmitteln“ hat zu entfallen. Abgabe im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG ist die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt ohne rechtsgeschäftliche Grundlage und ohne Gegenleistung an einen Dritten, der über das Betäubungsmittel frei verfügen kann (BGH, Beschluss vom 29. September 1998 – 4 StR 403/98, NStZ-RR 1999, 89 mwN). Die vom Angeklagten Ao. veranlasste Übergabe von Betäubungsmitteln durch seinen elfjährigen Bruder an einen Konsumenten diente demgegenüber dem Umsatz im Rahmen des Betäubungsmittelhandels des Angeklagten, den der Bruder unter Anleitung des Angeklagten durch vielfältige Tätigkeiten förderte. Unabhängig davon, ob der minderjährige Bruder des Angeklagten uneigennützig handelte, erfüllte die Übergabe des Betäubungsmittels durch ihn an einen Abnehmer nicht die Voraussetzungen einer „Abgabe“, da sie nicht ohne Gegenleistung geschah. Dient der Tatbeitrag dem Umsatz von Betäubungsmit- teln, liegt auch im Falle uneigennütziger Mitwirkung Beihilfe zum Handeltreiben eines anderen vor (BGH aaO), derentwegen der schuldunfähige Bruder des Angeklagten allerdings nicht strafbar war.
- 7
- aa) Das Landgericht geht – sachverständig beraten – von einer TilidinAbhängigkeit des Angeklagten aus. Zur Bejahung des erforderlichen sympto- matischen Zusammenhangs zwischen dem „Hang“ des Angeklagten und den Taten verweist es ohne Darlegung der Anknüpfungstatsachen und ohne eigene Würdigung auf die Aussage des Sachverständigen, der Angeklagte habe die Taten begangen, um damit „auch“ seinen Tilidinkonsum zu finanzieren (UA S. 77).
- 8
- Somit bleibt unklar, wie der Sachverständige zu den von ihm gezogenen Schlüssen gelangt ist. Eine solche Wertung ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt auch nicht von selbst. Das Landgericht trifft keine Feststellungen über die Menge des vom Angeklagten konsumierten Tilidin sowie die damit verbundenen Kosten. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte über monatliche Erwerbseinkünfte in Höhe von 500 € verfügt und noch im elterlichen Haushalt lebt, ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass er zur Finanzierung seines Konsums auf illegale Einkünfte angewiesen wäre. Die Annahme, dass es sich bei den vom Angeklagten begangenen Taten um Beschaffungskriminalität handelt, wird auch dadurch in Frage gestellt, dass im Badezimmer seiner Woh- nung verstecktes Bargeld in Höhe von 12.800 € sichergestellt wurde, dessen Verfall das Landgericht – rechtsfehlerfrei – angeordnet hat.
- 9
- Nach den Feststellungen hat der Angeklagte zwar mit Marihuana gehan- delt, um damit „unter anderem auch seinen Eigenkonsum zu finanzieren“ (UA S. 24). Insoweit ist jedoch kein Hang des Angeklagten festgestellt. Vielmehr nimmt der Sachverständige einen „tradierten, milieu- undpeergruppenassoziierten“ Substanzmissbrauch an (UA S. 70).
- 10
- bb) Überdies gehen der Sachverständige und mit ihm das Landgericht hinsichtlich der Behandlungsprognose von einem falschen Maßstab aus, indem sie darauf abstellen, dass eine Therapie „auch nicht aussichtslos“ sei (UA S. 77). Seit der Gesetzesänderung im Jahr 2007 (BGBl. I S. 1327) bestimmt § 64 Satz 2 StGB, dass die Anordnung der Unterbringung nur dann ergehen darf, wenn eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht besteht, die untergebrachte Person zu heilen oder über eine nicht unerhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen. Dieser Maßstab galt auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits seit dessen Beschluss vom 16. März 1994 (vgl. BVerfGE 91, 1). Die dem Angeklag- ten vom Sachverständigen bescheinigte „ausreichende Therapiemotivation“ genügt den Anforderungen zur Begründung einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung in einer Entziehungsanstalt nicht, zumal auch insoweit keine Anknüpfungstatsachen mitgeteilt werden.
König Berger
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.