Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2011 - 5 StR 467/10

published on 24/02/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2011 - 5 StR 467/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 467/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2011

beschlossen:
Der Antrag des Generalbundesanwalts, die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Juni 2010 nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen , wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nach Verkündung des Urteils erklärte der Angeklagte im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung zweimal ausdrücklich: „Ich verzichte auf Einlegung eines Rechtsmittels.“ Gleichwohl hat er unter Widerruf des Verzichts rechtzeitig Revision eingelegt, die sein – neuer – Verteidiger innerhalb eines Monats nach Urteilszustellung begründet hat. Neben der allgemeinen Sachrüge hat der Verteidiger zur Zulässigkeit der Revision ausgeführt, der Angeklagte sei zu dem Rechtsmittelverzicht durch eine unrichtige, irreführende Auskunft eines Arztes des Krankenhauses des Maßregelvollzugs veranlasst worden, der ihm für den Fall der Rechtskraft der Unterbringung eine begrenzte Dauer des Maßregelvollzugs von allenfalls drei Monaten versprochen habe.
2
Der Senat hält die Revision für zulässig, weil der vom Angeklagten im Anschluss an die Urteilsverkündung erklärte Rechtsmittelverzicht – ausnahmsweise – unwirksam ist. Bei der Annahme einer solchen Ausnahme orientiert sich der Senat an der Wertung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Fällen dieser Art (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 1999 – 4 StR 693/98, NStZ 1999, 258; vom 6. Mai 1999 – 4 StR 79/99, NStZ 1999, 526; vom 19. September 2000 – 4 StR 337/00; vom 5. Janu- ar 2005 – 4 StR 520/04, NStZ-RR 2005, 149; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 302 Rn. 8a mN).
3
Die außergewöhnlichen Fallbesonderheiten ergeben sich hier aus einer Gesamtschau folgender Umstände: Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war wegen eines schweren psychischen Defekts bei der Begehung von durch Willenserklärungen geprägten Straftaten – Betrug, versuchter Betrug , versuchte Nötigung – aufgehoben; sein Handeln bewegte sich krankheitsbedingt in einem irrationalen Bezugsrahmen (UA S. 84). Er ist für die Allgemeinheit wegen krankheitsbedingt fehlender sozialer Kompetenz gefährlich (UA S. 88). Die Hauptverhandlung störte er wiederholt und nachhaltig durch sachfremde, teils überbordend ausführliche Anträge und Erklärungen. Eine Beratung durch seinen Pflichtverteidiger, dessen Ablösung er wiederholt vergeblich begehrte, lehnte er ab. Die Rechtsmittelverzichtserklärung gab er so ohne jede rechtskundige Beratung unmittelbar nach Verkündung der seine persönliche Freiheit besonders nachhaltig beeinträchtigenden Verurteilung zur Maßregel des § 63 StGB ab. Der zur Zulässigkeit der Revision vorgetragene Motivirrtum legt nahe, dass er die Bedeutung dieser Verurteilung krankheitsbedingt – möglicherweise auch beeinflusst durch ein so verursachtes Missverständnis ärztlicher Erklärungen – nicht durchschaut hat.
4
Unter diesen Voraussetzungen hätte der Strafkammervorsitzende Zweifeln an der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nicht nur, wie geschehen , durch wiederholte Nachfrage begegnen dürfen. Er hätte die Verzichtserklärung wegen hierauf bezogener unüberwindbarer Zweifel an einer Verhandlungsfähigkeit des psychisch kranken, anwaltlich faktisch nicht beratenen Angeklagten gar nicht entgegennehmen dürfen. Diese bei der gegebenen besonderen Sachlage auch für das Revisionsgericht nicht überwindbaren Zweifel führen zur Annahme der Unwirksamkeit des erklärten Rechtsmittelverzichts.
5
Da der Generalbundesanwalt – auch hilfsweise – keinen Sachantrag gestellt hat, sieht der Senat hier Anlass für eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Revision zur sachgerechten Förderung des Rechtsmittelverfahrens , welches nunmehr mit einem Sachantrag des Generalbundesanwalts zur rechtzeitig begründeten Revision des Angeklagten weiter zu fördern sein wird.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und
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published on 19/09/2000 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 337/00 vom 19. September 2000 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. September 2000 gemäß § 3
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.