Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2015 - 4 StR 65/15

bei uns veröffentlicht am26.03.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR65/15
vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. März 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Beleidigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen Bedrohung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es ihn wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung, Beleidigung in zehn Fällen, Verleumdung, Missbrauchs von Notrufen und Sachbeschädigung zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Die Urteilsgründe belegen nicht, dass die Anordnung der Unterbringung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.
4
aa) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen , dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 3 StR 349/13, juris Rn. 5).
5
bb) Darüber hinaus muss die Anordnung verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In § 62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals einfachgesetzlich geregelt, um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung hervorzuheben. Er beherrscht auch die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und gebietet , dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 789/13, NStZ-RR 2013, 360 [nur Ls]). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 – 5 StR 215/07, NStZ-RR 2007, 300, 301). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Betroffenen und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340).
6
b) Das Landgericht hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht erwähnt; das begründet hier einen durchgreifenden Erörterungsmangel. Der Senat kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen , dass die Strafkammer diese Frage geprüft und (konkludent) bejaht hat. Eine Erörterung anhand des unter Buchst. a) dargelegten Maßstabs war im vorliegenden Fall jedoch unverzichtbar: Das Landgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass der von ihm als Anlasstat allein herangezogene Fall II.12 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte u.a. den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt hat, in den Bereich der mittleren Kriminalität hineinreicht. Gleichwohl war nach den Feststellungen die Schwelle zur Erheblichkeit nicht wesentlich überschritten. Ob die daraus resultierenden erhöhten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit gewahrt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2014 – 3 StR 243/14), kann der Senat nicht überprüfen.
7
2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
8
3. Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu erwägen haben, einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung des Angeklag- ten zu den Voraussetzungen des § 63 StGB zu beauftragen (§ 246a Abs. 1 StPO).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 224/12
vom
4. Juli 2012
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juli 2012 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. März 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Beschuldigte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen trat der obdachlose Beschuldigte am 16. November 2010 in der Innenstadt von P. gegen einen Stromkasten. Als er deshalb von den Zeugen A. und H. He. zur Rede gestellt wurde, reagierte er mit den Worten: „Halt's Maul, sonst steche ich euch ab“. Anschließend entfernte er sich. Als ihm die beiden Zeugen und zwei weitere Personen nachliefen, blieb der Beschuldigte stehen, zog mit der rechten Hand ein Messer und richtete es auf seine Verfolger. Dabei rief er: „Haut ab, oder ich steche euch alle ab“ und fuchtelte mit dem Messer hin und her. Kurze Zeit später erschien die zwischenzeitlich alarmierte Polizei. Der Aufforderung, das Messer fallenzulassen , kam der Beschuldigte nicht nach, sodass schließlich gegen ihn Pfefferspray eingesetzt und zu seiner Entwaffnung körperliche Gewalt angewendet werden musste (Fall II. 1). Am 7. Dezember 2010 bezeichnete der Beschuldigte während einer gemeinsamen Zugfahrt die Zeugin S. ohne jeden Anlassals „Hure“ und „Schlampe“. Zugleich trat er ihr mit dem Fuß gegen den rechten Unterschenkel, wobei er schwere, massive Stiefel trug. Als ihn die Zeugin auf sein Verhalten ansprach, äußerte er „Ich bringe dich um“ und „Ich mache dich kalt“. Die Zeugin erlitt durch den Tritt mehrere Tage andauernde, nicht unerheb- liche Schmerzen und einen Schock. Auf der von der Polizei begleiteten Weiterfahrt kam es bei ihr mehrfach zu Weinkrämpfen (Fall II. 2). Am 23. März 2011 versetzte der Beschuldigte in F. auf offener Straße einer ihm unbekannten Schülerin, die sich mit zwei Mitschülerinnen auf dem Nachhauseweg befand, einen massiven Tritt in den Rücken. Dabei trug er erneut schwere Schnürstiefel. Da der Tritt durch den Schulranzen gedämmt wurde, kam es nicht zu länger andauernden Schmerzen. Die Schülerin erlitt einen Weinkrampf und war – wie ihre beiden Begleiterinnen – von dem Verhalten des Beschuldigten geschockt (Fall II. 3). Am 26. Oktober 2011 zeigte der Beschuldigte in der P. Innenstadt einem Polizeibeamten den ausgestreckten Mittelfinger und bezeich- nete ihn bei der anschließenden Personalienfeststellung als „Arschloch“ (Fall II. 4). Das Landgericht hat die festgestellten Vorfälle als Bedrohung (Fall II. 1), vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und Bedrohung (Fall II. 2), vorsätzliche Körperverletzung (Fall II. 3) und Beleidigung (Fall II. 4) gewertet.
3
Dem Gutachten des angehörten Sachverständigen folgend geht das Landgericht davon aus, dass der Beschuldigte „seit vielen Jahren“ an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Residuum leidet. Aufgrund der Erkrankung treten bei ihm unterschiedlich akzentuierte Symptome wahnhafter Überzeugtheit auf. Die dadurch generierten Impulse werden von ihm, dem Grundmuster der festgestellten Taten entsprechend, in aggressiv feindseliger Weise umgesetzt. Stationären Aufenthalten in psychiatrischen Krankenhäusern in den Jahren 1987, 1994 und 1995 gingen jeweils „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ voraus, insbesondere auf Waldwegen, zumTeil mit Messern, durch Schubsen oder Fußtritte sowie Bedrohungen. Ein gegen den Beschuldigten im Jahr 1994 wegen des Verdachts der Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren wurde wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aufgrund dieser Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei sämtlichen Taten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erheblich beeinträchtigt (§ 21 StGB) und nicht ausschließbar aufgehoben (§ 20 StGB).
4
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet, weil die unter II. 1 bis II. 3 festgestellten Taten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien und davon auszugehen sei, dass der Angeklagte ohne Intervention auch in Zukunft ähnlich gelagerte Taten begehen werde.
5
2. Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass von dem Beschuldigten aufgrund seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 63 StGB).
6
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist aufgrund ihrer zeitlichen Unbegrenztheit eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Sie darf deshalb nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 7. Januar 1997 – 5 StR 508/96, NStZ-RR 1997, 230).
7
Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Beschluss vom 26. April 2001 – 4 StR 538/00, StV 2002, 477 f.). Dabei kann sich – wie in aller Regel bei Verbrechen oder Gewalt- und Aggressionsdelikten – eine schwere Störung des Rechtsfriedens bereits allein aus dem Gewicht des Straftatbestandes ergeben, mit dessen Verwirklichung gerechnet werden muss (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564; Beschluss vom 24. November 2004 – 1 StR 493/04, NStZ-RR 2005, 72, 73). Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens dagegen nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschluss vom 18. März 2008 – 4 StR 6/08; Beschluss vom 18. Februar 1992 – 4 StR 27/92, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; Beschluss vom 28. Juni 2005 – 4 StR 223/05, NStZ-RR 2005, 303, 304).
8
Die für die Maßregelanordnung erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters , seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. August 1977 – 2 StR 300/77, BGHSt 27, 246, 248 f.; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27). Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2006 – 2 StR 465/06, NStZ-RR 2007, 73,

74).


9
b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten nicht tragfähig begründet.
10
Im Grundsatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die gewalttätigen Übergriffe des Beschuldigten in den Fällen II. 2 und II. 3 der Urteilsgründe von erheblichem Gewicht sind. Dass auch eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Beschuldigte künftig diesen Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, hat es jedoch nicht hinreichend dargelegt.
11
Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts beruht auf der Erwägung, dass es sich bei den für die Anlasstaten ursächlichen psychotischen Impulsen um ein Symptom der bei dem Beschuldigten schon seit 1987 bestehenden Grunderkrankung handelt, das aufgrund seines regelhaften Auftretens auch in Zukunft immer wieder zu gleich gelagerten Taten führen wird (UA 7). Bei dieser Sachlage hätte es näherer Erörterung bedurft, warum der Beschuldigte in der Vergangenheit nicht häufiger durch Aggressionsdelikte in Erscheinung getreten ist und welche prognoserelevanten Schlüsse hieraus zu ziehen sind. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198, 199; Urteil vom 17. November 1999 – 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit

27).


12
Die Feststellung, dass den stationären Aufenthalten des Beschuldigten in den Jahren 1987, 1994 und 1995 „massive aggressive Übergriffe auf Dritte“ vorausgegangen sind, ist ohne Aussagekraft, weil es an einer nachvollziehbaren Darstellung einzelner Vorfälle und ihrer Genese fehlt. Gleiches gilt für den Vorgang, der dem wegen Körperverletzung geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Straubing aus dem Jahr 1994 zugrunde lag, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden ist. Grundsätzlich kann auch lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen (BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 14; vgl.BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, BeckRS 2008, 13076, insoweit in NStZ 2008, 563 nicht abgedruckt), doch setzt dies regelmäßig voraus, dass diese Taten in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und ihre Ursache nicht vornehmlich in anderen nicht krankheitsbedingten Umständen zu finden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01, BeckRS 2001, 30228853). Dies ist in den Urteilsgründen darzustellen und mit Tatsachen zu belegen.
13
Soweit das Landgericht auch die Todesdrohungen zum Nachteil der Zeugen He. (Fall II. 1) der mittleren Kriminalität zugeordnet hat, wird dies von den Feststellungen nicht belegt. Todesdrohungen gehören nur dann zu den erheblichen Straftaten, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, 203; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dass die bedrohten Zeugen mit tödlichen Messerstichen gerechnet haben, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass sie nach der ersten Drohung die Verfolgung des Beschuldigten aufnahmen, spricht eher für das Gegenteil.
14
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Eine abschließende Entscheidung vermochte der Senat nicht zu treffen, weil es nicht fernliegend ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können , die eine Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Bender Quentin
5
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die erforder- liche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 StR 94/13 mwN). Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

5 StR 215/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juni 2007

beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. November 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zur rechtswidrigen Tat; insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die jetzt 29-jährige Angeklagte vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des Hausfriedensbruchs wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gegen den Maßregelausspruch gerichtete Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge, wie aus dem Tenor ersichtlich, weitgehend Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich die Angeklagte am 14. Juni 2004 am Backstand auf dem Bürgersteig vor einem Spar-Markt auf, obwohl ihr drei Monate zuvor ein Hausverbot für diese Filiale einschließlich der Stehtische vor dem Backstand erteilt worden war. Sie bedrängte die dort anwe- senden Kunden, ihr Geld oder Alkohol zu schenken. Da sie wiederholte Aufforderungen , sich zu entfernen, nicht befolgte, wurde schließlich die Polizei eingeschaltet, die sie des Backstands verwies. Gleichwohl kehrte die Angeklagte zurück und setzte ihr störendes Verhalten fort. Sie wurde deshalb wiederholt von einer Mitarbeiterin des Spar-Marktes, der Zeugin K. , aufgefordert , den Backstand zu verlassen. Diesen Aufforderungen kam die Angeklagte jeweils nur kurzfristig nach, um sodann erneut an den Stehtischen zu betteln. Die Zeugin ergriff nunmehr einen Eimer und begoss die Angeklagte mit Wasser. Daraufhin schlug die Angeklagte eine mitgeführte gefüllte Bierflasche gegen den Hinterkopf der Zeugin. Diese erlitt ein Schädelhirntrauma und eine blutende Platzwunde am Hinterkopf; sie war sechs Monate arbeitsunfähig krank.
3
Die Angeklagte war zuvor im Jahre 2003 wegen Vollrauschs und im Januar 2004 unter anderem wegen Körperverletzung jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden. Bei der im Januar 2004 abgeurteilten Tat ging es um mehrere Faustschläge, welche die Angeklagte einer Passantin in das Gesicht versetzt hatte. Das Verfahren wegen einer im Januar 2005 begangenen Tat hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die vorliegende Sache vorläufig eingestellt. Dem lag zugrunde, dass die Angeklagte anlässlich einer vorläufigen Festnahme eine Polizeibeamtin in der Weise misshandelte, dass sie mehrfach heftig an deren Haaren zog, bis die Frau zu Boden fiel. In dem anschließenden Handgemenge erlitt die Beamtin Verletzungen im Gesicht, an der Schulter und an den Knien.
4
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, dass die Angeklagte an einer chronischen paranoid -halluzinatorischen Psychose leidet und die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat. Aufgrund ihres Zustands sei zu befürchten, dass sie unter dem Einfluss eines weiteren Schubs ihrer seelischen Erkrankung erneut eine aggressive Handlung begehe und deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei.
5
3. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn – im Blick auf § 62 StGB – die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten. Dies ergibt sich aus dem – im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots abgeleiteten – Subsidiaritätsprinzip (vgl. Hanack in LK 11. Aufl. vor § 61 Rdn. 58 ff., § 63 Rdn. 82 ff.).
7
Dass die hier vorliegende Körperverletzung erheblich ist, steht außer Frage, wobei allerdings zu bedenken ist, dass diese etwa zweieinhalb Jahre vor der Aburteilung begangene Tat eine Reaktion auf einen überraschenden und zumindest aus Sicht der Angeklagten unberechtigten Angriff war. Die vor und nach der Anlasstat bis Anfang 2005 begangenen rechtswidrigen Handlungen bewegen sich dagegen eher im unteren bis mittleren Bereich der denkbaren Begehungsformen. Im Rahmen der Prognoseprüfung hätte weiter berücksichtigt werden müssen, dass sich die Angeklagte trotz des seit 2001 andauernden Krankheitsprozesses immer wieder für längere Zeiten beanstandungsfrei gehalten hat. Für die Frage der Prognose ist insoweit auch von Bedeutung, in welchen Rahmenbedingungen die Angeklagte in diesen straf- freien Zeiten lebte. Namentlich im Blick auf den Grundsatz der Subsidiarität hätte sich die Strafkammer auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Gefährlichkeit der Beschuldigten durch andere Maßnahmen vertretbar abgemildert werden kann. Hier wäre die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob in einer anderweitigen Einbindung der Beschwerdeführerin, insbesondere der Begründung eines Betreuungsverhältnisses nach §§ 1896 ff. BGB, eine Chance liegt, die Gefährlichkeit erheblich zu verringern.
8
Die Frage der Unterbringung bedarf deshalb der nochmaligen Prüfung und Entscheidung. Dabei wird insbesondere auch zu beachten sein, wie sich die Angeklagte in der einstweiligen Unterbringung bisher verhalten hat. Sollte der neue Tatrichter wiederum die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen, wird er auch prüfen müssen, ob die Vollstreckung der Unterbringung nach § 67b StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Basdorf Gerhardt Raum Schaal Jäger

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 220/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
und der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Limburg vom 6. August 2012 wird verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) von den Vorwürfen der Verbreitung pornographischer Schriften in acht Fällen, in einem Fall tateinheitlich begangen mit Verbreitung kinderpornographischer Schriften, in einem weiteren Fall mit Verbreitung kinderpornographischer Schriften und Verbreitung tierpornographischer Schriften sowie des Besitzes kinderpornographischer Schriften freigesprochen. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat das Landgericht abgelehnt.
2
Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt und auf die umfassende Aufhebung des Urteils gerichtet ist. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen installierte der nicht vorbestrafte Angeklagte auf seinem Rechner ein Tauschbörsenprogramm, das es jedem Nutzer ermöglichte , Dateien von Festplatten anderer Nutzer herunterzuladen. In Kenntnis der Funktionsweise der Tauschbörse lud der Angeklagte in einer Vielzahl von Fällen pornographische und kinderpornographische Bilddateien auf seinen Computer und stellte sie seinerseits auch anderen Nutzern zur Verfügung.
4
Der Angeklagte leidet an einer paranoiden Schizophrenie und damit einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB. Die sachverständig beratene Kammer hat zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dass hierdurch bei noch vorhandener Einsichtsfähigkeit seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben war. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat das Landgericht allerdings abgelehnt. Zwar seien infolge seines Zustandes auch in Zukunft weitere erhebliche Straftaten zu erwarten, jedoch fehle es an der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung.
5
2. Diese Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
6
a) Das Landgericht hat das Vorliegen eines Zustandes im Sinne von § 21 StGB als Voraussetzung für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ohne Rechtsfehler angenommen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwaltes der erforderliche spezifische Zusammenhang zwischen der einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallenden Erkrankung des Angeklagten und den von ihm begangenen Taten hinreichend dargelegt. Die Sachverständige, auf die die Strafkammer zur Begründung Bezug nimmt, hat dazu ausgeführt, dass die schizophrene Erkrankung des Angeklagten bezogen auf die ihm zur Last gelegten Taten auf seine Steuerungsfähigkeit einen erheblichen Einfluss habe. Der Angeklagte könne nur erheblich vermin- dert dem Tatanreiz, sich das Bildmaterial im Internet anzusehen bzw. sich dieses herunterzuladen, widerstehen. Dies sei positiv festzustellen. Es sei sogar nicht auszuschließen, dass der Angeklagte im Vergleich mit einem Durchschnittsmenschen bei der Begehung der Tat auch bei Anspannung aller Willenskräfte endgültig nicht mehr in der Lage gewesen sei, der – noch vorhandenen – Unrechtseinsicht zu folgen. Seine Möglichkeiten, dem Tatanreiz zu widerstehen , seien angesichts der leichten Zugänglichkeit des Bildmaterials im anonymen Internet "kaum vorhanden … wahrscheinlich sogar nicht vorhanden."
7
Aus diesen Darlegungen ergibt sich – wie für § 63 StGB erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 63 Rn. 5 mN) – eine sicher erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten. Auch wird ausreichend deutlich, wie sich die Erkrankung des Angeklagten in den jeweiligen Tatsituationen auf seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum seine Taten auf den festgestellten psychischen Zustand zurückzuführen sind (zu diesem Erfordernis Senat NStZRR 2011, 241, 242; 2012, 306, 307). Dabei hat das Landgericht auch bedacht, dass die Erkrankung des Angeklagten ohne ausgeprägte oder akute psychotische Symptome verlaufen ist (UA 16).
8
b) Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB ist rechtsfehlerfrei begründet. Das Landgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass von dem Angeklagten künftig erhebliche Taten im Sinne der Vorschrift zu erwarten sind, weil der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornographie dem mittleren Bereich der Kriminalität zuzuordnen ist.
9
Dass es gleichwohl die Verhältnismäßigkeit der Unterbringung verneint hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In § 62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals einfachgesetzlich geregelt, um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung hervorzuheben (vgl. BT-Drucks. V/4094 S. 17). Er beherrscht auch die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und gebietet , dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 789/13). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 – 5 StR 215/07, NStZ-RR 2007, 300, 301). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Oktober 1985 – 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Beschuldigten und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken.
10
Die nach diesen Maßstäben vorzunehmende Abwägung durch das Landgericht lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht hat – wie bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten – die von dem Angeklagten drohenden Straftaten, die konkreten Auswirkungen der Unterbringung, seine Persönlichkeit sowie seine Lebensumstände in Beziehung gesetzt. Es hat dabei insbesondere erwogen, dass eine psychiatrische stationäre Behandlung zu keiner Verbesserung seines derzeitigen – ärztlich ambulant erschöpfend behandelten – Zustandes führen könnte. Deshalb würde die Unterbringung nach § 63 StGB für ihn bedeuten, dass er für einen unbefristeten Zeitraum in einem psychiatrischen Krankenhaus seiner Freiheit entzogen wäre. Hierdurch wäre das in Freiheit geordnete Leben des psychisch erkrankten Angeklagten, der sich der zivilrechtlichen Betreuung unterstellt und sich als absprachefähig erwiesen hat, zerstört.
11
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwaltes hat das Landgericht dabei auch den Schutzzweck des Verbreitens kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB nicht verkannt. Dies liegt bereits deshalb fern, weil das Landgericht bei der Erörterung der Erheblichkeit der von dem Angeklagten zu erwartenden Taten ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass jeder, der Kinderpornographie besitzt und diese verbreitet, für Nachfrage sorgt und damit mittelbar den sexuellen Missbrauch von Kindern fördert. Soweit die Strafkammer im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung darauf hinweist, dass der Angeklagte durch die von ihm verwirklichten Straftatbestände den sexuellen Missbrauch von Kindern nicht unmittelbar gefördert hat, weil er weder aktiv auf die Fertigung von Bildern hingewirkt, noch unmittelbaren Kontakt zu Anderen aufgenommen habe, und eine Steigerung seiner Handlungen nicht zu erwarten sei, liegt hierin auch kein Widerspruch. Vielmehr geht es dem Landgericht insoweit ersichtlich darum, die der Allgemeinheit durch derartige Straftaten generell drohende Gefahr einer konkreten, auf die Person des Angeklagten und seine Lebensumstände bezogenen Betrachtung zu unterziehen. Dies ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur rechtlich zulässig , sondern geboten.
12
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung einer Unterbringung zur Bewährung (§ 67b StGB) nicht vorliegen, weil die im Falle des Angeklagten allein in Betracht kommende Weisung, in einer Wohngruppe zu leben, aufgrund seiner Erkrankung ungeeignet ist, künftig entsprechenden Straftaten entgegenzuwirken. Allerdings kann der Versuch erfolgversprechend sein, die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr durch andere im Urteil erörterte Maßnahmen, insbesondere durch Leitung seines Betreuers, abzuwenden.
Fischer Appl Schmitt Ott Zeng

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 243/ 1 4
vom
19. August 2014
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. August 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. Januar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
2
1. Dem Urteil liegen folgende Feststellungen und Wertungen des Landgerichts zugrunde:
3
a) Der Beschuldigte ist seit Ende der 1980er Jahre an einer schizomanischen Störung (ICD-10 F 25.8) mit chronifiziertem Verlauf und schwerwiegendem Residualzustand erkrankt. Zusätzlich besteht bei ihm eine Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit (ICD-10 F 10.2 und 13.2). Er befand sich deshalb seit 1986 vielfach im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Wunstorf, verlor 1995 seinen Arbeitsplatz und bezieht seit 1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Im Jahr 1998 drohte er in einer akut psychotischen Situation seiner Mutter und seiner damaligen Verlobten, er werde sie und auch sich selbst töten. Das Landgericht Hannover verhängte deshalb im Januar 2000 eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und ordnete die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, die bis Juni 2005 vollstreckt, sodann zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 29. Juli 2008 für erledigt erklärt wurde. Auch nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug kam es zu einer Vielzahl von stationären Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, teilweise in geschlossenen Stationen, teilweise in Wohn- und Pflegeheimen des Klinikums Wahrendorff oder anderer Institutionen. In den Jahren nach der hier verfahrensgegenständlichen Tat befand sich der Beschuldigte erneut zahlreich, teilweise aufgrund des Unterbringungsrechts, zumeist aber auf freiwilliger Grundlage jeweils kurzzeitig in stationärer psychiatrischer Behandlung.
4
b) Am 1. April 2011 betrat der Beschuldigte eine Sparkassenfiliale und füllte am Serviceschalter einen Auszahlungsauftrag aus. Nachdem es aufgrund eines technischen Problems zu zeitlichen Verzögerungen bei der Bearbeitung gekommen war, drängte der Beschuldigte aufgebracht und lautstark gegenüber dem Mitarbeiter des Kreditinstituts auf umgehende Auszahlung. Er versuchte, einen Monitor, auf dem der Filialleiter die Ursache für die Verzögerung feststellen wollte, herumzudrehen und sich selbst einen Blick auf die Kontounterlagen zu verschaffen. Als der Filialleiter ihm dies aus Datenschutzgründen untersagte , wurde er von dem Beschuldigten mit den Worten "Dreck", "Pimmellecker" und "Schwanzlutscher" beschimpft und damit bedroht, der Beschuldigte werde ihm den "Schwanz" abschneiden und ihm in den Mund stecken. Nunmehr zerriss der Filialleiter den Auszahlungsauftrag und wies den Beschuldigten aus den Geschäftsräumen. Daraufhin ging der Beschuldigte zu seiner Sporttasche, die er beim Betreten der Filiale abgestellt und auf die er ein Samuraischwert gelegt hatte. Das Schwert hatte eine stumpfe Metallklinge mit einer Klingenlän- ge von 62 cm, die sich in einer Plastikscheide befand. Dieses Schwert nahm der Beschuldigte, hielt es mit beiden Händen in Richtung des Filialleiters und drohte diesem, er werde "ihm den Kopf abschneiden", "ihn aufschlitzen" und ihm "den Kopf abhacken". Der Filialleiter bekam Angst um sein und der anderen Beschäftigten körperliches Wohl und veranlasste, dass ein Mitarbeiter den Notruf betätigte. Kurz danach verließ der Beschuldigte - in der einen Hand seine Sporttasche, in der anderen das Schwert haltend - die Filiale. Von den alarmierten Polizeibeamten wurde der Beschuldigte einige Zeit später im Bereich der Innenstadt angetroffen und aufgefordert, das Schwert fallen zu lassen. Als er nur mit den Worten "Was willst Du?" reagierte, wurde er unter Einsatz eines Pfeffersprays überwältigt und zur Polizeidienststelle verbracht. Dabei beschimpfte er die Polizeibeamten unter anderem mit den Worten "Nazis" und "korrupte Schweine".
5
Neben dieser Anlasstat hat das Landgericht zwei weitere Geschehnisse festgestellt: Ende August 2011 betrat der Beschuldigte trotz eines gegen ihn bestehenden Hausverbots das psychiatrische Wohnheim "C. ", um seine dort lebende Freundin zu besuchen. Er wurde von Mitarbeiterinnen der Einrichtung aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Darauf beschimpfte er die Frauen mit den Worten "Nazisau" und "Nazihure" und drohte ihnen an, sie würden mit einem Bolzenschussgerät getötet, ihre Leichen würde man "auf der Müllkippe finden". Sodann beruhigte er sich und verließ das Wohnheim. Im Mai 2013 geriet der Beschuldigte am Zentralen Omnibusbahnhof mit einem Reiseleiter in einen Konflikt. Er simulierte in der Art eines Kampfkünstlers einen Tritt sowie einen Faustschlag gegen den Mann, ohne dadurch Verletzungen herbeizuführen. Die Ermittlungsverfahren wegen dieser Vorfälle hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf das vorliegende Verfahren jeweils nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.

6
c) Das Landgericht hat - dem Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen folgend - nicht ausschließen können, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Tatbegehung aufgehoben war. Ursächlich war die schizomanische Erkrankung des Beschuldigten, die zu groben Störungen der Selbststeuerung im Sinne von distanz- und schamlosem Verhalten führt, die Kritikfähigkeit nahezu aufhebt und den Beschuldigten Aggressionen nicht als eigene Affekte, sondern als gerechtfertigte Reaktionen auf das Tun anderer erleben lässt. Von der erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit war die Strafkammer ebenso überzeugt wie von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit dafür , dass der Beschuldigte zukünftig erneut gleichartige Taten sowie auch einfache Körperverletzungshandlungen geringeren Ausmaßes (UA S. 20, 21) begehen wird. Die begangene Bedrohung hat sie wegen der psychischen Auswirkungen auf die Mitarbeiter der Sparkasse als Tat der mittleren Kriminalität eingestuft und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf die Gefahr der Wiederholung solcher Taten gestützt.
7
2. Die Anordnung der Unterbringung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht , dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat (en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 349/13, juris Rn. 5).
9
Darüber hinaus muss die Anordnung verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In § 62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals einfachgesetzlich geregelt , um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung hervorzuheben. Er beherrscht auch die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und gebietet, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist (BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 789/13, NStZ-RR 2013, 360 (nur Ls)). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007 - 5 StR 215/07, NStZRR 2007, 300, 301). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Betroffenen ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 u.a., BVerfGE 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Beschuldigten und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach § 63 StGB sowie die Möglichkeiten , ggf. durch andere Maßnahmen auf ihn einzuwirken (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 220/13, NStZ-RR 2013, 339, 340).
10
b) Gemessen hieran hat die Strafkammer die Voraussetzungen der Unterbringung nicht ausreichend belegt.
11
Das Landgericht ist zwar im Ausgangspunkt ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Bedrohung (§ 241 StGB) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Straftat der mittleren Kriminalität darstellen kann, welche die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen vermag, wenn die Bedrohung mit dem Tod geeignet ist, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202 mwN). Gleichwohl war nach den Feststellungen die Schwelle zur Erheblichkeit nur geringfügig überschritten. Den daraus resultierenden erhöhten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit werden die Darlegungen im Urteil nicht gerecht.
12
Der Beschuldigte, dessen aggressiver Impulsdurchbruch in Form der Bedrohung auch dadurch verursacht war, dass der Filialleiter zuvor seinen Überweisungsauftrag zerrissen hatte, beruhigte sich nach Ausstoßen der Drohungen letztlich selbst wieder und verließ die Geschäftsräume ohne fremdes Zutun. Auch bei dem Geschehen, welches 1998 zu einer ersten Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus geführt hatte, war er über verbale Drohungen nicht hinausgegangen und hatte sich aufgrund des Zuredens eines Polizeibeamten zum Aufgeben entschlossen. Seit seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug im Jahr 2005 hatte die Krisenintervention überwiegend durch freiwillige Aufenthalte in Kliniken der Allgemeinpsychiatrie oder verschiedenen psychiatrischen Nachsorgeeinrichtungen stattgefunden. Es kommt hinzu, dass nach den Feststellungen des Landgerichts das Ziel der Unterbringung (vgl. dazu LK/Schöch, StGB, 12. Aufl., § 63 Rn. 2), die Heilung und deutliche Verbesserung des Zustandes des Beschuldigten, durch die Maßregel nicht mehr zu erwarten ist (UA S. 24). Somit geht es bei der Unterbringung ausschließlich um den Schutz der Allgemeinheit durch Freiheitsentziehung. Dies macht die Anordnung der Maßregel zwar nicht unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - 4 StR 308/89, NStZ 1990, 122, 123), indes stellt die ungünstige Behandlungsprognose einen Umstand dar, der bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit Gewicht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 708/12, juris Rn. 40 ff.; Beschluss vom 5. Juli 2013 - 2 BvR 789/13, NStZ-RR 2013, 360 (Ls)).
13
Diese Besonderheiten sind vom Landgericht in die Erwägungen nicht einbezogen worden. Es muss deshalb erneut entschieden werden, ob die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unter diesen Umständen unerlässlich ist oder ob die Krisenintervention wie im bisher geschehenen Umfang ausreicht. Becker Pfister Hubert Schäfer Mayer

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.