Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2017 - 5 StR 510/17

bei uns veröffentlicht am27.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 510/17
vom
27. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:271117B5STR510.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. Juni 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Adhäsionsausspruch im Feststellungsausspruch wie folgt neu gefasst wird: Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus der Straftat vom 7. November 2016 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Adhäsions- und Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
1. Der Adhäsionsausspruch war entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts teilweise klarzustellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. September 2017 – 5 StR 396/17 mwN).
2
2. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
3
Das Landgericht hat bei der Prüfung des minder schweren Falls nach § 226 Abs. 3 StGB die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzuhaltende Reihenfolge der Einstellung vertypter Milderungsgründe (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2015 – 5 StR 247/15; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1115 ff., jeweils mwN) nicht hinreichend beachtet. Der Senat kann jedoch ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) ausschließen. Die sich nach der von der Strafkammer vorgenommenen Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ergebende Mindeststrafe ist mit sechs Monaten geringer als die in § 226 Abs. 3 StGB bezeichnete (ein Jahr). An der Höchststrafe (elf Jahre drei Monate statt zehn Jahre) hat sich das Landgericht bei der Strafbemessung ersichtlich nicht orientiert.
Sander Schneider Dölp
König Mosbacher

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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2017 - 5 StR 510/17 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 226 Schwere Körperverletzung


(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person 1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nic

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Sept. 2017 - 5 StR 396/17

bei uns veröffentlicht am 06.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 396/17 vom 6. September 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:060917B5STR396.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach A

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Aug. 2015 - 5 StR 247/15

bei uns veröffentlicht am 04.08.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR247/15 vom 4. August 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten schweren Raubes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2015 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 396/17
vom
6. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:060917B5STR396.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 11. Mai 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Adhäsionsausspruch wie folgt neu gefasst wird: Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus der Straftat vom 23. Oktober 2016 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen; er hat jedoch die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Adhäsions- und Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Im Hinblick auf die Neufassung des Adhäsionsausspruchs bemerkt der Senat: Der Erlass eines Grundurteils setzt nach § 304 ZPO die Geltendmachung eines bezifferten Anspruchs voraus (Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 304 ZPO Rn. 3 f.). Der Senat versteht den in der Hauptverhandlung vom 27. April 2017 gestellten Adhäsionsantrag vor dem Hintergrund des ihn begründenden Schriftsatzes vom 26. April 2017 indes als zulässigen Feststellungsantrag. Ein Feststellungsinteresse ist angesichts der nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung hinreichend dargetan (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017, 196 mwN).

Mutzbauer Sander Schneider RiBGH Prof. Dr. König ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Mosbacher

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR247/15
vom
4. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2015 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 25. Februar 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine dagegen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts geführte Revision hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Der Strafausspruch kann insgesamt keinen Bestand haben.
1. Das Landgericht hat bei der Festsetzung der Strafe im Fall 1 die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB verkannt. Weder die spezial- noch die generalpräventiven Erwägungen der Strafkammer tragen die Annahme einer Unerlässlichkeit im Sinne dieser Vorschrift, wie sie von der Strafkammer besonders hervorgehoben worden ist (UA S. 14). Dies gilt insbesondere vor dem Hin-
tergrund, dass der Angeklagte bislang unbestraft war und sich seit dem 24. September 2014 in Untersuchungshaft befindet.
2. Darüber hinaus hat die Strafkammer im Fall 2 bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 250 Abs. 3 StGB vorliegt, nicht bedacht, dass der vertypte Milderungsgrund nach § 23 Abs. 2 StGB zusammen mit anderen Milderungsgründen die Annahme eines minder schweren Falles begründen kann (dazu und zu der Prüfungsreihenfolge: BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 – 4 StR 430/12, NStZ – RR 2013, 168; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Auflage, Rn. 1122 ff.).
3. Die fehlerhafte Strafzumessung in den beiden Fällen führt zur Aufhebung der jeweiligen Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Würdigung mildere Strafen verhängt worden wären.
Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitere Feststellungen, die allerdings den bestehenden nicht widersprechen dürfen, sind möglich.
Schneider Dölp König
Berger Bellay

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.