Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2017 - 5 StR 510/17
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die der Adhäsions- und Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- 1. Der Adhäsionsausspruch war entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts teilweise klarzustellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. September 2017 – 5 StR 396/17 mwN).
- 2
- 2. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
- 3
- Das Landgericht hat bei der Prüfung des minder schweren Falls nach § 226 Abs. 3 StGB die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einzuhaltende Reihenfolge der Einstellung vertypter Milderungsgründe (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2015 – 5 StR 247/15; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1115 ff., jeweils mwN) nicht hinreichend beachtet. Der Senat kann jedoch ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) ausschließen. Die sich nach der von der Strafkammer vorgenommenen Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ergebende Mindeststrafe ist mit sechs Monaten geringer als die in § 226 Abs. 3 StGB bezeichnete (ein Jahr). An der Höchststrafe (elf Jahre drei Monate statt zehn Jahre) hat sich das Landgericht bei der Strafbemessung ersichtlich nicht orientiert.
König Mosbacher
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen; er hat jedoch die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Adhäsions- und Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Im Hinblick auf die Neufassung des Adhäsionsausspruchs bemerkt der Senat: Der Erlass eines Grundurteils setzt nach § 304 ZPO die Geltendmachung eines bezifferten Anspruchs voraus (Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 304 ZPO Rn. 3 f.). Der Senat versteht den in der Hauptverhandlung vom 27. April 2017 gestellten Adhäsionsantrag vor dem Hintergrund des ihn begründenden Schriftsatzes vom 26. April 2017 indes als zulässigen Feststellungsantrag. Ein Feststellungsinteresse ist angesichts der nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung hinreichend dargetan (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 414/16, StraFo 2017, 196 mwN).
Mutzbauer Sander Schneider RiBGH Prof. Dr. König ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Mosbacher
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine dagegen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts geführte Revision hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel nach § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.Der Strafausspruch kann insgesamt keinen Bestand haben.
1. Das Landgericht hat bei der Festsetzung der Strafe im Fall 1 die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB verkannt. Weder die spezial- noch die generalpräventiven Erwägungen der Strafkammer tragen die Annahme einer Unerlässlichkeit im Sinne dieser Vorschrift, wie sie von der Strafkammer besonders hervorgehoben worden ist (UA S. 14). Dies gilt insbesondere vor dem Hin-
tergrund, dass der Angeklagte bislang unbestraft war und sich seit dem 24. September 2014 in Untersuchungshaft befindet.
2. Darüber hinaus hat die Strafkammer im Fall 2 bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall gemäß § 250 Abs. 3 StGB vorliegt, nicht bedacht, dass der vertypte Milderungsgrund nach § 23 Abs. 2 StGB zusammen mit anderen Milderungsgründen die Annahme eines minder schweren Falles begründen kann (dazu und zu der Prüfungsreihenfolge: BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 – 4 StR 430/12, NStZ – RR 2013, 168; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Auflage, Rn. 1122 ff.).
3. Die fehlerhafte Strafzumessung in den beiden Fällen führt zur Aufhebung der jeweiligen Einzelfreiheitsstrafen und der Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei rechtsfehlerfreier Würdigung mildere Strafen verhängt worden wären.
Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitere Feststellungen, die allerdings den bestehenden nicht widersprechen dürfen, sind möglich.
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
- 1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert, - 2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder - 3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.