Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2000 - 5 StR 258/00

bei uns veröffentlicht am19.07.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 258/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Juli 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Mordes
zu 2. Anstiftung zum Mord
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2000

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Oktober 1999 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Zur Rüge der Verletzung des § 60 Nr. 2 StPO bemerkt der Senat: Zu Recht machen die Revisionen geltend, daß der Zeuge M nach § 60 Nr. 2 StPO nicht hätte vereidigt werden dürfen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch der Verdacht eines Vergehens nach § 138 StGB als Verdacht der Beteiligung an der Tat eines Angeklagten im Sinne von § 60 Nr. 2 StPO anzusehen (BGHSt 42, 86, 87; BGH, Beschluß vom 17. Mai 2000 – 2 StR 460/99 jeweils mit weiteren Nachweisen). Daß ein solcher Verdacht gegen den Zeugen bestand, belegen die schriftlichen Urteilsgründe. Auch das Landgericht ist – wie sich aus der Anordnung der Vereidigung und dem die Anordnung bestätigenden Beschluß ergeben – zum Zeitpunkt der Urteilsfindung zumindest von einem entsprechenden Anfangsverdacht ausgegangen (zum Verdachtsgrad vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 60 Rdn. 23 m. w. N.).
Auf diesem Rechtsfehler kann aber bei keinem der Angeklagten der Schuldspruch beruhen. Das Landgericht, das in einer umfangreichen Beweiswürdigung die Aussage des Zeugen eingehend und kritisch auf ihre Glaubhaftigkeit untersucht hat, hat an keiner Stelle auf die Vereidigung abgestellt. Es hat seine Überzeugung von der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen insoweit nicht auf seine Vereidigung, sondern auf die Schlüssigkeit seiner Angaben , sein Detailwissen, sein Aussageverhalten und die Bestätigung von Angaben des ZeugenM durch andere Zeugen und gewichtige Sachbeweise gestützt. Unter diesen Umständen kann der Senat ausschließen, daß die Überzeugung des Landgerichts von dem geleisteten Eid beeinflußt gewesen sein könnte und daß es ohne diese Vereidigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (vgl. dazu Senge in KK 4. Aufl. § 60 Rdn. 42 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Ebenso schließt der Senat aus, daß das Urteil auf dem behaupteten Verstoß gegen § 261 StPO hinsichtlich der Verwertung von gerichtskundigen Tatsachen beruht.
Harms Basdorf Tepperwien Gerhardt Brause

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2000 - 5 StR 258/00 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 60 Vereidigungsverbote


Von der Vereidigung ist abzusehen 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinde

Strafgesetzbuch - StGB | § 138 Nichtanzeige geplanter Straftaten


(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung 1. (weggefallen)2. eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,3. eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,4. einer Geld- od

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2000 - 2 StR 460/99

bei uns veröffentlicht am 17.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 460/99 vom 17. Mai 2000 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zum Mord Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 17. Mai 2000 g

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Von der Vereidigung ist abzusehen

1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.

(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung

1.
(weggefallen)
2.
eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,
3.
eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,
4.
einer Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, 152 oder einer Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in den Fällen des § 152b Abs. 1 bis 3,
5.
eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Kriegsverbrechens (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches),
6.
einer Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
7.
eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255) oder
8.
einer gemeingefährlichen Straftat in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 310, 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 oder der §§ 316a oder 316c
zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
von der Ausführung einer Straftat nach § 89a oder
2.
von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2,
zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt im Fall der Nummer 2 entsprechend.

(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Von der Vereidigung ist abzusehen

1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 460/99
vom
17. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zum Mord
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 17. Mai 2000 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 1. Dezember 1998, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge nach § 60 Nr. 2 StPO Erfolg. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 1. Februar 2000 hierzu ausgeführt: "Der behauptete Verstoß gegen § 60 Nr. 2 StPO ist gegeben. Das Landgericht hat die Vereidigung des Zeugen K. beschlossen und durchgeführt , ohne sich in dem Beschluß mit der Frage auseinander zu setzen, ob gegen den Zeugen der - einer Vereidigung gemäß § 60 Nr. 2 StPO entgegen-
stehende - Verdacht der Beteiligung an der Tat, die Gegenstand der Untersuchung ist, besteht. Gemäß § 64 StPO muß zwar nur das Absehen von der Vereidigung begründet werden; Anordnung und Vornahme der Vereidigung bedürfen (als der gesetzliche Regelfall) einer Begründung dagegen grundsätzlich nicht. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Beteiligungsverdacht nach den Gesamtumständen so nahe liegt, daß ohne eine für das Revisionsgericht überprüfbare Begründung der Nichtanwendung des § 60 Nr. 2 StPO nicht auszuschließen ist, daß das Tatgericht die Voraussetzungen des Eidesverbots verkannt hat (BGHSt 42, 86, 87). Ein solcher Fall lag hier vor. Als Verdacht der Beteiligung an der Tat eines Angeklagten im Sinne von § 60 Nr. 2 StPO ist auch der Verdacht eines Vergehens nach § 138 StGB anzusehen (vgl. BGHSt 42, 86, 87 im Anschluß an BGHSt 6, 372, 383 f; BGH LM § 68 a StPO Nr. 2; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1966 - 1 StR 358/66 -, vom 12. März 1969 - 4 StR 29/69 - und vom 29. April 1969 - 5 StR 140/69 -). Daß (zumindest) dieser Verdacht bestand, belegen die schriftlichen Urteilsgründe. Ihnen sind sehr gewichtige Verdachtsmomente zu entnehmen, die eine Erörterung der Voraussetzungen des Eidesverbots des § 60 Nr. 2 StPO unentbehrlich machten. Ausweislich der Wiedergabe der Aussage des Zeugen K. auf UA S. 36, 37 hatte die Angeklagte Kr. diesem gegenüber bereits "einige Wochen vor dem Verschwinden Ke. " geäußert, daß "der Mann beseitigt werden müsse, weil er ihr und dem Mitangeklagten J. gefährlich werde und im Wege" stehe. Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen K. und die Verläßlichkeit seiner Angaben hegte das Tatgericht "nicht die geringsten Bedenken". Zur Frage, ob der Zeuge jene Ankündigung der Beschwerdeführerin ernst genommen hatte, verhalten sich die Urteilsgründe zwar nicht ausdrücklich. Nach ihrem Gesamtzusammenhang läge die Annahme, das Tatgericht könnte insoweit Zweifel gehabt haben, jedoch fern. Denn es hat sich auf UA S. 36 keines-
wegs auf die Wiedergabe der Ankündigung beschränkt, sondern im Einzelnen auch die Gründe mitgeteilt, die - jedenfalls aus der Sicht der Beschwerdeführerin - die Notwendigkeit des angekündigten Vorhabens nachvollziehbar erscheinen lassen konnten. Zudem war die Schlüssigkeit der Darstellung sich folgerichtig aneinander reihenden Vorgänge von jener Ankündigung bis zu den Hinweisen zum Versteck der Leiche und zum Fahrzeug (UA S. 36, 54) ersichtlich ein wesentliches Kriterium für die Bewertung der Glaubhaftigkeit. Hätte es in Teilen an der Ernsthaftigkeit gefehlt oder hätte der Zeuge zumindest Zweifel an dieser gehabt, dann hätte dies aber die Schlüssigkeit insgesamt in Frage gestellt. Jedenfalls kann unter diesen Umständen nicht ohne weiteres unterstellt werden, der Tatrichter sei davon ausgegangen, daß der Zeuge die Ankündigung nicht ernst genommen hatte. Es ist vielmehr genau jener in der Rechtsprechung (BGHSt 42, 86, 87 m.w.N.) angeführte Fall gegeben, in dem das Revisionsgericht ohne eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des Vereidigungsverbots durch das Tatgericht und ohne Begründung für die Nichtanwendung des § 60 Nr. 2 StPO einen Verstoß gegen diese Vorschrift annehmen muß. Daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Aussage des Zeugen K. war für die tatrichterliche Überzeugung von erheblicher Bedeutung. Daß der Zeuge sie beeidet hatte, kann für ihre Bewertung (mit) erheblich geworden sein. Die Verletzung des § 60 Nr. 2 StPO nötigt demgemäß zur Aufhebung des Urteils, soweit es die Angeklagte Kr. betrifft. Einer Erörterung der weiteren, in der Revisionsbegründung des Verteidigers RA R. erhobenen und ausgeführten Verfahrensrügen und der Sachrüge bedarf es aus diesem Grunde nicht mehr."
Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Trotz des Gewichts der vielfältigen gegen die Angeklagte sprechenden Beweisumstände kann auch der Senat nicht ausschließen, daß das Urteil auf dem Vereidigungsfehler beruht. Niemöller Detter Bode Otten Rothfuß

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.