Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2018 - 4 StR 578/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 16. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten gemeinschaftlichen schweren Raubes in drei Fällen und Diebstahls und den Angeklagten M. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten gemeinschaftlichen schweren Raubes in zwei Fällen und Diebstahls schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagten zu Einheitsjugendstra- fen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und deren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
- 2
- Die Revisionen der Angeklagten, die jeweils auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt sind, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 3
- Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zu den Schuldsprüchen keinen die Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 14. Dezember 2017 Bezug.
II.
- 4
- Jedoch können die Rechtsfolgenaussprüche nicht bestehen bleiben.
- 5
- 1. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass das Landgericht geprüft hat, ob gemäß § 5 Abs. 3 JGG von Jugendstrafe abzusehen war, weil deren Verhängung im Hinblick auf die für beide Angeklagten gleichzeitig erfolgten Unterbringungsanordnungen entbehrlich ist. Bei schuldhaft begangenen Straftaten eröffnet § 5 Abs. 3 JGG die Möglichkeit, von der an sich erforderlichen Verhängung von Jugendstrafe abzusehen, wenn sie als zusätzliche erzieherische Maßnahme wegen der Maßregelanordnung nicht erforderlich ist. Die Vorschrift trägt damit dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1992 – 3 StR 434/92, BGHSt 39, 92, 95). Dass eine Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG im vorliegenden Fall ausscheidet, versteht sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch nicht ohne Weiteres von selbst.
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- Zwar betrifft der Rechtsfehler unmittelbar nur die Verhängung der Jugendstrafe. Wegen des durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs zwischen Strafe und Unterbringung (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 4 StR 134/09, NJW 2009, 2694) hebt der Senat den Rechtsfolgenausspruch insgesamt auf.
- 7
- 2. Zudem leidet der Maßregelausspruch auch für sich betrachtet an einem durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil beider Angeklagten. Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil keine Feststellungen zur voraussichtlichen Dauer der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt getroffen. Dem Senat ist daher die Prüfung der Frage verwehrt, ob die nach § 64 Satz 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht gegeben ist. Diese bestünde nur, wenn die nach § 67d Abs. 1 StGB zulässige Höchstdauer der Unterbringung nicht überschritten wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. April 2012 – 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292; vom 27. März 2013 – 4 StR 60/13, jeweils mwN).
- 8
- 3. Der Senat hebt entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts die zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen mit auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen zur Verhängung einer Jugendstrafe unter Berücksichtigung von § 5 Abs. 3 JGGeinerseits und zur Therapiedauer im Rahmen der Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB andererseits zu ermöglichen.
Bender Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.
(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.
(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.
(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.
(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.
(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.