Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Mai 2003 - 5 StR 199/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte hat die im weiteren Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hatte den Angeklagten mit Urteil vom 21. März 2002 wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 61 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern in 13 Fällen und mit Beischlaf zwischen Verwandten in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.
Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluß vom 4. September 2002 – 5 StR 369/02 – Verurteilungen in zehn Fällen des se- xuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen, die mit sieben Mal neun Monaten und drei Mal einem Jahr Freiheitsstrafe belegt waren, aufgehoben und das Verfahren insoweit wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Aus dem gleichen Grund wurden in 13 weiteren Fällen tateinheitliche Verurteilungen wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen, davon in zwei Fällen zusätzlich wegen Beischlafs mit Verwandten und – als Folge der Änderungen des Schuldspruchs – der gesamte Strafausspruch aufgehoben.
Das Landgericht hat in dem nunmehr vom Angeklagten angegriffenen Urteil vom 26. November 2002 50 der 51 festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe in gleicher Höhe wie der zuvor erkennende Tatrichter festgesetzt. Seine Revision führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
1. Hinsichtlich der Festsetzung der Einzelstrafen deckt der Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler auf. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 17. April 2003 die dagegen erhobenen Einwände des Angeklagten zutreffend zurückgewiesen. Die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der Bemühungen des Angeklagten, mit Schuldanerkenntnissen vom 18. Juni 2002 und Zahlungen von je 100 Euro den Schaden der Opfer auszugleichen, erfüllen ersichtlich auch nicht die im Urteil des 1. Strafsenats vom 19. Dezember 2002 (1 StR 405/02 zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 2003, 1466 ff.) näher dargelegten Voraussetzungen für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 und 2 StGB.
2. Dagegen begegnet die Begründung der Gesamtfreiheitsstrafe durchgreifenden Bedenken.
Dem Landgericht war es durch § 358 Abs. 2 StPO zwar nicht verwehrt , auch nach Wegfall von zehn Einzelstrafen auf die im Ausgangsverfahren festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe erneut zu erkennen, weil eine Bindung an die Auffassung über die Angemessenheit der Gesamtstrafe für den neu entscheidenden Tatrichter nicht besteht (vgl. BGHSt 7, 86, 87 f.).
Diese gleich hohe Strafe hätte – als Höchststrafe – aber sorgfältiger Begründung bedurft (vgl. BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8; § 46 Abs. 1 Begründung 13; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 54 Rdn. 9), die dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen ist. Das Landgericht hebt zum Nachteil des Angeklagten lediglich – neben der Inbezugnahme der Erwägungen zu den Einzelstrafen – auf die Vielzahl der Taten, den langen Tatzeitraum und das Gesamtgewicht der Taten ab (UA S. 24). Bei dieser pauschalen Darlegung wird nicht deutlich, warum der Wegfall von zehn Einzelstrafen sich auf die neu bemessene Gesamtfreiheitsstrafe nicht ausgewirkt hat (vgl. Tröndle/Fischer aaO). Ferner werden die – vom Angeklagten in zwei Serien zum Nachteil seiner Töchter begangenen – Straftaten nicht dahingehend zusammenfassend gewürdigt, inwieweit enge zeitliche, sachliche und situative Zusammenhänge es möglicherweise gebieten, die Einzelstrafen enger zusammenzuziehen (vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 1, 3, 4; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 662, 664).
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier vorliegen- den Begründungsfehler nicht. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen treffen können, die freilich den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen dürfen.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat der Täter
- 1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder - 2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.