Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2014 - 5 StR 409/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) in den Fällen 1, 4 und 5 der Urteilsgründe aufgehoben; in den Fällen 1 und 4 wird der Angeklagte freigesprochen; im Fall 5 wird das Verfahren eingestellt; im Umfang des Freispruchs und der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung in zwei Fällen (Fälle 2 und 3) und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung (Fall 6) verurteilt ist;
c) im gesamten Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen we- gen „vorsätzlicher Körperverletzung in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung/Vergewaltigung, in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit Nötigung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verur- teilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. August 2013 genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zwang der Angeklagte die Nebenklägerin, mit der er zu den Tatzeiten in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenlebte, in zwei Fällen – insbesondere durch Schläge – zum Geschlechtsverkehr. In vier weiteren Fällen verletzte er sie unter anderem durch Schläge gegen Kopf, Oberkörper oder Unterleib, wobei er sie in zwei Fällen dazu nötigte, sich die von ihm gewünschte Unterwäsche anzuziehen und bestimmte Posen einzunehmen.
- 3
- 2. Die Verfolgung der womöglich schon im Jahr 2001 beziehungsweise am 1. Juli 2002 begangenen Körperverletzungs- und Nötigungsdelikte ist aus den vom Generalbundesanwalt näher ausgeführten Gründen gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 StPO verjährt. Dies führt im Fall 5 zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO. In den Fällen 1 und 4 ist der Angeklagte hingegen aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil sich das Landgericht insoweit nicht von den angeklagten schwereren Taten – einer Vergewaltigung im Fall 1 und einer gefährlichen Körperverletzung im Fall 4 – zu überzeugen vermochte. Im Fall 3 ist der Schuldspruch im Hinblick auf die Verjährung dahingehend zu ändern , dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Körperverletzung entfällt.
- 4
- 3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs und der Einzelstrafe im Fall 3 nach sich. Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafaussprüche auf, weil dem neuen Tatgericht nur so eine ausgewogene Strafzumessung ermöglicht wird und zudem die bisher vorgenommene Strafrahmenwahl in allen Fällen rechtlichen Bedenken begegnet. Das Landgericht hat es nämlich versäumt zu prüfen, ob – gegebenenfalls an Stelle einer Verneinung der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB – eine (für den Angeklagten günstigere) Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 387/08, NStZ-RR 2009, 9).
- 5
- Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich Wertungsfehler vorliegen. Damit haben insbesondere die Feststellungen zur stets gegebenen verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB Bestand. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
Dölp König
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.