Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2012 - 5 StR 52/12

bei uns veröffentlicht am24.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 52/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom 5. Oktober 2011 mit den Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Einziehungs- und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Der Angeklagte wendet sich gegen dieses Urteil mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen veranlasste der homosexuell orientierte Angeklagte den damals 22 Jahre alten, an dem Williams-Beuren-Syndrom – einhergehendmit einer geistigen Behinderung vom Grade der Debilität – leidenden Geschädigten, den er am selben Tag erst kennengelernt hatte, in seine Wohnung zu kommen. Beide setzten sich nebeneinander auf das Bett. Der Angeklagte hielt auf seinen Oberschenkeln einen Laptop, auf dem er einen pornographischen Film abspielte. Er fasste dem Geschädigten in den Schritt. „Der Geschädigte zeigteeine deutlich ablehnende Reaktion und äußerte diese auch gegenüber dem Angeklagten, änderte jedoch nicht seine Sitzposition und bekundete auch nicht die Absicht, jetzt die Wohnung des Angeklagten verlassen zu wollen.“ Er war „zu diesem Zeitpunkt aufgrund sei- ner speziellen geistigen Konstitution nicht in der Lage, adäquat auf das An- sinnen des Angeklagten zu reagieren.“ Nunmehr „befahl“ der Angeklagte dem Geschädigten aufzustehen, zog diesem die Hose aus, setzte sich wieder auf das Bett, zog den Geschädigten auf seinen Schoß und führte sein Glied in dessen After ein. Der Geschädigte äußerte, dass er das nicht wolle und dass es ihm sehr wehtue (UA S. 11 f.).
3
2. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil weist rechtlich erhebliche Mängel auf (§ 337 StPO). Sie ist zwar Sache des Tatgerichts und das Revisionsgericht hat sie grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt aber nicht, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft oder unklar ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. September 2005 – 5 StR 284/05, NStZ-RR 2005, 373; Beschluss vom 23. August 2007 – 4 StR 253/07). Dies ist hier hinsichtlich der Erwägungen der Fall, mit denen das Landgericht die subjektive Tatseite des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht hat. Der Rechtsfehler erstreckt sich auf die Beurteilung der Schuldfähigkeit.
4
a) Es bestehen schon gewisse Bedenken, ob eine objektive Erkennbarkeit der Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten ausreichend festgestellt ist. Der Geschädigte wirkt bei einer Körpergröße von 1,64 m wie ein zwölf- bis dreizehnjähriger Junge und hat intellektuelle Fähigkeiten wie ein Kindergarten- oder Vorschulkind (UA S. 10). Trotz seiner geistigen Behinderung ist er in der Lage, einen eigenständigen Willen zu bilden und in einfacher Form auch zu artikulieren, vermag diesen aber gegen den bestimmt vorgetragenen Willen eines anderen nicht durchzusetzen (UA S. 21). Bei diesem Erscheinungsbild versteht es sich nicht ohne weiteres von selbst, dass sich die Widerstandsunfähigkeit nach außen hin hinreichend deutlich ausgeprägt hat.
5
b) Jedenfalls ist nicht ausreichend erörtert, ob der Angeklagte, der den Geschädigten erst am Nachmittag des Tattages kennengelernt hatte, trotz seiner eigenen psychischen Auffälligkeiten auch die – erst aufgrund eines Sachverständigengutachtens festgestellte – Widerstandsunfähigkeit des Geschädigten erkannt oder für möglich gehalten hat.
6
Der Angeklagte besuchte nach der Grundschule die Förderschule für Lernbehinderte, auf der er den Abschluss der 8. Klasse erreichte. Seit dem Tod seiner Mutter lebte er in einem Kinderheim. Wegen aggressiver Verhaltensauffälligkeiten und Anpassungsstörungen wurden sowohl Maßnahmen der Jugendhilfe – darunter auch ein längerer Aufenthalt in Rumänien – wie auch ambulante und stationäre jugendpsychiatrische Behandlungen erforderlich. Zudem befand er sich für mehrere Wochen in psychiatrischer Behandlung in einem Fachkrankenhaus (UA S. 3). Schließlich wurde er unter anderem im Jahr 2006 zu einer Geldstrafe verurteilt, wobei eine erhebliche Verminderung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen wurde; Gründe hierfür teilt das Urteil nicht mit (UA S. 5). Eine psychische Erkrankung wurde beim Angeklagten bislang nicht festgestellt; sein Intelligenzniveau liegt jedoch „im unteren Bereich der normalen Intelligenz“ (UA S. 2).
7
Zu der hier mit der Frage des Vorsatzes des Angeklagten eng verknüpften Frage seiner Schuldfähigkeit hat das Landgericht lediglich ausge- führt: „Der Angeklagte hatte sich geweigert, an der Untersuchung und Begut- achtung mitzuwirken. Der Sachverständige konnte nach seinen Ausführungen keine Feststellungen zum Merkmal nach §§ 20, 21 StGB treffen, auch liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Angeklagte nicht in der Lage gewesen ist, im Rahmen seiner geistigen Fähigkeiten einen entgegenstehenden Willen des Zeugen zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten“ (UA S. 21 f.).
8
Dies reicht hier nicht aus. Wenn sich das Tatgericht darauf beschränkt , sich der Beurteilung eines Sachverständigen anzuschließen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31, und vom 15. Januar 2003 – 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307; Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39). Hier fehlt es schon an der Darlegung der die gutachterlichen Wertungen tragenden Befunde. Ausführungen dazu, wie sich früher festgestellte beträchtliche psychische Auffälligkeiten in der konkreten Tatsituation auf das Erkenntnisvermögen und die Hemmungsfähigkeit des Angeklagten ausgewirkt haben, fehlen völlig.
9
3. Die Sache bedarf umfassender neuer tatgerichtlicher Aufklärung. Für den Fall erneuter Verurteilung des Angeklagten wird die Frage seiner uneingeschränkten Schuldfähigkeit besonders genau zu prüfen sein. Eine Einziehungsentscheidung wie die bislang getroffene erscheint außerordentlich fernliegend.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2012 - 5 StR 52/12 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

5 StR 284/05

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. September
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sch
als Verteidiger,
Rechtsanwalt K
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. Februar 2005, soweit es den Angeklagten C betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist, und
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e 1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision den Schuldspruch an und beanstandet zudem die Strafzumessung. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat insoweit mit der Sachrüge Erfolg.
2. Nach den vom Tatrichter getroffenen Feststellungen lockten der Angeklagte und sein Mittäter den Geschädigten zu einer abgelegenen Stelle, um ihn auszurauben. Der Angeklagte griff dort als erster an, indem er ein mitgeführtes Gas, möglicherweise CS-Gas, gegen den Geschädigten einsetzte und diesen schubste. Weil es dem Geschädigten nicht gelang, vor dem Angeklagten und seinem Mittäter davonzulaufen, leistete er Widerstand. Bei der anschließenden Rangelei kamen der Angeklagte und der Geschädigte so zu Fall, dass der Angeklagte auf dem Rücken und der Geschädigte bäuchlings auf ihm lag. Nunmehr trat und schlug der Mittäter auf den Geschädigten ein und versetzte ihm zwei Messerstiche in Gesäß und Oberschenkel und neun weitere in den Rücken. Als die Gegenwehr des Geschädigten schließlich nachließ, durchsuchten ihn der Angeklagte und sein Mittäter nach mitnehmenswerten Gegenständen und entwendeten unter anderem Bargeld, ein Handy, die Armbanduhr und eine Halskette.
Das Landgericht hat beim Angeklagten die Voraussetzungen eines gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 249 Abs. 1, § 52 StGB) als erfüllt angesehen. Hinsichtlich des Messereinsatzes hat die Strafkammer beim Angeklagten sowohl das Vorliegen eines schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 Nr. 1 StGB als auch einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 StGB verneint, weil der Mittäter in einem dem Angeklagten nicht zurechenbaren Exzess gehandelt habe. Hinsichtlich des Gaseinsatzes hat sie einen schweren Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 Nr. 1 StGB verneint, weil das eingesetzte Gas nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Verwendung im konkreten Fall nicht nachweisbar geeignet gewesen sei, erhebliche Verletzungen bei dem Geschädigten herbeizuführen.
3. Die Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler (vgl. § 337 StPO) enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben , wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Dabei brauchen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 18, 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; Überzeugungsbildung 26).
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu Gunsten des Angeklagten nicht. Die Strafkammer hat ausreichend dargelegt, weshalb sie hinsichtlich des Messereinsatzes einen Exzess des Mittäters bejaht hat. Die weitere Annahme des Tatrichters, dass der Angeklagte auch bis zur Tatbeendigung keine Kenntnis von den Messerstichen hatte, sondern erst „bei der nächsten Laterne – etwa 15 Meter entfernt – bemerkte, dass seine Kleidung blutverschmiert war“, ist nicht völlig lebensfremd und vom Revisionsgericht noch hinzunehmen. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung auch darauf gestützt , dass die am Tatort befindliche Straßenlaterne ausgefallen und es dort dunkel war, der Angeklagte unter dem Geschädigten lag und die diesem zugefügten Messerstiche als Schläge deutete, das Messer in den Händen des Mittäters nicht bemerkte und ihm die Blutflecke an seiner Kleidung nicht schon bei der anschließenden Durchsuchung des Geschädigten am Tatort, sondern erst an der nächsten Laterne auffielen und er dort dem Mittäter eine Ohrfeige versetzte, weil er den Messereinsatz nicht billigte.
4. Im Hinblick auf die vom Tatrichter rechtsfehlerfrei angenommene objektive Ungefährlichkeit des verwendeten Gases ist es nicht zu beanstanden , dass die Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB verneint worden sind. Das Landgericht hat jedoch übersehen, dass in diesem Fall § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StGB anwendbar ist. Das vom Angeklagten eingesetzte Gas ist als Werkzeug oder Mittel im Sinne dieser Vorschrift, bei der es sich um einen Auffangtatbestand handelt (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1a Waffe 2), zu bewerten. Der Angeklagte hat das Werkzeug oder Mittel nicht nur – was ausreichen würde – in der Absicht mitgeführt, dieses Tatmittel zur Verhinderung oder Überwindung des Widerstandes des Geschädigten durch Gewaltanwendung oder Drohung damit einzusetzen, sondern sogar verwendet. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich ersichtlich nicht anders hätte verteidigen können.
5. Die Nachprüfung des Urteils hat im Übrigen keinen den Angeklagten begünstigenden oder beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Sache bedarf demnach neuer Strafzumessung. Dazu ist eine allgemeine Strafkammer berufen, weil sich das weitere Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet (vgl. BGHSt 35, 267).
Harms Häger Raum Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 253/07
vom
23. August 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 23. August 2007 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird, soweit er verurteilt worden ist, das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 19. Oktober 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.
3
Das Landgericht ist zwar mit tragfähiger Begründung zu der Überzeugung gelangt, die 16jährige Nebenklägerin habe sich bei Beginn und während der Durchführung der sexuellen Handlungen objektiv in einer schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB befunden und sei nur im Hinblick auf ihre Schutzlosigkeit aus Angst vor dem körperlich überlegenen Angeklagten den sexuellen Handlungen widerstandslos nachgekommen, ohne jedoch hiermit einverstanden gewesen zu sein (vgl. BGHSt 50, 359, 364 ff.; Senatsbeschluss vom 4. April 2007 - 4 StR 345/06 - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Nicht hinreichend belegt ist indes die Annahme, der Angeklagte sei jedenfalls bedingt vorsätzlich vom Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Nebenklägerin ausgegangen. Insoweit ist die Beweiswürdigung lückenhaft. In Anbetracht der getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht erörtern müssen, ob sich der Angeklagte in einem den Vorsatz ausschließenden Irrtum nach § 16 Abs. 1 StGB befand (vgl. BGHSt 39, 244, 245).
4
Der subjektive Tatbestand einer Vergewaltigung unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage erfordert zumindest einen bedingten Vorsatz des Täters dahin , dass das Tatopfer in die sexuellen Handlungen nicht einwilligt und es gerade im Hinblick auf seine Schutzlosigkeit auf möglichen Widerstand verzichtet (BGHSt 50, 359, 368). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht als erfüllt angesehen und sich dabei indiziell auf den Inhalt eines längeren, zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin vor der Tat geführten Gesprächs gestützt (UA 19). Im Verlauf dieses Gesprächs habe der Angeklagte zum Ausdruck gebracht zu erkennen, dass die Nebenklägerin Angst vor ihm habe. Die Nebenklägerin habe ihrerseits den Angeklagten darauf hingewiesen, keinen Geschlechtsverkehr mit ihm zu wollen. Da der Angeklagte trotz dieses Wissens und in Kenntnis der Abgelegenheit der Örtlichkeit die Nebenklägerin zum Beischlaf gedrängt habe, habe er zumindest gebilligt, dass er sich über deren Willen hinwegsetzte. Anzeichen dafür, dass die Nebenklägerin ihre Meinung geändert haben könnte, seien nicht ersichtlich.
5
Hierbei hat die Strafkammer übersehen, dass sich die Nebenklägerin - jedenfalls aus Sicht des Angeklagten - während des Geschehens durchaus ambivalent verhielt, indem sie etwa von sich aus dem Angeklagten vorschlug, ihn oral zu befriedigen und dem auch nachkam, da, was der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen nicht erkannt hatte, ihr der zuvor vollzogene vaginale Verkehr Schmerzen bereitet hatte. Diesem Umstand kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil die Nebenklägerin ihr eigenes Verhalten vor und während der sexuellen Handlungen als für den Angeklagten möglicherweise missverständlich beschrieb. So gab sie im Rahmen der Exploration gegenüber der Sachverständigen auf deren Frage, ob der Angeklagte ihr fehlendes Einverständnis hätte bemerken müssen, an, der Angeklagte habe möglicherweise nicht bemerkt, dass sie während des Geschlechtsverkehrs geweint und vor Schmerzen geschrieen habe. Der Angeklagte habe "dies möglicherweise auch für Stöhnen halten können". Insgesamt, so die Nebenklägerin weiter, habe sie sich "komisch" verhalten und dem Angeklagten auch nicht "konkret" gesagt, dass sie sexuelle Handlungen nicht wolle (UA 35). Feststellungen, die diese Einschätzung der Nebenklägerin widerlegen, hat das Landgericht nicht getroffen.
6
Dieser von der Nebenklägerin wiedergegebene Eindruck und die kritische Beurteilung ihres eigenen Verhaltens drängten deshalb vor dem Hintergrund der festgestellten Initiative der Nebenklägerin bei Durchführung des Oralverkehrs zur Prüfung der Frage, ob der Angeklagte bei Beginn der sexuellen Handlungen und Vollendung der Tat irrtümlich davon ausging, die Nebenklägerin habe ihre im vorausgegangenen Gespräch geäußerte ablehnende Meinung aufgegeben und sei jedenfalls nunmehr mit den sexuellen Handlungen einverstanden. Entsprechende Erörterungen enthält das Urteil nicht.
7
Die Sache muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 223/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 15. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15. Januar 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger,
Rechtsanwältin M
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18. Juli 2001 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Kosten der Revisionen des Nebenklägers und des Angeklagten fallen dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen Totschlags zehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt, hat ihn unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und hat seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Revision eingelegt. Während sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts wendet und darüber hinaus die Strafzumessung angreift, beanstanden Staatsanwaltschaft und Nebenkläger, daß der Angeklagte nicht wegen Mordes verurteilt worden ist. Außerdem rügen sie, das Landgericht habe sich mit der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht zutreffend auseinandergesetzt und das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ungeprüft übernommen. Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
Am Vorabend der Tat begab sich der bereits angetrunkene Ange- klagte in eine Gaststätte, wo er zunächst eine tätliche Auseinandersetzung mit einem entfernten Bekannten provozierte. Kurze Zeit später wurde er beschuldigt , gegen das vor der Gaststätte abgestellte Fahrzeug des Zeugen S getreten und möglicherweise auch versucht zu haben, dieses zu entwenden. Da jedoch zunächst keine Beschädigungen an dem PKW festzustellen waren, ließ der Zeuge die Sache auf sich beruhen und kehrte – ebenso wie der Angeklagte – in die Gaststätte zurück. Dort wurde er von dem empörten Angeklagten beschimpft und kurzfristig auch mit einem Butterflymesser bedroht. Im Verlauf des Abends nahm der Angeklagte weiter Alkohol zu sich und konsumierte auch Rauschgift.
Gegen 1.00 Uhr des folgenden Tages machte sich das spätere Tatopfer , die 62jährige T , auf den Heimweg. Auf Bitten des Gastwirts nahm sie neben dem Zeugen V auch den ihr bis dahin unbekannten Angeklagten in ihrem Wagen mit, da beide in einem Ort auf der Wegstrecke der Frau T wohnten. Dort angekommen, stieg zunächst der Zeuge aus, wobei ihm der Angeklagte behilflich war, sein Fahrrad aus dem Kofferraum zu heben. Als Frau T bei der Weiterfahrt auf einem unbefestigten Weg langsam fahren mußte, stach der Angeklagte plötzlich mit dem Butterflymesser auf sie ein und brachte ihr insgesamt 31 Stich- und Schnittverletzungen bei. Nachdem T aufgrund der erlittenen schweren Verletzungen immer schwächer geworden war, drängte der Angeklagte sie aus dem Auto; die Frau verblutete am Wegesrand.
Mit dem PKW seines Opfers fuhr der Angeklagte anschließend zur Wohnung eines befreundeten Paares, wo er sich im folgenden verborgen hielt. Nach drei Tagen wurde er dort festgenommen; unter der Kranzleiste des Küchenschranks wurde die EC-Karte der Getöteten gefunden.
Zur Schuldfähigkeit hat die sachverständig beratene Strafkammer festgestellt, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund vorherigen Alkohol- und Drogenmißbrauchs im Sinne von § 21 StGB erheblich eingeschränkt war.

II.


Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Daß der Tatrichter angesichts der massiven Vorgehensweise des Angeklagten (bedingten) Tötungsvorsatz angenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Strafzumessung enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

III.


Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen von Habgier und niedrigen Beweggründen abgelehnt hat, halten rechtlicher Prüfung stand. Auch daß die Strafkammer die Mordmerkmale der heimtückischen und grausamen Begehungsweise nicht erkennbar geprüft hat, begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
1. Ein Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines noch über bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens darstellt (BGHSt 29, 317, 318; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 8 m. w. N).
Dies hat das Landgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei verneint. Dabei hat es sich ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte , der sich an die Tat und deren Vorgeschichte nicht erinnern will, mit der Absicht gehandelt hat, sich den PKW seines Opfers und/oder die ECKarte zuzueignen. Die Strafkammer vermochte jedoch nicht auszuschließen, daß der Angeklagte erst nach dem Zustechen den Gedanken faßte, unter Benutzung des Fahrzeugs zu flüchten. Bei dieser Erwägung hat sie nicht übersehen, daß der Angeklagte kurz vor der Tat verdächtigt worden war, sich möglicherweise in Diebstahlsabsicht dem Fahrzeug des Zeugen S genähert zu haben, hat diesen nicht bewiesenen Umstand dann aber zu Recht außer Betracht gelassen. Es liegt ebenfalls im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung, wenn das Landgericht es im Hinblick auf die EC-Karte der Getöteten für möglich hält, daß er diese erst nach der Tat entdeckt und dann an sich genommen hat. Allerdings hat die Strafkammer in dem hier gegebenen Zusammenhang die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten wegen Diebstahls , Raubes und gefährlicher Körperverletzung nicht ausdrücklich in die Beweiswürdigung mit einbezogen. Angesichts der ausführlichen Darstellung dieser früheren Straftaten im Urteil ist jedoch auszuschließen, das Landgericht könne deren mögliche indizielle Bedeutung nicht bedacht haben.
2. Auch daß die Strafkammer das Vorliegen niedriger Beweggründe abgelehnt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Beweggründe sind niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen (vgl. BGHSt 42, 226, 228; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 9 m. w. N.). In subjektiver Hinsicht muß hinzukommen, daß sich der Täter bei der Tat der Umstände bewußt ist, die seine Beweggründe als niedrig erscheinen lassen, und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann (BGHSt 28, 210, 212; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 11 und 15). Ob dies der Fall ist, bedarf insbesondere bei plötzlichen
Situationstaten genauerer Prüfung (vgl. BGH StV 2000, 20, 21, BGH NStZ 2001, 87; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 12 m. w. N.).
Aus welchen Motiven der Angeklagte T getötet hat, konnte letztlich nicht zuverlässig geklärt werden. Von Habgier hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht zu überzeugen vermocht. Für das Vorliegen anderer Motive fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Gestützt auf die Aussage des Zeugen V , wonach auf der Heimfahrt eine ruhige Atmosphäre herrschte und der Angeklagte sich unauffällig verhielt, sieht die Strafkammer auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß T den Angeklagten kurz vor der Tat verärgert oder in anderer Weise in Wut versetzt haben könnte. Angesichts des gesamten Tatbildes einschließlich der Vorgeschichte, der psychischen Verfassung und der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten ist die Annahme des Landgerichts, der zur Tatzeit erheblich unter Alkohol- und Drogeneinfluß stehende Angeklagte habe die Tat nicht ausschließbar in einem affektiven Durchbruch ohne Vorplanung aus dem Augenblick heraus begangen, nicht fernliegend.
Einer Prüfung, ob sich darüber hinaus die Annahme niedriger Beweggründe auch deshalb verbot, weil fraglich erscheint, daß sich der zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkte Angeklagte bei seinem nicht ausschließbar spontan geführten Angriff der etwaigen Niedrigkeit seiner Beweggründe bewußt war, bedurfte es daher nicht.
3. Des weiteren begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, daß die Strafkammer nicht erkennbar geprüft hat, ob der Angeklagte T heimtückisch oder grausam getötet hat.
Zwar liegt es nicht fern, daß T arg- und wehrlos war, als der Angeklagte sie mit Tötungsvorsatz angriff. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe und insbesondere dem ausführlich dargestellten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen entnimmt der Senat jedoch,
daß der Tatrichter jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen der Heimtükke , nämlich das Bewußtsein, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auszunutzen , sicher ausgeschlossen hat; entsprechende Ausführungen waren danach nicht unerläßlich. Auch die Staatsanwaltschaft hat ihre Anklage nicht auf das Mordmerkmal der Heimtücke gestützt.
Die Feststellungen belegen bereits nicht die objektiven Voraussetzungen einer grausamen Begehungsweise im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB. Jedenfalls durfte das Landgericht auch hier annehmen, daß dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, dem Opfer beim Tötungsvorgang besondere Qualen zuzufügen. Die Nichterörterung dieser Gesichtspunkte stellt deshalb keinen Rechtsfehler dar, zumal da die Staatsanwaltschaft auch dieses Mordmerkmal in der Anklage nicht benannt hat.
4. Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt schließlich auch die weitere sachlichrechtliche Beanstandung zur erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit.
Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen W , dem das Landgericht gefolgt ist. Die hiergegen geltend gemachten Bedenken, das Landgericht habe es bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit an der gebotenen eigenverantwortlichen Prüfung des Gutachtens (vgl. BGHSt 7, 238; 12, 311; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 92) fehlen lassen, sind unbegründet. Das Landgericht hat nach eingehender Darstellung des Gutachtens zusammenfassend ausgeführt, daß angesichts der Erläuterungen des Sachverständigen keine Zweifel daran bestehen , daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bei erhaltener Einsichtsfähigkeit erheblich in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt und damit vermindert schuldfähig gewesen sei (UA S. 44). Daß die Strafkammer sich genügend mit dem Sachverständigen auseinandergesetzt hat, lassen auch die Urteilsausführungen zur Persönlichkeit des Angeklagten erkennen, die das Gutachten eng mit der Frage der Schuld verknüpft. In diesem Zusammen-
hang teilt das Urteil im einzelnen mit, aus welchen Gründen es sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt und sich dessen Ausführungen zu eigen macht (UA S. 34).
Davon abgesehen darf sich der Tatrichter auch mangels genügender eigener Kenntnisse auf dem für die Urteilsfindung maßgeblichen Wissensgebiet darauf beschränken, sich der Beurteilung des Sachverständigen hinsichtlich der einschlägigen Fachfragen anzuschließen, wenn er die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergibt, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (vgl. BGHSt 7, 238; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 32 m. w. N.). Dies ist im vorliegenden Fall mehr als ausreichend geschehen. Insbesondere hat der Sachverständige auch zu den von den Beschwerdeführern angeführten Gesichtspunkten Stellung genommen, die nach Auffassung der Revision eine erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen. Dies gilt namentlich im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten, das keine Störungen seines Leistungsverhaltens oder sonstige auf eine erheblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit hinweisenden Auffälligkeiten erkennen ließ. Der Sachverständige hat dieses Phänomen nachvollziehbar damit erklärt, daß hier das zusätzlich zu dem Alkohol genossene Rauschgift bei dem ohnehin zu Aggressionen neigenden Angeklagten einen affektiven
Durchbruch begünstigt haben könnte, wobei der Sachverständige dies ausdrücklich nur auf den Tatzeitpunkt bezieht (UA S. 41, 42). Mit einem unauffälligen Nachtatverhalten des alkoholgewohnten Angeklagten ist diese Bewertung vereinbar (vgl. BGHR StGB § 21 Alkoholauswirkungen 6; Blutalkoholkonzentration

4).


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