Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2000 - 4 StR 635/99

bei uns veröffentlicht am01.02.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/99
vom
1. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässigen Vollrausches
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. Februar 2000
gemäß §§ 44 f., 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur weiteren Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20. August 1999 zu gewähren, wird als unzulässig verworfen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm "wegen Versäumung der Revisionsrechtfertigung gemäß § 345 I StPO Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren", ist unzulässig. Der Angeklagte hat keine Frist versäumt. Er hat die Revision vielmehr innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO mit
mehreren ausgeführten Verfahrensrügen und der ebenfalls ausgeführten Sachrüge begründet. Dem Angeklagten kann auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung der mit Schriftsatz des Verteidigers vom 21. Dezember 1999 ausgeführten weiteren Verfahrensrügen gewährt werden:
Der Angeklagte beruft sich darauf, er habe zu den weiteren Verfahrensrügen nicht rechtzeitig vortragen können, weil ihm entgegen seiner zugleich mit der Revisionseinlegungsschrift verbundenen Bitte, ihm "eine Ausfertigung der Verhandlungsprotokolle zur erneuten Einsichtnahme zur Verfügung zu stellen", durch Versehen des Gerichts erst mit Schreiben vom 17. November 1999, zugegangen am 23. November 1999, entsprochen worden sei. Allerdings kann nach der Rechtsprechung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen ausnahmsweise dann erfolgen, wenn dem Verteidiger trotz angemessener Bemühungen vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Akteneinsicht gewährt wurde und Verfahrensrügen nachgeschoben werden sollen, die ohne Aktenkenntnis nicht begründet werden können (BGH NStZ 1997, 45, 46). Dies führt hier aber schon deshalb nicht zum Erfolg, weil der Angeklagte nach § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO binnen Wochenfrist nach Wegfall des Hindernisses, hier mithin spätestens bis zum 30. November 1999, die versäumte Revisionsbegründung hätte nachholen müssen. Anders als in dem Fall BGH aaO sieht der Senat auch keinen Anlaß, dem Angeklagten insoweit Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren; denn abgesehen davon, daß der Angeklagte bzw. sein Verteidiger sich nicht auf einen Rechtsirrtum hinsichtlich der Frist zur Nachholung der versäumten Handlung berufen, fehlt es für die Wiedereinsetzung zur Anbringung der weiteren Verfahrensrügen auch an der Darlegung, daß der Verteidiger sich in angemessener Weise um rechtzeitige Akteneinsicht bemüht hat. Es
genügt nicht, daß der Verteidiger lediglich mit dem Revisionseinlegungsschreiben vom 23. August 1999 um Übersendung der Verhandlungsprotokolle ersuchte. Spätestens nachdem ihm das Urteil am 15. Oktober 1999 zugestellt und damit die Revisionsbegründungsfrist in Gang gesetzt wurde, ohne daß ihm die Verhandlungsprotokolle "erneut" zur Einsicht übersandt waren, wäre es mit Blick auf das drohende Fristversäumnis seine Aufgabe und ihm auch zuzumuten gewesen, an die Erledigung seines Akteneinsichtsersuchens zu erinnern (BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1985, 492; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 44 Rdn. 7 b).
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat weder aufgrund der in der Begründungsschrift vom 12. November 1999 ausgeführten Verfahrensbeschwerden noch aufgrund der Sachrüge einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Dezember 1999 mit der Ergänzung vom 28. Dezember 1999 (§ 349 Abs. 2 StPO).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Ernemann

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(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.