Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juni 2010 - 5 StR 42/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, unbeschränkt geführte Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet wird, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle II. 1 bis 9, 11 der Urteilsgründe) hält rechtlicher Prüfung stand.
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- a) Nach den Urteilsfeststellungen erwarb der Angeklagte im Zeitraum zwischen September 2007 und 22. Juli 2008 (Fälle II. 1 bis 9 der Urteilsgründe ) von B. monatlich zwischen 100 Gramm und einem Kilogramm Marihuana, um dieses mit einem Gewinn von 35 € pro 100 Gramm an seinen Abnehmer P. weiterzuverkaufen, wobei er das Rauschgift entweder auf Kommissionsbasis bezog oder den Geldbetrag von seinem Abnehmer im Voraus erhielt. Nach Erhalt der Betäubungsmittel übergab der Angeklagte diese jeweils sogleich an P. . Mitte August 2008 (Fall II. 11 der Urteilsgründe) stellte der Angeklagte einen direkten Kontakt zwischen B. und P. bei einem Treffen in seiner Wohnung her, in dessen Verlauf B. dem P. ein Kilogramm Marihuana für 4.600 € verkaufte und das Rauschgift diesem aushändigte. Der Angeklagte zählte das von P. überreichte Geld und übergab es B. . Von diesem erhielt er sodann für die Vermittlung des Abnehmers und des Geschäfts 350 €.
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- b) Die auf der Grundlage dieser Feststellungen vorgenommene Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte sei bei diesen Taten jeweils als Täter des unerlaubten Handeltreibens mit Marihuana anzusehen, begegnet keinen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich die Rolle des Angeklagten nicht lediglich in einer Botenfunktion erschöpft, die als Beihilfehandlung zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel zu bewerten sei. Zwar darf die Weite des Begriffs des Handeltreibens nicht dazu verleiten, eine mit den Grundsätzen der §§ 25 ff. StGB nicht mehr zu vereinbarende Einheitstäterschaft einzuführen, indem jede möglicherweise unter das Merkmal des Handeltreibens zu subsumierende Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihr Gewicht für das Gesamtgeschehen und auf das Interesse des Beteiligten am Gelingen des Umsatzgeschäfts mit täterschaftlichem Handeltreiben gleichgesetzt wird (vgl. BGHSt – GS – 51, 219, 221 m.w.N.). Die Tätigkeiten des Angeklagten beschränkten sich jedoch nicht auf eine lediglich untergeordne- te Beteiligung am Gelingen der Umsatzgeschäfte. In den Fällen II. 1 bis 9 der Urteilsgründe betätigte sich der Angeklagte als eigenständig vorgehender Zwischenhändler, dessen Tatbeiträge und Interesse an der Durchführung der Umsatzgeschäfte auf der Hand liegen. Auch im Fall II. 11 der Urteilsgründe hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei ein täterschaftliches Handeln des Angeklagten im Hinblick auf die Organisation des Zusammentreffens zwischen dem Lieferanten und dem Abnehmer, die Vermittlung und Durchführung des Umsatzgeschäfts sowie seinen – in der Höhe gleich gebliebenen – finanziellen Vorteil angenommen.
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- 2. Der Rechtsfolgenausspruch kann indes keinen Bestand haben, weil die Strafkammer – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat – rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen für eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 Nr. 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB verneint hat.
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- Die Strafkammer hat die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG mit der Begründung abgelehnt, dass die Aufklärungshilfe des Angeklagten nicht als „so erheblich“ anzusehen sei, obwohl er über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus die Namen seines Lieferanten und seines Abnehmers, gegen die deshalb Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien, offenbart habe. Das Gewicht dieses Aufklärungsbeitrags sei anders zu sehen als in den Fällen, „in denen Namen von bis dahin unbekannten Lieferanten oder Hintermännern bei organisierten Betäubungsmittelhandel preisgegeben“ würden. Denn der Verkauf von jeweils einem Kilogramm Marihuana sei bereits Bestandteil der angeklagten Taten des Angeklagten gewesen, so dass der darüber hinaus gehende Aufklärungsbeitrag durch die Preisgabe der Identität des Käufers und des Lieferanten sich als vergleichsweise weniger erheblich darstelle (UA S. 13 f.).
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- Die Wertung des Landgerichts, die Aufklärungsbeiträge des Angeklagten seien geringwertig und deshalb lediglich bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu berücksichtigen, zeigt – wie auch der Generalbundesanwalt darlegt – einen Ermessensfehler auf. Das Landgericht hat sich nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe von einem Aufklärungserfolg sowohl hinsichtlich des Lieferanten als auch hinsichtlich des Abnehmers des Angeklagten zu überzeugen vermocht. Aus den Urteilsfeststellungen erschließt sich nicht, weshalb dessen Aufklärungshilfe unwesentlich sein soll. Die von der Strafkammer angeführten Erwägungen ergeben jedenfalls keine Aufklärungsbeiträge des Angeklagten von lediglich untergeordneter Bedeutung. Die Entscheidung, von einer Strafrahmenverschiebung abzusehen, ist hier deshalb ermessensfehlerhaft.
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- 3. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, dass die Wertung, der Angeklagte habe „aus eigenem Gewinnstreben heraus“ (UA S. 14) Handel getrieben, in einem Spannungsverhältnis zu § 46 Abs. 3 StGB stehen kann. Auch die Verhängung einer Maßregel nach § 64 StGB bedarf neuer tatrichterlicher Prüfung.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
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durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.