Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2015 - 5 StR 110/15

bei uns veröffentlicht am13.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 110/15
vom
13. April 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schweren Raubes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. April 2015 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. August 2014 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Zur Revision der Angeklagten S. bemerkt der Senat ergänzend: 1. Der Senat teilt die Auffassung des Generalbundesanwalts, dass die aus- zugsweise Verlesung des polizeilichen „Tathergangsberichts“ aus dem vormals gegen den Zeugen Br. geführten Ermittlungsverfahren nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO jedenfalls insoweit nicht zu beanstanden ist, als dort die Tatsache und die Umstände der durch die Angeklagte erstatteten Strafanzeige betroffen sind. Weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem mit ihr verfolgten Anliegen der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung (vgl. dazu BTDrucks. 15/1508 S. 26 f.; KK/Diemer, StPO, 7. Aufl., § 256 Rn. 9a) lässt sich eine Einschränkung auf Urkunden aus dem gerade anhängigen Verfahren entnehmen (aM SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 256 Rn. 33). Bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Urkunde, hat das Gericht ihnen im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachzugehen. Dass solche Zweifel hier bestanden haben könnten, wird von der Revision nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die Strafkammer hat die bezeichnete Urkunde insoweit verwertet, als das Datum der Anzeigeerstattung und die Größe des vorgefundenen Duschkopfs betroffen waren. Hingegen vermag der Senat nicht zu erkennen, dass das Urteil auch auf den Inhalt einer rechtsfehlerhaft lediglich aufgrund einer Vorsitzendenverfügung verlesenen Niederschrift über die Beschuldigtenvernehmung des hiesigen Zeugen Br. gestützt ist (UA S. 46/47). Das wird von der Revision auch nicht behauptet (RB S. 11). Unter diesen Vorzeichen kann ein Beruhen des Urteils (§ 337 Abs. 1 StPO) auf dem Mangel ausgeschlossen werden.
2. Dass die Strafkammer die von einem privatrechtlich organisierten Krankenhaus herrührenden Arztbriefe rechtsfehlerhaft nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StPO verlesen hat (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3StR 557/14 Rn. 6 f.), gefährdet den Bestand des Urteils nicht. Der Senat kann dabei dahingestellt lassen, ob die darin enthaltenen Befunde – wie hier ausschließlich geschehen (UA S. 79 f.) – auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens hätten verwertet werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 1956 – 3 StR 136/56, BGHSt 9, 292, 293 f.; Beschluss vom 17. November 1987 – 5 StR 547/87, BGHR StPO § 59 Satz 1 Sachverständigenfrage 1; jeweils mwN). Denn das Urteil würde auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler nicht beruhen (§ 337 Abs. 1 StPO). Die sachverständig beratene Strafkammer hat nämlich eine – in der Sache ohnehin überaus fernliegende – Drogenabhängigkeit der Angeklagten S. mit Persönlichkeitsdepravation für die allein maßgebende Tatzeit (2010) in nicht zu beanstandender Weise verneint (UA S. 78 f.). Ohne Berücksichtigung der Arztbriefe, die den vier Jahre später gegebenen Zustand der Angeklagten betrafen (2014), wäre sie zu keinem anderen Ergebnis gelangt.
3. Das Urteil legt unter detaillierter Wiedergabe vor der Polizei gemachter Angaben des Zeugen Br. dar, dass dieser das Geschehen „durchgängig seit dem 18.12.2010 bis heute (fast 4 Jahre später) in den wesentlichen Punk- ten konstant beschrieben“ hat (UA S. 61). Entgegen der Meinung der Revision ist es nicht Aufgabe der Urteilsgründe, den „Verlauf und den Ertrag“ sämtlicher Befragungen des Zeugen umfassend darzulegen. Angesichts einer Vielzahl von gegen die Angeklagten sprechenden, außerhalb der Aussage des Zeugen liegenden Beweismitteln, nicht zuletzt ferner eines Geständnisses der Angeklagten S. gegenüber der Sachverständigen, war eine Aussage-gegenAussage -Konstellation mit den dafür geltenden erhöhten Darstellungspflichten nicht gegeben.
Sander Dölp König Bellay Feilcke

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2015 - 5 StR 110/15 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafprozeßordnung - StPO | § 256 Verlesung der Erklärungen von Behörden und Sachverständigen


(1) Verlesen werden können 1. die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen a) öffentlicher Behörden,b) der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowiec) der Ärzte eines ge

Strafprozeßordnung - StPO | § 59 Vereidigung


(1) Zeugen werden nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Der Grund dafür, dass der Zeuge vereidigt wird, braucht im Pro

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Zeugen werden nur vereidigt, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Der Grund dafür, dass der Zeuge vereidigt wird, braucht im Protokoll nicht angegeben zu werden, es sei denn, der Zeuge wird außerhalb der Hauptverhandlung vernommen.

(2) Die Vereidigung der Zeugen erfolgt einzeln und nach ihrer Vernehmung. Soweit nichts anderes bestimmt ist, findet sie in der Hauptverhandlung statt.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.