Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2018 - 4 StR 59/18

bei uns veröffentlicht am18.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 59/18
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Juli 2018 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Siegen vom 6. Oktober 2017 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten des
Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG).
ECLI:DE:BGH:2018:180718B4STR59.18.0

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts ist anzumerken :
Die Revision des Angeklagten ist unbeschadet der sich auf die nicht ausgeführte Sachrüge und einen allgemein formulierten Aufhebungsantrag beschränkenden Revisionsbegründung zulässig. Denn die mit Blick auf die Beschränkung der Rechtsmittelbefugnis in § 55 Abs. 1 JGG erforderliche Klarstellung des Angriffsziels der Revision (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2013 – 1 StR 278/13, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 6; vom 7. September 2017 – 5 StR 407/17) kann sich auch aus Umständen außerhalb der Rechtsmittelerklärung ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 aaO; BVerfG, NStZ-RR 2007, 385; OLG Hamm, ZJJ 2017, 283). Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte die ihm angelastete Tat im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung durchgängig bestritten und der Verteidiger in seinem Schlussantrag dementsprechend einen Freispruch des Angeklagten beantragt hat, wird hinreichend deutlich, dass sich der Revisionsangriff gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet.
Durch die Strafvorschrift des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB werden vor einem Kind vorgenommene exhibitionistische Handlungen tatbestandlich erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2009 – 1 StR 105/09, BGHSt 53, 283, 285; Urteil vom 24. März 1998 – 1 StR 31/98, NStZ 1998, 408 f.; zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. BT-Drucks. VI/1552 S. 17 und VI/3521 S. 37). Das Landgericht hat das vom Angeklagten beabsichtigte Entblößen vor dem zur Tatzeit dreijährigen Kind unter Berücksichtigung der festgestellten Begleitumstände zutreffend als erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB angesehen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

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Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2018 - 4 StR 59/18 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 74 Kosten und Auslagen


Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 55 Anfechtung von Entscheidungen


(1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefocht

Strafgesetzbuch - StGB | § 184h Begriffsbestimmungen


Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,2. sexuelle Handlungen vor einer anderen Person nur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen

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Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

(1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen worden sind. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn der Richter angeordnet hat, Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 in Anspruch zu nehmen.

(2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen. Hat der Angeklagte, der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter eine zulässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Berufungsurteil keinem von ihnen das Rechtsmittel der Revision zu.

(3) Der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter kann das von ihm eingelegte Rechtsmittel nur mit Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen.

(4) Soweit ein Beteiligter nach Absatz 1 Satz 1 an der Anfechtung einer Entscheidung gehindert ist oder nach Absatz 2 kein Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung einlegen kann, gilt § 356a der Strafprozessordnung entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 278/13
vom
10. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2013 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. November 2012 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
2. Über seine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Versagung einer Entschädigung im Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. November 2012 hat das Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheiden.

Gründe:

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in mehreren Fällen verurteilt und gegen ihn einen Jugendarrest von vier Wochen verhängt. Eine Entschädigung für die Untersuchungshaft sowie für weitere gegen ihn durchgeführte Ermittlungsmaßnahmen hat es ihm versagt.
2
Der Angeklagte wendet sich mit der Revision gegen das Urteil sowie mit der sofortigen Beschwerde gegen die dort getroffene Entscheidung über die Versagung von Entschädigungsansprüchen.

II.


3
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sie nicht in einer den Anforderungen aus § 344 Abs. 1 StPO genügenden Weise erkennen lässt, in welchem Umfang das tatrichterliche Urteil angefochten wird.
4
Im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Revision ist der Senat für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung in dem angefochtenen Urteil nicht zuständig.

5
1. Ein Urteil, das - wie hier mit der Verhängung von Jugendarrest - ausschließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Ziffer 3 JGG) gegen den Angeklagten anordnet, kann gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder (andere) Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist (OLG Celle, NStZ-RR 2001, 121 mwN; OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2003 - 1 Ss 708/02 - zitiert nach juris; Laue in Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, 2011, § 55 Rn. 29; siehe auch BVerfG NStZ-RR 2007, 385, 386).
6
a) Diese gesetzliche Beschränkung in dem zulässigen Angriffsziel eines gegen ein solches Urteil gerichteten Rechtsmittels wirkt sich bei der Revision auf die aus § 344 Abs. 1 StPO resultierenden Anforderungen an den vom Ge- setz verlangten Revisionsantrag aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 344 Rn. 3a; siehe auch bereits BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1998 - 4 StR 312/98, bei Böhm NStZ-RR 1999, 289, 291 zu Ziffer VI.). Um eine Umgehung der Begrenzung der im Rahmen von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG zulässigen Angriffsziele einer Revision zu verhindern, ergibt sich vor dem Hintergrund von § 344 Abs. 1 StPO, im Revisionsantrag anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten werde, für den Revisionsführer die Notwendigkeit, eindeutig (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 385, 386) klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird (OLG Celle und OLG Dresden jeweils aaO; MeyerGoßner aaO; Laue in Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, § 55 Rn. 29 aE).
7
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Juni 2013 zutreffend ausgeführt hat, ist ein solches Erfordernis der Angabe eines zulässigen Angriffsziels in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die in § 400 Abs. 1 StPO enthaltenen Beschränkungen bei Rechtsmitteln des Nebenklägers seit langem anerkannt (etwa BGH, Beschlüsse vom 6. März 2001 - 4 StR 505/00, bei Becker NStZ-RR 2002, 97, 104; vom 11. März 2004 - 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262; und vom 27. Januar 2009 - 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253). Wie bei dem sachlich begrenzten Rechtsmittel des Nebenklägers kann auch bei dem gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG beschränkt zulässigen Anfechtungsumfang die Einhaltung der Beschränkung durch das Rechtsmittelgericht wirksam vor allem über die aus § 344 Abs. 1 StPO resultierenden Anforderungen an den Revisionsantrag überprüft werden.
8
b) Mit diesem aus § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG i.V.m. § 344 Abs. 1 StPO abgeleiteten Erfordernis ist eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG) nicht verbunden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass mit dem Verlangen der eindeutigen Mitteilung eines zulässigen Angriffsziels als Mittel zur Verhinderung der Umgehung von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG ein legitimes Ziel verfolgt wird (BVerfG aaO). Ebenso ist der von dem Gesetzgeber mit der genannten Regelung verfolgte Zweck der Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens vor dem Hintergrund der von einer zügig herbeigeführten rechtskräftigen Entscheidung erwarteten erzieherischen Wirkung (dazu BT-Drucks. 1/3264 S. 46; siehe auch Schaumann, Die Rechtsmittelbeschränkung des § 55 JGG, 2001, S. 33-37; Ostendorf, JGG, 8. Aufl., Grdl. z. §§ 55 und 56 Rn. 3) von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG aaO).
9
c) Den vorgenannten Anforderungen an einen Revisionsantrag bei einem gegen ein in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG fallendes Rechtsmittel genügt die Revision des Angeklagten nicht.
10
Dessen Verteidiger hat zunächst mit Schriftsatz vom 27. November 2012 lediglich die Revision als solche eingelegt. Klarstellungen in Bezug auf ein zulässiges Angriffsziel finden sich dort nicht. Gleiches gilt für den Schriftsatz des Verteidigers vom 8. April 2013, mit dem sowohl die Revision gegen das angefochtene Urteil als auch die sofortige Beschwerde gegen die Versagung einer Entschädigung begründet worden sind. Es wird zwar mit der Revision die Aufhebung des Urteils einschließlich der Feststellungen sowie die Zurückverweisung beantragt und allgemein die Verletzung sachlichen Rechts, mit dem ausdrücklichen Hinweis, eine weitere Begründung dazu nicht abzugeben, gerügt. Weder der Revisionsantrag als solcher noch die Revisionsbegründung oder die Zusammenschau beider genügt aber den Anforderungen des § 344 Abs. 1 StPO bei gesetzlich im Angriffsziel begrenzten Rechtsmitteln.
11
Zwar reicht außerhalb solcher gesetzlicher Beschränkungen sowohl der Aufhebungsantrag als auch - ohne ausdrücklichen entsprechenden Antrag - die Erhebung der allgemeinen Sachrüge aus, um den Voraussetzungen des § 344 Abs. 1 StPO zu entsprechen. Für die hier fragliche Konstellation der Begrenzung des zulässigen Angriffsziels bedarf es aber wegen der Kontrollierbarkeit der Einhaltung eines solchen Ziels höherer Anforderungen an den Revisionsantrag. Die Erhebung der allgemeinen, nicht ausgeführten Sachrüge genügt - wie bei der Revision des Nebenklägers (Meyer-Goßner aaO § 400 Rn. 6 mwN) - gerade nicht (OLG Celle aaO; siehe auch BVerfG aaO). Es lässt sich dem nämlich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit die Anfechtung des Schuldspruchs entnehmen. Insoweit bleibt die Möglichkeit offen, dass entgegen dem durch § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG eröffneten Anfechtungsumfang das Rechtsmittel sich lediglich gegen die Art und/oder die Höhe des verhängten Zuchtmittels richtet.
12
Jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation führt der auf Aufhebung des Urteils unter Einschluss der Feststellungen lautende Revisionsantrag nicht die erforderliche Eindeutigkeit über ein zulässiges Angriffsziel herbei. Der vorgenannte Antrag könnte zwar in Richtung auf eine angestrebte Änderung des Schuldspruchs deuten (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262). Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an eine zulässige Revision des Nebenklägers anerkannt, dass ein auf vollständige Aufhebung des angefochtenen Urteils gerichteter Revisionsantrag nicht ohne Weiteres den gesetzlichen Zulässigkeitsanforderungen genügt (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1998 - 1 StR 247/98, bei Kusch NStZ-RR 1999, 33, 39; vom 9. November 2000 - 4 StR 425/00, bei Becker NStZ-RR 2001, 257, 266 f.; vom 8. Oktober 2002 - 4 StR 360/02, StraFo 2003, 15; siehe auch BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262). Vielmehr ist es erforderlich, das Verfolgen eines zulässigen Angriffsziels ausreichend deutlich zu machen.
13
In der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen an einen § 344 Abs. 1 StPO entsprechenden Revisionsantrag bei Rechtsmittelbeschränkung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG sind zudem zur Klärung der Eindeutigkeit des Ziels des Rechtsmittels auch außerhalb der Rechtsmittelerklärung selbst liegende Umstände berücksichtigt worden (vgl. OLG Celle aaO sowie BVerfG aaO). So ist - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG aaO) - u.a. dem Umstand Bedeutung zugemessen worden, dass zwar die Aufhebung des Urteils begehrt wurde, die den Schuldspruch tragenden Feststellungen ausweislich des angefochtenen Urteils aber auf der Einlassung des die Revision erhebenden Angeklagten beruhten (OLG Celle aaO).
14
So verhält es sich auch hier. Der Angeklagte hat die Begehung der Taten , wegen derer er verurteilt worden ist, eingeräumt (UA S. 38). Gerade auf dieser geständigen Einlassung beruhen die Feststellungen, in Bezug auf die Rechtsfehler nicht ersichtlich sind. Bei dieser Sachlage hätte es einer Klarstellung bedurft, dass ungeachtet dieser Grundlagen des angefochtenen Urteils der Schuldspruch und nicht lediglich (unzulässig) der Rechtsfolgenausspruch angegriffen werden soll. Daran fehlt es. Die Revision hat auf nähere Ausführungen zu der erhobenen Sachrüge gerade ausdrücklich verzichtet.
15
2. Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde (§ 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG) des Angeklagten gegen die Versagung einer Entschädigung ist der Senat nicht zuständig. Über diese hat das Revisionsgericht bei einer Entschädigungsentscheidung im Urteil lediglich dann zu befinden, wenn es zugleich über eine vom Beschwerdeführer eingelegte zulässige Revision zu entscheiden hat, weil nur in diesem Fall der erforderliche enge Zusammenhang zwischen den beiden Rechtsmitteln besteht (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2008 - 4 StR 414/08, NStZ-RR 2009, 96; vom 27. Januar2009 - 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253; und vom 9. Mai 2012 - 4 StR 649/11).
16
Für die Entscheidung über das Rechtsmittel aus § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG ist das Oberlandesgericht Stuttgart als Beschwerdegericht zuständig.
Wahl Rothfuß Jäger
Radtke Mosbacher

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 407/17
vom
7. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unterlassener Hilfeleistung
ECLI:DE:BGH:2017:070917B5STR407.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. September 2017 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung zu einem Jugendarrest von zwei Wochen verurteilt und ihn angewiesen, Arbeitsleistungen zu erbringen.
2
Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision, die der Angeklagte mit der allgemeinen Sachrüge begründet hat und die auch nur einen allgemein formulierten Aufhebungsantrag enthält, ist unzulässig.
3
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend folgendes ausgeführt: „Die Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), weil sich der nur allgemein erhobenen Sachrüge entgegen § 344 Abs. 1 Satz 1 StPO kein nach § 55 Abs. 1 JGG zulässiges Rechtsmittelziel entnehmen lässt. (…) Weder die allgemein erhobene Sachrüge noch der allgemein formulierte Aufhebungsantrag oder die Zusammenschau beider genügen den Anforderungen des § 344 Abs. 1 StPO bei gesetzlich im Angriffsziel begrenzten Rechtsmitteln. Ihnen lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, dass nach Ansicht des Beschwerdeführers allein die Schuldfrage rechtlich oder tatsächlich falsch vom Landgericht beantwortet oder die Sanktion selbst rechtswidrig sein soll. Deshalb bleibt im Unklaren , ob mit dem Rechtsmittel ausschließlich ein zulässiges Ziel verfolgt wird (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013  1 StR278/13, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 6). Das gilt hier umso mehr, als der Angeklagte die Begehung der Tat, wegen derer er verurteilt worden ist, vollumfänglich eingestanden hat. Gerade auf dieser geständigen Einlassung beruhen die Feststellungen, in Bezug auf die im Übrigen auch keine Rechtsfehler erkennbar sind. Bei dieser Sachlage hätte es zwingend der Klarstellung bedurft, dass ungeachtet dieser Grundlagen des angefochtenen Urteils der Schuldspruch und nicht lediglich (unzulässig) der Rechtsfolgenausspruch angegriffen werden soll. Diese Klarstellung ist nicht erfolgt. Das macht das Rechtsmittel unzulässig.“ Mutzbauer Dölp König Berger Mosbacher

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 105/09
vom
21. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
________________________
Der Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn das
Opfer die über das Internet übermittelten sexuellen Handlungen des Täters
zeitgleich am Bildschirm mitverfolgt.
BGH, Beschl. vom 21. April 2009 - 1 StR 105/09 - LG München I
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15. Dezember 2008 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fünf tateinheitlich begangener Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in weiterer Tateinheit mit der Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Teledienste zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten , mit der er eine Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen trat der mehrfach wegen Sexualdelikten vorbestrafte Angeklagte am Mittag des 18. Mai 2007 über das Internet in Kontakt mit den Kindern R. , M. und S. D. sowie C.
Ma. und X. P. , die zur Tatzeit zwischen fünf und 13 Jahre alt waren und an einem Computer im Wohnhaus der Familie D. /Co. in E. (Belgien) im Internet surften. Während dieser Verbindung wurden LiveBilder des Angeklagten und der Kinder mittels Webcam übertragen. Der Angeklagte , dessen Steuerungsfähigkeit wegen einer bei ihm diagnostizierten schweren Persönlichkeitsstörung und seiner exhibitionistischen Neigungen, die schon zu früheren Verurteilungen führten, erheblich im Sinne des § 21 StGB beeinträchtigt war, äußerte zunächst gegenüber S. D. , dass er sie „ficken“ wolle; außerdem fragte er sie, ob sie sich nicht ausziehen wolle. S. D. drehte daraufhin die Webcam weg und teilte dem Angeklagten mit, dass sie erst zwölf Jahre alt sei. Daraufhin schrieb der Angeklagte den Kindern zurück : „Ist egal wie alt ihr seid, willst du dich ausziehen? Ich will dich ficken“. Anschließend richtete der Angeklagte seine Webcam auf sein entblößtes Glied und führte Onanierbewegungen durch, um sich sexuell zu erregen, wobei es ihm darauf ankam, dass die Kinder seine Handlungen am Bildschirm wahrnahmen.
3
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
a) Insbesondere hat das Landgericht die Tat zu Recht als sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB („sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt“) gewürdigt. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts waren die sexuellen Handlungen des Angeklagten von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB aF (jetzt § 184g Nr. 1 StGB), indem er mit entblößtem Glied vor den Augen der Kinder onanierte. Außerdem kam es ihm bei seinen Handlungen gerade darauf an, die Kinder in das sexuelle Geschehen mit einzubeziehen. Sie sollten seine sexuel- len Handlungen wahrnehmen (vgl. BGH NJW 2005, 1133, 1135). Dies wird zum einen dadurch deutlich, dass der Angeklagte mit den Kindern über das Internet - sexualbezogen - kommunizierte. So fragte er S. D. zweimal, ob sie sich ausziehen wolle, und er äußerte ihr gegenüber wiederholt, dass er sie „ficken“ wolle. Zum anderen veränderte er die Position der Webcam vor Beginn seiner Onanierbewegungen, so dass diese direkt auf sein entblößtes Glied gerichtet war.
5
b) Dass sich der Angeklagte und die fünf Kinder bei der Tatbegehung nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befunden haben, sondern durch eine Live-Übertragung miteinander über das Internet verbunden waren, steht der Verwirklichung des Tatbestandes des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB im vorliegenden Fall nicht entgegen. Der Tatbestand ist nämlich auch dann erfüllt, wenn eine räumliche Distanz zwischen dem Täter und seinem konkreten Opfer im Wege einer simultanen Bildübertragung überwunden wird, so dass das Opfer die übermittelten sexuellen Handlungen des Täters zeitgleich am Bildschirm mitverfolgen kann (vgl. Hörnle in MK-StGB § 184f Rdn. 16).
6
aa) Nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB sollen Kinder unter 14 Jahren vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch das Erleben von exhibitionistischen Handlungen geschützt werden, die vor ihnen vorgenommen werden (BTDrucks. VI/1552 S. 17). Um dem erheblichen Schuld- und Unrechtsgehalt eines sexuellen Missbrauchs von Kindern gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber die Strafandrohung im Laufe der Jahre kontinuierlich heraufgesetzt. Waren exhibitionistische Handlungen vor Kindern in der bis 31. März 1998 geltenden Fassung noch mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, wurde diese Strafobergrenze durch das 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 164) auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe erhöht. In der heute geltenden Fassung wurde, zurückgehend auf das SexualdelÄndG vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 1607), die Mindeststrafandrohung auf drei Monate Freiheitsstrafe heraufgesetzt. Die vom Gesetzgeber vorgenommenen Veränderungen, die zu einer deutlichen Erhöhung des Strafniveaus geführt haben , belegen somit, dass eine effektive und umfassende Regelung zum Schutz der ungestörten Entwicklung von Kindern getroffen werden sollte.
7
bb) Der darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille macht deutlich, dass es nach dem Schutzzweck des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB nicht auf eine unmittelbare Nähe zwischen Täter und Opfer ankommen kann. Zwar ist die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen „vor“ einem anderen gemäß § 184f Nr. 2 StGB aF (jetzt § 184g Nr. 2 StGB) auf solche Handlungen beschränkt, die vor einem anderen vorgenommen werden, der den Vorgang wahrnimmt. Dies bedeutet aber nicht, dass sich Täter und Opfer bei der Tatbegehung zwangsläufig in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befinden müssen, was bei typischen exhibitionistischen Handlungen, die in der Regel durch eine gewisse Distanz zwischen Täter und Betrachter gekennzeichnet sind, ohnehin selten vorkommen dürfte. Durch die in § 184f Nr. 2 StGB aF verwendete Formulierung soll vielmehr klargestellt werden, dass für die Verwirklichung des Straftatbestandes nicht die räumliche Gegenwart des Opfers bei Vornahme der sexuellen Handlungen ausschlaggebend ist, sondern die unmittelbare Wahrnehmung des Opfers von dem äußeren Vorgang der sexuellen Handlung (BTDrucks. VI/3521 S. 37). Ohne diese Wahrnehmung, die nicht notwendig auf das Visuelle beschränkt sein muss, fehlt es an einer intellektuellen Einbeziehung des Kindes in die sexuelle Handlung und damit an einer vom Strafzweck erfassten Einwirkung auf das Kind (vgl. BTDrucks. VI/3521 S. 25 zu § 174 Abs. 2 StGB).
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Dass es bei der Verwirklichung des Tatbestandes des § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB maßgeblich auf die Wahrnehmung des Kindes ankommt und nicht auf eine unmittelbare räumliche Nähe zwischen Täter und Opfer, wird auch bei einem Vergleich mit den übrigen in § 176 Abs. 4 StGB enthaltenen Tatbestandsvarianten deutlich. Keine der in § 176 Abs. 4 Nr. 2 bis 4 StGB genannten sexualbezogenen Einwirkungen auf ein Kind erfordert eine unmittelbare räumliche Nähe zwischen Täter und Opfer. Selbst Tathandlungen, die wie in § 176 Abs. 4 Nr. 3 und 4 StGB von wesentlich geringerer Intensität sind, als die von § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB erfassten, und dennoch die selbe Strafandrohung aufweisen, setzen eine unmittelbare räumliche Beziehung nicht voraus. Vielmehr stellen auch diese Varianten, die für die Tatbestandsverwirklichung ein Einwirken auf ein Kind mittels bloßer Gedankenäußerung, etwa durch Schriften im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB176 Abs. 4 Nr. 3 StGB) oder durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch Reden mit entsprechendem Inhalt (§ 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB), ausreichen lassen, wesentlich auf die Wahrnehmung solcher Gedankenäußerungen durch das Kind ab. Nichts anderes kann deshalb für die von § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB erfassten sexuellen Handlungen gelten, zumal der Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestands durch das 4. StrRG vom 23. November 1973 (BGBl I 1725) noch nicht mit der Möglichkeit der Live-Übertragung sexueller Handlungen mittels Webcam und Internet rechnen konnte (vgl. Hörnle in MKStGB § 184f Rdn. 15).
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Dem steht auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 1995 (BGHSt 41, 285) entgegen. In dieser verneinte der Bundesgerichtshof eine Strafbarkeit nach § 176 Abs. 5 Nr. 2 StGB („ein Kind dazu bestimmt , dass es sexuelle Handlungen vor ihm oder einem Dritten vornimmt“) in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung in einem Fall, in dem der Täter nur über eine Telefonverbindung ein Kind zu sexuellen Handlungen „vor ihm“ bestimmen wollte, weil es an einer räumlichen Nähe zwischen Täter und Opfer fehlte. Danach - ersichtlich auch mit Blick auf diese Entscheidung - änderte der Gesetzgeber die Fassung der Vorschrift dahin, dass das Kind sexuelle Handlungen „an sich“ vornimmt (§ 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB in Kraft seit dem 1. April 1998). Mit dieser erweiterten Fassung wollte der Gesetzgeber gerade auch den Fall erfassen, „dass sog. Verbalerotiker Kinder durch Telefonanrufe“ zu sexuellen Manipulationen veranlassen (BTDrucks. 13/9064 S. 11). Erfasst werden damit auch durch den Täter veranlasste akustische oder optische Aufzeichnungen der sexuellen Handlungen des Opfers, bei denen der Täter sich nicht in räumlicher Nähe zu dem Kind befindet (Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 176 Rdn. 13).
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cc) Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies, dass das Landgericht zu Recht von einer Strafbarkeit des Angeklagten nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ausgegangen ist. Auch wenn sich der Angeklagte und die fünf Kinder nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befunden haben, so konnten die Opfer das entblößte Glied und die Onanierbewegungen des Angeklagten aufgrund der simultanen Bildübertragung mittels Webcam und Internet am Bildschirm ihres Computers unmittelbar wahrnehmen und verfolgen. Bei dieser Fallgestaltung kann es keinen Unterschied machen, ob sich der Täter mit seinen Opfern im selben Raum befindet und sich entblößt oder ob er die mittlerweile bestehenden technischen Möglichkeiten zur Überwindung der räumlichen Distanz nutzt, um seine sexuellen Triebe auf diese Weise auszuleben. Gerade die Möglichkeiten , die das Internet und der Einsatz einer Webcam für einen Täter bieten , nämlich dass er, wie im vorliegenden Fall, in eine Interaktion mit seinen Opfern tritt bzw. die Webcam zu Nahaufnahmen seines Gliedes einsetzt, führen zu einem intensiveren Erleben des Tatgeschehens durch das Opfer als dies bei einem Exhibitionisten in der Regel der Fall ist, der sich von seinen Opfern entfernt entblößt (vgl. Sander, Zur Beurteilung exhibitionistischer Handlungen S. 51). Im Hinblick auf den Willen des Gesetzgebers besteht kein Zweifel daran, dass Kinder zum Schutz ihrer ungestörten Gesamtentwicklung vor solchen Wahrnehmungen umfassend bewahrt werden sollen.
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c) Der Rechtsfolgenausspruch ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom 2. März 2009 dargelegt hat - ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere bestehen gegen die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB im Hinblick auf seine zahlreichen und erheblichen einschlägigen Vorstrafen keinerlei Bedenken (vgl. zu den Anordnungsvoraussetzungen bei exhibitionistischen Handlungen BGH NStZ-RR 1999, 298).
Nack Elf Graf
Jäger Sander

Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
sexuelle Handlungennur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind,
2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Personnur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.