Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2019 - 4 StR 591/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO analog beschlossen:
a) abgeändert aa) im Schuldspruch im Fall B.I.4. der Urteilsgründe dahingehend, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist; bb) im Ausspruch über die Einziehung dahingehend, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 20.000 Euro, davon in Höhe von 1.000 Euro als Gesamtschuldner angeordnet ist;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Ausspruch über aa) die Einzelstrafe im Fall B.I.4. der Urteilsgründe sowie bb) die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen es drei Monate für bereits voll- streckt erklärt hat. Außerdem hat es die „Einziehung des Wertes des Taterlang- ten“ in Höhe von 20.000 Euro angeordnet.
- 2
- Gegen seine Verurteilung richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 7. Januar 2019 der Erfolg versagt.
- 4
- 2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht vollumfassend stand. Im Fall B.I.4. der Urteilsgründe kann die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – nebendem rechtsfehlerfrei ausgeurteilten unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – nicht bestehen bleiben, weil die Urteilsgründe eine (mittäterschaftliche) Einfuhr von Betäubungsmitteln (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB) durch den Angeklagten N. nicht belegen.
- 5
- a) Nach den Urteilsfeststellungen erwarb der gesondert Verfolgte L. am 27. April 2016 „absprachegemäß, dem gemeinsamen Tatplan mit dem Angeklagten N. entsprechend“ in Tschechien 98,75 g Methamphetamin (72,61 Gramm Methamphetaminbase), die er am Nachmittag desselben Tages per Zug in die Bundesrepublik verbrachte und die nach dem Grenzübertritt bei ihm aufgefunden und sichergestellt wurden.
- 6
- b) Zwar erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Voraussetzung dafür ist nach den auch insoweit geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2015 – 4 StR 144/15, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3; vom 14. Februar 2017 – 4 StR 578/16, NStZ-RR 2017, 146 mwN). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder keinen Tatherrschaftswillen hat (BGH, Beschluss vom 8. September 2016 – 1 StR 232/16, juris Rn. 14; Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 578/16, NStZ-RR 2017, 146 f. mwN). Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein (BGH, Beschlüsse vom 31. März 2015 – 3 StR 630/14, StV 2015, 632; vom 8. September 2016 – 1 StR 232/16, aaO).
- 7
- Ausgehend hiervon tragen die Urteilsfeststellungen lediglich die Verurteilung wegen (mittäterschaftlichen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, nicht aber wegen deren unerlaubter Einfuhr. Eine irgendwie geartete Einflussnahme auf die Durchführung des Einfuhrvorgangs weisen die Urteilsgründe nicht aus. Allein aus dem Umstand, dass der Ankauf der Drogen in Tschechien und ihr beabsichtigter Verkauf im Bundesgebiet einem „gemeinsamen Tatplan“ des gesondert Verfolgten L. und des Angeklagten entsprachen, lässt sich ein maßgebliches Abhängen der Durchführung und des Ausgangs der Betäubungsmitteleinfuhr auch vom Willen des Angeklagten nicht ableiten.
- 8
- c) Da weiter gehende Feststellungen, die eine Beteiligung des Angeklagten an der Einfuhr der Betäubungsmittel rechtfertigten könnten, nicht mehr zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO – unter Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ab.
- 9
- 3. Die mit der Änderung des Schuldspruchs einhergehende Milderung des Strafrahmens zieht die Aufhebung der für diesen Fall verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten nach sich. Daher kann auch der Gesamtstrafenausspruch nicht bestehen bleiben. Die Kompensationsentscheidung bleibt hiervon unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 134, 138).
- 10
- 4. Die Einziehungsentscheidung war um die gesamtschuldnerische Mithaftung des gesondert Verfolgten L. wegen des Teilbetrags von 1.000 Euro zu ergänzen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 7. Januar 2019 zutreffend ausgeführt: „Hinsichtlich der im Fall I.3.a) geleisteten Anzahlung von 1.000 Euro an L. (UA S. 23) ergibt sich aus der dem Tatplan entsprechenden untereinander erfolgten Aufteilung, dass der Angeklagte – wie auch L. – vor Teilung Mitverfügungsgewalt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 5 StR 624/17) an den gesamten 1.000 Euro hatte. Aus diesem Grund besteht in Höhe dieses Betrages auch eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Tatbeteiligten L. . Den Ausspruch über die gesamtschuldnerische Haftung kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nachholen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2018 – 4 StR 126/18; vom 18. Juli 2018 – 2 StR 245/18 – mwN).“ Sost-Scheible Roggenbuck Quentin Feilcke Bartel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.