Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2007 - 5 StR 39/07

bei uns veröffentlicht am18.07.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 39/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Juli 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. September 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall III. D. 2. der Urteilsgründe (Fall 8 der Anklage) verurteilt worden ist; insoweit wird der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freigesprochen ; diese hat auch die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen;
b) im Ausspruch über die verbliebenen Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bestimmung neuer Strafen und zur Entscheidung über die verbliebenen Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen (Einzelfreiheitsstrafen jeweils ein Jahr und drei Monate) sowie wegen versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen (Einzelfrei- heitsstrafen von jeweils einem Jahr) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt auf Grund der erhobenen Sachrüge zu dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Auf die allein die Strafaussprüche betreffenden Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an. Das Rechtsmittel ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zu Recht macht die Revision geltend, dass der Angeklagte im Fall III. D. 2. der Urteilsgründe (Fall 8 der Anklage) an der Tat der Mitangeklagten P. und T. und des gesondert verfolgten Q. nicht mitgewirkt hat. Der Hinweis des Landgerichts, diese Täter hätten in Ausführung des übergeordneten Tatplans (UA S. 21) der zu einer Schleuserbande zusammengeschlossenen fünf Angeklagten und weiterer Mittäter gehandelt, rechtfertigt die Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung des Angeklagten nicht. Ausweislich der allgemeinen Feststellungen zum Tatablauf (UA S. 12) machte sich der Angeklagte nicht sämtliche Unterstützungshandlungen der übrigen Bandenmitglieder und der weiteren Hilfskräfte zueigen. Er handelte vielmehr stets auf Anweisung der beiden Chefs im Einzelfall, in diesem Fall indes nicht. Der Angeklagte ist deshalb insoweit freizusprechen.
3
2. Die weitergehende Revision ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat entnimmt den – wie die gesamten Feststellungen wörtlich mit der Anklage übereinstimmenden – Feststellungen zur Bandenabrede (UA S. 12), dass der – entsprechend der Anklage geständige – Angeklagte die Schleusungsaktionen jeweils in ihren wesentlichen Merkmalen erkannt und seine Beiträge (vgl. BGHSt 50, 105, 120) als Teil der Durchschleusungsaktionen geleistet hat (vgl. BGH NJW 2002, 3642, 3643).
4
3. Indes haben die zugehörigen weiteren Strafaussprüche keinen Bestand. Das Landgericht hat die Strafen jeweils dem Qualifikationstatbestand des § 97 Abs. 2 AufenthG – in den drei Versuchsfällen gemildert gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB – entnommen und die Vorschrift des § 97 Abs. 3 AufenthG nicht erwähnt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Annahme minder schwerer Fälle aufgrund der durchweg untergeordneten Tatbeiträge des Angeklagten, seines Geständnisses und seiner Unbestraftheit zu milderen Strafen geführt hätte.
5
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier vorliegenden Subsumtionsfehler nicht. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, eine bisher mit der Verfahrensrüge geltend gemachte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung während des Revisionsverfahrens (vgl. BGH wistra 2006, 262, 264 f.) zu prüfen.
Basdorf Häger Gerhardt Brause Jäger

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2007 - 5 StR 39/07 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 97 Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht. (2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, we

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.