Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2008 - 5 StR 402/07
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Die Revision der Angeklagten hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Der Lebensgefährte der Angeklagten suchte am Abend des Tattages nach längerer Zeit der Abstinenz wieder eine Spielhalle auf und verspielte dort Geld. Den Bitten der Angeklagten, nicht so viel Geld zu verspielen und nach Hause zu kommen, kam er nicht nach. Die hierüber verzweifelte und verärgerte Angeklagte geriet bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,37 ‰ in einen hoch affektiven Zustand. In ihrer Wohnung nahm sie sich ein Küchenmesser und ging zurück zur Spielhalle. Zunächst spielte sie mit dem Gedanken, sich selbst demonstrativ vor ihrem Lebensgefährten umzubringen , um ihn für sein Versagen zu bestrafen. Als sie ihn jedoch – mit dem Rücken zu ihr – an zwei Spielautomaten gleichzeitig spielen sah, kam es zu einem affektiven Aggressionsdurchbruch unter erheblicher Verminderung ihrer Steuerungsfähigkeit. Sie lief zu ihm und stieß ihm das Messer in den Rücken, um ihn zu töten. Obwohl ein nur 3,5 cm tiefer Stichkanal entstand, blieb das Messer stecken, nachdem sie dessen Griff losließ. Der Geschädigte , der den Stich nur wie einen Piekser empfunden hatte, blickte sich kurz zu ihr um und spielte weiter. Als er sie schließlich fragte, weshalb sie ihm auf den Rücken schaue, antwortete sie: „Du hast ein Messer im Rücken.“ Nunmehr begab sich der Geschädigte zur Spielhallenaufsicht und bat, die Polizei zu verständigen. Eine konkrete Lebensgefahr durch die Stichverletzung bestand nicht.
- 3
- 1. Die Annahme des Landgerichts, ein Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt scheide deshalb aus, weil es sich um einen fehlgeschlagenen Versuch gehandelt habe, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
- 4
- „Ein Versuch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlgeschlagen, wenn der Erfolgseintritt objektiv nicht mehr möglich ist und der Täter dies erkennt oder aber wenn der Täter den Erfolgseintritt irrig nicht mehr für möglich hält. Ein Fall des fehlgeschlagenen Versuchs liegt hingegen nicht vor, sofern der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 8; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 24 Rdn. 11).
- 5
- Ausgehend hiervon lassen die Ausführungen des Landgerichts, wonach sich die Angeklagte zur Ausführung der Tat von vornherein auf einen einzigen Messerstich habe beschränken wollen (vgl. UA S. 7, 12), besorgen, dass der rechtlichen Beurteilung eine verfehlte Sichtweise zu Grunde liegt. Denn anstelle auf das Vorstellungsbild der Angeklagten nach Verabfolgung des Messerstichs abzustellen, hat das Landgericht die Frage des Fehlschlags des Tötungsversuchs nach Tatplankriterien zu beantworten gesucht. Damit hat es freilich bereits im Ausgangspunkt den strafrechtsdogmatisch zutreffenden Maßstab des so genannten ‚Rücktrittshorizonts’ verfehlt.“
- 6
- Dem schließt sich der Senat an. Hiernach reicht der freiwillige Verzicht auf eine ohne weitere Zäsur als noch möglich erkannte Tatbestandsverwirklichung zum strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten (dann nicht etwa fehlgeschlagenen) Versuch aus (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 24 Rdn. 15a m.w.N.). Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, dass die Angeklagte zu weiteren Messerstichen aus subjektiven Gründen außerstande gewesen wäre. Dies alles bedarf erneuter tatrichterlicher Prüfung.
- 7
- 2. Unberührt von diesem Mangel bleiben die im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf. Sie können daher bestehen bleiben (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 353 Rdn. 15 m.w.N.).
- 8
- 3. Der neue Tatrichter wird auch in den Blick zu nehmen haben, ob die Angeklagte in dem Bewusstsein gehandelt hat, ihren wegen Arglosigkeit wehrlosen Lebensgefährten zu überraschen und diese Überraschung ihres Opfers auszunutzen. Nach den vom Landgericht für überzeugend erachteten Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen handelte die Angeklagte in einem affektivem Aggressionsdurchbruch, wobei der „plötzliche, ungeplante und unüberlegte Angriff quasi unter den Augen der Spielhallenaufsicht ohne jegliche Sicherungstendenzen sowie das Verhaltensmuster der Tat … in keiner Weise ihrem üblichen Reaktionsmuster entsprochen hätte“ (UA S. 16). Die Spontaneität des Tatentschlusses kann im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und dem psychischen Zustand der Angeklagten ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihr das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 26). Andererseits hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen (vgl. BGH StV 1981, 523, 524; BGH NStZ-RR 2000, 166, 167). Das Nähere ist Tatfrage (so schon BGHSt 6, 329, 331). Gleichfalls werden die Voraussetzungen des § 64 StGB auf der Grundlage des neu festgestellten Schuldumfangs zu prüfen sein.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2008 - 5 StR 402/07
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2008 - 5 StR 402/07
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 07. Feb. 2008 - 5 StR 402/07 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.