Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2012 - 4 StR 67/12

bei uns veröffentlicht am09.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 67/12
vom
9. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2012 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 3. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 96, II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe,
b) in den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe in den Aussprüchen über die Einzelstrafen und
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 6.239,50 Euro. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 130 Fällen und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz durch unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Schusswaffe nebst Munition und verbotener Gegenstände (vier Wurfsterne) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6.239,50 Euro angeordnet. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 95 sowie II. 97 der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
3
1. Insbesondere hat die Strafkammer entgegen der Auffassung der Revision die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten hinreichend dargetan. Zwar kann die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, die sich auch auf die Erzielung bloßer Nebeneinnahmen beziehen kann, dann einer eingehenden Begründung bedürfen, wenn in Anbetracht der Abgabemengen und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20. März 2008 – 4 StR 63/08, NStZ-RR 2008, 212). So liegt der Fall hier aber nicht. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte in Gewinnerzielungsabsicht vom 1. Januar 2009 bis zum 31. August 2010 in mindestens 80 Fällen jeweils 1 Gramm Marihuana für 10 Euro an den gesondert verfolgten M. K. und in mindestens 15 Fällen jeweils 1 Gramm Marihuana für 7,50 Euro sowie jeweils 1 Gramm Amphetamin für 10 Euro an die gesondert verfolgteA. K. und zusätzlich an einem nicht näher bestimmbaren Tag Anfang Januar 2010 in einem Fall 1 Gramm Marihuana für 7,50 Euro an diese verkauft hat. Die die Annahme von Gewerbsmäßigkeit rechtfertigende Nachhaltigkeit der Absicht, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen, ist damit auf Grund der Vielzahl der Taten und der zeitlichen Abfolge ausreichend belegt, zumal das abgeurteilte Tatgeschehen lediglich einen Ausschnitt der festgestellten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz betrifft und bei dem hochverschuldeten Angeklagten, der Sozialleistungen bezog, ein Geldbetrag in Höhe von 6.239,50 Euro sichergestellt wurde.
4
2. Dass die Strafkammer jeweils von einem Mindeststrafrahmen von sechs Monaten als Regelstrafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen ist, beschwert den Angeklagten nicht.

II.


5
Hingegen kann die Verurteilung in den Fällen II. 96 sowie II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben. Ferner hält die Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen II. 101 bis II. 130 rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Nach den Feststellungen kam es im Zeitraum von September 2010 bis Februar 2011 in mindestens 30 Fällen zur Belieferung des Angeklagten mit Betäubungsmitteln durch den gesondert verfolgten F. , wobei die jeweiligen Einzellieferungen unterschiedliche Betäubungsmittelarten, nämlich Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal in unterschiedlichen, im Einzelnen nicht mehr feststellbaren Mengen umfassten. Diese Betäubungsmittel verkaufte der Angeklagte gewinnbringend an seine Abnehmer, die ihn zu diesem Zweck an seinem Wohnort aufsuchten. Im Einzelnen handelte es sich von September 2010 bis kurz vor Weihnachten 2010 um 15 Fälle, in denen der Angeklagte jeweils mindestens 200 g verschiedener Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwarb. Von kurz vor Weihnachten 2010 bis Februar 2011 erfolgten ebenfalls mindestens 15 Lieferungen an den Angeklagten, wobei in diesen Fällen jeweils mindestens 1 kg unterschiedlicher, im Einzelnen ebenfalls nicht mehr feststellbarer Betäubungsmittel geliefert wurde; jede Lieferung enthielt einen Anteil von 100 bis 300 g Amphetamin. Die meisten dieser Lieferungen beinhalteten daneben Haschisch und Marihuana, Crystal und Kokain wurden nur gelegentlich mitgeliefert. Ferner verkaufte der Angeklagte im Zeitraum vom 24. September bis zum 23. Oktober 2010 über die gesondert verfolgte A. K. , die den Transport der Betäubungsmittel und den Geldeinzug übernahm , an einem nicht näher bestimmbaren Tag 0,4 Gramm Crystal und an zwei weiteren nicht näher bestimmbaren Tagen jeweils 0,3 Gramm Crystal gewinnbringend entweder an den gesondert verfolgten M. D. oder an den gesondert verfolgten S. E. .
7
2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 96 sowie II. 98 bis II. 100 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit liegt nach den Feststellungen die Annahme einer Bewertungseinheit nahe.
8
Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsge- schäfte gehören als unselbständige Teilakte zu dieser Tat (vgl. nur Senatsurteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, NStZ 1998, 89; Senatsbeschluss vom 8. Mai 2001 – 4 StR 114/01). Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu Bewertungseinheiten zusammenzufassen, weil nur die nicht näher konkretisierte Möglichkeit einer solchen Bewertungseinheit besteht; liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Bewertungseinheit vor, darf der Tatrichter darüber nicht ohne Erörterung hinweggehen (Senatsurteil aaO). So liegt es hier.
9
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit Anfang September 2010 ein- bis zweimal wöchentlich durch den gesondert verfolgten F. mit Haschisch, Amphetamin, Marihuana, Kokain und Crystal beliefert wurde. Der Weiterverkauf von Marihuana und Amphetamin an die gesondert verfolgte A. K. erfolgte am 4. September 2010, die Verkäufe von Crystal an den gesondert verfolgten M. D. oder den gesondert verfolgten S. E. zwischen dem 24. September und dem 23. Oktober 2010. Danach liegt es nahe, dass die vom Angeklagten weiterverkauften Portionen aus den Lieferungen des gesondert verfolgten F. stammten und somit eine Bewertungseinheit vorliegt.
10
3. a) In den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe ist der Schuldspruch frei von Rechtsfehlern. Dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 BtMG in Verbindung mit den Anlagen I bis III zum BtMG Handel getrieben hat, vermag der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe eben noch ausreichend deutlich zu entnehmen. Zwar wird im angefochtenen Urteil mehrfach ohne nähere Spezifizierung ausgeführt, der Angeklagte habe von dem gesondert verfolgten F. „Drogen“ zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben. Das Landgericht hat indes an anderer Stelle auch festgestellt, es habe sich um unterschiedliche Mengen Haschisch, Amphe- tamin, Marihuana, Kokain und Crystal gehandelt; bei Durchsuchungen in den Wohnräumen des Angeklagten wurden verschiedene Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel sichergestellt. Ferner hat sich der Angeklagte auch zu diesen Fällen im Wesentlichen geständig eingelassen; eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ist nicht erfolgt.
11
b) Hingegen halten die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II. 101 bis II. 130 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12
Der Schuldumfang der einzelnen Taten ist nicht hinreichend bestimmt. Zwar hat das Landgericht insoweit die Gesamtmenge der vom Angeklagten für den Weiterverkauf erworbenen Betäubungsmittel (jeweils 200 Gramm bis Weihnachten, danach jeweils mindestens 1 kg) festgestellt. Nähere Feststellungen zu Qualität und Wirkstoffmenge der einzelnen Betäubungsmittelarten fehlen jedoch. Damit wird ein für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlicher Umstand (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 – 5 StR 439/05, StV 2006, 184) außer Betracht gelassen, ohne dessen Darlegung das Revisionsgericht nicht zu prüfen vermag, ob die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei bemessen worden sind. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt durfte hier umso weniger verzichtet werden, als verschiedene Betäubungsmittelarten beim Angeklagten sichergestellt werden konnten. Für die nicht sichergestellten Mengen hat der neue Tatrichter neben dem bislang geständigen Angeklagten alle zur Verfügung stehenden weiteren Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen und wird sodann unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes von Mindestfeststellungen ausgehen müssen (BGH aaO; vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 810 ff.).
13
4. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie der Anordnung über den Verfall von Wertersatz. Im Hinblick auf den betreffenden, bei dem Angeklagten sichergestellten Geldbetrag wird der neue Tatrichter vorrangig die Voraussetzungen des § 73d StGB zu prüfen haben.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2012 - 4 StR 67/12 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 1 Betäubungsmittel


(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrat

Strafgesetzbuch - StGB | § 73d Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung


(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden is

Strafgesetzbuch - StGB | § 29 Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten


Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 63/08
vom
20. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. März 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20. November 2007 mit den zugehörigen Feststellungen
a) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II 1 bis 4 und
b) im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Einzelstrafen in den Fällen II 1 bis 4 und die Gesamtstrafe halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift insoweit Folgendes ausgeführt: "Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Anwendung des Strafrahmens des § 29 Abs. 3 BtMG unter Annahme gewerbsmäßigen Handeltreibens keine ausreichende Grundlage findet. Die Feststellung der Kammer, der Angeklagte habe bei den vier Verkäufen an die Zeugin L. in der Absicht gehandelt , sich damit eine zusätzliche Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen, ist nicht ausreichend belegt. Kann der Täter, wie hier, in Anbetracht von Abgabemenge und -preis (jeweils 0,3 Gramm Kokain für 20 Euro) nur einen geringen Gewinn aus dem Betäubungsmittelgeschäft erwarten, bedarf die Annahme von Gewerbsmäßigkeit einer eingehenden Begründung (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 gewerbsmäßig 5; BGH StV 2001, 461). Zwar mögen die von ihm im Anschluss begangene Tat 5, die außergerichtlich eingezogenen Asservate und seine - im Urteil allerdings nicht näher dargelegten - wirtschaftlichen Verhältnisse eine nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht von einigem Gewicht , die sich auch auf die Erlangung von Nebeneinnahmen beziehen kann (vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1975, 725), nahe legen; das Tatgericht hat sich aber weder mit der niedrigen Gewinnspanne noch mit weiteren, gegen eine derartige Absicht sprechenden Umständen auseinander gesetzt. Hierzu bestand Anlass, weil ... die Anzahl der Taten überschaubar blieb und deren Abfolge nicht näher mitgeteilt ist, so dass zu Gunsten des Angeklagten von nicht unerheblichen Zeitabständen zwischen den einzelnen Transaktionen auszugehen ist. Schließlich verhalten sich die Urteilsgründe auch nicht dazu , dass der Angeklagte und die Zeugin freundschaftlich ver- bunden waren, was ebenfalls gegen das Motiv der Erschließung einer nicht ganz unbedeutenden Einnahmequelle sprechen könnte. ...
Hierauf beruht das Urteil. Es ist nicht auszuschließen, dass die Kammer bei fehlerfreier Rechtsanwendung den milderen Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG angenommen und auf geringere Einzelstrafen erkannt hätte, zumal sie jeweils die Verhängung der Mindeststrafe des § 29 Abs. 3 BtMG für ausreichend hielt. Die Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen 1 - 4 bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. ...
Infolge der teilweisen Aufhebung der Einzelstrafen kann auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben".
5
Dem schließt sich der Senat an.
Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Ernemann Sost-Scheible

Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 114/01
vom
8. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2001 gemäß §§ 44,
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bochum - Strafkammer Recklinghausen - vom 20. November 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Beschluß des Landgerichts Bochum vom 12. Februar 2001, durch den die Revision des Angeklagten verworfen wurde, ist damit gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II 1 bis 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 188 Fällen, davon in 46 Fällen gemeinschaftlich handelnd mit dem gesondert verfolgten D. , sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat - nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - mit der Sachrüge teilweise Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung und der Gegenerklärung vom 11. April 2001 hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das Landgericht ihn im Fall II 6 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt hat. Auch soweit das Landgericht von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abgesehen hat, hält das Urteil rechtlicher Nachprüfung stand.
2. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II 1 bis 5 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 188 Fällen (Kokainverkäufe in den von ihm betriebenen Lokalen "CaféBabylon" und "Tee-
stube") kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft 188 tatmehrheitlich begangene Taten angenommen hat:
Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, den Tatbestand des Handeltreibens in bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; zu dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen (st. Rspr., BGHSt 30, 28, 31; BGH NStZ 1998, 89).
Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Einzelverkäufe zur Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammen (vgl. BGH NStZ 1998, 89 m.w.N.). Es ist jedoch rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß an sich selbständige Rauschgiftgeschäfte aus derselben Erwerbsmenge getätigt wurden. So liegt es hier:
Nach den Feststellungen "verschaffte sich der Angeklagte von etwa Juni /Juli 1998 bis zu seiner Festnahme im Mai 2000 durch eine Vielzahl von Kokainverkäufen (etwa 2.180 Bubbels) eine regelmäßige und fortlaufende Einnahmequelle" und finanzierte so seinen Lebensunterhalt. Der Angeklagte, der "auf ungeklärte Art und Weise in der Lage (war), in größeren Mengen Kokain" zu beschaffen, portionierte das Kokain in "Bubbels" zu einem oder 0,8 g und verkaufte dies entweder selbst oder durch in seinen Lokalen beschäftigte Mit-
arbeiter an verschiedene Abnehmer weiter, und zwar in 60 Fällen jeweils 15 "Bubbels" (II 2 der Urteilsgründe) und in den weiteren unter II 1, 3 bis 5 der Urteilsgründe zusammengefaßten Fällen jeweils 10 "Bubbels". Telefonüberwachungen ergaben, “daß der Angeklagte in einem Monat teilweise bis zu 4000 Telefonate führte, die sich nahezu ausschließlich mit dem An- und Verkauf von Rauschgift beschäftigten" (UA 8). Danach liegt es nahe, daß er Kokain in größeren Mengen vorrätig gehalten hat und daß sich einige der festgestellten 188 Verkaufsakte, jedenfalls soweit sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, auf dieselbe Einkaufsmenge bezogen haben. Dies gilt insbesondere für die 40 Lieferungen an Enver D. im Dezember 1999/Januar 2000 (II 1 der Urteilsgründe) und die Verkäufe durch Stefanie Du. (II 3 der Urteilsgründe) im Dezember 1999 und Carla P. (II 4 der Urteilsgründe) Ende November/ Dezember 1999.
Zwar ist die Beurteilung, ob selbständige Rauschgiftgeschäfte zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen sind, in erster Linie Sache des Tatrichters, dessen Wertung vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu überprüfen ist (vgl. BGH NStZ 1998, 89 m.N.). Da sich das Urteil aber hierzu nicht verhält und sich seinen Gründen zudem nicht entnehmen läßt, ob - und gegebenenfalls wie - sich der hinsichtlich der Einzelverkäufe geständige Angeklagte zur Beschaffung des veräußerten Kokains eingelassen hat, entzieht es sich insoweit der revisionsrechtlichen Überprüfung. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II 1 bis 5 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
3. Die Urteilsausführungen zur rechtlichen Würdigung geben Anlaß zu dem Hinweis, daß nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO die Gründe des Strafurteils
das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen müssen. Eine Bezugnahme "auf die Paragraphen-Kette des Tenors" (UA 10) genügt diesen Anforderungen nicht.
Zu der gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO in die Urteilsformel aufzunehmende rechtlichen Bezeichnung der Tat gehören weder das Merkmal "gemeinschaftlich handelnd" noch das Merkmal "gewerbsmäßig" des nur eine Strafzumessungsregelung enthaltenden § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG (vgl. Kleinknecht /Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 260 Rdn. 24 m.N.)
Meyer-Goßner Kuckein Athing

(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.

(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies

1.
nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit,
2.
wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder
3.
zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit
erforderlich ist. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können einzelne Stoffe oder Zubereitungen ganz oder teilweise von der Anwendung dieses Gesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ausgenommen werden, soweit die Sicherheit und die Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs gewährleistet bleiben.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

5 StR 439/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 5. Juli 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 73 Fällen und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „gewerbsmäßigen“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 73 Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
Die Erfüllung des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG ist nicht zu tenorieren (vgl. MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 260 Rdn. 25). Insoweit korrigiert der Senat den Schuldspruch. Dieser ist im Übrigen rechtsfehlerfrei. Dass die Strafkammer bei dem die Einlassung verweigernden Angeklagten mangels sonstiger Anhaltspunkte eine Zusammenfassung der Einzelfälle zur Bewertungseinheit nicht näher erwogen hat, unterliegt keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 13).
Hingegen halten die Einzelstrafaussprüche und der Gesamtstrafausspruch der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil der Schuldumfang der einzelnen Straftaten nicht hinreichend bestimmt ist. Das Landgericht hat zwar im Fall III. 4 der Urteilsgründe dargelegt, dass die dort sichergestellten 14,6 g Crystal einen Wirkstoffanteil von 6,187 g Metamphetaminbase enthielten. Für die übrigen Fälle hat es aber lediglich bemerkt: „Das Crystal war von unterschiedlicher Qualität“ (UA S. 7). Damit hat der Tatrichter im Wesentlichen keine Feststellungen zur Qualität und zur Wirkstoffmenge des gehandelten Rauschgifts getroffen und damit einen für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand außer Betracht gelassen. Ohne diese Angaben vermag das Revisionsgericht nicht zu prüfen, inwieweit die Einzelstrafen rechtsfehlerfrei bemessen sind, da die Wirkstoffmenge einen wesentlichen Umstand für die Beurteilung der Schwere der Tat und die Bestimmung des Schuldumfangs darstellt (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 18 und 19 m.w.N.). Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, die – unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes – mit hinreichender Genauigkeit auch dann möglich sind, wenn Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten und daher für eine Untersuchung durch Sachverständige nicht zur Verfügung stehen (vgl. BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 3; BGH NJW 1994, 1885, 1886; BGH NStZ 1985, 221, 273; Weber, BtMG 2. Aufl. § 29a Rdn. 92 f.), konnte hier deshalb nicht verzichtet werden.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass angesichts einer Gesamtmenge von 1,8 kg gehandelten Rauschgifts (Crystal) sich eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren vom üblichen Maß in derartigen Fällen verhängter Strafen ganz erheblich nach oben abheben würde. Zumal bei dem gegebenen engen sachlichen Zusammenhang der Taten und einem auch verhältnismäßig engen zeitlichen Zusammenhang bedürfte eine so hohe Gesamtstrafe trotz der Vielzahl der Taten auf der Basis einer Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe und nicht überaus gravierenden Vorbelastungen des Angeklagten einer sehr eingehenden Begründung, um ihre ungewöhnlich hohe Bemessung nachvollziehbar zu machen.
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(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.