Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2012 - 5 StR 428/12

published on 09/10/2012 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2012 - 5 StR 428/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
5 StR 428/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. März 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen der Taten 1 bis 3 (Vergewaltigung , vorsätzliche Körperverletzung in zwei Fällen) verurteilt worden ist, und
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Ferner hat es ihn verurteilt, an die Nebenklägerin 7.250 € Schmerzensgeld zu bezahlen. Gegen das Urteil rich- tet sich die auf Verfahrensrügen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie erzielt mit einer Verfahrens- rüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterhielten der Angeklagte und die Nebenklägerin seit Februar 2009 eine sich bis in den Herbst 2010 erstreckende Intimbeziehung.
3
a) Bereits zu Anfang, nämlich zwischen dem 16. April und dem 19. Juni 2009, schlug und trat der Angeklagte die Nebenklägerin gegen Kopf und Oberschenkel, weil sie einen Trennungswunsch ausgesprochen hatte; sie war wegen der Gewalttätigkeit des Angeklagten so sehr verängstigt, dass sie einnässte (Tat 1 – Einzelfreiheitsstrafe sechs Monate). Noch am Abend desselben Tages vergewaltigte der Angeklagte die Nebenklägerin und würgte sie dabei so stark, dass sie kaum noch atmen konnte und Todesangst litt; abermals hatte die Nebenklägerin zuvor gesagt, sich vom Angeklagten trennen zu wollen (Tat 2 – Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe).
4
b) Trotz der Taten blieb die Nebenklägerin mit dem Angeklagten zusammen. Grund war ihre Angst vor weiteren Gewalttätigkeiten, jedoch auch, dass ihre Zuneigung für ihn nicht „völlig vergangen war und sie überdies die Sexualität mit ihm nicht missen wollte“ (UA S. 24). Die weitere Beziehung war geprägt von häufigen Sexualakten, teils auch unter Hinzuziehung weiterer Sexualpartner, namentlich in Swingerclubs. In der Wohnung wurden Spiegelfliesen angebracht, um die Selbstbeobachtung beim Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Beide ließen sich Intimpiercings anbringen sowie den Vornamen des jeweils anderen auf den Rücken tätowieren. Die Nebenklägerin schenkte dem Angeklagten im Herbst 2009 eine teure Motorradjacke und finanzierte ihm im Frühjahr 2010 ein Motorrad im Wert von knapp 10.000 €.
5
Mitte des Jahres 2010 verschlechterten sich die Verhältnisse. Die Nebenklägerin erwirkte am 29. Juni 2010 eine Anordnung nach dem Gewalt- schutzgesetz gegen den Angeklagten und erstattete wegen verschiedener Vorfälle mehrfach Strafanzeige gegen ihn. Dass sie von ihm im Frühjahr 2009 schwer misshandelt und anschließend vergewaltigt worden war, erwähnte sie weder im Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz noch bei ihren Strafanzeigen. Sie offenbarte sich auch Vertrauenspersonen nicht. Trotz ihrer gegen den Angeklagten unternommen Maßnahmen hatte sie mit ihm weiterhin auch sexuelle Kontakte; Ende Juli 2010 verbrachten sie und der Angeklagte einen Urlaub in Tunesien. Zuvor hatten sie eine Vielzahl liebevoller Kurznachrichten ausgetauscht. Nach Rückkehr aus dem Urlaub verschärften sich die Partnerschaftsprobleme. Gleichwohl verkehrten die Nebenklägerin und der Angeklagte geschlechtlich miteinander, so im Rahmen eines Besuchs in einem Swingerclub am 29. August 2010, und trafen sich ungeachtet von der Nebenklägerin im Rahmen des Gewaltschutzverfahrens danach unternommener Initiativen bis etwa Anfang November 2010 einvernehmlich miteinander.
6
c) Am frühen Morgen des 12. November 2010 wartete der Angeklagte vor einem Club auf die Nebenklägerin, in dem diese als Stripteasetänzerin arbeitete. Er geriet in Wut und biss die Nebenklägerin in die Nase, woraufhin diese ihm Reizgas ins Gesicht sprühte; er schlug mit den Fäusten auf sie ein, bis sie sich nach einem weiteren Sprühstoß retten konnte (Tat 3 – Einzelfreiheitsstrafe sechs Monate). Einige Stunden später passte der Angeklagte die Nebenklägerin vor ihrem Wohnhaus ab und verfolgte sie bei einem Fluchtversuch ; er stieß sie mit der Folge von Schürfwunden in eine Hecke (Tat 4 – Einzelfreiheitsstrafe vier Monate) und schlug deren ihr zu Hilfe eilenden Bekannten gegen den Kopf, wodurch er Platzwunden verursachte und dessen Brille zerstörte (Tat 5 – Einzelfreiheitsstrafe sechs Monate).
7
d) Mit ihrem Bekannten erstattete die Nebenklägerin noch am 12. November 2010 (erneut) Strafanzeige gegen den Angeklagten. Abermals teilte sie die Taten 1 und 2 nicht mit. Den Vergewaltigungsvorwurf erhob sie erst in einem Telefongespräch mit einer Polizeibeamtin am 30. November 2010.
8
e) Bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung behauptete die Nebenklägerin , es habe nach der Vergewaltigung keinen freiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten mehr gegeben; sie habe sich beim Sex „wie eine Puppe“ verhalten. Die Beziehung habe sie nur gezwungener- maßen und aus Angst vor dem Angeklagten fortgesetzt.
9
Diese Aussage und eine Reihe von der Nebenklägerin in diesem Zusammenhang gemachter Einzelangaben hat das Landgericht nach Beweiserhebung widerlegt. Die Unwahrheiten stellten die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen insbesondere zu den Taten 1 und 2 jedoch nicht in Frage. Sie beträfen nicht das Kerngeschehen. Das Aussageverhalten der Nebenkläge- rin sei „offensichtlich besetzt von Gefühlen der Scham, von greifenden Ver- drängungsmechanismen, die zu Erinnerungslücken bzw. zu der Unfähigkeit geführt haben, sich (und der Kammer) die noch lange Zeit nach der Verge- waltigung anhaltende Ambivalenz der eigenen Gefühle einzugestehen“ (UA S. 69).
10
2. Die Revision dringt im Umfang der Aufhebung mit einer Verfahrensrüge durch.
11
a) Folgendes Geschehen liegt zugrunde:
12
Die Verteidigerin hatte die Einholung eines „psychiatrisch-psychologischen“ Gutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die Neben- klägerin, auf deren Aussage die Feststellungen zu den Taten 1 und 2 ausschließlich beruhen, an einer psychischen Störung leide, die ihre Aussagetüchtigkeit in Frage stelle. Zur Begründung führte sie das wechselvolle Verhalten der Nebenklägerin im Rahmen der Beziehung sowie die Widersprüche in deren Aussageverhalten auf. Den – durch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin befürworteten – Beweisantrag hat das Landgericht wegen eigener Sachkunde nach § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO abgelehnt. Es sei „ge- richtsbekannt, dass ambivalentes Beziehungsverhalten – insbesondere in einer bereits mehrere Monate anhaltenden Trennungsphase – nicht unüblich ist und damit für sich gesehen keine Grundlage für die Annahme einer psy- chischen Störung bilden kann“.
13
b) Mit dem Generalbundesanwalt geht der Senat trotz Nichtvorlage einiger im Beweisantrag benannter Schriftstücke von der Zulässigkeit der Verfahrensrüge im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO aus. Denn das Urteil befasst sich eingehend mit den maßgebenden, auch von der Verteidigerin benannten Anknüpfungstatsachen in Bezug auf eine Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin, womit dem Senat die uneingeschränkte Sachprüfung der Verfahrensbeanstandung eröffnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 385 mwN, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 174/12, StraFo 2012, 268).
14
c) Die Rüge hat in der Sache Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. Zwar kann sich das Gericht bei der Beurteilung von Zeugenaussagen grundsätzlich eigene Sachkunde zutrauen; anderes gilt aber, wenn besondere Umstände vorliegen, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erfordert, die dem Gericht nicht zur Verfügung steht (BGH, Beschlüsse vom 1. März 1994 – 5 StR 62/94, StV 1994, 634, vom 29. Oktober 1996 – 4 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 106, vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 364/08, NStZ 2009, 346, 347, und vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 419/09, NStZ 2010, 100, 101). Solche Umstände liegen hier vor.
15
Die Strafkammer legt ihrer Beweiswürdigung zugrunde, dass der Nebenklägerin der Zugang zu ihrer Erinnerung in Bezug auf die weitere Beziehung mit dem Angeklagten sowie hinsichtlich einiger sehr markanter Gege- benheiten in deren Verlauf aufgrund von „Verdrängungsmechanismen“ bis hin zu vollständiger Amnesie verschlossen war. Betroffen ist insoweit unter anderem der gemeinsame Besuch im Swingerclub im August 2010, den die Nebenklägerin sogar noch bestritten hatte, nachdem ihr die Aufzeichnung eines Telefongesprächs vorgespielt worden war, in dem sie sich beim Angeklagten für den schönen Abend bedankt und es als besonders wichtig be- zeichnet hatte, dass „er gekommen sei“. Mangels – im Urteil nicht dargeleg- ter – besonderer Sachkunde durfte das Landgericht aber nicht davon ausgehen , ein Zustand gänzlicher Erinnerungslosigkeit an derartige Ereignisse bei andererseits voll erhaltenem Erinnerungsvermögen betreffend die Details viel weiter zurückliegender Ereignisse sei möglich und bei der Nebenklägerin eingetreten. Das Landgericht hätte daher entsprechend dem Beweisbegehren des Angeklagten sachverständige Hilfe zuziehen müssen, um diesen Aspekt in Verbindung mit den weiteren Auffälligkeiten im (Aussage-) Verhalten der Nebenklägerin und dessen Auswirkungen auf die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit insgesamt sachgerecht beurteilen zu können.
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3. Die Ablehnung des Beweisantrags führt zur Aufhebung der Schuldsprüche hinsichtlich der Taten 1 und 2. Das Gleiche gilt für die Verurteilung wegen der Körperverletzung vom frühen Morgen des 12. November 2010, die sich hinsichtlich des äußeren Ablaufs ebenfalls ausschließlich auf die Aussage der Nebenklägerin stützt. Den hierfür zugemessenen Einzelstrafen ist damit die Grundlage entzogen, ebenso der Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld für die Taten 1 (300 €), 2 (6.500 €) und 3 (300 €).
17
4. Die Schuldsprüche wegen der Taten 4 und 5 werden von dem Rechtsfehler hingegen nicht berührt. Insoweit vermochte sich die Strafkammer auf Aussagen weiterer Zeugen zu stützen. Auch die insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Adhäsionsausspruch (150 € Schmerzensgeld) wären rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl hebt der Senat den gesamten Rechtsfolgenausspruch auf, um dem neuen Tatrichter eine ausgewogene Gewichtung der Rechtsfolgen zu ermöglichen.
18
5. Für die neue Hauptverhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:
19
a) Sollte der Tatrichter abermals zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung gelangen, wird er sich bei der Strafrahmenwahl und der im Ergebnis schwer nachvollziehbaren konkreten Strafbemessung sorgfältiger als bisher geschehen mit dem Umstand zu befassen haben, dass sich die Nebenklägerin mit dem Angeklagten nach den Taten aus dem Frühjahr 2009 offensichtlich vollständig ausgesöhnt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 1996 – 2 StR 210/96, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Strafzumessung 13, und vom 29. August 2012 – 5 StR 332/12).
20
b) Die im angefochtenen Urteil angeordnete Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung erscheint auch für sich genommen durchgreifend rechtsfehlerhaft.
21
Das Urteil stützt die Anordnung auf § 66 Abs. 1 StGB aF. Für die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF sowie die Annahme einer „verbrecherischen Neigung“ des Angeklagten (UA S. 105) und die dadurch begründete erhebliche Gefahr weiterer schwerer Sexualstraftaten zieht es maßgebend eine Vorverurteilung wegen dreier Betäubungsmitteldelikte aus dem Jahr 2002 heran (Einzelfreiheitsstrafen: ein Jahr und vier Monate und zweimal ein Jahr). Indessen bedarf die Annahme des Hangs und der dadurch bedingten Gefährlichkeit – was das Urteil im Ansatz nicht verkennt – bei verschiedenartigen Delikten besonders sorgfältiger Prüfung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007 – 5 StR 208/07, StV 2007, 633; LK/Rissing-van Saan/Peglau, 12. Aufl., § 66 Rn. 219; jeweils mwN). Liegen den Taten – wie hier – ganz andersartige Beweggründe und seelische Einstellungen zugrunde, werden Hangtätereigenschaft und Gefahr dabei nur sehr selten bejaht werden können (Rissing-van Saan/Peglau aaO). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht ersichtlich. Aus dem bloßen Hinweis darauf, dass die Begehung der Betäubungsmitteldelikte Ausprägung der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten sei (UA S. 105), lässt sich deren Symptomwert für die Begehung künftiger schwerer Sexualstraftaten keinesfalls herleiten.
22
Bei der im angefochtenen Urteil für die Vergewaltigung verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten in Verbindung mit den Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und von einem Jahr und neun Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. April 2003 wäre die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB grundsätzlich in Betracht gekommen. Ihr würden indessen jedenfalls wegen des durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326) vorgegebenen Grundsatzes strikter Verhältnismäßigkeit durchgreifende Bedenken entgegenstehen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.