Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 5 StR 321/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 31. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
- 2
- 1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen leidet die – bislang lediglich im Jahr 2015 wegen Erschleichens von Leistungen in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilte – Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Im Jahr 2018 beging die Beschuldigte folgende Taten, wobei ihr infolge floriden Krankheitszustandes die Unrechtseinsicht fehlte:
- 3
- a) Am 10. März stieß sie eine in ihrer sozialtherapeutischen Wohngruppe tätige Mitarbeiterin unvermittelt mit beiden Händen wuchtig gegen die Schulter, so dass diese mit dem Hinterkopf gegen eine Wand prallte und Schulter- und Kopfschmerzen erlitt.
- 4
- b) Am 6. April versuchte sie vergeblich, den sie seines Lokals verweisenden Inhaber mit Schlägen und Tritten zu verletzen.
- 5
- c) Am 22. April schlug sie einer im Hauptbahnhof an ihr vorbeigehenden uniformierten Polizistin für diese schmerzhaft mit der Hand auf einen Unterarm.
- 6
- d) Nachdem sie in der Nacht zum 29. April von der Mitarbeiterin einer Tankstelle keinen Kaffee „auf Kredit“ bekommen hatte, warf die Beschuldigte zunächst auf dem Gelände befindliche Waren auf den Boden, die hierdurch teilweise zu Bruch gingen. Anschließend nahm sie eine Zapfpistole in die eine und ein entflammtes Feuerzeug in die andere Hand, bis ein Taxi eintraf, zu dem sie sich sodann begab.
- 7
- 2. Das Landgericht hat die zu 1. a), c) und d) festgestellten Anlasstaten – sowie zwei weitere Geschehnisse, hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO verfahren war (die Beschuldigte hatte am 29. August zwei Verkäuferinnen getreten und zwei Tage später einen Betonblumenkübel durch eine gläserne Terrassentür eines Wohnhauses geworfen) – nicht als „noch hinzunehmende bloße Belästigungen oder Bagatellen“ angesehen, sondern als massive Beeinträchtigungen des persönlichen Sicherheitsempfin- dens der unmittelbar Betroffenen oder auch unbeteiligter Dritter. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei mit weiteren Taten der Beschuldigten zu rechnen, die den ihr vorgeworfenen entsprächen, aber „wegen der ständigen Verfügbarkeit von Feuerzeugen“ auch mit Brandstiftungen.
- 8
- 3. Die Unterbringung der Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Urteil lässt schon nicht erkennen, auf welche Alternative des § 63 StGB das Landgericht seine Anordnung hat stützen wollen. Jedenfalls hat es seine Gefährlichkeitsprognose an einem falschen Maßstab ausgerichtet. Denn es hat selbst die soeben unter 2. bezeichneten Taten lediglich als massive Beeinträchtigungen des persönlichen Sicherheitsempfindens der unmittelbar Betroffenen oder unbeteiligter Dritter eingestuft. § 63 StGB verlangt hingegen in seinem Satz 1 Anlasstaten, „durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet“ worden sind, oder aber in seinem Satz 2 die durch besondere Umstände getragene Erwartung, der Täter werde gerade solche Taten begehen.
- 9
- Soweit das Landgericht sich im Rahmen seiner Prognose der sachver- ständigen Einschätzung angeschlossen hat, die Beschuldigte sei „in der Vergangenheit durch gewalttätiges Verhalten aufgefallen“, wird dies durch die Feststellungen nicht belegt; als strafrechtlich relevant wird lediglich das – zudem bereits 2015 abgeurteilte – Erschleichen von Leistungen in fünf Fällen angeführt.
- 10
- 4. Die Aufhebung des Urteils erfasst auch die der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zugrunde gelegten Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO), mit Ausnahme derjenigen zum objektiven Geschehen der Taten II.1 bis 3. Hiervon sind zudem diejenigen zu einer am 8. Mai 2017 verübten Brandstiftung nicht erfasst; insofern hat sich das Landgericht von einer Täterschaft der Beschuldigten nicht überzeugen können.
- 11
- 5. Sollten in der neuen Hauptverhandlung zum Geschehen auf der Tankstelle (1.d) den bisherigen vergleichbare Feststellungen getroffen werden, so wird das neue Tatgericht die Frage näher in den Blick zu nehmen haben, ob die Beschuldigte hierdurch bereits eine Brandgefahr im Sinne des § 306f Abs. 1 Nr. 1 StGB verursacht hat.
- 12
- 6. Mit der Aufhebung des Urteils hat sich die erhobene Kostenbeschwerde erledigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 5 StR 581/12).
König RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Wer fremde
- 1.
feuergefährdete Betriebe oder Anlagen, - 2.
Anlagen oder Betriebe der Land- oder Ernährungswirtschaft, in denen sich deren Erzeugnisse befinden, - 3.
Wälder, Heiden oder Moore oder - 4.
bestellte Felder oder leicht entzündliche Erzeugnisse der Landwirtschaft, die auf Feldern lagern,
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 bezeichnete Sache in Brandgefahr bringt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt oder in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.