Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Okt. 2000 - 5 StR 397/00

bei uns veröffentlicht am12.10.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 397/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Oktober 2000

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 29. März 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO im Schuldspruch dahin abgeändert, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die daraus den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Beschwerdeführer wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Die Revision des Beschwerdeführers hat lediglich den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im übrigen erweist sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in den Fällen 1 bis 5 der Urteilsgründe betreffend die leiblichen Kinder des Angeklagten konnte keinen Bestand haben, weil insoweit zugunsten des Angeklagten von dem Eintritt der Verfolgungsverjährung auszugehen ist.
Die durch die Schuldspruchänderung betroffenen Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe können jedoch bestehen bleiben. Der Senat schließt unter den hier gegebenen Umständen aus, daß der Angeklagte milder bestraft worden wäre, wenn der Tatrichter den Verjährungsbeginn erkannt und die Verurteilung in den bezeichneten Fällen jeweils rechtlich zutreffend ausschließlich auf den Straftatbestand des § 176 StGB gestützt hätte, zumal verjährte Taten, wenn auch nicht mit demselben Gewicht wie nicht verjährte Taten, bei der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden können (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 – Vorleben 24; BGH, Beschluß vom 14. September 2000 – 4 StR 294/00). Denn ein Vergleich der allein auf § 176 StGB gestützten Einzelstrafen für die Taten zum Nachteil der Stiefkinder mit den Einzelstrafen für den ähnlich gelagerten Mißbrauch der leiblichen Kinder zeigt, daß das Landgericht den Unrechtsgehalt des verjährten Tatbestandes bei Zumessung der Strafen eher maßvoll berücksichtigt hat.
Harms RiBGH Häger ist urlaubs- Basdorf bedingt abwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Harms Gerhardt RiBGH Dr. Brause ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Harms

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2000 - 4 StR 294/00

bei uns veröffentlicht am 14.09.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 294/00 vom 14. September 2000 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdef
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Okt. 2000 - 5 StR 397/00.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2002 - 5 StR 57/02

bei uns veröffentlicht am 09.04.2002

5 StR 57/02 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 9. April 2002 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. April 2002 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird da

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 294/00
vom
14. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. September
2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum – Auswärtige Strafkammer Recklinghausen - vom 8. Februar 2000 im Schuldspruch dahin geändert, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in den Fällen 1 bis 15 der Urteilsgründe betreffend die Anklage vom 9. September 1999 (36 Js 348/99) und im Fall 3 der Urteilsgründe betreffend die Anklage vom 11. Juni 1999 (36 Js 127/99) entfällt.
II. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen ”sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 68 Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in 20 Fällen und wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe” zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat nur zu einem geringen Teil Erfolg; im übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in den Fällen 1 bis 15 der Urteilsgründe betreffend die Anklage vom 9. September 1999 (36 Js 348/99) und im Fall 3 der Urteilsgründe betreffend die Anklage vom 11. Juni 1999 (36 Js 127/99) kann wegen des Eintritts von Verfolgungsverjährung keinen Bestand haben, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 7. August 2000 im einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
Die durch die Schuldspruchänderung betroffenen Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe können jedoch bestehen bleiben. Der Senat schließt unter den hier gegebenen Umständen aus, daß der Angeklagte milder bestraft worden wäre, wenn der Tatrichter den Verjährungseintritt erkannt und die Verurteilung in den bezeichneten Fällen jeweils rechtlich zutreffend ausschließlich auf den Straftatbestand des § 176 StGB gestützt hätte, zumal verjährte Taten,
wenn auch nicht mit demselben Gewicht wie nicht verjährte Taten, bei der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt werden können (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 24).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.