Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2011 - 5 StR 416/11
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Es wird nach § 74 JGG davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen; er hat allerdings die durch das Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Die Ablehnung einer Rechtfertigung durch Notwehr hält im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Der Angeklagte war angesichts des eher harmlosen Angriffs (Beinstellen, „Wischen” über die Kopfbedeckung des Angeklagten) des ihm körperlich unterlegenen, unbewaffneten Opfers im Rahmen einer sich anbahnenden Rangelei unter jungen Leuten schon nicht berechtigt (§ 32 Abs. 2 StGB), den ersten, das Opfer an der Stirn treffenden Stich mit dem bewusst verborgen gehaltenen und bereits geöffneten Butterflymesser zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1975 – 2 StR 451/75, BGHSt 26, 256, 258; Urteile vom 12. März 1987 – 4 StR 2/87, BGHR StGB § 32 Abs. 1 Putativnotwehr 2; vom 30. Oktober 1986 – 4 StR 505/86, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 1; vom 6. November 1987 – 2 StR 251/87, BGHR aaO Erforderlichkeit 2; vom 7. Februar 1991 – 4 StR 544/90, BGHR aaO Erforderlichkeit 7; BGH, Beschluss vom 7. Juli 1987 – 4 StR 291/87, BGHR aaO Verteidigung 1; BGH, Urteil vom 18. August 1988 – 4StR 297/88, BGHR aaO Verteidigung 3, jeweils mwN). Der Senat kann dahingestellt lassen, ob das anschließende Zurückweichen des Opfers unter Heben der Arme mit nicht ausschließbarem Ballen der Fäuste (UA S. 7) entgegen der im angefochtenen Urteil vorgenommenen Wertung nicht als Verteidigungsverhalten gegen einen weiteren (Messer-) Angriff des Angeklagten anzusehen gewesen wäre. Denn bei der gegebenen „Kampflage“ und Be- rücksichtigung des Vorverhaltens des Angeklagten durfte dieser auch nach dem Standpunkt der Jugendkammer einem etwa bevorstehenden Angriff des Opfers nicht mit dem sogleich danach schonungslos ausgeführten tödlichen Stich zuvorkommen, zumal ihm selbst eine auch nur annähernd gleichwertige Gefährdung nicht drohte (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 1991 – 4 StR 544/90, BGHR aaO).
2. Trotz einiger missverständlicher Formulierungen auch zu entsozialisierend wirkenden Jugendstrafen von „über vier oder fünf Jahren“ (vgl.hierzu etwa BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 – 4 StR 182/96, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 5) lassen die Ausführungen der hinsichtlich des Erziehungsbedarfs des Angeklagten sachverständig beratenen Jugendkammer hinreichend deutlich erkennen, dass sie sich bei der Bemessung der Schwere der Schuld nicht ausschlaggebend am äußeren Unrechtsgehalt der Tat ausgerichtet hat.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.
(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.