Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 232/13

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2013

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 10. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den – von weiteren Vorwürfen freigesprochenen – Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Beschlussformel Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2013 dargelegten Gründen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
Die Bildung der Gesamtstrafe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei Einzelfreiheitsstrafen von fünfmal einem Jahr, zweimal zehn Monaten, einmal acht Monaten und dreimal sechs Monaten festgesetzt und ist bei der Bestimmung der Gesamtstrafe zutreffend von den Maßstäben des § 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 StGB ausgegangen. Es hat aber zur Begründung der als schuldangemessen angesehenen Gesamtfreiheitsstrafe ausschließlich mildernde Gesichtspunkte angeführt, nämlich den engen Zusammenhang zwischen den Taten sowie die Unbestraftheit und Haftempfindlichkeit des Angeklagten (UA S. 38). Deshalb kann der Senat nicht nachvollziehen, weswegen die Einsatzstrafe derart massiv erhöht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2003 – 2 StR 464/02, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 12; s. auch BGH, Beschluss vom 21. März 2006 – 4 StR 21/06, NStZ-RR 2007, 71). Dies zwingt vorliegend zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs (§ 337 Abs. 1 StPO).
3
Die zugehörigen, rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben und in der neuen Hauptverhandlung widerspruchsfrei ergänzt werden.
Basdorf Sander Dölp König Bellay

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 232/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 232/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 232/13 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 232/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 232/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2006 - 4 StR 21/06

bei uns veröffentlicht am 21.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 21/06 vom 21. März 2006 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2013 - 5 StR 232/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2013 - 2 StR 108/13

bei uns veröffentlicht am 13.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 108/13 vom 13. August 2013 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführer

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 21/06
vom
21. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 21. März 2006 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 22. Juli 2005 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 11 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; von weiteren Anklagevorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte seine am 19. August 1986 geborene Adoptivtochter von ihrem 14. Geburtstag an bis zum 13. Mai 2003 in elf Fällen sexuell missbraucht, wobei es auch zum Geschlechts- und Oralverkehr kam. Für diese Taten hat das Landgericht Einzelstrafen von zweimal zwei Jahren, zweimal einem Jahr und sechs Monaten, viermal einem Jahr, zweimal neun Monaten sowie von einem Jahr und drei Monaten verhängt und unter Erhöhung der Einsatzstrafe die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren gebildet.
3
Die Bemessung der verhängten Einzelstrafen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dagegen hat der Ausspruch über die Gesamtstrafe keinen Bestand. Es begegnet bereits Bedenken, dass das Landgericht die Einsatzstrafe mehr als verdreifacht hat, obwohl in den Urteilsgründen fast nur strafmildernde Umstände aufgeführt werden. Vor allem aber hat die Strafkammer bei ihren Erwägungen zur Bemessung der Gesamtstrafe nicht berücksichtigt , dass nach den Urteilsfeststellungen keine konkreten Folgen der Taten bei der Geschädigten eingetreten sind. Der Umstand, dass beim Opfer die durch die Tat typischerweise eintretenden seelischen Schäden ausgeblieben sind, kann eine Strafmilderung begründen (vgl. zu § 176 StGB: BGH StV 1986, 149; vgl. auch Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 174 Rdn. 21).
4
Hier hat die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung fast 19jährige Nebenklägerin sowohl gegenüber der Sachverständigen als auch gegenüber der Jugendschutzkammer bekundet, dass sie die Vorfälle als "nicht so schlimm" empfunden habe und dass sie den Angeklagten immer "als Vater" geliebt habe und ihn auch heute noch schätze (UA 24). Sie hat ferner ausgesagt, dass sie den Angeklagten von sich aus nie angezeigt, sondern sich vielmehr bereits mit einer Entschuldigung von ihm zufrieden gegeben hätte (UA 23). Dabei wirkte sie auf das Gericht insgesamt erwachsen und vermittelte natürliche Gelassenheit (UA 18); eine psychische Schädigung des Opfers durch die Missbrauchstaten ist im Urteil nicht festgestellt worden.
5
Dies hat das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zur Gesamtstrafenbildung nicht erkennbar bedacht. Angesichts der nach den Umständen sehr hohen Gesamtfreiheitsstrafe ist zu besorgen, dass sich dies auf deren Höhe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.