Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2007 - 5 StR 208/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Zugleich hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der Anordnung der Sicherungsverwahrung; zum Schuld- und Strafausspruch hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
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- Das Landgericht hat die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf die Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB gestützt, deren formelle Voraussetzungen noch hinreichend belegt sind. Indes ist die Gesamtwürdigung , mit der die Strafkammer zur Annahme eines Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB gelangt, nicht genügend begründet. Insoweit fehlt es an ausreichenden Feststellungen zum symptomatischen Zusammenhang zwischen der hier abgeurteilten Tat und den die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB begründenden Taten, durch den die Gefährlichkeit des in der Sicherungsverwahrung unterzubringenden Angeklagten zu belegen ist. Dabei handelt es sich zum einen um eine Verurteilung durch das Landgerichts Cottbus vom 13. Februar 1997 wegen mehrerer Fälle der unerlaubten Einfuhr von und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und zum anderen um die Verurteilung durch das Landgericht Berlin vom 30. November 2000 wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
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- Handelt es sich – wie hier – bei den Straftaten, welche die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründen (sog. Symptomtaten ), um solche ganz verschiedener Art, die völlig unterschiedliche Rechtsgüter verletzen, ist ihr Indizwert für einen verbrecherischen Hang des Täters besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 5; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10; BGH NStZ-RR 1998, 6, 7; BGH NStZ 2002, 537, 538; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 66 Rdn. 19).
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- Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Zwar können auch unterschiedliche Delikte in einem gleich gelagerten Verhältnis zur Täterpersönlichkeit stehen und Ausfluss eines gleichermaßen wirksam werdenden Hanges sein; dies lässt sich den Feststellungen hier aber nicht entnehmen. Zur Begründung des Hangs im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt die Strafkammer allein auf die gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichtete Tat vom 30. November 2000 und auf die hier abgeurteilte ab, indem sie ausführt, dass es dem Angeklagten an Empathie mangele und er dazu neige, unterlegene andere zugunsten des eigenen Selbstwertgefühls auszubeuten und „eingenommen vom Gefühl eigener Grandiosität“ ihnen gegenüber Macht auszuüben und erhebliche Straftaten zu begehen, welche die betroffenen Opfer seelisch oder körperlich stark schädigen. Dafür, dass dies auch für die vom Landgericht Cottbus abgeurteilten Betäubungsmitteldelikte gilt, ist nichts ersichtlich. Angesichts der Verschiedenartigkeit von Sexualdelikten einerseits und Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz andererseits versteht sich das hier auch nicht etwa von selbst.
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- Die ausgesprochene Maßregel kann daher nicht bestehen bleiben, wenngleich die Anordnung der Sicherungsverwahrung sowohl auf § 66 Abs. 2 StGB wie auch auf § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB, deren formelle Voraussetzungen ebenfalls vorliegen, hätte gestützt werden können. Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung ausdrücklich auf § 66 Abs. 1 StGB abgestellt und die Möglichkeit der Anordnung nach § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB indes nicht erwähnt. Die Unterbringung nach diesen Vorschriften liegt aber im Unterschied zu der Unterbringung gemäß § 66 Abs. 1 StGB im Ermessen des Tatrichters; die Urteilsgründe müssten erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner Entscheidungsbefugnis in bestimmter Weise Gebrauch gemacht hat (BGH NStZ-RR 2004, 12; BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 5 m.w.N.).
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn
- 1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die - a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet, - b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder - c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, - 3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und - 4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.
(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.
(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.