Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2011 - 5 StR 501/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts , die durch das weitere Revisionsvorbringen nicht entkräftet werden, bemerkt der Senat: Die von dem Angeklagten beanstandeten Verletzungen des § 253 StPO sind nicht in zulässiger Weise ausgeführt. Die rügebegründenden Tatsachen werden jeweils durch den Beschwerdeführer nicht vollständig vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Den Verfahrensbeanstandungen liegen vier durch den Vorsitzenden der Strafkammer nach § 253 Abs. 1 StPO angeordnete Verlesungen von Niederschriften über polizeiliche Zeugenvernehmungen zum Zwecke der Gedächtnisunterstützung zugrunde. Die Verlesungen erfolgten jeweils, nachdem die Zeugin T. erklärt hatte, sie könne sich auch auf Vorhalt nicht an einzelne ihrer Angaben im Rahmen früherer polizeilicher Vernehmungen erinnern. Ausweislich des Revisionsvortrags – und mangels staatsanwaltschaftlicher Gegenerklärung unwiderlegt – wurde die Zeugin nach jeder einzelnen Verlesung weiter vernommen und machte jeweils „weitere Angaben zur Sache“. Der Beschwerdeführer erblickt in diesem sukzessiven Vorgehen der Strafkammer eine rechtsfehlerhafte Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch den Urkundenbeweis.
Im Grundsatz zutreffend hebt die Revision darauf ab, dass ein Zeuge vor Anordnung der Protokollverlesung nach § 253 Abs. 1 StPO vollständig, gegebenenfalls auch unter Einsatz von Vernehmungsbehelfen – die regelmäßig ausreichen werden – vernommen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1965 – 1 StR 4/65, BGHSt 20, 160, 162; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 253 Rn. 3; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess , 5. Aufl., S. 277 mN). Im Sinne bestmöglicher Wahrheitsermittlung ist der Zeuge dabei zu veranlassen, im Zusammenhang anzugeben, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StPO); daran anschließend ist er zu vernehmen (§ 69 Abs. 2 StPO).
Diese Vorgaben verbieten es indes nicht, die Zeugenvernehmung im Interesse des Zeugen, aber auch einer zügigen Verfahrensführung angemessen zu strukturieren, namentlich komplexen Verfahrensstoff in einzelne Abschnitte zu gliedern (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1965 – 4 StR 343/65, bei Dallinger MDR 1966, 25; E. Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozessordung und zum Gerichtsverfassungsgesetz Teil II, § 69 Rn. 4; zur Strukturierung der Sachvernehmung des Angeklagten vgl. KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 243 Rn. 39). Umfasst eine Anklageschrift mehrere Taten im prozessualen oder materiell-rechtlichen Sinne und damit naheliegenderweise verschiedene Beweisthemen im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. Rogall in SKStPO , 45. Lfg., § 69 Rn. 12), ist eine daran orientierte Vernehmungsgestaltung regelmäßig sogar geboten. Der Zeuge hat sein Wissen jeweils für das einzelne Beweisthema im Zusammenhang vorzutragen. Kann er sich dabei nach einer vollständigen auch unter Einsatz von Vorhalten durchgeführten Vernehmung an einzelne Tatsachen nicht erinnern, so begründet eine daran anknüpfende Protokollverlesung einen Verstoß gegen § 253 Abs. 1 StPO grundsätzlich auch dann nicht, wenn anschließend die Vernehmung bezogen auf weitere Beweisthemen fortgeführt wird.
Daher ist zum Gegenstand einer zulässigen Verfahrensbeanstandung nach § 253 Abs. 1 StPO namentlich bei umfangreichen Anklagevorwürfen auch zu machen, ob und in welcher Weise die Vernehmung durch die Strafkammer gegliedert wurde. Anderenfalls ist dem Revisionsgericht eine Überprüfung verschlossen, ob das Erfordernis einer der Verlesung vorangehenden vollständigen Zeugenvernehmung durch das Tatgericht erfüllt worden war. Dazu verhält sich das Revisionsvorbringen hier nicht.
Der Senat kann mit Blick auf diesen Zulässigkeitsmangel es dahin stehen lassen, ob der Revisionsführer zum Erhalt seiner Verfahrensrüge bei sämtlichen einzelnen Anordnungen nach § 253 Abs. 1 StPO vom Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO hätte Gebrauch machen müssen (vgl. Mosbacher in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 253, Rn. 26) und ob auf einem etwaigen Verstoß mit der hier gegebenen Zielrichtigung ein Urteil überhaupt beruhen könnte.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.
(1) Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen.
(2) Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nötigenfalls weitere Fragen zu stellen. Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, ist insbesondere Gelegenheit zu geben, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.
(3) Die Vorschrift des § 136a gilt für die Vernehmung des Zeugen entsprechend.
(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.
(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.
(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.